Adelbert von Chamisso
1781 - 1838
Gedichte in zeitlicher Folge
1830
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Die Grossmutter.(Nach Victor Hugo)
«Großmutter, schläfst du? Deine Lippen pflegenWie betend sich im Schlafe zu bewegen,Wie bist du heute regungslos und bleich?Die Hände starr auf deiner Brust vereinet,Die nicht dein Athem zu erheben scheinet,Dem Marmorbild der Schmerzensmutter gleich.
Blick auf, erwache, rede! wie betrübestDu, Mutter, deine Kinder, die du liebest?Was thaten wir? wir waren beide fromm.Du zürnest uns? du hörst nicht unsre Stimmen?Sieh her! die Lampe flackert im Verglimmen,Und schon das Feuer auf dem Herd verglomm.
Und willst du Licht und Feuer nicht erhalten,So müssen wir erstarren in dem kaltenUnd finstren Haus; zu spät erwachst du dann,Auch wir beharren stumm in deinen ArmenUnd können nicht an deiner Brust erwarmen,Du rufst die Heiligen vergebens an.
Großmutter, o wie kalt sind deine Hände!Wir wollen sie in unsern wärmen, wendeNur deinen Blick uns freundlich wieder zu;Da hast du dein Gesangbuch, nimm es wieder,Du hast es fallen lassen, sing uns Lieder –Du nimmst es nicht, und nichts erwiderst du?
Zeig uns, wir waren fromm, uns zu belohnen,Das Bild der Bibel, wo die Heil'gen wohnenBeim lieben Gott, umstrahlt von seinem Licht;Erklär uns dann die göttlichen Gebote,Und sprich vom beßren Leben nach dem Tode, –Was ist der Tod? – du brichst das Schweigen nicht!»
So hallte lange noch der Waisen Klage,Die Nacht brach ein, sie wich dem jungen Tage,Die Thurm-Uhr maß die Zeit mit gleichem Schlag;Zur offnen Thüre lauschend sah die KleinenAm Sterbebette knieen, beten, weinenEin Wandrer späte noch am andern Tag.
[Seit ich ihn gesehen]
[1831 als 1. Lied im Zyklus «Frauen-Liebe und Leben»]
Seit ich ihn gesehen,Glaub ich blind zu sein;Wo ich hin nur blicke,Seh ich ihn allein;Wie im wachen TraumeSchwebt sein Bild mir vor,Taucht aus tiefstem DunkelHeller nur empor.
Sonst ist licht- und farblosAlles um mich her,Nach der Schwestern SpieleNicht begehr ich mehr,Möchte lieber weinenStill im Kämmerlein;Seit ich ihn gesehen,Glaub ich blind zu sein.
[Du Ring an meinem Finger]
[1831 als 4. Lied im Zyklus «Frauen-Liebe und Leben»]
Du Ring an meinem Finger,Mein goldnes Ringelein,Ich drücke dich fromm an die Lippen,Dich fromm an das Herze mein.
Ich hatt ihn ausgeträumet,Der Kindheit friedlichen Traum,Ich fand allein mich verlorenIm öden unendlichen Raum.
Du Ring an meinem Finger,Da hast du mich erst belehrt,Hast meinem Blick erschlossenDes Lebens unendlichen Werth.
Ich werd ihm dienen, ihm leben,Ihm angehören ganz,Hin selber mich geben und findenVerklärt mich in seinem Glanz.
Du Ring an meinem Finger,Mein goldnes Ringelein,Ich drücke dich fromm an die Lippen,Dich fromm an das Herze mein.
[An meinem Herzen, an meiner Brust]
[1831 als 7. Lied im Zyklus «Frauen-Liebe und Leben»]
An meinem Herzen, an meiner Brust,Du meine Wonne, du meine Lust!
Das Glück ist die Liebe, die Lieb ist das Glück,Ich hab es gesagt und nehm's nicht zurück.
Hab überglücklich mich geschätzt,Bin überglücklich aber jetzt.
Nur die da säugt, nur die da liebtDas Kind, dem sie die Nahrung giebt;
Nur eine Mutter weiß allein,Was lieben heißt und glücklich sein.
O wie bedaur ich doch den Mann,Der Mutterglück nicht fühlen kann!
