Adelbert von Chamisso
1781 - 1838
Gedichte in zeitlicher Folge
1831
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Kleidermacher-Muth.
Und als die Schneider revoltiert, –Courage! Courage!So haben gar grausam sie massakriertUnd stolz am Ende parlamentiert:Herr König, das sollst du uns schwören.
Und drei Bedingungen wollen wir stelln: –Courage! Courage!Schaff ab, zum ersten, die Schneider-Mamselln,Die das Brod verkürzt uns Schneider-Geselln;Herr König, das sollst du uns schwören.
Die brennende Pfeife, zum andern, sei –Courage! Courage!Zum höchsten Aerger der Polizei,Auf offener Straße uns Schneidern frei;Herr König, das sollst du uns schwören.
Das dritte, Herr König, noch wissen wir's nicht, –Courage! Courage!Doch bleibt es das Beste an der ganzen Geschicht,Wir bestehn auch darauf bis ans Jüngste Gericht;Das dritte, das sollst du uns schwören.
Memento.
Wer nennt mir diesen Flüchtling, diesen Alten,Der zitternd führt den Wanderstab zur Hand,Und bleich die Stirne zieht in düstre Falten?Besudelt scheint mir Purpur sein Gewand,Und auf der Stirne, welch ein seltsam Mal?War der ein König über dieses Land?Er war es gestern, und zum dritten MalEntfleucht er, und zum letzten, seinen Reichen,Worüber nicht mit Weisheit er befahl.Und nun? – Er hofft die Fremde zu erreichen,Das fremde Land, wo ihm des Fremden GnadeDas bittre Brod des Mitleids möge reichen.Gelangend an das Meer auf scheuem Pfade,Wo Schiffe, fremde Schiffe, seiner warten,Blickt er zurück zur Heimath vom Gestade;Und lauscht – dem trunknen Freudenruf, dem harten,Der himmelangetragen widerhalltInmitten neuerblühtem Friedensgarten:«Zerriß er den Vertrag doch selbst, da galtEs nur das Fest der Freiheit zu erneuen;Er stand allein, und drohte mit Gewalt!»Die Stimmen nur von wenigen GetreuenErheben sich, die, vor den freud'gen Scharen,Sich seinen Stern nicht zu betrauern scheuen,Die Stimmen derer, muß er nun erfahren,Die er verstieß mit Unbill und mit Schmach,Weil Thoren nicht, weil Knechte nicht sie waren. – –Und solchem Bilde sinnt der Dichter nach,Verstummt, von Gunst und Mißgunst gleich entfernt;Er sinnt und weint, sein Saitenspiel zerbrach.Ihr Mächtigen der Erde! schaut und lernt!
Mateo Falcone, der Korse.
Von wessen Rufe hört man widerhallen,Die her zu diesen Höhen führt, die SchluchtVon Porto-vecchio? Flintenschüsse fallen.Die Gelben sind's, die Jäger, und es suchtVor ihnen her den Buschwald zu erreichenEin schwer Verwundeter in scheuer Flucht.Aus dem Gehöfte will ein Kind sich schleichen,Zu spähen, was bedeute solcher Ton;Er siehet vor sich stehn den Bluth'gen, Bleichen. –«Du bist, ich kenne dich, Falcones Sohn;Ich bin Sampiero; hilf mir, feines Kind,Verstecke mich, die Gelben nahen schon.» –«Ich bin allein, die beiden Eltern sindHinausgegangen.» – «Schnell denn und verschlagen!Wohin verkriech ich mich? sag an, geschwind.» –«Was aber wird dazu der Vater sagen?» –«Der Vater sagt, du habest recht gethan;Und du zum Dank sollst diese Münze tragen.»Die Münze nahm der Knabe willig an.Ein Haufen Heu, der sich im Hofe fand,Verbarg den bluthigen zerlumpten Mann.Dann gieng das Kind, des Bluthes Spur im SandAustretend, nach dem äußern Thor besonnen,Wovor schon lärmend der Verfolger stand.Es war der Vetter Gamba. – «Wo entronnen,Sprich, Vetter Fortunato, ist der Wicht,Dem wir die Fährte hierher abgewonnen?» –«Ich schlief.» – «Ein Lügner, der vom Schlafe spricht!Dich hat zu wecken mein Gewehr geknallt.» –«Noch knallt es wie des Vaters Büchse nicht.» –«Antworte, Bursche, wie die Frage schallt;Und führst du solche Reden mir zum Hohne,So schlepp ich dich nach Corte mit Gewalt.» –«Versuch es nur, mein Vater heißt Falcone.» –«Ich aber werde deinem Vater sagen,Daß er mit Schlägen dir die Lüge lohne.» –«Ob er es thut, das möchte noch sich fragen.» –«Wo ist dein Vater? sprich!» – «Ich bin allein,Im Buschwald wird er sein, ein Wild zu jagen.»Und Gamba zu den Untergebnen sein:«Hier führt, ich traf ihn gut, die Spur des Bluthes;Durchsucht das Haus, er wird zu finden sein.»Ein Jäger drauf: «So Ihr es wollt, so thut es;Doch solltet Ihr's erwägen, Adjudant,Uns bringt Falcones Feindschaft nimmer Gutes.»Er aber stand unschlüssig, abgewandt,Und stach ins Heu, nachlässig, in Gedanken,Wie einer, der das Rechte nicht erkannt.Der Knab indessen spielte mit dem blankenGehenke seiner Uhr, und schob gelindeIhn vom Versteck zurück des armen Kranken.Und wieder freundlich sprach er zu dem Kinde:«Du spielst mit meiner Uhr und hast noch keine;Die hatt ich dir bestimmt zum Angebinde.» –«In meinem zwölften Jahr bekomm ich eine.» –«Bist zehn erst alt, betrachte diese nur.»Und blinkend hielt er sie im Sonnenscheine.Gar argen Glanzes funkelte die Uhr;Das zierliche Gehäus so blank und klar,Die Nadeln Gold, das Zifferblatt Lasur. –«Wo steckt Sampiero?» – «Wird dein Wort auch wahr?» –Dem Knaben schwur er zu mit teuerm Eide,Daß sie der schnöde Preis des Bluthes war.Des Knaben Rechte hob nach dem GeschmeideSich langsam zitternd; niederwärts sich neigendBerührt' es sie; ihm brannt das Eingeweide.Da hob sich auch die Linke, rückwärts zeigend,Und gab den Schützling dem Verfolger bloß;Geschlossen war der Kauf, der arge, schweigend.Da ließ der Adjudant die Kette los;Das Kind, vom köstlichen Besitz befangen,Vergaß sich selbst und des Verrathnen Los.Und Gamba ließ hervor den Flüchtling langen,Der blickte stumm verächtlich auf den KnabenUnd gab dem Jäger willig sich gefangen. –«Ihr müßt, Freund Gamba, schon die Güte haben,Schafft eine Bahre her, ich kann nicht gehen;Verbluthet hab ich mich, im Heu vergraben.Ihr seid ein Schütz, man muß es Euch gestehen;'s ist aus mit mir; Ihr habt mich gut gefaßt,Doch habt Ihr auch, was ich vermag, gesehen.»Und menschlich sorgte man und freundlich fastFür einen, den man doch als tapfer priesUnd, wo es galt, als Gegner nur gehaßt.Die Münze reicht' ihm Fortunat, er stießZurück den Knaben, welcher voller SchamEntwich und jenen Thaler fallen ließ.Falcone jetzt mit seinem Weibe kamVom Walde her; um sein Gehöfte sahEr Jäger schwärmen, was ihn Wunder nahm.Schußfertig, kühn, vorsichtig naht' er da,Und hieß das Weib der zweiten Büchse pflegen,Wie's Brauch ist, wo der Schütz dem Feinde nah'.Ihn kennend gieng ihm Gamba schnell entgegen. –«Verkennt den Freund nicht!» – Langsam stieg der LaufDer Büchse, die im Anschlag schon gelegen. –«Wir hatten, Vetter, einen weiten Lauf,Der Tag war heiß, wir haben ihn erjagt,Doch giengen auch der Unsern zwei darauf;Ich meine den Sampiero.» – «Was Ihr sagt!Sampiero, der die Ziege mir geraubt,Vom Hunger freilich wohl, und scharf geplagt.» –«Er hat gefochten, wie es keiner glaubt;Wir haben ihn, und danken's Fortunato,Der uns geliefert sein geächtet Haupt.»Der Vater rief entrüstet: «Fortunato?» –Die Mutter sank zusammen wie gebrochen,Und wiederholte schaurig: «Fortunato?» –«Er hatte dort sich in das Heu verkrochen,Der Vetter zeigt' ihn an; man soll's erfahren,Und ihm und Euch wird hohes Lob gesprochen.» –Sie traten an das Haus; die Jäger warenGeschäftig und bemühet um den Alten,Die Bahre wohl mit Mänteln zu verwahren.Und wie zu seinem Ohr die Schritte schallten,Und er sich umgesehen, wer genaht;Da konnt er nicht zu lachen sich enthalten;Ein Lachen, gar entsetzlich in der That.Das Haus anspeiend schrie er: «Lug und Trug!In diesen Mauern hauset der Verrath!» –Erbleichend, zitternd hört's Falcone, schlugVors Haupt sich die geballte Faust, und stummVerharrt' er, bis man fort den Alten trug.Es sah sich Gamba grüßend nach ihm um;Er merkt' es nicht, er ließ die Truppe ziehen,Er starrte zu dem Knaben taub und stumm.Es will vor ihm das Kind erzitternd knieen,Er schreit es an: «Dein erstes Stück war gut!Zurück von mir!» – Es hat nicht Kraft zu fliehen. –Und zu der Frau gewandt: «Ist der mein Bluth?» –«Ich bin dein Weib» – und ihre bleichen WangenErglühen schnell von wundersamer Gluth. –«Und ein Verräther!» – Ihre Blicke hangenAn ihrem Kinde, sie erspäht die Uhr:«Von wem hast dieses Kleinod du empfangen?» –«Vom Vetter Gamba.» Heftig an der SchnurSie reißend, schleudert und zerschellt FalconeAn einen Stein der That verhaßte Spur.Dann starrt er vor sich hin, und scharrt, wie ohneGedanken, mit dem Kolben in dem Sand,Und rafft sich endlich auf und ruft dem Sohne:«Mir nach!» Das Kind gehorcht. Er selbst, zur HandSein trautes Feuerrohr, nimmt durch die HeideDen Richtpfad nach dem nächsten Waldesrand.Ihn hält die Mutter schreckhaft an dem Kleide:«Dein Sohn, dein einz'ger Sohn, den Gott dir gab,Den mit Gelübden wir erflehten beide!»Und er: «Ich bin sein Vater, drum, laß ab!»Da küsset sie verzweiflungsvoll den KleinenUnd schaut ihm nach bis in den Wald hinab.Dann geht sie, vor das Heil'genbild der reinenGebenedeiten Mutter sich alleinZu werfen, und zu beten und zu weinen.Falcone hält im Wald am schwarzen Stein,Versucht den Boden und erwählt die Stätte;Hier ist die Erde leicht, hier wird es sein.«Knie nieder, Fortunato, knie und bete.»Der Knabe kniet und winselt: «Vater, Vater!Du willst mich töten?» – Und der Vater: «Bete!»Und weinend, schluchzend stammelt er das Pater;Mit fester Stimme spricht der Vater: «Amen!»Und weiter stammelt er das Ave Mater. –«Bist du nun fertig?» – «Von den KlosterdamenErlernt ich noch die Litanei so eben.» –«Sehr lang ist die; jedoch, in Gottes Namen!»Er hat gebetet. – «Vater, laß mich leben,O töte mich noch nicht!» – «Bist du am Schluß?» –«Vergib mir –» «Gott, der möge dir vergeben!»Die Hände streckt er aus – da fällt der Schuß.Vom Leichnam wendet sich der Vater ab,Und heimwärts schreitend wanket nicht sein Fuß.Sein Aug ist dürr, mit seines Alters StabSein Herz gebrochen. Also holt der MannDen Spaten, um zu graben dort das Grab.Die Mutter stürzt beim Schuß entsetzt heran,Sie stürmet händeringend auf ihn ein:«Mein Kind! mein Bluth! Was hast du nun gethan?» –«Gerechtigkeit. – – Er liegt am schwarzen Stein.Ich laß ihm Messen lesen, der als ChristGestorben ist, und also mußt es sein.Sobald du aber selbst gefaßter bist,Verkünde unserm Tochtermann Renzone,Daß meine wohlerwogne Meinung ist,Daß künftig er mit uns mein Haus bewohne.»
Die Versöhnung.Korsische Geschichte.