Du schauest mich an und lächelst dazu,Du lieber, lieber Engel, du!
An meinem Herzen, an meiner Brust,Du meine Wonne, du meine Lust!
Die drei Sonnen.
Es wallte so silbernen ScheinesNicht immer mein lockiges Haar,Es hat ja Zeiten gegeben,Wo selber ich jung auch war.
Und blick ich dich an, o Mädchen,So rosig und heiter und jung,Da taucht aus vergangenen ZeitenHerauf die Erinnerung.
Die Mutter von deiner Mutter –Noch sah ich die Schönere nicht,Ich staunte sie an, wie die Sonne,Geblendet von ihrem Licht.
Und einst durchbebte mit WonneDer Druck mich von ihrer Hand,Sie neigte darauf sich dem andern,Da zog ich ins fremde Land.
Spät kehrt ich zurück in die Heimath,Ein Müder nach irrem Lauf,Es stieg am heimischen HimmelDie andere Sonne schon auf.
Ja deine Mutter, o Mädchen, –Noch sah ich die Schönere nicht,Ich staunte sie an, wie die Sonne,Geblendet von ihrem Licht.
Sie reichte mir einst die StirneZum Kusse, da zittert ich sehr,Sie neigte darauf sich dem andern,Da zog ich über das Meer.
Ich habe verträumt und vertrauertMein Leben, ich bin ein Greis,Heim kehr ich, die dritte SonneErleuchtet den Himmelskreis.
Du bist es, o Wonnereiche;Noch sah ich die Schönere nicht,Ich schaue dich an, wie die Sonne,Geblendet von deinem Licht.
Du reichst mir zum Kusse die Lippen,Mitleidig mir wohl zu thun,Und neigst dich dem andern, ich geheBald unter die Erde, zu ruhn.
Der Republikaner zu Paris am 7. August 1830.(Nach Victor Strauss)
Schon ordnen sie den Zug im Trauerhaus;Hier werden sie vorbei die Bahre tragenUnd langsam sich verlieren dort hinaus.Und ich, versteckt, will scheue Blicke wagen – –Ich darf, von seinem Bluth die Hände roth,Um meinen Todten nicht wie andre klagen.Herz meines Herzens! Freund und Bruder! todt!Ich habe dich, ich selbst dich umgebracht,Der wehrlos mir die Brust entgegen bot.Du Liebesstern in meines Grimmes Nacht,Du bist erloschen, und in alten BildernErscheint mir erst dein Licht in voller Pracht.Wie sanft und kräftig lenktest du den wildernGefährten, bändigtest den Ungefügen,Und wußtest seines Zornes Gluth zu mildern!Der Friede lag in deinen holden Zügen;Wir waren, als wir ew'ge Treu uns schwuren,Noch Kinder, und wir wußten nichts von Lügen.Die feindlich widerstreitenden NaturenErgänzten sich zu wunderbarer Einheit;Mitschüler nannten uns die Dioskuren.O sel'ge Zeit der Unschuld und der Reinheit!Noch boten eines Herzens wir zusammenDem Schlechten Krieg, Verachtung der Gemeinheit.Beim Tacitus entlodert ich in Flammen,Haß schwur ich den Tyrannen; fast erschrockenVermochtest du den Schwur nicht zu verdammen.Ich seh dich schütteln deine blonden Locken, –Ein Blick, ein Druck von deiner lieben Hand –Und in die Gegenwart zurück mich locken.Wir wuchsen auf, es wuchs in mir der Brand;Es rief die Zeit mit grimmen LeidenschaftenDas Ungewitter, das bevor uns stand.Du wolltest noch an morschen Trümmern haften,Den Baum umklammern, welchen, schon verdorrt,Dahin die gottgesandten Stürme rafften.Da fiel das Wort, o das unsel'ge Wort!Du hattest sonder Arg es ausgesprochen; –«Herr Graf, wir sind getrennt!» so stürmt ich fort.Ich war in meines Herzens Herz gestochen;Du riefst mir nach mit ausgestreckten Händen:«Was hab ich, Bruder, wider dich verbrochen?»Nicht mocht ich rückwärts nach dem Ruf mich wendenIch schwieg und schritt hinaus: «sein adlich Bluth!»Ich schrie und rang, das Opfer zu