Die echten Korsen, welche selten nurVon des Gebirges Höhn zu Thale steigen,Erfüllen heut Ajaccios Präfektur.Was bringt den tief gehegten Groll zum Schweigen,Den diese freien Männer fort und fortZu den Beherrschern ihres Bodens zeigen?Zwei Gruppen bilden sie im Saale dort;Sie trennt der Haß und spricht aus ihren Mienen,Doch eignet sich zu Thaten nicht der Ort.Zwei Sippen sind es, Bluth ist zwischen ihnen,Und Bluth will Bluth; dem Spruche zu genügenHat vielen schon der letzte Tag geschienen.Ein Greis mit düsterm Blick und hohlen Zügen,Mit langem schwarzem Bart und weißem Haar,Scheint ungewohnt dem Zwange sich zu fügen;Denn unterm Ziegenfell sucht immerdarDie Hand des Dolches Griff und hält sich kaum;Er scheint das Haupt zu sein der einen Schar.Bereitet ist ein Tisch im mittlern Raum,Darauf das Kruzifix ist aufgerichtet;Der Anblick hält die Männer nur im Zaum.Ein Bote Christi, der für sich verzichtet,Ein Missionar, bekannt den Bergessöhnen,Bei welchen viele Fehden er geschlichtet,Hofft diese beiden Stämme zu versöhnen,Die hier er am Altar zusammen brachte;Er schaut sie scharf an, seine Worte tönen:«So wie ich, meine Brüder, euch betrachte,Die Trotz ihr jeder Fährlichkeit wohl bötet,Von euch ist keiner, dem es Schande machte,Daß nicht er mindstens seinen Mann getötet?» –Geständig sahn die Männer frei empor,Zur Erde nur ein Knabe schamgeröthet.Da donnerte des Priesters Wort hervor:«Du hörst es, Gott am Kreuze; hör es nicht!Verschließe solchem frechen Hohn dein Ohr!Geh nicht mit diesen Mördern ins Gericht;Du hast für sie dein teures Bluth gezahlt,Das nun Verdammniß über alle spricht.Nicht einer, nein, nicht einer, der nicht prahlt,Er habe dir zum Hohn die Hände rothMit deinem, deiner Brüder Bluth bemalt!Es sei denn dieser Knabe – dein GebotGehalten noch zu haben, sinnt verdrossenEr schon vielleicht auf seines Bruders Tod.Es hat ihr Dolch des Bluthes mehr vergossen,O Heiland! als von deinen heil'gen Malen,Von Sünde sie zu retten, ist geflossen.Ihr seht mich küssen sie zu vielen Malen,Benetzen sie mit heißen Thränengüssen; –Denkt eures Heiles und der Hölle Qualen;Denkt Christi, der nach ewigen BeschlüssenFür euch, ihr Sünder, Schmach und Tod erkor; –Erfrecht ihr seine Wunden euch zu küssen?»So hielt das Kruzifix er ihnen vor,Sie scharfen Blickes prüfend, ob die SaatAuf harten Felsen fallend sich verlor?Gerührt, gebeugt und reuig in der ThatErweisen sich die Männer, sonst so wild;Es haben die Getrennten sich genaht.«Versöhnung!» spricht der Friedensbote mild,«Lobt Christum, der euch hier zusammenführt,Verzeiht, vergeßt und thut nach seinem Bild.»Schon haben auf dem Kreuze sich berührtZwei Hände, schaudernd schnell sich auch getrennt,Als habe jede heißes Gift verspürt.Denn Recco, jener grimme Greis, erkenntSich gegenüber eben den Verhaßten,Den er den Mörder seines Sohnes nennt.Das Angesicht erglüht dem Schmerzerfaßten,Die alten Wunden brechen auf, es waltenDer Zorn, der Rachedurst nach kurzem Rasten;Noch stehet tiefgebückt – ob vor dem Alten,Ob vor dem Kruzifix? – der Jüngling bleich,Erwartend, ob Vergebung zu erhalten;Noch kämpft mit seinem Herzen schmerzenreich,Gesicht und Farbe wechselnd oft, der Greise;Noch spricht die Gnade, schreit die Rache gleich.Und feierliche Stille herrscht im Kreise,Indes an ihm die scheuen Blicke hangen;Er endlich schwer aufatmend redet leise:«Mein Sohn! – an meinem Sohn ward Mord begangen. –Er sollte meines Namens Erbe sein! –Er hat im Elsenbusch den Schuß empfangen. –Still! Gnecco, still! – dort warst du nicht allein –Ein andrer... Still! – Ich will's vergessen. Schweige!Von seinem Bluth sind deine Hände rein. –Mein alter Stamm treibt fürder keine Zweige,Nur eine Tochter schmückt noch seine Kron;Es geht mit meinen Tagen auf die Neige.Du, Gnecco, liebst die Maid, ich weiß es schon, –Mag werden, was ich früher nicht geglaubt, –So nimm sie, und ersetze mir den Sohn.» –Ihm lag der Sohn in Armen sprachberaubt,Er aber mußte schaudernd sich gewöhnen,Noch lieb zu hegen das verfemte Haupt.«Bin müde», rief er aus, «dem Haß zu frönen!Ich that den ersten Schuß – vor Zeiten – dort, –Vergeltung ward verübt an meinen Söhnen.Vier Söhne raffte dieser Zwist mir fort,Ich selber blieb verschont auf diesen Tag;Der alte Stamm, der Aeste bar, verdorrt. –Hochwürd'ger Herr, laßt zeichnen den Vertrag,Wer weiß, wie sonst der Menschen Sinn sich wenden,Und was die nächste Stunde bringen mag! –Noch laßt das Kruzifix in meinen Händen, –Ich war ja Christ, bevor ich Vater war, –Ich will das Gutbegonnene vollenden.»Die Schrift verlas darauf der Missionar,Darin des Gottesfriedens Klauseln standen,Und ließ sie unterzeichnen am Altar;Und denen, die zu schreiben nicht verstanden,Führt' er die Hand zu eines Kreuzes Mal,Wodurch sie sämtlich eidlich sich verbanden.Er zählte dann die Zeichen allzumal,Und wieder überzählt' er sie, und fand,Es fehle noch ein Zeichen an der Zahl.Und abseits mit den Seinen hadernd stand,Der nicht gezeichnet hatte, jener Knabe,Und streckte gegen Recco seine Hand:«Mein Vater schreit um den aus seinem Grabe!Ich feilsche nicht um meines Vaters Bluth,Denn Bluth will Bluth, wie ich gelernet habe.Fürwahr! der Priester hat zu reden gut,Mein Vater, nicht sein Vater, ward erschlagen; –Laßt ab von mir, schaut selber, was ihr thut.Noch seh ich her die bluth'ge Leiche tragen,Sie legen auf den Tisch und dann entkleiden,Und höre wild umher die Weiber klagen.Die Mutter nur verschloß in sich ihr Leiden,Sie weinte nicht, sie schien in starrer RuhAm grenzenlosen Jammer sich zu weiden.Sie führte mich, das Kind, der Leiche zu:Blick her! blick her! die meuchlerische Wunde, –Du bist ein Kind, doch wirst ein Mann auch du;Und hast, den Ernst zu fassen, du gesundeGedanken, zeig es, raffe dich zusammen, –Versprich mir, zu gedenken dieser Stunde.»Des Priesters Eifer lodert auf in Flammen:«Tomasio! sei ein Christ!» Doch er im Flug:«Hört erst mich aus, dann mögt Ihr mich verdammen.Ich frug: Was soll ich thun? wie so ich frug,Gab sie das Hemd des Vaters mir zu eigen,Das an der Brust, hier, bluth'ge Spuren trug,Und sprach: Mich wissen lassen, keinem FeigenSei's worden, diesen Tapfern zu beerben;Das mußt du mir an Reccos Hemde zeigen.Du mußt es roth, so wie das deine, färben,Denn Bluth will Bluth, das ist der alte Brauch; –Und auf das Wort der Mutter will ich sterben.So schwör ich...» – «Knabe! schwöre nicht; der Hauch,Womit du Gottes Namen sprichst, ist Sünde!» –Er murrte: «Was ich schwöre, halt ich auch.»Es schien, als ob der alte Recco stündeOb Stolz und Reue schwankend, zweifelnd wogEr schuldbewußt im Herzen beider Gründe;Und endlich trat er vor das Kind und bogDas steife Knie vor ihm, demüthig fast,Die Hand ergreifend, die sich ihm entzog:«Tomasio, diesem jungen Manne hastDu mich verzeihen sehen, der, vielleicht...Sie sagen's, legen ihm die That zur Last –Auch du wirst Vater und erfährst, es gleichtDer Vaterliebe nimmer Kindespflicht;Von Marmor war mein Herz, es ist erweicht.Und wenn das Fleisch von meinem Fleische nichtZu rächen ich, der Vater, mich bezwungen,So leuchtet wohl auch dir der Gnade Licht.»Den Grimm zu hegen war es nicht gelungenDem Knaben, der gerührt nicht wollte scheinen,Und seine Thränen immer noch verschlungen.Sich sträubend wandt er schnell sich zu den Seinen,Er sah zu ihm die Hände sich erhebenWie bittend, und die Augen aller weinen.Noch wollt er tückisch seine Hand nicht gebenUnd fühlte, wie er sie dem Greis entrang,Sie in der Hand des Friedensboten beben.Der zog – war's Ueberredung, war es Zwang? –Ihn vor, im Namen Christi, zum Altar;Ein Ruf, der endlich ihm zu Herzen drang.Die Feder reicht' er ihm zum Zeichen darAm Fuß des Kruzifixes, wo entfaltetDas Dokument des Gottesfriedens war,Und führte seine Hand, bis er gestaltetDas Kreuz, das letzte noch von allen Zeichen:«Es ist vollbracht, der Gottesfriede waltet!Laßt, meine Brüder, uns die Hände reichen.»
Das Kruzifix.Eine Künstler-Legende.
1
Mit Ingrimm mochte nur sein Werk betrachtenDer Meister, der davor nachsinnend stand;Er ward versucht sich selber zu verachten.Er hat mit Kunst, mit Fleiße, mit VerstandDas Bild des Heilands hingestellt, alleinEin Bild, ein todtes Bild von Menschenhand.Das Leben drang in diesen Block nicht ein;Nicht kann, was Fleisch nicht ward, den Schmerz empfinden,Der tück'sche Marmor bleibt ein starrer Stein.Mag Ebenmaß und schöne Form sich finden,Nicht will des kunstgeübten Meißels SpurVor der erwachenden Natur verschwinden:Natur! o wende dich nicht ab, Natur!Ich will zum Ideal dich schon erheben;Allein du schweigst, ein Pfuscher bin ich nur!Und eingetreten in die Werkstatt eben,Dem Meister steht ein Jünger seiner KunstZur Seite, frommem Anschaun hingegeben.Der buhlet um derselben Muse Gunst,Berauschet sich am Anblick hier des Schönen,Und fühlt, sein eignes Streben sei nur Dunst.Zu ihm der Meister: «Willst du mich verhöhnen?Du staunest diesen kalten Marmor an,Als wolltest du dem Tode dich gewöhnen.»Der Fremde drauf: «Du wundersamer Mann,Mag deinen Christus auch des Todes RuhSo schweigsam, so absonderlich umfahn;Dem Großen, Schönen schau ich staunend zu,In mich es lernbegierig einzusaugen;Was da ist, frag ich bloß, was mangelt, du.»Und auf dem Fremden ruhn des Meisters Augen –Der Jugend Kraft, der hohen Schönheit Zier, –Ihm möcht ein solcher zum Modelle taugen. –«Du Jüngling, findest mich verzweifelnd schier; –Wie Schmerz und Leben aus dem Stein zu schlagen?Das Anschaun der Natur verläßt mich hier.Vergeblich wär's, nach Mietlingen zu fragen,Und bät ich dich, den edlen Kunstgenossen,Du würdest deine Hülfe mir versagen.»«Ich würde», sprach der Jüngling, «unverdrossen,Der Kunst zum Frommen und zu Gottes Ruhme,Dir leisten, was zu heischen du beschlossen.»Er sagt's, und strenger Schönheit seltne BlumeEnthüllt sofort dem Meister sich zur SchauIn der verschloßnen Werkstatt Heiligtume.Er prüft mit Kennerblick und prüft genau,Und kann sich dem Gedanken nicht entwinden:Durchzuckte Schmerz den edeln Gliederbau! –«Und soll ich, was du sprachst, bewähret finden,So mußt du mir von diesem Holze hangen.»Der Jüngling läßt ans Kreuz sich willig binden.Und wie er in die Schlingen ihn gefangen,Die Nägel holt, den Schlägel er herbei,Das Opfer muß den Martertod empfangen.Der erste Nagel faßt, es schallt ein Schrei,Er trifft kein Ohr, kein Herz, das Auge wachtAllein und forscht, was Schmerzensausdruck sei.Und hastig wird das Gräßliche vollbracht,Und schnell das bluth'ge Vorbild aufgestellt,Er schreitet nun zur Arbeit mit Bedacht.Von grauser Freude wird sein Blick erhellt,Wie der Natur er jetzt es abgewonnen,Wie sich im Schmerz ein schöner Leib verhält.Die Hand schafft unablässig und besonnen,Das Herz ist allem Menschlichen verdorrt,Zu fühlen hat der harte Stein begonnen;Ob aber bete der am Kreuze dort,Ob er in hoffnungsloser Qual verzage,Er meißelt unablässig fort und fort.So kommt die Nacht heran vom dritten Tage;Verschmachtet wird der Dulder bald erblassen,Und bald verhallen seine letzte Klage. –«Mein Gott, mein Gott, so hast du mich verlassen!»Es sinkt das Haupt, das sich erhob, zurück;Es ist vollbracht, was keine Worte fassen,Und auch vollendet ist ein Meisterstück.
2
«Mein Gott, mein Gott, so hast du mich verlassen!»Im Dome ward zu Nacht der Ruf vernommen;Wer ihn erhob? sie wußten's nicht zu fassen.Am Hochaltar, worauf ein Licht geglommen,Bewegte sich gespenstisch die Gestalt,Aus deren Mund der Schmerzensschrei gekommen.Sie warf sich dann zur Erde, mit GewaltDie Stirne schlagend an des Estrichs Steine,Die Wölbung hat vom Schalle widerhallt.Dann war's, als ob sie unaufhaltsam weine,Und in den Thränen Linderung gefunden;Sie stöhnte bei der Kerze letztem Scheine.Und als der Nacht unheimlich bange StundenVerflossen und der Morgen sich erhellt,War's still, und die Erscheinung war verschwunden.Nun eilt zum Kirchgang die erwachte Welt,Es drängen sich die Chorherrn zum Altar;Drauf ragt ein Kruzifix, erst aufgestellt. –Ein Gnadenbild, wie nie noch eines war;So hat der Gott den Todeskampf gerungen,So bracht er sich für uns zum Opfer dar.Es sehend, schreit der Sünder reudurchdrungenZu dem, der Sündern auch das Heil gebracht,Und: «Christ' eleison!» schallt von allen Zungen.Nicht scheint das Werk von Menschenhand gemacht;Wer möchte so das Göttliche gestalten?Wie seltsam stieg es auf im Schoß der Nacht? –Des Meisters ist es, der uns hingehaltenMit Ausflucht lange zögernd, zweifelsohneDas Aeußerste der Kunst noch zu entfalten. –Was bringen wir dem Trefflichen zum Lohne?Es ist das Gold, das schlechte, nicht genug;Gebührt dem Edlen nicht die Lorbeerkrone?Und bald geordnet ward ein Ehrenzug,An welchem Lai und Priester Antheil nahmen;Voran gieng, der den grünen Lorbeer trug.Und wie sie vor des Meisters Wohnung kamen,War weitgeöffnet, aber still das Haus,Auch still beim Widerhall von seinem Namen.Wohl schallten Pauk und Cymbeln mit GebrausZu der Drommeten gellend hellem Ton,Doch niemand kam zum Festempfang heraus.Verödet war das Haus am Morgen schon,Aus dem ein Nachbar sich entfernen nurSah pilgernd einen schlichten Menschensohn.Die Herren traten spähend auf den Flur,Sie brachen sich durch wüste Zimmer Bahn,Sie trafen nicht auf eines Menschen Spur;Sie riefen, ohne Antwort zu empfahn,Und hörten leer die Räume widerhallen;Sie drangen in die Werkstatt: was sie sahn –Darüber läßt das Lied den Schleier fallen.
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Den heim sie bringen, haben sie beschuldigt,Daß den Propheten er gelästert habeUnd ihrem falschen Mahom nicht gehuldigt.Der fremde Pilger ist's am Wanderstabe,Der büßend unter diesen Palmen wallteUnd uns erzählte von dem heil'gen Grabe.Wird gegen ihre Henker dieser AlteBewähren eines Christen festen Muth?Ihn stärke Gott, daß er am Glauben halte!Es gleißet arg verlockend zeitlich Gut;Ihm ist's beschieden, läßt er sich verleiten,Und bleibt er unerschüttert, fließt sein Bluth.Blickt dort nicht hin! Ein Gräßliches bereitenDie bluthgewohnten Schergen. Wehe, Wehe!Vielleicht, daß bald wir ihn dahin begleiten.Er kommt, – sie führen ihn daher; ich seheWie ein Geretteter, ihn freudig heiter,Als ob er neuem Glück entgegen gehe.Hat er erkauft...? o nein! sie schreiten weiterDer bluth'gen Stätte zu; so war's gemeint!Die Palme winkt dem starken Gottesstreiter. –«Weint nicht! ich habe selber nicht geweint,Als ich ans Kreuz den schönen Jüngling schlug;Mir war in meiner Brust das Herz versteint. –Und angstgepeitscht begann den irren ZugDer Frevler unter seiner Sünde Last,Der Kains Zeichen an der Stirne trug. –Der du für mich den Tod erduldet hast,Verfügst du huldreich, daß die Marter ende?Noch hofft ich, noch begehrt ich keine Rast.Unwürdig, daß dein Blick auf mich sich wende, –Der Tod, das Leben nicht, ist leicht zu tragen; –Nimm, Gott der Gnade, mich in deine Hände.»Als ihn die Schergen, ihn ans Kreuz zu schlagen,Ergriffen, schien es ihm erst wohl zu sein;Die ihn umstanden nur erhoben Klagen.Und als der Schmerz durchzuckte sein Gebein,Und er am Marterholz erhoben war,Genoß er Frieden vor der innern Pein.Ora pro nobis! betete die ScharDer Gläub'gen, die am Fuß des Kreuzes wachte;Sein Dulden war ein Beten immerdar.Der Tag, die Nacht vergiengen, und es machteDer zweite Tag kein Ende seiner Qual;Die dritte Sonne schon den Lauf vollbrachte;Und wie sie scheidend warf den letzten Strahl,Versucht' er noch ins Auge sie zu fassen,Und rief, und atmete zum letzten Mal:«Mein Gott, mein Gott, du hast mich nicht verlassen!»
Deutsche Volkssagen.
«Die Sage will ihr Recht. Ich schreit ihr nach.» Fouqué an Fichte (Held d. N. II.) 1Das Riesen-Spielzeug
Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohlbekannt,Die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand;Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,Du fragest nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.
Einst kam das Riesen-Fräulein aus jener Burg hervor,Ergieng sich sonder Wartung und spielend vor dem Thor,Und stieg hinab den Abhang bis in das Thal hinein,Neugierig zu erkunden, wie's unten möchte sein.
Mit wen'gen raschen Schritten durchkreuzte sie den Wald,Erreichte gegen Haslach das Land der Menschen bald,Und Städte dort und Dörfer und das bestellte FeldErschienen ihren Augen gar eine fremde Welt.
Wie jetzt zu ihren Füßen sie spähend niederschaut,Bemerkt sie einen Bauer, der seinen Acker baut;Es kriecht das kleine Wesen einher so sonderbar,Es glitzert in der Sonne der Pflug so blank und klar.
«Ei! artig Spielding!» ruft sie, «das nehm ich mit nach Haus.»Sie knieet nieder, spreitet behend ihr Tüchlein aus,Und feget mit den Händen, was da sich alles regt,Zu Haufen in das Tüchlein, das sie zusammen schlägt;
Und eilt mit freud'gen Sprüngen, man weiß, wie Kinder sind,Zur Burg hinan und suchet den Vater auf geschwind:«Ei Vater, lieber Vater, ein Spielding wunderschön!So Allerliebstes sah ich noch nie auf unsern Höhn.»
Der Alte saß am Tische und trank den kühlen Wein,Er schaut sie an behaglich, er fragt das Töchterlein:«Was Zappeliches bringst du in deinem Tuch herbei?Du hüpfest ja vor Freuden; laß sehen, was es sei.»
Sie spreitet aus das Tüchlein und fängt behutsam an,Den Bauer aufzustellen, den Pflug und das Gespann;Wie alles auf dem Tische sie zierlich aufgebaut,So klatscht sie in die Hände und springt und jubelt laut.
Der Alte wird gar ernsthaft und wiegt sein Haupt und spricht:«Was hast du angerichtet? das ist kein Spielzeug nicht;Wo du es hergenommen, da trag es wieder hin,Der Bauer ist kein Spielzeug, was kommt dir in den Sinn!
Sollst gleich und ohne Murren erfüllen mein Gebot;Denn, wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brod;Es sprießt der Stamm der Riesen aus Bauernmark hervor,Der Bauer ist kein Spielzeug, da sei uns Gott davor!»
Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohlbekannt,Die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand,Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,Und fragst du nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.2Die versunkene Burg
Es ragt umkrönt von Thürmen empor aus dunklem ForstEin steiler luft'ger Felsen, das ist der Raubherrn Horst,Und wie aus blauen Lüften der Aar auf seinen Fang,So schießen sie auf Beute von dort das Thal entlang.
Drei Brüder sind's, auf Straßen zu Roß in blankem Stahl,In Hermelin und Purpur daheim im Rittersaal,In Bluth und Lust und Sünden, in Stolz und Ueppigkeit,So schwelgen sie und prassen gefürchtet weit und breit.
Und ihre freche Buhle weiß nicht, wie Hunger thut;Sie prunkt in Gold und Seide und tritt aus FrevelmuthDie heil'ge Gottesgabe verächtlich in den Kot,Sie geht einher auf Schuhen von feinem Weizenbrod.
Der Wächter hat gerufen: «Auf, Ritter, auf! zu Roß!Von Reisigen erscheinet ein staubumwölkter Troß,Das sind die fremden Kaufherrn, das ist der reiche Zug,Die führen wenig Eisen, doch rothes Gold genug.»
«Vergeßt nicht eure Buhle», ruft ihnen nach die Maid,«Schafft Gold und Edelsteine, schafft funkelndes Geschmeid,Versorgt mit Singevögeln aufs neu den Rosenhag,Daß sich an ihrem Zwitschern mein Ohr erfreuen mag.»
Und bald mit Jubel ziehen sie wieder Burg hinan,Vor ihnen die Gefangnen gebunden Mann für Mann. –«Wir bringen dir die Vögel, die du begehret hast,Im Rosenhag zu zwitschern, und Goldes manche Last.»
Der Rosenhag: tief öffnet und eng sich eine Gruft,Das Burgverlies, es steiget empor der Leichen Duft,Tief unten gähnt der Abgrund, ein jäher Felsenspalt,Kein andrer Ausgang führet aus diesem Aufenthalt.
Da galt es zu verhungern. Der Angstruf, welcher drangAus diesem Schreckensschlunde, das war der Vogelsang;Und wenn hinab sich stürzte, am Felsen sich zerschlugVerzweiflungsvoll ein Opfer, das war der Vogelflug.
Sie stießen nun die Armen hinab in diesen Graus,Da rief ein Greis, ein Priester, noch händeringend aus:«Weh über euch, ihr Thoren! die ihr verblendet seid,Einst werden solche Werke mehr euch, denn uns, noch leid!»
Da rief ein Ritter grimmig: «Nun – Bluthschuld, Sinnenlust?Ich bin der eignen Werke vollkommen mir bewußt;Ich will darüber brüten, bei meinem teuren Eid!Bis zu dem Weltgerichte, sie werden mir nicht leid.»
Da rief der andre höhnend: «Du willst der Rabe sein?Die Sorg um meine Werke, so wie die Lust ist mein;Ich selber will sie tragen, bei meinem teuren Eid!Bis zu dem jüngsten Tage, sie werden mir nicht leid.»
Da rief der dritte lachend: «Hinunter in den Schlund,Als Nachtigall zu singen, der hier gebellt als Hund;Ich trage meine Werke, bei meinem teuren Eid!Bis an den Tag der Tage, sie werden mir nicht leid.»
Wie frevelnd ihren Lippen das schnelle Wort entflohn,Entgegnet aus der Tiefe ein Wehgeschrei dem Hohn,Und «Amen!» ruft die Buhle, die höllisch gellend lacht;Da schallt und rollt der Donner, der Felsen wankt und kracht.
Und jene kreischt verwandelt, es rauscht der Flügelschlag,Sie schwingt sich in die Lüfte, verfinstert wird der Tag,Die Erde flammensprühend eröffnet ihren Mund,Und wie die Burg versunken, so ebnet sich der Grund.
Du forschest nach der Stätte, wo einst die stolze stand,Du fragest nach den Namen, wie jene sonst benannt? –Vergebliches Beginnen, es waltet das Gericht;Vergessen und verschollen, die Sage weiß es nicht.3Die Männer im Zobtenberge
Es wird vom Zobtenberge gar Seltsames erzählt;Als tausend und fünfhundert und siebzig man gezählt,Am Sonntag Quasimodo lustwandelte hinanJohannes Beer aus Schweidnitz, ein schlichter frommer Mann.
Er war des Berges kundig, und Schlucht und FelsenwandUnd jeder Stein am Stege vollkommen ihm bekannt;Wo in gedrängtem Kreise die nackten Felsen stehn,War dießmal eine Höhle, wo keine sonst zu sehn.
Er nahte sich verwundert dem unbekannten Schlund,Es hauchte kalt und schaurig ihn an aus seinem Grund;Er wollte zaghaft fliehen, doch bannt' ihn fort und fortEin lüsternes Entsetzen an nicht geheuren Ort.
Er faßte sich ein Herze, er stieg hinein und drangDurch enge Felsenspalten in einen langen Gang;Ihn lockte tief da unten ein schwacher Dämmerschein,Den warf in ehrner Pforte ein kleines Fensterlein.
Die Pforte war verschlossen, zu welcher er nun kam,Er klopfte, von der Wölbung erdröhnt' es wundersam,Er klopfte noch zum andern, zum dritten Mal noch an,Da ward von Geisterhänden unsichtbar aufgethan.
An rundem Tische saßen im schwarzbehangnem Saal,Erhellt von einer Ampel unsicher bleichem Strahl,Drei lange hagre Männer; betrübt und zitternd sahnEin Pergament vor ihnen sie stieren Blickes an.
Er zögernd auf der Schwelle beschaute sie genau, –Die Tracht so altertümlich, das Haar so lang und grau, –Er rief mit frommem Gruße: «Vobiscum Christi pax!»Sie seufzten leise wimmernd: «Hic nulla, nulla pax!»
Er trat nun von der Schwelle nur wen'ge Schritte vor,Vom Pergamente blickten die Männer nicht empor,Er grüßte sie zum andern: «Vobiscum Christi pax!»Sie lallten zähneklappernd: «Hic nulla, nulla pax!»
Er trat nun vor den Tisch hin, und grüßte wiederum:«Pax Christi sit vobiscum!» sie aber blieben stumm,Erzitterten, und legten das Pergament ihm dar:«Hic liber obedientiae» darauf zu lesen war.
Da fragt' er: wer sie wären? – Sie wüßten's selber nicht.Er fragte: was sie machten? – Das endliche GerichtErharrten sie mit Schrecken, und jenen jüngsten Tag,Wo jedem seiner Werke Vergeltung werden mag.
Er fragte: wie sie hätten verbracht die Zeitlichkeit?Was ihre Werke waren? Ein Vorhang wallte breitDen Männern gegenüber und bildete die Wand,Sie bebten, schwiegen, zeigten darauf mit Blick und Hand.
Dahin gewendet hob er den Vorhang schaudernd auf:Geripp und Schädel lagen gespeichert da zu Hauf;Vergebens war's mit Purpur und Hermelin verdeckt,Drei Schwerter lagen drüber, die Klingen bluthbefleckt.
Drauf er: ob zu den Werken sie sich bekennten? – Ja.Ob solche gute waren, ob böse? – Böse, ja.Ob leid sie ihnen wären? Sie senkten das Gesicht,Erschraken und verstummten: sie wüßten's selber nicht.4Der Birnbaum auf dem Walserfeld
Es ward von unsern Vätern mit Treuen uns vermachtDie Sage, wie die Väter sie ihnen überbracht;Wir werden unsern Kindern vererben sie aufs neu;Es wechseln die Geschlechter, die Sage bleibt sich treu.
Das Walserfeld bei Salzburg, bezeichnet ist der Ort,Dort steht ein alter Birnbaum verstümmelt und verdorrt,Das ist die rechte Stätte, der Birnbaum ist das Mal,Geschlagen und gewürget wird dort zum letzten Mal.
Und ist die Zeit gekommen und ist das Maß erst voll, –Ich sage gleich das Zeichen, woran man's kennen soll, –So wogt aus allen Enden der sündenhaften WeltDer Krieg mit seinen Schrecken heran zum Walserfeld.
Dort wird es ausgefochten, dort wird ein Bluthbad sein,Wie keinem noch die Sonne verliehen ihren Schein,Da rinnen rothe Ströme die Wiesenrain' entlang,Da wird der Sieg den Guten, den Bösen Untergang.
Und wann das Werk vollendet, so deckt die Nacht es zu,Die müden Streiter legen auf Leichen sich zur Ruh,Und wann der junge Morgen bescheint das Bluthgefild,Da wird am Birnbaum hangen ein blanker Wappenschild.
Nun sag ich euch das Zeichen: ihr wißt den Birnbaum dort,Er trauert nun entehret, verstümmelt und verdorrt;Schon dreimal abgehauen, schlug dreimal auch zuvorEr schon aus seiner Wurzel zum stolzen Baum empor.
Wann nun sein Stamm, der alte, zu treiben neu beginnt,Und Saft im morschen Holze aufs neu lebendig rinnt;Und wann den grünen Laubschmuck er wieder angethan,Das ist das erste Zeichen: es reift die Zeit heran.
Und hat er seine Krone erneuet dicht und breit,So rückt heran bedrohlich die lang verheißne Zeit;Und schmückt er sich mit Blüthen, so ist das Ende nah;Und trägt er reife Früchte, so ist die Stunde da.
Der heuer ist gegangen zum Baum und ihn befragt,Hat wundersame Kunde betroffen ausgesagt;Ihn wollte schier bedünken, als rege sich der SaftUnd schwöllen schon die Knospen mit jugendlicher Kraft.
Ob voll das Maß der Sünde? ob reifet ihre SaatDer Sichel schon entgegen? ob die Erfüllung naht?Ich will es nicht berufen, doch dünkt mich eins wohl klar:Es sind die Zeiten heuer gar ernst und sonderbar.
Das Malerzeichen.
Maria sang:
Es wird aus trägen StundenAm Ende doch auch ein Tag,Ein trüber Tag, den die SonneNicht scheinend erfreuen mag.
Du bist nicht gekommen, Wilhelm,Und warst mir einst doch gut;Dein Aug hat wohlgefällig,Dein klares auf mir geruht.
Hast wohl ein Gemälde gefertigt,Wo deine Mus' ich war;Es stellt das verlassene MädchenEin anderes Bild nun dar.
Und wenn ich allein auch weinen,Ja weinen und sterben muß,Ich habe durch dich empfundenDes Glückes Ueberfluß.
Und wenn du auch mich betrübest,Du bist mein einziges Licht;Und trüg ich dich nicht im Herzen,So möcht ich das Leben nicht.
Ich will dich lieben, dich segnen,Dich segnen vieltausend MalSo viel als Sterne am Himmel,So viel als Blumen im Thal,
So viel als Blätter im WaldeVerstreut der herbstliche Wind,So viel als von meinen AugenDir Thränen geflossen sind.
Der Hofrath sprach: «Laß, junger Mann, dich warnen,Im Labyrinthe weisen dich zurechteDen väterlichen Freund, den vielerfahrnen.Du ringst nach Freiheit, aber gleich dem KnechteFrönst willenlos du blinder Raserei,Denn dich beherrschen der Begierden Mächte.Zerbrich dein Joch, ergib dich uns und seiDer Unsre nur; im heil'gen Ordensbunde,Im Stande des Gehorsams wirst du frei.Entsagst du muthig in der Weihe StundeDen Götzen, die als höchster Zweck dir galten,Und reißest bluthig sie aus Herzens Grunde;Wirst über sie als Mittel du noch schalten,Dann dienen Kunst und ird'sche Liebe dir,Und frönen deinem gottgeweihten Walten.Die Mittel heiliget der Zweck, und hierTritt sündentilgend ein der Kirche Macht:Der Geist ist willig, schwach des Fleisches Gier.»Der Maler drauf: «Hast Eines zu bedacht?Du willst das Heil der Seele mir verkünden,Und hast um meine Ruhe mich gebracht.Dir sind die Kunst, die keusche Liebe Sünden;Einfältig wähnt ich fromm zu sein und gut, –Ich kann dich nicht erfassen, nicht ergründen.»Er spricht's mit trübem, mit gebrochnem Muth;Es hat sich von der Staffelei erhobenSein blaues Auge, das auf jenem ruht.Und der darauf: «Dein Sinn ist noch umwobenVon trübem Nebelflor, dein Auge blind,Doch, bist du folgsam, wirst du noch mich loben.Der Glanz, der Reichthum dieses Hauses sindDir Zeugen, es bedenke schon hieniedenDie Kirche, die da selig macht, ihr Kind.Laß in die goldnen Ketten erst dich schmieden,Es führt der Orden dich zu Glück und Ehren,Und erst in ihm erlangest du den Frieden.Großmutter wird des Bessern dich belehren;Erwarte sie, dein Herz verschließe nichtDer sanften Lockung ihrer klugen Lehren.Mich ruft der Glockenschlag zu andrer Pflicht,Betstunde muß ich mit den Meinen halten,Benutze du indeß das Tageslicht.Du hast das Bild der Unschuld zu gestalten,Dir sitzt dazu mein holdes Schwesterlein,Du magst hier deine Kunst mit Lust entfalten.»Er sprach's und gieng; der Jüngling blieb alleinMit jener Schwester und den eignen Qualen;Es mochte wohl gar nächtlich in ihm sein.Es war das Mädchen, das er sollte malen,Verführerisch und reizend, wie die Lust,Und blendend-schöner, als der Sonne Strahlen;Doch war er keiner Lockung sich bewußt;Er trug, und dieses sah er nur, verschlossenEin andres Bild in seiner tiefsten Brust.Des seltnen Kindes wonn'ge Blicke flossenVon seinem wunden Herzen ab, es drangKein Pfeil auf die verwahrte Brust geschossen.Und wieder bald sirenenartig sangDas Feenkind gar wundersame Lieder;Er malte, lauschte nicht dem Zauberklang.Er sah sie an mit Künstlerblick, und wiederDas eigne Werk, doch ihren Reizen blind;Schon senkte dämmernd sich der Abend nieder.Die Alte kam; es flog ihr EnkelkindZu ihr liebkosend mit anmuth'gem Scherze;Sie schloß sie in die Arme traut und lind:«Du bist mein Schoßkind, bist mein liebes Herze!» –Und Wilhelm, der vor seiner Tafel stand,Hub an zu reden mit verhaltnem Schmerze:«Du wirst das Werk, o Herrin, meiner HandNicht loben; wurde doch von mir begehrtDer Unschuld Engelbild im Lichtgewand;Es hat sich in die Wollust mir verkehrt.»Und sie darauf: «Hier find ich nichts zu rügen;Die Unschuld wird am ersten so verehrt.Man muß die Welt zu ihrem Heil betrügen,Nur werde den Betrug sie nimmer inne;Ihr taugt die Unschuld mit der Wollust Zügen.Die körnet uns gar manchen zum Gewinne,Gar manchen, der die nackte Wahrheit scheute,Denn mächtig in dem Menschen sind die Sinne.Du wartest, daß ich deinen Weg dir deute? –Sie ist mein Kind, du kannst das andre sein, –Sei unser nur, ergib dich uns noch heute. –Wo nur mein Enkel weilt?» – Der trat hereinBestürmend sie mit räthselhaften Fragen:«Großmutter, warst du dort, und wird's gedeihn?Wird deine Saat auch dort in Flammen schlagen?»Sie sah mit Stolz ihn an und hob das Haupt:«Triumph! du hast den Sieg davon getragen!»Er stand, ungläubig fast, wie sinnberaubt:«Du hast vermocht...? – Der Meineid, den er schwur...?»Sie lachte: «Du! der noch an Schwüre glaubt?!Des Schlosses kleine Thür, sobald die UhrDie zwölfte Stunde schlägt, wird aufgethan,Ein Weib erscheint, du folgest ihrer Spur;Man wartet deiner auf dem Hochaltan,Und graut im Osten erst der junge Tag,So bricht der Morgen deiner Herrschaft an.»Der Maler hatte sich entfernt, es lag,Entschluß zu fassen, schwer ihm, wie Verbrechen,Als einem, der sich selbst nicht trauen mag.Er war, um nur von seiner Kunst zu sprechen,Nur Rast vom innern Kampfe zu erlangenUnd der Gedanken Drang zu unterbrechen,Zum gleichgesinnten Kunstfreund hingegangen.
Maria sang:
Ich habe mit Bangen und GrauenDie tiefe Mitternacht,Dein treues Bild im Herzen,Und trauernd herangewacht.
Es ist gar müde gewordenDas Auge, das Thränen vergießt,Und banger drohen die Stunden,Wann erst es der Schlummer verschließt.
Es lauern die bösen TräumeVerwirrend des Menschen Sinn,Es beugen die NachtgespensterVersuchend sich über ihn hin.
Schlaf wohl! schlaf wohl! mein Geliebter,Ich grüße dich inniglich;Ich will zu dem Vater beten,Will beten für dich und mich:
Erlaß uns unsere Schulden,Wie selbst wir andern gethan;Entferne von uns den Versucher,Verschließ uns des Bösen Bahn;
Dein heiliger Wille gescheheAuf Erden, der unsere nicht;Geheiliget werde dein Name,Und komme dein Reich und das Licht.
Er hatte laut gesprochen, Wein genossen,Und lauter stets zu sprechen sich beflissen,Bestaunt von seinem Freund und Kunstgenossen;So hoffend, wie das Herz ihm auch zerrissen,Er werde dessen Stimme überschrein,Und sich und jenen zu betrügen wissen.Und in der öden Wohnung nun allein,Im stillen Schoß der düstern Mitternacht,Bei seiner Lampe spärlich blassem Schein,Da war der innre Zwist neu angefacht;Er gieng mit heft'gen Schritten durch das Zimmer,Durchwühlend grimmig seines Busens Schacht:Maria, reine! dich verlassen? nimmer!Bist ja mein Herz, bist meines Lebens Kern,Bist meiner treuen Hoffnung ferner Schimmer!Mein Himmel ist die Kunst, und du mein Stern; –Und dieser auch, und auch der Kunst entsagen?Nein, nein! es bleibe die Versuchung fern.Ich werd euch im getreuen Busen tragen,Der ich euch sonder Wanken treu geblieben,So lang ich atme und die Pulse schlagen. –Und diese Menschen, welche doch mich lieben;Der Hofrath, welcher fast mir Vater war,Und schon mich zur Verzweiflung schier getrieben!Und weise war sein Wort und schien auch wahr,Und klug der Anschlag, den er fromm ersonnen, –Wohl ist die Frömmigkeit der beiden klar. –Von welchen Netzen fühl ich mich umsponnen?Wer hat zum Vormund diese mir bestellt?Daß solche Macht sie über mich gewonnen!Zum Teufel! – Teufel? – Innehaltend fälltEin Pinsel ihm ins Aug, ihn faßt die Hand,Er hält ihn, wie man den zum Malen hält,Und malt, und malt den Teufel an die Wand;Er malt mit Fleiß die fratzenhaften Züge,Und starrt ihn an, den Satan, unverwandt.Er schilt ihn aus: «Versucher! Geist der Lüge!Wie schon in mir, so auch da draußen hause,Und steh mir Rede, was ich auch dich früge.»Da rauscht's, da löst sich von der Wand das grause,Das scheußliche, gespenstische Gesicht;Es reckt sich, raget in die innre Klause,Verdreht die Augen, starrt ihn an und sprichtMit gräßlich aufgesperrtem, weitem Rachen:«Dir Rede stehn? nun ja! warum denn nicht?»Dann bricht es aus in schauderhaftes Lachen;Und bleich und zitternd stand davor der Maler;Und weiter spricht es: «Nun? was willst du machen?Du wolltest Rath, und zitterst? Pfui! du Prahler!Der uns von euch gesondert hält, der StrichIst, merkst du nun zu spät, doch nur ein schmaler.Mein Rath ist der: die Kirche, welche sichUm dich bewirbt, der Rath, das alte Weib,Du hast es los, sie sind dir widerlich;Dir bleibt die Kunst ein beßrer Zeitvertreib,Und als Maria minder auch behagtDas dumme Ding dir mit dem weichen Leib.Wohlan denn! nicht gejammert noch geklagt;Du sollst schon, den du brauchest, an mir haben,Und wirst von keinem Frommen mehr geplagt.Du malst, ich wuchre noch mit deinen Gaben, –Ein armes Nichts, ein bißchen Höllendunst,Ein Firnis, Aug und Herz daran zu laben; –Vor deinen Tafeln fällt die Welt in Brunst,Mit Lorbeer krönt sie dich nach altem Brauch,Und schreit: o Wunder! über deine Kunst.Das Wunder, Schatz, bewirket nur ein Hauch,Ein bloßer Hauch aus deines Knechtes Munde;Ich bin ja, wie du weißt, ein Künstler auch.Sei erst, du armer Schelm, mit mir im Bunde,So schwillt dein Glück; du wirst es nicht bereuen,Denn viel vermag ich auf dem Erdenrunde.So muß auch bald Maria dich erfreuen,Und wirst in ihrem Arm du kalt und wüst,Will ich zur Sünde dir die Kraft erneuen;Und hast an ihr du deine Lust gebüßt,Beschaff ich andres für den nächsten Morgen,Denn erst durch Wechsel wird das Ding versüßt.Du schwelgest immer zu und läßt mich sorgen;Dein Freund, der Rath, der heuchlerische Schuft,Kommt noch zu dir, um Geld von dir zu borgen.O das Gezücht! ich wittre Höllenduft! –Sind dir die Frommen so wie mir verhaßt,So schimpfe mit, es macht der Lunge Luft.»Der Maler: «Schweig! Verleumder, halte Rast!Du wirst mich auf die Weise nicht gewinnen,Wohl Gottes sind, die du gelästert hast.Was mir zu thun geziemet, werd ich sinnen;Doch Scheusal, Satan, wie dich Namen nennen,Du wirst mir aus dem Garne nicht entrinnen.Dir auf der Stirne soll mein Zeichen brennen,Bei Gott! mein rothes Kreuz, und aller OrtenWill ich daran, wie du dich stellst, dich kennen.»Flugs greift er nach dem rothen Pinsel dorten:Zwei Striche, – so! – das Kreuz – des Malers ZeichenEr hat es schnell vollführt nach seinen Worten.Da sieht er wiederum zurückeweichenWie schreckhaft das ersterbende Gesicht,Sich mit der flachen Mauer auszugleichen.Was Rausch, was Wahnsinn war, er weiß es nicht;Vom Fieberfroste schlottern seine Glieder,Er sinkt zu Boden, es erlischt das Licht,Und endlich träufelt Schlummer auf ihn nieder.
Maria sang:
Willkommen, du Gottes Sonne,Willkommen im Himmelsraum!Hast freudig mich aufgewecketAus einem freudigen Traum.
Erschaust du meinen Geliebten,O schmeichl ihm mit freundlichem Strahl,Und sag ihm, ich ließ' ihn grüßen,Ja grüßen viel tausend Mal.
Der erste Strahl der Morgensonne trafDes Malers Augen, welcher hingestrecktNoch auf dem Estrich lag in tiefem Schlaf.Und wie der helle Schein ihn aufgeweckt,Besann er sich und suchte nach der SpurDer Bilder, die zu Nacht ihn so erschreckt.Ob er's erlebt hat, ob geträumet nur? –Nicht alles war ein Traum, – noch zeigt die WandDie sonderbare teuflische Figur.Sie ist sein Werk, unsicher nur die Hand,Den Bildern auch phantastisch zu vergleichen,Die eines Trunknen Uebermuth erfand.Noch aber will ein Zweifel ihn beschleichen:Es fehlt, und müßte da sein, – sonderbar! –Da, auf der Stirne fehlt das Malerzeichen;Und ist ihm die Erinnerung doch klar,Er zeichnete damit den bösen Geist,Daran ihn zu erkennen immerdar.Der Mangel dieses Zeichens, er beweist,Daß auch mit Wahngebilden er gerungen;Er fragt sich selbst, was ihm der Spuk verheißt.Er prüft des Nachtgespenstes Lästerungen,Prüft seiner frommen Freunde sanften Zug,Und fühlet dem zu folgen sich gedrungen.Die Wuth des Unholds, die in Flammen schlug,Als ihrer ward erwähnt, sein grimmig Hassen,Sein Hohn, sein Schmähn, sie reden laut genug. –«Dir opfr ich, Gott, was keine Worte fassen;Nimm so mich hin, wie ich verarmt nun bin; –Ich will mich ihrer Führung überlassen.»Er spricht's und weint; er meint in seinem Sinn:Es werde schnell das Schmerzliche vollendet.Er weint, und rafft sich auf, und gehet hin.Und wie er dorthin seine Schritte wendet,Betäubt sein Ohr ein dumpfes Sturmgeläute,Vom Glanz der Waffen wird sein Aug geblendet;Verkehrt die Stadt zum Schlachtgefild sich heute?Er ist so fremd im eignen Vaterlande,Er weiß nicht, was das Gräßliche bedeute.Es lodern Fackeln dort bereit zum Brande,Und das Geschütz wird drüben aufgefahren;Hier rüsten Haufen sich zum Widerstande;Die Straßen füllen sich mit Kriegesscharen;Man müht sich dort, das Pflaster aufzuraffen;Dort fliehen Frauen mit zerrauften Haaren;Hier reichen Mütter ihren Söhnen Waffen,Ermahnen, die zu Streitern sie bestellten,Zu sterben oder Ruhm sich zu verschaffen.Er fragt und forscht, und hört im Volke schelten:«Der Tag wird heiß; der Teufel ist mit seinerGroßmutter los; der Hofrath wird's entgelten.» –Und drüben zeigt mit Dolch und Brand sich einer: –«Was will denn der? mir deucht, ich sollt ihn kennen; –Er ist es selbst, fürwahr er ist's, sonst keiner. –Herr Hofrath!» Dieser, hörend so sich nennen,Kehrt her das Haupt – ihm auf der Stirne siehtDas Kreuz, das rothe Kreuz, er grausig brennen.Zusammenschreckend vor dem Maler fliehtEr schnell, verbirgt sich in die dichtsten Gruppen,Und hält das Kreuz verhüllt, das ihn verrieth. –Der Teufel ist's, dort schirmen ihn die Truppen;Entsetzen hat den jungen Mann erfaßt,Es fallen von den Augen ihm die Schuppen:«Du bist es, Geist der Lüge, der du fastUm Kunst und Liebe höllisch mich betrogen,Mich von Maria schier entfremdet hast.So ward ich um mein Himmelreich belogen.Zu ihr, zu ihr! die schwere Schuld zu büßen,Zu ihr, die auf zum Lichte mich gezogen!»Er kommt und wirft sich zu Marias Füßen,Sie hebt ihn sanft in ihrem Arm empor,An seinem Herzen schlägt das Herz der Süßen;Der Waffen Schall verhallt an ihrem Ohr.
Sie sangen
Sie:
Du Freund an meinem Herzen,Du langersehnter, du!Ich habe dich wiedergefunden;O fließet, ihr Thränen, nur zu!
Er:
Maria, du süße, du reine!Nun scheidet uns nur der Tod.Schutzengel sei mir und Leitstern,Mein Morgen-, mein Abendroth.
Sie:
Nun sollst du die Kunst erst liebenUnd fromm und freudig sein;Nun bist du mein auf ewig,Nun bin ich auf ewig dein.
Er:
Nun werd ich die Kunst erst lieben,Und fromm und freudig sein;Nun bin ich dein auf ewig,Nun bist du auf ewig mein.
Beide:
Wir wollen uns lieben, uns herzen,Und sein wie Kind und Kind;Nun freun sich die Engel im Himmel,Da wir vereinigt sind.
Der Szekler Landtag.
Ich will mich für das Faktum nicht verbürgen,Ich trag es vor, wie ich's geschrieben fand,Schlagt die Geschichte nach von Siebenbürgen.Als einst der Sichel reif der Weizen standIn der Gespannschaft Szekl, da kam ein Regen,Wovor des Landmanns schönste Hoffnung schwand.Es wollte nicht der böse West sich legen,Es regnete der Regen alle Tage,Und auf dem Feld verdarb der Gottessegen.Gehört des Volkes laut erhobne Klage,Gefiel es, einen Landtag auszuschreiben,Um Rath zu halten über diese Plage.Die Landesboten ließen nicht sich treiben,Sie kamen gern, entschlossen gut zu tagen,Und Satzungen und Bräuchen treu zu bleiben.Da wurde denn, nach bräuchlichen Gelagen,Der Tag eröffnet, und mit Ernst und KraftDer Fall vom Landesmarschall vorgetragen:«Und nun, hochmögende Genossenschaft,Weiß einer Rath? Wer ist es, der zur StundeDie Ernte trocken in die Scheune schafft?»Es herrschte tiefes Schweigen in der Runde,Doch nahm zuletzt das Wort ein würd'ger GreiseUnd sprach gewichtig mit beredtem Munde:«Der Fall ist ernst, mit nichten wär es weise,Mit übereiltem Rathschluß einzugreifen;Wir handeln nicht unüberlegter Weise.Drum ist mein Antrag, ohne weit zu schweifen:Laßt uns auf nächsten Samstag uns vertagen;Die Zeit bringt Rath, sie wird die Sache reifen.»Beschlossen ward, worauf er angetragen.Die Frist verstrich bei ew'gen Regenschauern,Hinbrüten drauf und bräuchlichen Gelagen;Der Samstag kam und sah dieselben MauernUmfassen noch des Landes Rath und Hort,Und sah den leid'gen Regen ewig dauern.Der Landesmarschall sprach ein ernstes Wort:«Hochmögende, nun thut nach eurer Pflicht,Ihr seht, der Regen regnet ewig fort.Wer ist es, der das Wort der Weisheit spricht?Wer bringt in unsres Sinnens düstre NachtDas lang erwartete, begehrte Licht?Zur That! ihr habt erwogen und bedacht.Ich wende mich zuerst an diesen Alten,Des Scharfsinn einmal schon uns Trost gebracht:Ehrwürd'ger Greis, laß deine Weisheit walten.»Der stand und sprach: «Ich bin ein alter Mann,Ich will euch meinen Rath nicht vorenthalten.Wir sehn es vierzehn Tage noch mit an,Und hat der Regen dann nicht aufgehört,Gut! regn' es denn, so lang es will und kann.»Er schwieg, es schwiegen, die das Wort gehört,Noch eine Weile staunend, dann erschollDes Beifalls Jubel-Nachklang ungestört.Einstimmig, heißt es in dem Protokoll,Einstimmig ward der Rathschluß angenommen,Der nun Gesetzeskraft behalten soll.So schloß ein Szekler Landtag, der zum FrommenDes Landes Weiseres vielleicht gerathen,Als mancher, dessen Preis auf uns gekommen.So wie die Väter stolz auf ihre ThatenNach bräuchlichen Gelagen heimgekehrt,Erschien die Sonne, trockneten die Saaten,Und schwankten heim die Wagen goldbeschwert. –
Trinkspruchin einer literarischen Gesellschaft 1831.
O lasset uns in dieser düstern, bangen Zeit,Wo hochanschwellend, donnernd der Geschichte StromDie starren langgehegten Eisesfesseln sprengt,Das neue Leben unter Trümmern bricht hervor,Und sich in Stürmen umgestalten will die Welt;O lasset uns, ihr Freunde, – rings verhallt das LiedUnd unserm heitern Saitenspiele lauscht kein Ohr, –Dennoch die Gottesgabe des Gesanges treuIm reinen Busen hegen, wahren; daß vielleichtWir, hochergraute Barden, einst die Sonne nochMit Hochgesang begrüßen, welche das GewölkZertheilend die verjüngte Welt bescheinen wird.Prophetisch, Freunde, bring ich dieses volle GlasDer fernen Zukunft einer andern Liederzeit!
Das Mordthal.(Zwischen New-Orleans und Savannah)
North-american review Es überfiel mich Müden einst die NachtIn eines Thales wildbewachsnem Grunde,Des Namen auszusprechen schaudern macht.Die Bäume nannten ihn, die in der RundeMit schwarzgebrannten Stämmen mich umstanden:«Das Mordthal!» sprach ich aus mit leisem Munde.An diesem Ort des Schreckens überwanden,Skalpierten die Indianer dreißig Weiße,Die schlafend sie in ihrem Lager fanden;Sie schonten nicht der Kinder, nicht der Greise.Und einsam übernachten sollt ich hier,In dieser Bäume schauerlichem Kreise.Ich sorgte für mein Pferd, mein müdes Thier,Sodann des Herdes Flamme zu erwecken,Und stillte des gereizten Hungers Gier;Und wollte ruhbedürftig hin mich strecken,Als neben mir im dürren Laub erklangEin Rasseln, wohl geeignet mich zu schrecken.Die Klapperschlange war's; vom Lager sprangIch auf und sah, bei meines Feuers Lichte,Den Wurm, den zu vertilgen mir gelang.Ich wiederum, wie es geschehen, richteZum Schlaf mich ein, doch mir im Sinne lagenDer gift'ge Wurm und jene Mordgeschichte.Wie da mir war, ich weiß es nicht zu sagen;Ich lag, ob schlaflos, doch wie Schlafes trunken,Sah über mir die Wipfel windgeschlagen,Und sah, wie märchenhafte lichte Funken,Leuchtkäfer schwirren durch des Laubes Zelt,Da rings die Landschaft tief in Nacht versunken.Vom Flackern nur der Flamme schwach erhellt,Erschimmerten die Stämme mit den Zeichen;Ich fühlte recht allein mich in der Welt.So wie der Mond vom Horizont die bleichenUnsichern Strahlen durch die Räume warf,Begann vor ihm die Finsterniß zu weichen;Und wie er stieg am Himmel, sah ich scharfUnd schärfer aus dem Dunkel treten, wasIch sonder Schauder nimmer denken darf.Gelehnt an einen jener Stämme saßEin Sohn der Wildniß, welcher regungslosMich wundersamen, starren Blickes maß;Nicht jung von Jahren, kräftig, schön und groß,An Schmuck und Waffen einem Fürsten gleich,Das Feuerrohr, den Bogen in dem Schoß;Im schön gestickten Gürtel zierlich reichDen Tomahawk nebst Messer zu skalpieren,Gleich einem Schemen aus dem Schattenreich.Ich sah ihn an, so wie er mich, mit stierenUnd unverwandten Augen; sah ihn lange,Und schien mir alle Thatkraft zu verlieren;Dem Vogel zu vergleichen, den die SchlangeMit zauberkräft'gem Blick in Bande schlug,Gelähmt von der Gedanken wirrem Drange.Da dacht ich wieder: dieses Bild ist Trug,Ein Angstgespenst nur ohne Wesenheit,Das dein erhitztes Hirn ins Aeußre trug;Und schlug die Augen zu nach langer Zeit,Und schlug sie wieder auf, – er war verschwunden,Ich dünkte mich von bösem Wahn befreit.Da fiel von Müdigkeit ich überwundenIn tiefen Schlaf; der Morgen graute schon,Er hielt mich selbstvergessen noch gebunden.Der Wind, der sich erhob wie Sturmes Drohn,Erweckte mich, – und wiederum saß dort,Es war kein Wahn, der Wildniß graus'ger Sohn;In gleicher Haltung und am selben Ort,Noch stumm und starr, noch ohne sich zu regen,Den Blick auf mich geheftet fort und fort.Da sprang ich auf und auf ihn zu, verwegenMit vorgehaltener Pistol; er standNun auf und trat gelassen mir entgegen.Wie hart ich Mann an Mann mich vor ihm fand,Da traf ein Schlag mich, den er plötzlich führte, –Entwaffnet war ich und in seiner Hand.Und wie sie kräftig mir die Kehle schnürte,Ersprühten über mich des Auges Flammen,Die lang verhaltner Haß befriedigt schürte.Ich fühlte zu dem Tode mich verdammen,Vermochte nicht zu flehen um mein Leben,Und sank zerknickt, ein schwaches Rohr, zusammen.Er aber schien sich selbst zu widerstreben,Zu bändigen die rasche, wilde Wuth;Ich sah ihn unvermuthet frei mich geben.Die Pfeife steckt' er an des Herdes GluthIn Brand, und reichte rauchend sie mir dar,Wie Friede bietend es der Wilde thut.Durch solches Pfand gesichert vor Gefahr,Vermocht ich nicht zu brechen noch das Schweigen,Der ich unkundig seiner Sprache war.Und er auf englisch: «Folge mir, dort steigenHerauf die Wolken vor des Sturmes Nahn;Zu Pferd! ich werde meinen Weg dir zeigen.»Ich sprach – er schwieg und gieng den Pfad voran,Und bog zurück das Haupt, und winkte nur;Ich saß zu Pferd und folgte seiner Bahn.Der Steg, durch Schluchten, welche die NaturMit Waldesdickicht wuchernd übersponnen,Verfolgte berghinan des Wildes Spur.Es drang durch Waldesnacht kein Strahl der Sonnen;Und eilend schritt, und hielt mein Pferd am ZaumMein Führer schweigsam, sicher und besonnen.Ich ließ ihn schalten, folgend wie im Traum.Sein Haus erschien, das nächste Ziel der Reise,Inmitten einem lichtern Waldesraum.Er führte mich hinein, er brachte Speise,Er hieß mich sitzen, sorgend für den GastAuf schweigsam ernste, würdevolle Weise.Ich aber warf den Blick mit scheuer HastRings um mich her, und mich befiel ein GrauenBeim Anblick dessen, was der Raum umfaßt'.Da waren prunkend ausgestellt zu schauenBei funfzehn Skalpe, bluth'ges Siegesmal,Von weißen Menschen, Männern, Kindern, Frauen.Er ließ mich überzählen deren Zahl,Und nahm sie nach einander von der Wand,Und hing um seinen Hals sie allzumal;Und schmückte sich mit Waffen und Gewand,Als sei's zum Festmahl oder auch zur Schlacht,Und sprach sodann mit Stolz zu mir gewandt:«Du bist ein Weißer, und ich fand zu NachtDich schlafend, meiner Friedenspfeife RauchHat Sicherheit des Lebens dir gebracht.Einst fand ein Weißer meinen Vater auchIn seinem Schlaf, – ich war noch ungeboren, –Er schlug den Schlafenden nach eurem Brauch;Und Rache war, zu der ich auserkoren,Das erste Wort, das ich zu lallen lernte,Und war der erste Schwur, den ich geschworen.Die bluth'ge Saat gedieh zu bluth'ger Ernte;Ich hielt als Mann, den ich als Kind gelallt,Den Schwur, von dem mein Sinn sich nie entfernte;Und als ich noch für einen Knaben galt,Mit Skalpen schmückt ich, so wie diese hier,Die Hütte, meiner Mutter Aufenthalt.Wir hausten im Ontario-Revier;Vier Kinder, die, euch hassen, ich gelehrt,Vier hoffnungsvolle Söhne blühten mir.Wie einst ich von der Jagd zurückgekehrt,Da stieß mein Fuß auf Trümmer und auf Leichen,Vier Leichen, von den Flammen halb verzehrt.Allein stand meine Mutter bei den Leichen,Vergoß unmächt'ger Thränen bittre Flut,Und stöhnte: Rache! Rache diesen Leichen!Ich habe Thränen nicht, ich habe Bluth,Der Weißen rothes Herzensbluth vergossen,Und habe nicht gekühlt noch meine Wuth.Wo wider weiße Menschen je beschlossenVon meinen rothen Brüdern ward ein Krieg,Gewannen mich die Tapfern zum Genossen.Der uns Verbündete geführt zum Sieg,Tekumteh fiel in seines Ruhmes Prangen,Mit dem die Hoffnung auch zu Grabe stieg.Da sprach ich zu der Mutter: AusgegangenIst unser Stamm, wir beide sind allein,Es soll die tiefste Wildniß uns umfangen.Wir zogen südlich in die Wüstenein,Wo unsre Hütte wir uns hier erbaut,Und beigesetzt der Unsrigen Gebein.Ein Weißer einst, von Haaren hoch ergraut,Begehrte gastlich Schutz von unserm Dache,Und wie ihn scharf die Mutter angeschaut,Da schrie sie leise mir ins Ohr: Erwache!Der ist es, der den Vater dir erschlagen;Gedenke deines Schwures: Rache! Rache! –Ich will, was folgt, an anderm Ort dir sagen.Erhebe dich, mein Gast, und folge mir.»Er schwieg und gieng, ich folgte nur mit Zagen.Durch Urwalds Dickicht, undurchdringlich schier,Auf steilem Abhang klommen wir empor,Am Absturz einer Bergschlucht hielten wir.Der Blick vor uns sich unterwärts verlorIn nächt'ge Tiefe, kaum erscholl das BrausenDes Bergstroms noch herauf zu unserm Ohr.Da stand der Wilde in des Sturmes Sausen,Und warf zornfunkelnd einen Blick mir zu, –Zu Berge sträubte sich mein Haar vor Grausen.«Wo jenen ich geführet, stehst nun du!» –Beginnend so nach langem Schweigen, that erWie einer, der dem Sturm gebietet Ruh. –«Er fürchtete den Tod, und winselnd bat erUm Leib und Leben, doch ich stieß ihn fort:Den du gemordet, räch ich, meinen Vater.Du kommst mit mir ins Land der Geister, dortErwartet meiner rühmlicher Empfang;Das Opfer bring ich und ich halte Wort.Und ihn mit kräft'gen Armen fassend, sprangIch hier hinab, in dieses Schlundes Rachen,Zu seinem und zu meinem Untergang.Noch hör ich seines Körpers dumpfes Krachen,Der dort am schwarzen Felsen ward zerschlagen;Ich selber sollte noch dem Licht erwachen.Du siehst den Wipfel einer Zeder ragen,Dort, unter uns, aus enger Felsenspalte;Dort ward ich wundersam im Schwung getragen.Und wie mich sanft die Zweige wiegten, schallteErfreulich meinem Ohr der dumpfe Ton,Der von der Felswand drüben widerhallte.Da sprach der große Geist zu seinem Sohn:Kehr um, vermehre deiner Opfer Zahl;Es bleibet vorbehalten dir dein Lohn.Da that ich, wie die Stimme mir befahl;Mir half die Wurzel dort hinauf mich winden;Ich trage noch des Lebens Last und Qual.Und ich darauf: Du wirst nun Ruhe finden,Du hast erfüllt der Rache letzte Pflicht,Der Mörder fiel, dich kann kein Schwur mehr binden. –Der Mörder, ja – mein letztes Opfer nicht.So er, und sah mich seltsam düster an,Als hielt' er über mich das Bluthgericht. –An jenem Tag, wo ich dem Tod entrann,Hat andres mir der große Geist geboten;Fünf Skalpe sind's, die seither ich gewann.Ich sandte vor mir her noch fünf der Boten;Hab aber nicht am Leben mehr Gefallen,Seit sich die Mutter legte zu den Todten;Bin müd und traurig worden so zu wallen,Der letzte meines Stammes und allein,Und heute soll mein letztes Opfer fallen.Der vor'gen Nacht gedenke, wo der ScheinMich deines Feuers an dein Lager brachte;Da mochte dir dein Schlaf gefährlich sein!Unseliger, du schliefst! ich aber wachte:Du schliefst so ruhig, wie, den andern gleich,Ich meiner Rache dich zu opfern dachte;Und wie ich schwang den Tomahawk zum Streich,Und aus der Scheide scharf mein Messer zog,Da mocht ich nicht, da ward ich träg und weich;Und wie mein eigner Muth mich so betrog,Und nicht beherrschend mehr die läß'gen Glieder,Sich von der That zurück mein Wille bog,Da warf ich vor dem großen Geist mich nieder,Der mich errettet einst aus diesem Schlunde,Und ich vernahm dieselbe Stimme wieder.Sie gab von dem, was ich zu thun, mir Kunde.Du wirst, wie ich gehorchen lernte, sehen.Mein letztes Opfer fällt in dieser Stunde.»Er schwieg und wandte langsam sich zu gehen,Und winkte mir; ich folgte sinnend nachUnd mochte nicht der Rede Sinn verstehen:Wer wird das Opfer sein, das er versprach?Bin ich das Schlachtthier? – Ruhig schritt voraus,Der sich in neue Richtung Bahnen brach.Der Wald erdröhnte von dem Sturmgesaus,Es gab der Donner schmetternd seinen Klang,In Strömen fiel der Regen mit Gebraus.Des Sturmes Stimmen übertönend, sangIn seiner Väter Sprache sonderbarDer Wilde tief ergreifenden Gesang.Da ward es mir in meiner Seele klar,Daß diese seltsam schauerliche WeiseDas eigne Sterbelied des Sängers war.Und bald erschien – es ward mein Bluth zu Eise,Und auf den Lippen mir erstarb das Wort, –Ein schlichtes Grab in hoher Bäume Kreise.Und er zu mir: «Halt an! wir sind am Ort.Du sollst nach unsern Bräuchen mich bestatten.Es führet dich zurück der Fußsteig dort.Hier legst du mich zur Ruh nach dem Ermatten.Dies Grab enthält der Meinigen Gebein,Und wird umschwirrt von meiner Väter Schatten.»Er sprach's und trat in seiner Todten Reihn,Bestieg den Hügel, ruhig, würdevoll,Sich festlich selbsterkornem Tod zu weihn.Der innre Sturm, der ihm im Busen schwoll,Verhallte schaurig in dem Schwanensang,Der herzzerreißend seinem Mund entquoll.Ein Nachhall schien des Donners mächt'ger Klang,Des äußern Sturmes langgezognes Stöhnen,Der Stimme, die sich seiner Brust entrang.Die Sprache bald verlassend von den SöhnenDes Waldes, wandt er seiner Augen LichtMir zu, und sang in meiner Sprache Tönen:«Ich bin der letzte meines Stammes, nichtVon Feindes Hand zu fallen wird mein Los,Noch wie die Zeder, die vor Alter bricht.Denn seht, ich reiße mich vom Leben los,Und geh ins Land der Geister freien Muthes,Von Schwächen und von Tadel bar und bloß.Der Mein'gen Mörder! Räuber meines Gutes!Ihr Weißen! denen meine Rache galt,Genug vergossen hab ich eures Bluthes.Ich bin gesättiget und müd und alt,Mein Nam ist am Ontario verklungen,Und ist in Waldes Widerhall verhallt.Ich habe selbst mein Sterbelied gesungen,Der ich der letzte meines Stammes bin;Kein Lied erschallt um mich von andern Zungen.Schon lange neigt hinunter sich mein Sinn,Und euer, meine Väter, bin ich werth; –Des Donners Stimme ruft, – ich komme hin.» –Ich aber stand von fern und abgekehrt,Verhüllt das Haupt in meines Mantels Falten,So lang sein leises Röcheln noch gewährt.Und wie die letzten Töne nun verhalltenUnd still es ward, da mußt ich mich enthüllen,Und treten zu der Ruhesthatt des Alten,Um seinen letzten Willen zu erfüllen.
Das Vermächtniss.
Ich bin schon alt, es mahnt der Zeiten LaufMich oft an längst geschehene Geschichten,Und die erzähl ich, horcht auch niemand auf.So weiß ich aus der Chronik und Gedichten,Wie bei der Pest es in Ferrara war,Und will davon nur einen Zug berichten.Es scheute wohl sich jeder vor Gefahr,Den pesterkrankten Vater floh der Sohn,Die Mutter selbst das Kind, das sie gebar.Es war zu heißer Sommerzeit; geflohnVon Freunden und Verwandten, weltverlassenLag Basso della Penna sterbend schon.Sein Testament, das wollt er schreiben lassen;Es ließ sich endlich ein Notar bewegen,Das Dokument rechtskräftig zu verfassen.Und er: «Ich will es ihnen auferlegen,Ich meine meinen Kindern, meinen Erben,Anständig meine Fliegen zu verpflegen.»Und der Notar: «Ihr lieget schon im Sterben,Wie schickt sich's, Basso, daß Ihr Scherze treibt,Anstatt um Euer Heil Euch zu bewerben.»Drauf dieser: «Schreibt, wie ich Euch sage, schreibt!Ihr seht mich ja verlassen von den Meinen,Da noch dieß Fliegenvolk mir treu verbleibt.Nur treu aus Eigennutz, so mögt Ihr meinen;Ich will's nicht untersuchen, will alleinEs wissen, daß die Treusten sie mir scheinen;Bei Gott! ich muß und will erkenntlich sein,Drum, schreibt es nieder, so wie ich Euch sage,Denn wohlerwogen ist der Wille mein:Alljährig sollen sie am JakobstageAussetzen einen Scheffel reifer FeigenDen Fliegen allzumal zum Festgelage.Und sollten sie darin sich lässig zeigen,Und unterblieb' es nur ein einzig Mal,Fällt Hab und Gut dem Armenhaus zu eigen.» –Und noch geschieht es so, wie er befahl,Und am bestimmten Tage zugemessenWird noch den Fliegen ihr bestimmtes Mahl.Der Fliegen hat kein Erbe je vergessen.
Der heilige Martin,Bischof von Tours.Legende.
«Diesen Martin», rief der Satan, –«Fürchtet nichts, ihr Höllengeister,Fürchtet nichts und hört den Rath an,Den geschmiedet euer Meister, –Diesen Martin, der, geplaget,Angefochten, – unverzaget,Unverfährdet, uns zum Hohn,Wiederbringt die Kreaturen,Die zu unsern Zeichen schwuren,Dem verhaßten Menschensohn,Diesen gilt es zu verderben;Also will um ihn ich werben,Zählt ihn zu den Unsern schon.»
Redend hat der Geist der LügeForm und Körper angenommen,Und es sind des Heilands Züge,Welche seiner Arglist frommen, –Fürchtet nichts, o Vielgetreue,Fürchtet nichts, wenn euch aufs neueTief verhaßt der Anblick kränkt;Fürchtet nichts, ich bin der Alte,Der, wie er sein Antlitz falte,Alten Grolles nur gedenkt;Ihm, den sie den Heil'gen schelten,Will ich für den Juden gelten,Bis er seine Seel uns schenkt.»
Und in Purpur prunkt er eitel,Gleich den Königen der Erde,Die Tiar' auf seiner Scheitel,Stolz und Hochmuth die Geberde.Und die Teufel faßt ein Grauen,Wie das Schreckenbild sie schauen,Und ein Weheruf erschallt;Heulend stürzen sie vonsammen,Suchen Schutz in ew'gen FlammenVor des Rächers Allgewalt;Und mit Angst erfüllt nicht minderAuch den argen Trugs-ErfinderDie erfrevelte Gestalt.
Bischof Martin liegt indessen,Lieb im Herzen, Hoffnung, Glaube,Tief in Demuth, selbstvergessen,Vor dem Kruzifix im Staube:«Der du starbst uns zu erlösen,Sieh uns Schwache, von dem Bösen,Von der Sünde Garn umstellt;Straf uns nicht in deinem Zorne,Wasch uns rein im GnadenborneVon der Schuld, die auf uns fällt.»Und es tritt der Geist der LügeVor ihn hin, er trägt die ZügeDes Erlösers dieser Welt.
Und in Purpur prunkt er eitel,Gleich den Königen der Erde,Die Tiar' auf seiner Scheitel,Stolz und Hochmuth die Geberde:«Martin, sieh, ich bin der wahreChristus, und ich offenbareDem mich, der zu mir sich neigt;Und es ist dir anbefohlen,Anzubeten unverhohlen,Der sich deinen Augen zeigt.»Martin starrt, die Augen offen,Schier entrüstet und betroffen,Den Versucher an und schweigt.
Und der Arge redet wieder:«Christus bin ich und befehle;Falle betend vor mir niederUnd ergib mir deine Seele.»Er darauf: «Der AllerbarmerWar hienieden selbst ein Armer,Er, die Wahrheit, er das Licht,Er, mein Christus, starb am Holze;Aber dich in deinem Stolze,Dich – entfleuch – dich kenn ich nicht.»Und es war der Trug zerstoben,Martin, seinen Gott zu loben,Liegt im Staube fromm und schlicht.
Der Graf und der Leibeigene.
1
Laß, Graf, die Jagd und wende dein Roß;Es wird, bevor du erreichest dein Schloß,Wo kreißend die Gräfin begehret dein,Der Erbe vielleicht dir geboren sein.
Wie sprengt er daher mit freudigem Muth!Wie trieft der Rappe von Schweiß und von Bluth!Die Burg erreicht er mit letzter Kraft, –Verwirrung herrscht in der Dienerschaft.
Es dringt in das Frauengemach der Graf;Die Wöchnerin liegt in ruhigem Schlaf,Die Frauen entfernt, die Fenster verhängt,Die Wiege dicht an das Bette gedrängt.
Er deckt die Wieg auf, atmend kaum; –Zwei Knaben faßt der enge Raum,Zu Haupt liegt einer, der andre am Fuß;Wie schwelgt nun sein Herz in Ueberfluß!
Er hebt den einen, den andern mit LustAus enger Wiege an seine Brust,Er legt sie beisammen, und wieder hervorSie hebend hält er die beiden empor.
«Wie bin ich so reich, wie war ich so arm!Nun wieg ich der Sprößlinge zwei im Arm,Nun grünt mein Stamm in Ueppigkeit,Nun soll er mir ragen in Herrlichkeit!»
Da kommt die Wehemutter herein,Sie ahndet schon, was geschehen mag sein,Sie hört und sieht ihn erschrocken an:«Was hast du Graf, was hast du gethan?
Entbunden ward mit der Herrin zugleichDie Schaffnerin, – was wirst du so bleich? –Sie hat, die hier sich geschäftigt verletzt,Der Kinder eins in die Welt gesetzt.
Zu Häupten lag, der dir gehört,Der andre zu Füßen, wie sich's gehört.Wer ist dein Bluth, wer dein Geschlecht?Leibeigen wer und niedrer Knecht?»
Da ruft er entsetzt: «Was hab ich gethan?Mein Sohn, mein Sohn! wer zeigt mir ihn an?»Erwachend ruft die Gräfin: «Mein Kind!O gebt mein eigenes Kind mir geschwind!»
Vergeblich Klage: kein Zeuge spricht,Zu kennen sind die Kinder nicht,Verloren ist der Irrung Spur,Die Zeichen schweigen, es schweigt die Natur.
2
«Bald legt sich der Alte zur letzten RuhUnd fällt sein brechendes Aug erst zu, –Auf welcher Seite sei das Recht, –So bin ich der Herr, so bist du der Knecht.» –
«Du, Doppelgänger, bist mir fast,So wie ich dir, in der Seele verhaßt;Und schläft er... ich frage nach keinem Recht,So bin ich der Herr, so bist du der Knecht.» –
«Ich bin der Graf, wer widersagtDem hochgeborenen Herren? wer wagtVerblendet gegen mich den Raub?Vor mir, Leibeigener, in den Staub!» –
«Ich bin der Graf und dulde hierDein blasses Bild nicht neben mir;Ich werfe dich in den tiefsten Thurm;Zu meinen Füßen kreuch, du Wurm!»
«Wenn schmähen deine Zunge darf,Ist doch dein Schwert viel minder scharf,Sonst müßte bald entschieden seinWohl zwischen uns das Mein und Dein.» –
«Was warten wir, daß sein Auge bricht?Ich fälle dich gleich, du Bösewicht!» –«Was warten wir? das sprachst du gut;Gleich dünge mein Land dein schwarzes Bluth!»
Vernahmst du, Graf, der Waffen KlangVom Hag herüber die Halle entlang?Was trägt dein schwankender Fuß dich dahin?Ach! Unheil ahndet dein finstrer Sinn.
Und über zwei Leichen auf bluthigem Grund,Da ringt er verwaist die Hände wund,Und weint die alten Augen blind,Und schüttelt sein greises Haar in dem Wind.
Die Verbannten.
1Woinarowski– 1740 –(Nach dem Russischen des Relejeff) 1)
Ein Reich des Winters starrt das öde Land,Durch welches sich die breite Lena windetZu einem ewig eisumthürmten Strand.Auf Schnee, auf frosterstarrter Rinde findetSich wegbar nur das ausgespannte Moor,Von dem die weiße Decke kaum verschwindet.Im weiten Kreise blickt daraus hervorEin schwarzer Föhrenwald, und scheinet schierAuf kaltem Leichentuch ein Trauerflor.Aus Balken grobgezimmert reihen hierSich dunkle Jurten längs dem Fluß: die StadtDes Schreckens in der Schrecknisse Revier, –Jakutsk, an Kerkers und an Grabes StattBestimmt, die Unglückseligen zu hegen,Die schon das Leben ausgespieen hat.Wer ist, der dort auf unbetretnen WegenSo heimlich düster durch die Nebel schleicht,Die kalt am Morgen auf das Moor sich legen?Mit kurzem Kaftan, Gurt und Mütze gleichtEr dem Kosaken von des Dnjepers Auen;Das Alter nicht hat so sein Haar gebleicht.Und die zerstörten Züge! welch ein GrauenFlößt dieses Antlitz ein! des Henkers MalIst aber auf der Stirne nicht zu schauen. –Und dort am Walde hält er auf einmal,Erhebt gen Westen schmerzensüberwundenZugleich die Arme mit der Augen Strahl;Und so wie Bluth aus tiefen Herzenswunden,Entquillt ein Schrei: «O du mein Vaterland!»Er ist in Waldesdickicht schon verschwunden.Wer ist, wer war er, eh der UnbestandIhn des Geschickes in den Abgrund raffte?Wie heißt der Waldbewohner? – unbenannt.Wen her das schwarzverdeckte Fuhrwerk schaffte,Ein Sarg lebend'ger Todten, ist verschollen,Und stumm verhüllt sich dieser Rätselhafte.Um Opfer edlem Wissensdurst zu zollenHat Müller zu der Zeit dieß Land bereist,Und zu Jakutsk den Winter dulden wollen.In dürft'ger Hütte lebt' er und verwaist,Ein Menschenfreund und Priester der Natur,Wofür die Nachwelt seinen Namen preist.Erholung war die Lust der Jagd ihm nur;Oft lockten in den Forst ihn seine HundeAuf leichtem Schneeschuh auf des Rennes Spur.Des Weges einst vergessen und der Stunde,Fand er am späten Abend sich allein,Verirrt, erschöpft, erstarrt in Waldesgrunde.Die Kälte frißt am Leben, ohne ScheinHat über ihm der Himmel sich bedeckt,Er hüllt gefaßt zum letzten Schlaf sich ein;Und bald hat ein Geräusch ihn aufgeschreckt:Ein flüchtig scheues Renn durchfliegt den Tann,Ein Schuß – es liegt zu Boden hingestreckt.Und dort erscheint er, der den Schuß gethan,Der Sträfling, dessen Anblick sonderbarDen Unerschrockensten verwirren kann.Er starrt ihn an und zweifelt, ob sich darErrettung bietet, oder ihn bedrohtVom wilden Schützen andere Gefahr?Und schnell bestimmt den Zweifelnden die Noth:«Blick her und übe du Barmherzigkeit,Ein Mensch wie du erwartet hier den Tod.Gib auf den Weg zur Stadt mir dein Geleit,Ich bin verirrt.» Drauf jener: «Hör ein Wort:Die Nacht wird dunkel und der Weg ist weit.Nicht aber fern ist meine Jurte dort;Geschlagen hat auch dich des Schicksals Tücke,Es bietet dir mein Elend einen Port.Da ruhest du und hoffst und träumst von Glücke,Ich aber ruhe, hoffe, träume nicht,Und scheint der Morgen, führ ich dich zurücke.»Und ob den Worten staunend, die der spricht,Erhebet Müller sich und folgt dem Alten,Der durch die Wildniß ihm die Bahnen bricht.Beschwerlicher wird stets der Pfad zu halten;Sie schreiten schweigend zu, der Urwald schweigt,Nachhallend nur von frostgerißnen Spalten.Die Nacht hat sich gesenkt, die Kälte steigt,Und Müller unterliegt den Mühen fast,Als spät und einsam sich die Jurte zeigt.Sie treten ein; der Jäger sorgt mit HastDes Feuers Macht aufs neue zu beleben,Die knisternd bald das dürre Reisig faßt.Und wie die Flammen lodernd sich erheben,Erschimmern an den Mauern Waffen blank,Die ringsher Widerschein der Lohe geben.Der Wirth beschickt die Lampe, rückt die BankDem Herde näher und den Tisch herbei,Den er versorgend deckt mit Speis und Trank.Er grüßt den Gast; es setzen sich die zwei,Der Wärme sich zu freuen und der Speise,Und aus dem Herzen quillt die Rede frei.Gar inhaltschwere Worte läßt der GreiseIn dieser weltvergeßnen Wildniß hallen,Die Nachklang wecken möchten aus dem Eise:«Du bist ein Deutscher; alle Schranken fallen,In denen ich vor Russen mich verbaut,Die Sprache meines Herzens darf erschallen.Und nun erschreckt mich meiner Stimme Laut,Der halbvergessen spät herauf beschwörtDen Traum, dem jung und gut ich einst vertraut.Dich hat nicht so wie mich der Traum bethört,Doch träumt ihr auch im Schlaf, wann mächt'gen KlangesIhr Deutsche solches Wort erdröhnen hört.Du wirst mich fassen. Freiheit! Freiheit! klang esAm Dnjeper durch die Ebnen wundervoll;Der Ton erweckte mich, mein Herz verschlang es.Des manngewordnen Jünglings Busen schwoll,Ich fand dem Heldenfürsten mich gesellt,Aus dessen Mund der mächt'ge Ruf erscholl.Erkenne, den das Elend so entstellt, –Ich war Mazeppas Freund in meinen Tagen,Und Woinarowski nannte mich die Welt.Nicht langsam schmerzlich will ich wieder sagen,Was in das Buch mit ehrnem Griffel schonDer Genius der Zeiten eingetragen.Man weiß genug, wie Karl, des Sieges Sohn,Verwegen unsern Zwingherrn lang bekriegte,Und fast erschütterte der Zaren Thron.Wie noch mit unserm Bluth der Schwede siegte,Als wir Ukrainer schlugen seine SchlachtenUnd falsch die Hoffnung kurze Zeit uns wiegte.Weh über uns! daß wir an Fremde dachten,Wo eigne Kraft für eignes Recht nur galt;Ein Bund der Sünde war es, den wir machten.Pultawa, deine Donner sind verhallt,Ein Flüchtling ist der Schwede, wir vernichtetErliegen zähneknirschend der Gewalt.Kein Kreuz steht auf dem Hügel aufgerichtet,Worunter du, Mazeppa, moderst nun,Dem Türken um die Spanne Grund verpflichtet.Mir ward es nicht zu Theil bei dir zu ruhn;Der deinen letzten Hauch ich eingesogen,Ich hatte nichts beim Türken mehr zu thun.Als sich gelegt des wilden Krieges Wogen,Wollt ich zu meinem Weibe heim mich schleichen,Von namenloser Sehnsucht hingezogen.Mein armes Land! ein Anblick sonder Gleichen!Rings lagen ausgestellt zum Fraß den RabenDer Besten meines Volks zertheilte Leichen.Wie Wuth ich bei dem Anblick weinte, habenDie Schergen mich ergriffen, fortgeführt,In diese Wüstenei mich zu vergraben.Ich glaube, daß du weinst, du bist gerührt;Ich habe solchen Thau seit vielen JahrenIn diesen dürren Höhlen nicht verspürt.Als ich gewürfelt mit dem großen Zaren,Und Lieb und Haß im Busen noch gestrebt,Da hab ich wohl gewußt, was Thränen waren.Ich bin erstorben nun, und kaum erhebtSich schweifend noch mein Blick nach Westen hin,Das Land begehrend, wo ich einst gelebt.Und doch, wie immer ich gebrochen bin,Wie meine Brust erkaltet und zerrissen,Es glimmt der heil'ge Funken noch darin.Du Guter, hast in meinen FinternissenTheilnehmend und gerührt auf mich gesehen;Du sollst mein heimlich Heiligstes noch wissen.Komm mit hinaus. – Dort wo die Föhren stehen,Des Mondes Sichel wirft den blassen Schein,Dort wirst das dunkle Kreuz du ragen sehen.Ich lade dich zur Lust des Schmerzens ein,Die letzte, heil'ge, so ich treu erfunden;Du bist am Ort, hier ruhet ihr Gebein.Als von der Heimath spurlos ich verschwunden,Hat sich mein Weib mit LiebesheldenmuthMich in der Welt zu suchen unterwunden.Und irreschweifend hat sie nicht geruht,Zwei Jahre sind der Dulderin verstrichen,Bis sie gefunden ihr verlornes Gut.Doch ihre schon verzehrten Kräfte wichen,Und als der Winter kam, da gieng's zu Ende,Da ist in meinen Armen sie erblichen.Hier haben aufgerissen meine HändeDen harten durchgefrornen Schoß der Erde,Und ihr gegeben meine letzte Spende.Und hier, bei meinem Lieb- und Lebensherde,Hier ist es, wo ich dir auf heil'gem GrundeMein andres Heiligthum vertrauen werde.Die letzten Worte, die mit blassem MundeMazeppa vor dem staunenden GenossenProphetisch ausrief in der Sterbestunde:Was wir geträumt, noch war es nicht beschlossen;Laß eine Zeit noch laden Schuld auf Schuld,Sich dehnen und entkräften den Kolossen;Umfassen eine halbe Welt – Geduld!Im Spiegelschein der Sonnen eitel schimmernDas Herz von Uebermuth geschwellt – Geduld!Ihn wird der Zorn des Himmels doch zertrümmern.Gott heißt Vergeltung in der WeltgeschichteUnd läßt die Saat der Sünde nicht verkümmern.»Der Alte schwieg. Auf seinem Angesichte,Dem schaurig wiederum erstarrten, schwandDer Strahl, der es erhellt mit flücht'gem Lichte.Und Müller wunderbar ergriffen standGedankenvoll zur Seite dem Gefährten,Und drückte stumm dem Schweigenden die Hand.Die beiden endlich sich besinnend, kehrtenZur Siedelei zurück, wo halbverglommenDes Herdes letzte Gluthen sich verzehrten.Da sprach der Greis; «Laß itzt den Schlaf dir frommen,Der mich vergessen hat seit langen Jahren;Die Nacht verstreicht, der junge Tag wird kommen;Der führt zurück dich zu der Menschen Scharen,Wo dieser Nacht Erinnrung dir verbleicht;Ich werd im wunden Herzen sie bewahren.»Vergessen mochte Müller nicht so leicht;Er hat ihn oft besucht, und oft dem SohneDer Schmerzen lindernd milden Trost gereicht;Hat vor der Zarin Anna höchstem ThroneFür ihn gebeten, und für sich begehrtDes Alten Gnade nur zu eignem Lohne.Als wiederum der Winter wiederkehrt,Wird Antwort von der Zarin ihm zu Theile:«Dir ist, was du gebeten hast, gewährt.»Die Lust des Glücklichen kennt keine Weile,Nach jenem Walde hin! er hält sich kaum,Betreibend schnell die Fahrt mit freud'ger Eile.Die Narte rennbespannt durchfliegt den Raum,Sie macht im Walde vor der Jurte Halt;Er überläßt sich noch dem süßen Traum.Er ruft dem Freunde zu; der Ruf verhallt –So schaurig stumm, die Thüre dort verschneit! –Er tritt hinein: das Innre leer und kalt. –Kein Feuer brannte hier seit langer Zeit;Er späht umher: des Jägers Waffen hangenVollzählig, wohlgeordnet dort gereiht.Wo ist, der hier gehauset, hingegangen? –Er suchet ihn mit düstrer Ahnung SchauernAm Grab, das seines Herzens Herz empfangen.Wie Bilder auf der Fürsten Gräbern trauern,So sieht er sonder Regung dort gebanntEin Jammerbild am Fuß des Kreuzes kauern.Gestützt auf beide Hände, hingewandtGen Westen, starr das Angesicht, das bleiche:Das war, den Woinarowski man genannt.Schon halb verschüttet war vom Schnee die Leiche.
2Bestujeff– 1829 –
«Ihn wird der Zorn des Himmels doch zertrümmern.Gott heißt Vergeltung in der Weltgeschichte,Und läßt die Saat der Sünde nicht verkümmern.»So klang es zu Jakutsk beim SternenlichteIn kalter Nacht. Ein rüst'ger Jäger sang,Gar seltnen Reiz verleihend dem Gedichte.Ein fremdes Ohr belauschte den Gesang,Ein Mann, der jüngst, der Wissenschaft zu frönen,Bis hieher in das Reich des Winters drang:«Wer bist du, der die Nacht belebt mit Tönen?» –«Wer du, der du mich fragst? das Lied ist mein,Du wirst es nicht zu singen mich entwöhnen.» –«Gefraget hat ein Fremder dich allein,Weil ihn des Liedes mächt'ger Klang erfreute;Es lag ihm fern, unfreundlich dir zu sein.» –«Sei mir gegrüßt, und nicht zum Argen deuteDer ungemeßnen Rede flücht'ge Hast,Dieweil mir stolz zu sein geziemet heute.Komm in mein Haus, sei des Verbannten Gast;Ich werde dir berichten sonder Säumen,Was du zu wissen Lust bezeuget hast.Ich bin in dieses meines Grabes RäumenEin freier Mann, und bin die Nachtigall,Die hier allnächtlich singt von ihren Träumen.Mir bleibt der freien Stimme voller Schall,Die volle Brust des ungebrochnen Muthes,Und der ich bin, der bin ich überall.Die Erde lehrt mich und der Himmel thut es,Die Sterne, welche kreisend zu mir sagen:Es treibt uns unablässig, nimmer ruht es.Sieh scheitelrecht dort über dir den Wagen,Noch lenkt er aufwärts, strebet noch hinan,Um zu der Tiefe jenseits umzuschlagen.Ich bin zur Tiefe kommen meiner Bahn,Ich oder andre müssen wieder steigen,Und was ich träumte, war kein leerer Wahn.Das wird am Tag der Völker bald sich zeigen,Denn hält die Waage schwankend sich noch gleich,So muß die volle Schale doch sich neigen.Gewürfelt hab ich um ein Kaiserreich;Noch einmal ist der kühne Wurf mißlungen, –Er bot die Brust enblößt dem Todesstreich!Ich bin Bestujeff, welchen viele ZungenRelejeffs Mitverschworenen genannt,Dem er sein hohes Schwanenlied gesungen;Das Lied von Woinarowski, wo entbranntFür Freiheit er sein Heiligstes gegeben,Weil, scheint es, er sein Los vorausgekannt.Noch hallt das Lied, zur Nachwelt wird es schweben,Er aber hat das Bluthgerüst bestiegen;Ich muß ihn zu Jakutsk noch überleben!Dein Woinarowski sah dich unterliegen,O mein Mazeppa, und bewahrt dein WortIn seines Herzens Schreine goldgediegen.Du andrer Müller stehst am selben Ort,Um wieder gleiche Bilder zu betrachten,Die nimm du im Gedächtniß mit dir fort;Und wenn die guten Götter heim dich brachten,So gib den Stoff dem Dichter zum Gedicht;Er leb im Lied, den sie zu töten dachten.Das wird der andre Sang, der letzte nicht;Heil aber, dem der dritte vorbehalten!Der dritte heißt Vergeltung und Gericht.»Wie drohend noch Bestujeffs Worte hallten,Ward Licht am nord'schen Himmel ausgegossenUnd einen Bogen sah man sich gestalten;Und aus dem Bogen bluth'gen Lichtes schossenGen Süden wundersame Funkengarben,Die neigend sich zum Horizont verflossen;Mit Zitterscheine wechselten die Farben;Die Sterne, wie der Lohe Säulen stiegen,Verloren ihre Strahlen und erstarben.Nach Norden starrten beide hin und schwiegen.1) Das Gedicht Woinarowski von Relejeff, seinem Freunde Bestujeff zugeeignet, erschien zu St. Petersburg im Jahre 1825. Relejeff bestieg bald darauf als Verschworener und Empörer das Bluthgerüst, und Bestujeff ward nach Sibirien verbannt.
Der König im Norden. 2)
Es war ein König im NordenGar stolz, gewaltig und reich;Ihm gleich ist keiner geworden,Und nie wird einer ihm gleich.
Und als es galt zu sterben,Er saß am öden Meer,Es schlichen herbei seine Erben,Der Wolf, die Eule, der Bär.
Da sprach er zum zottigen Bären:«Dir laß ich Forst und Wald;Kein Jagdherr wird dich störenIm luftigen Aufenthalt.»
Und weiter sprach er zur Eule:«Ich lasse sonder ZahlDir Burgen und Städte, vertheileSie deinen Töchtern zumal.»
Und sprach zum Wolfe desgleichen:«Dir laß ich ein stilles Feld,Mit Leichen und aber Leichen,So weit ich geherrscht, bestellt.»
Und wie er solches gesprochen,So streckt' er sich aus zur Ruh, –Ein Sturm ist angebrochen,Der deckte mit Schloßen ihn zu.2) Ich schmücke mich mit fremden Federn. Dieses Gedicht ist eigentlich von Julius Curtius; ich habe es nur beim Abschreiben unbedeutend in den Worten verändert.
Der Spielmann.(Nach dem Dänischen von Andersen)
[1833 als 4. Lied im Zyklus «Nach dem Dänischen von Andersen»]
Im Städtchen giebt es des Jubels viel,Da halten sie Hochzeit mit Tanz und mit Spiel,Den Fröhlichen blinket der Wein so roth,Die Braut nur gleicht dem getünchten Tod.
Ja todt für den, den nicht sie vergißt,Der doch beim Fest nicht Bräutigam ist;Da steht er inmitten der Gäste im Krug,Und streichet die Geige, lustig genug!
Er streichet die Geige, sein Haar ergraut,Es springen die Saiten gellend und laut,Er drückt sie ans Herz und achtet es nicht,Ob auch sie in tausend Stücken zerbricht.
Es ist gar grausig, wenn einer so stirbt,Wann jung sein Herz um Freude noch wirbt;Ich mag und will nicht länger es sehn,Das möchte den Kopf mir schwindelnd verdrehn. –
Wer heißt euch mit Fingern zeigen auf mich?O Gott! bewahr uns gnädiglich,Daß keinen der Wahnsinn übermannt;Bin selber ein armer Musikant.
Berlin.Im Jahr 1831.
Du, meine liebe deutsche Heimath, hast,Warum ich bat, und mehr noch mir gegeben;Du ließest freundlich dem gebeugten GastDie eigne traute Hütte sich erheben,Und der bescheidne kleine Raum umfaßtEin neuerwachtes heitres reiches Leben;Ich habe nicht zu bitten, noch zu klagen,Dir nur aus frommem Herzen Dank zu sagen. –
Du siehst mich zweifelnd halb und halb erschrockenMit feuchten Augen an, mein gutes Kind,Laß nicht den Schein in Irrthum dich verlocken,Es ist ja nur des Abends kühler Wind,Des Mondes bleicher Schein auf meinen Locken,Die fast wie Silber anzusehen sind;Ein halbes Hundert mir entrauschter JahreHat nicht mein Herz berührt, nur meine Haare.
Mit duft'gen üpp'gen Blumenkränzen mußt,Mit Rosen, du beschatten ihren Glanz;Ich bin noch jung, noch stark, noch voller Lust,Und windet um die Stirne sich der Kranz,Und wieget sich mein Haupt an deiner Brust,Und wird der Traum zur Wirklichkeit so ganz,Erblühet zum Gesang mein heimlich Meinen,Und alle meine Lieder sind die deinen.
Ja! Lieder, neue Lieder will ich singen;Du, meine Muse, lauschest unverwandt,Und wenn die Weisen dir zum Herzen dringen,Drückst leise du belohnend mir die Hand;Laß ungestraft um uns die Kinder springen,Vielleicht daß sie der Geist der Lieder bannt,Kein Zwang: es würden mich die armen dauern,Sie dürfen nicht um unsre Freude trauern.
Und, liebes Kind, laß Thür und Fenster offen;Erworben hab ich mir der Freunde viele,Und habe derer manche schon getroffen,Die Freude hatten an dem heitern Spiele;Willkommen sei, wer lauschen will: mein HoffenWär eben, daß es vielen wohlgefiele;Wem aber unsre Lieder nicht gefallen,Der stört uns nicht, der wird vorüber wallen.
Die Weiber von Winsperg.
Der erste Hohenstaufen, der König Konrad, lagMit Heeresmacht vor Winsperg seit manchem langen Tag,Der Welfe war geschlagen, noch wehrte sich das Nest,Die unverzagten Städter, die hielten es noch fest.Der Hunger kam, der Hunger! das ist ein scharfer Dorn,Nun suchten sie die Gnade, nun fanden sie den Zorn:«Ihr habt mir hier erschlagen gar manchen Degen werth,Und öffnet ihr die Thore, so trifft euch doch das Schwert.»
Da sind die Weiber kommen: «Und muß es also sein,Gewährt uns freien Abzug, wir sind vom Bluthe rein.»Da hat sich vor den Armen des Helden Zorn gekühlt,Da hat ein sanft Erbarmen im Herzen er gefühlt.
«Die Weiber mögen abziehn, und jede habe frei,Was sie vermag zu tragen und ihr das Liebste sei;Laßt ziehn mit ihrer Bürde sie ungehindert fort,Das ist des Königs Meinung, das ist des Königs Wort.»
Und als der frühe Morgen im Osten kaum gegraut,Da hat ein seltnes Schauspiel vom Lager man geschaut;Es öffnet leise, leise sich das bedrängte Thor,Es schwankt ein Zug von Weibern mit schwerem Schritt hervor.
Tief beugt die Last sie nieder, die auf dem Nacken ruht,Sie tragen ihre Eh'herrn, das ist ihr liebstes Gut.«Halt an die argen Weiber!» ruft drohend mancher Wicht; –Der Kanzler spricht bedeutsam: «Das war die Meinung nicht.»
Da hat, wie er's vernommen, der fromme Herr gelacht:«Und war es nicht die Meinung, sie haben's gut gemacht;Gesprochen ist gesprochen, das Königswort besteht,Und zwar von keinem Kanzler zerdeutelt und zerdreht.»
So war das Gold der Krone wohl rein und unentweiht.Die Sage schallt herüber aus halbvergeßner Zeit.Im Jahr eilfhundert vierzig, wie ich's verzeichnet fand,Galt Königswort noch heilig im deutschen Vaterland.
Das Dampfross.
Schnell! schnell, mein Schmidt, mit des Rosses Beschlag!Derweil du zauderst, verstreicht der Tag. –«Wie dampfet dein ungeheures Pferd!Wo eilst du so hin, mein Ritter werth?» –
Schnell! schnell, mein Schmidt! Wer die Erde umkreistVon Ost in West, wie die Schule beweist,Der kommt, das hat er von seiner Müh,Ans Ziel um einen Tag zu früh.
Mein Dampfroß, Muster der Schnelligkeit,Läßt hinter sich die laufende Zeit,Und nimmt's zur Stunde nach Westen den Lauf,Kommt's gestern von Osten schon wieder herauf.
Ich habe der Zeit ihr Geheimniß geraubt,Von Gestern zu Gestern zurück sie geschraubt,Und schraube zurück sie von Tag zu Tag,Wie einst ich zu Adam gelangen mag.
Ich habe die Mutter, sonderbar!In der Stunde besucht, da sie mich gebar,Ich selber stand der Kreißenden bei,Und habe vernommen mein erstes Geschrei.
Viel tausend Mal, der Sonne voran,Vollbracht ich im Fluge noch meine Bahn,Bis heut ich hier zu besuchen kamGroßvater als glücklichen Bräutigam.
Großmutter ist die lieblichste Braut,Die je mit Augen ich noch erschaut;Er aber, grämlich, zu eifern geneigt,Hat ohne weitres die Thür mir gezeigt.
Schnell! schnell, mein Schmidt! mich ekelt schier,Die jetzt verläuft, die Zeit von Papier;Zurück hindurch! es verlangt mich schonZu sehen den Kaiser Napoleon.
Ich sprech ihn zuerst auf Helena,Den Gruß der Nachwelt bring ich ihm da;Dann sprech ich ihn früher beim Krönungsfest,Und warn ihn, – o hielt' er die Warnung fest!
Bist fertig, mein Schmidt? nimm deinen Sold,Ein Tausend Neunhundert geprägtes Gold.Zu Roß! Hurrah! nach Westen gejagt,Hier wieder vorüber, wann gestern es tagt! –
«Mein Ritter, mein Ritter, du kommst daher,Wohin wir gehen, erzähle noch mehr;Du weißt, o sag es, ob fällt, ob steigtDer Cours, der jetzt so schwankend sich zeigt?
Ein Wort, ein Wort nur im Vertraun!Ist's weis auf Rothschild Häuser zu baun?» –Schon hatte der Reiter die Feder gedrückt,Das Dampfroß fern ihn den Augen entrückt.
Frauen-Liebe und Leben.
1
Seit ich ihn gesehen,Glaub ich blind zu sein;Wo ich hin nur blicke,Seh ich ihn allein;Wie im wachen TraumeSchwebt sein Bild mir vor,Taucht aus tiefstem DunkelHeller nur empor.
Sonst ist licht- und farblosAlles um mich her,Nach der Schwestern SpieleNicht begehr ich mehr,Möchte lieber weinenStill im Kämmerlein;Seit ich ihn gesehen,Glaub ich blind zu sein.
2
Er, der herrlichste von allen,Wie so milde, wie so gut!Holde Lippen, klares Auge,Heller Sinn und fester Muth.
So wie dort in blauer Tiefe,Hell und herrlich, jener Stern,Also er an meinem Himmel,Hell und herrlich, hoch und fern.
Wandle, wandle deine Bahnen;Nur betrachten deinen Schein,Nur in Demuth ihn betrachten,Selig nur und traurig sein!
Höre nicht mein stilles Beten,Deinem Glücke nur geweiht;Darfst mich, niedre Magd, nicht kennen,Hoher Stern der Herrlichkeit!
Nur die Würdigste von allenSoll beglücken deine Wahl,Und ich will die Hohe segnen,Segnen viele tausend Mal.
Will mich freuen dann und weinen,Selig, selig bin ich dann,Sollte mir das Herz auch brechen,Brich, o Herz, was liegt daran!
3
Ich kann's nicht fassen, nicht glauben,Es hat ein Traum mich berückt;Wie hätt er doch unter allenMich Arme erhöht und beglückt?
Mir war's, er habe gesprochen:Ich bin auf ewig dein –Mir war's – ich träume noch immer,Es kann ja nimmer so sein.
O laß im Traume mich sterbenGewieget an seiner Brust,Den seligsten Tod mich schlürfenIn Thränen unendlicher Lust.
4
Du Ring an meinem Finger,Mein goldnes Ringelein,Ich drücke dich fromm an die Lippen,Dich fromm an das Herze mein.
Ich hatt ihn ausgeträumet,Der Kindheit friedlichen Traum,Ich fand allein mich verlorenIm öden unendlichen Raum.
Du Ring an meinem Finger,Da hast du mich erst belehrt,Hast meinem Blick erschlossenDes Lebens unendlichen Werth.
Ich werd ihm dienen, ihm leben,Ihm angehören ganz,Hin selber mich geben und findenVerklärt mich in seinem Glanz.
Du Ring an meinem Finger,Mein goldnes Ringelein,Ich drücke dich fromm an die Lippen,Dich fromm an das Herze mein.
5
Helft mir, ihr Schwestern,Freundlich mich schmücken,Dient der Glücklichen heute mir.Windet geschäftigMir um die StirneNoch der blühenden Myrte Zier.
Als ich befriedigt,Freudiges Herzens,Dem Geliebten im Arme lag,Immer noch rief er,Sehnsucht im Herzen,Ungeduldig den heut'gen Tag
Helft mir, ihr Schwestern,Helft mir verscheuchenEine thörichte Bangigkeit;Daß ich mit klaremAug ihn empfange,Ihn, die Quelle der Freudigkeit.
Bist, mein Geliebter,Du mir erschienen,Gibst du, Sonne, mir deinen Schein?Laß mich in Andacht,Laß mich in DemuthMich verneigen dem Herren mein.
Streuet ihm, Schwestern,Streuet ihm Blumen,Bringt ihm knospende Rosen dar.Aber euch, Schwestern,Grüß ich mit Wehmuth,Freudig scheidend aus eurer Schar.
6
Süßer Freund, du blicktestMich verwundert an,Kannst es nicht begreifen,Wie ich weinen kann;Laß der feuchten PerlenUngewohnte ZierFreudenhell erzitternIn den Wimpern mir.
Wie so bang mein Busen,Wie so wonnevoll!Wüßt ich nur mit Worten,Wie ich's sagen soll;Komm und birg dein AntlitzHier an meiner Brust,Will ins Ohr dir flüsternAlle meine Lust.
Hab ob manchen ZeichenMutter schon gefragt,Hat die gute MutterAlles mir gesagt,Hat mich unterwiesen,Wie, nach allem Schein,Bald für eine WiegeMuß gesorget sein.
Weißt du nun die Thränen,Die ich weinen kann,Sollst du nicht sie sehen,Du geliebter Mann;Bleib an meinem Herzen,Fühle dessen Schlag,Daß ich fest und festerNur dich drücken mag.
Hier an meinem BetteHat die Wiege Raum,Wo sie still verbergeMeinen holden Traum;Kommen wird der Morgen,Wo der Traum erwacht,Und daraus dein BildnißMir entgegen lacht.
7
An meinem Herzen, an meiner Brust,Du meine Wonne, du meine Lust!
Das Glück ist die Liebe, die Lieb ist das Glück,Ich hab es gesagt und nehm's nicht zurück.
Hab überglücklich mich geschätzt,Bin überglücklich aber jetzt.
Nur die da säugt, nur die da liebtDas Kind, dem sie die Nahrung giebt;
Nur eine Mutter weiß allein,Was lieben heißt und glücklich sein.
O wie bedaur ich doch den Mann,Der Mutterglück nicht fühlen kann!
Du schauest mich an und lächelst dazu,Du lieber, lieber Engel, du!
An meinem Herzen, an meiner Brust,Du meine Wonne, du meine Lust!
8
Nun hast du mir den ersten Schmerz gethan,Der aber traf.Du schläfst, du harter, unbarmherz'ger Mann,Den Todesschlaf.
Es blicket die Verlaßne vor sich hin,Die Welt ist leer.Geliebet hab ich und gelebt, ich binNicht lebend mehr.
Ich zieh mich in mein Innres still zurück,Der Schleier fällt,Da hab ich dich und mein vergangnes Glück,Du meine Welt!
9
Traum der eignen Tage,Die nun ferne sind,Tochter meiner Tochter,Du mein süßes Kind,Nimm, bevor die MüdeDeckt das Leichentuch,Nimm ins frische LebenMeinen Segensspruch.
Siehst mich grau von Haaren,Abgezehrt und bleich,Bin, wie du, gewesenJung und wonnereich,Liebte, wie du liebest,Ward, wie du, auch Braut,Und auch du wirst altern,So wie ich ergraut.
Laß die Zeit im FlugeWandeln fort und fort,Nur beständig wahreDeines Busens Hort;Hab ich's einst gesprochen,Nehm ich's nicht zurück:Glück ist nur die Liebe,Liebe nur ist Glück.
Als ich, den ich liebte,In das Grab gelegt,Hab ich meine LiebeTreu in mir gehegt;War mein Herz gebrochen,Blieb mir fest der Muth,Und des Alters AscheWahrt die heil'ge Gluth.
Nimm, bevor die MüdeDeckt das Leichentuch,Nimm ins frische LebenMeinen Segensspruch:Muß das Herz dir brechen,Bleibe fest dein Muth,Sei der Schmerz der LiebeDann dein höchstes Gut.
Frühlingslied.
Wohl war der Winter ein harter Gast,Den armen, den trauernden Vögeln verhaßt,Die fröhlich wieder nun singen;Aus blauer Luft, auf grüner Flur,Wie hört man's munter erklingen!
Und als sich der Wald aufs neue belaubt,Da hat es mir nicht zu weilen erlaubt,Ich mußte hinaus und wandern;Es singen so lustig die Vögel umher,Ich singe mein Lied, wie die andern.
Und komm ich ans Wirthshaus, so kehr ich ein:Frau Wirthin, Frau Wirthin, ein gut Glas Wein,Ich habe mich durstig gesungen.Da kommt mit dem Weine die Tochter sogleichSo munter zu mir gesprungen.
Der Wein, den du schenkest, er ist fürwahrSo roth wie dein Mund, wie dein Auge so klar,Gar kräftig und lieblich zu schlürfen;Und darf ich dich ansehn und trinken den Wein,So werd ich wohl singen auch dürfen.
Ich habe so eben ein Lied mir erdacht,Und hab es für dich ganz eigens gemacht,Hab's nimmer zuvor noch gesungen;So höre mir zu, du rosige Maid,Und sprich: ob's gut mir gelungen?
Ich liebe den Frühling, des Waldes Grün,Der Vögel Gesang, der Bienen Bemühn,Der Blumen Farben und Düfte,Den Strahl der Sonne, des Himmels Blau,Den Hauch der wärmeren Lüfte.
Sieh dort am Thor, was die Schwalben thun,Wie emsig sie fliegen, sie werden nicht ruhn,Bis fertig ihr Nestchen sie schauen;Ich sang, wie die Vögel, mein munteres Lied,Vergaß, ein Nest mir zu bauen.
Ich liebe, die frischer als Waldes-Grün,Noch emsiger schafft als sich Bienen bemühn,Vor der die Rosen sich neigen,Deren Blick mich erwärmt wie der Sonne Strahl,Daß Lieder dem Busen entsteigen.
Ich habe gesungen, was sagest du nun?Sieh dort am Thor, was die Schwalben thun!Was sollt es uns nicht gelingen?Frau Wirthin, Frau Mutter, sie kommt eben recht,Sie soll noch ihr Amen uns singen.
Das Burgfräuleinvon Windeck.
Halt an den schnaubenden Rappen,Verblendeter Rittersmann!Gen Windeck fleucht, dich verlockend,Der luftige Hirsch hinan.
Und vor den mächtigen Thürmen,Vom äußern verfallenen ThorDurchschweifte sein Auge die Trümmer,Worunter das Wild sich verlor.
Da war es so einsam und stille,Es brannte die Sonne so heiß,Er trocknete tiefaufatmendVon seiner Stirne den Schweiß.
«Wer brächte des köstlichen WeinesMir nur ein Trinkhorn voll,Den hier der verschüttete KellerVerborgen noch hegen soll?»
Kaum war das Wort beflügeltVon seinen Lippen entflohn,So bog um die Efeu-MauerDie sorgende Schaffnerin schon.
Die zarte, die herrliche Jungfrau,In blendend weißem Gewand,Den Schlüsselbund im Gürtel,Das Trinkhorn hoch in der Hand.
Er schlürfte mit gierigem MundeDen würzig köstlichen Wein,Er schlürfte verzehrende FlammenIn seinen Busen hinein.
Des Auges klare Tiefe!Der Locken flüssiges Gold! –Es falteten seine HändeSich flehend um Minnesold.
Sie sah ihn an mitleidigUnd ernst und wunderbar,Und war so schnell verschwunden,Wie schnell sie erschienen war.
Er hat seit dieser Stunde,An Windecks Trümmer gebannt,Nicht Ruh, nicht Rast gefunden,Und keine Hoffnung gekannt.
Er schlich im wachen Traume,Gespenstig, siech und bleich,Zu sterben nicht vermögend,Und keinem Lebendigen gleich.
Sie sagen: sie sei ihm zum andernErschienen nach langer Zeit,Und hab ihn geküßt auf die Lippen,Und so ihn vom Leben befreit.
Thränen.
1
Was ist's, o Vater, was ich verbrach?Du brichst mir das Herz, und fragst nicht darnach.
Ich hab ihm entsagt, nach deinem Befehl,Doch nicht ihn vergessen, ich hab es nicht Hehl.
Noch lebt er in mir, ich selbst bin todt,Und über mich schaltet dein strenges Gebot.
Wann Herz und Wille gebrochen sind,Bittet um eins noch dein armes Kind.
Wann bald mein müdes Auge sich schließt,Und Thränen vielleicht das deine vergießt;
An der Kirchwand dort, beim Holunderstrauch,Wo die Mutter liegt, da lege mich auch.
2
Ich habe, bevor der MorgenIm Osten noch gegraut,Am Fenster zitternd geharretUnd dort hinaus geschaut.
Und in der Mittagsstunde,Da hab ich bitter geweint,Und habe doch im Herzen:Er kommt wohl noch, gemeint.
Die Nacht, die Nacht ist kommen,Vor der ich mich gescheut;Nun ist der Tag verloren,Auf den ich mich gefreut.
3
Nicht der Thau und nicht der RegenDringen, Mutter, in dein Grab,Thränen sind es,Thränen deines armen KindesRinnen heiß zu dir hinab.
Und ich grabe, grabe, grabe;Von den Nägeln springt das Bluth,Ach! mit Schmerzen,Mit zerrißnem bluth'gem HerzenBring ich dir hinab mein Gut.
Meinen Ring, sollst mir ihn wahren,Gute Mutter, liebevoll;Ach! sie sagen,Daß ich einen andern tragen,Weg den meinen werfen soll.
Ring, mein Ring, du teures Kleinod!Muß es denn geschieden sein?Ach! ich werdeBald dich suchen in der Erde,Und du wirst dann wieder mein.
4
Denke, denke mein Geliebter,Meiner alten Lieb und Treue,Denke, wie aus freud'gem Herzen,Sonder Harm und sonder Reue,Frei das Wort ich dir gegeben,Dich zu lieben, dir zu leben –Suche dir ein andres Lieb!
Ach! er kam, besah die FelderUnd das Haus, der Mutter Erbe,Sprach und feilschte mit dem VaterDer befahl gestreng und herbe. –Eitel war das Wort gesprochen,Herz und Treue sind gebrochen –Suche dir ein andres Lieb!
Und der Priester mit dem MundeSprach den Segen unverdrossen,Unerhöret, einem Bunde,Der im Himmel nicht geschlossen. –Zieh von hinnen! zieh von hinnen!Andres Glück dir zu gewinnen,Suche dir ein andres Lieb!
5
Die, deren Schoß geboren,In Wonn und Lust verloren,Ihr Kind in Armen hält,Sie giebt dir Preis und Ehren,Und weint des Dankes ZährenDir, Vater aller Welt.
Und, welcher du verneinetDes Leibes Segen, weinetUnd grämt und härmet sich,Sie hebt zu dir die ArmeUnd betet: ach! erbarme,Erbarme meiner dich!
Ich Aermste nur von allen,In Schuld und Schmach gefallen,Bin elend grenzenlos;Ich bete: – weh mir! – mache,Aus Mitleid oder Rache,Unfruchtbar meinen Schoß.
6
Ich hab ihn im Schlafe zu sehen gemeint,Noch sträubt vor Entsetzen mein Haar sich empor,O hätt ich doch schlaflos die Nacht durchweint,Wie manche der Nächte zuvor.
Ich sah ihn verstört, zerrissen und bleich,Wie er in den Sand zu schreiben schien,Er schrieb unsre Namen, ich kannt es gleich,Da hab ich wohl laut geschrien.
Er fuhr zusammen vom Schrei erschreckt,Und blickte mich an, verstummt wie das Grab,Ich hielt ihm die Arme entgegen gestreckt,Und er – er wandte sich ab.
7
Wie so bleich ich geworden bin?Was willst du fragen?Freue, freue dich immerhin,Ich will nicht klagen.
Hast das Haus und die Felder auch,Und hast den Garten,Laß mich unterm HolunderstrauchDen Platz erwarten.
Tief das Plätzchen und lang und breitNur wen'ge Schuhe,Leg ich dort mich zu guter ZeitUnd halte Ruhe.
Die Blinde.
1
Es hat die Zeit gegeben,Wo hinaus mein Auge mich trug,Zu folgen im tiefen LichtmeerDer flüchtigen Wolken Zug;
Zu streifen über die EbneNach jenem verschwindenden Saum,Mich unbegrenzt zu verlierenIm lichten unendlichen Raum.
Die Zeit ist abgeflossen,Lebwohl, du heiterer Schein!Es schließet die Nacht der BlindheitIn engere Schranken mich ein.
O trauert nicht, ihr Schwestern,Daß ich dem Licht erstarb;Ihr wißt nur, was ich verloren,Ihr wißt nicht, was ich erwarb.
Ich bin aus irren FernenIn mich zurücke gekehrt,Die Welt in des Busens TiefeIst wohl die verlorene werth.
Was außen tönet, das steigetHerein in mein Heiligthum;Und was die Brust mir beweget,Das ist mein Eigenthum.
2
Wie hat mir einer Stimme Klang geklungenIm tiefsten Innern,Und zaubermächtig alsobald verschlungenAll mein Erinnern!
Wie einer, den der Sonne Schild geblendet,Umschwebt von Farben,Ihr Bild nur sieht, wohin das Aug er wendet,Und Flammengarben;
So hört ich diese Stimme übertönenDie lieben alle,Und nun vernehm ich heimlich nur ihr DröhnenIm Widerhalle.
Mein Herz ist taub geworden! wehe, wehe!Mein Hort versunken!Ich habe mich verloren und ich geheWie schlafestrunken
3
Jammernd sinn ich und sinn immer das Eine nur:Wonneselig die Hand, welche beseelet, sanftGleitend über sein AntlitzDürft ihm Form und Gestalt verleihn!
Armes, armes Gehör, welches von ferne nurDu zu schlürfen den Ton einzig vermagst, ins HerzIhn nachhallend zu leiten,Ob nachhallend, doch wesenlos!
4
Stolz, mein Stolz, wohin gekommen!Bin ein armes, armes Kind,Deren Augen, ausgeglommen,Nur zu weinen tauglich sind.
Lesen kann ich in den seinenNicht das heimlich tiefe Wort,Meine schweigen, aber weinen,Weinen, weinen fort und fort.
Ja wir sind getrennt! In ScherzenUnd in Freuden wandelst du,Ueber mich und meine SchmerzenSchlägt die Nacht die Flügel zu.
5
Wie trag ich's doch zu lebenNur mir und meiner Pein?Dem Liebsten sollt ich dienen,Da wollt ich selig sein!
Ich wollt ein treuer PageUm den Gebieter stehn,Bereit zu jeder BotschaftUnd jeden Gang zu gehn.
Ich kenne jede WindungDer Straßen, jedes Haus,Und jeden Stein am Wege,Und weiche jedem aus.
Wie freudig zitternd trüg ichIhm nachts die Fackel vor,Die freud'ge Luft ihm spendend,Die selber ich verlor!
Oh, traurig ist's im Dunkeln,Ich weiß es nur zu sehr!Licht wollt ich, Licht verbreitenUm seine Schritte her.
Ihn sollte stets erfreuenDas allerfreu'nde Licht,Sein Anblick sollte jedenErfreuen, mich nur nicht.
Und sollte da mich treffenDer Menschen Spott und Hohn,Ich seh es nicht, und hört ich's,Ach das ertrüg ich schon.
6
Du mein Schmerz und meine Wonne,Meiner Blindheit andre Sonne,Holde Stimme, bist verhallt.Meine Nacht hüllt sich in Schweigen,Ach, so schaurig, ach, so eigen,Alles öd und leer und kalt!
Leise welken, mich entfärbenSeht ihr Schwestern mich und sterben,Und ihr fragt und forscht und klagt:Laßt das Forschen, laßt das Fragen,Laßt das Klagen, seht mich tragenSelbst mein Schicksal unverzagt.
Hingeschwunden ist mein Wähnen,Ohne Thränen, ohne SehnenWelk ich meinem Grabe zu;Nichts dem Leben bin ich schuldig,Stumm, geduldig, trag ich, duld ich,Schon im Herzen Todesruh. |