vollenden.Ich schweifte durch die Nacht, ich weinte Wuth,Und finstrer, als um mich die Schatten waren,Und schauerlicher war mein kranker Muth.Was da ich litt, du hast es jetzt erfahren,Du wirst, verklärter Geist, versöhnlich sein,Du bist ob meiner Liebe jetzt im klaren.Der Morgen kam, er gab so trüben Schein;Ich log mir vor, es sei nun überwunden,Und stand verwaiset auf der Welt allein.Ich habe nur noch einen Halt gefunden:War selber mir das Leben leer und öde,Plebejisch fühlt ich meines Landes Wunden.Ich sah, wie nicht die Willkür sich entblöde,Die gleichgebornen Menschen doch in KlassenZu theilen, diesem huldreich, jenem schnöde;Ich sah die Ketten schmieden, durfte hassen;Tyrannenhaß war meines Herzens SchlagUnd widerhallte mir aus allen Massen.Geduld! Geduld! und sieh, da schien der Tag!Sie selbst, sie pflanzten auf den bluth'gen Schild,Zertretend mit den Füßen den Vertrag.Da hab ich noch gelacht, laut, grimmig, wild,Den letzten Kelch der Freude noch genossen,Dann zu den Waffen! in das Bluthgefild!Rings wogte drohend schon das Volk, es schlossenDie Haufen sich, zu richten und zu strafen;Stolz überzählten sich die Kampfgenossen.Und kommend, wo die Schlacht entbrannt war, trafenAuf dich die Blicke, die den Feind begehrten,Auf dich, ihr Oberhaupt, den stolzen Grafen.In stummer Haltung standen die Bewehrten,Mit blassem Antlitz, ohne Waffenlust,Gehorchend dem, den sie als Führer ehrten.Ich fiel dich an, du botest deine BrustMir dar, du riefst... – ich seh im TodeskrampfDich zucken, alles andern unbewußt.Ich hab umsonst gesucht im heißen KampfDie innre Ruhe wieder zu erwerben,Und lechzend mich berauscht in Bluth und Dampf.Vollendet ist das Werk, die Krone Scherben.Wer gab um dich, o Freiheit, was ich gab?Jetzt aber bin ich müd und möchte sterben.Und – wehe, weh! – sie tragen ihn herab;Die Mutter weint, der ich das Herz zerbrach. –O Wilhelm, schlafe sanft im frühen Grab; – –Wie noch der Unglücksel'ge solches sprach,Das Schmerzensbild noch seine Blicke sogenUnd starrten straßenauf dem Zuge nach;Ergossen straßenab sich Menschen-Wogen,Die rufend, jauchzend, freud'gen Taumels voll,Den Zug verdrängten und vorüber zogen;Es war der Ruf, der aus dem Strom erscholl,Der, wie des sturmerregten Meeres Tosen,Betäubend laut und immer lauter schwoll:«Hoch lebe, hoch! der König der Franzosen!»
Die Mutterund das Kind.
Wie ward zu solchem JammerDer stolzen Mutter Lust?Sie weint in öder Kammer,Kein Kind an ihrer Brust;Das Kind gebettet habenSie in den schwarzen Schrein,Und tief den Schrein vergraben,Als müßt es also sein.
Wie da die Erde fallendAuf den versenkten SargIhn dumpf und schaurig schallendVor ihren Augen barg,Hat Thränen sie gefunden,Die nicht zu hemmen sind,Sie weint zu allen StundenUm ihr geliebtes Kind.
Wann andrer Lust und SorgenDer laute Tag bescheint,Weilt schweigsam sie verborgenIn finstrer Klaus und weint;Wann andrer Schmerzen lindertDie Nacht, und alles ruht,Vergießt sie ungehindertDer Thränen bittre Flut.
Wie einst sie unter ThränenDie stumme MitternachtIn hoffnungslosem SehnenVerstört herangewacht,Sieht wunderbarer WeiseDas Kindlein sie sich nahn,Es tritt so leise, leise,Es sieht sie trauernd an.
O Mutter, in der ErdenGewinn ich keine Rast,Wie sollt ich ruhig werden,Wenn du geweinet hast?Die Thränen fühl ich rinnenZu mir ohn Unterlaß,Mein Hemdlein und das Linnen,Sie sind davon so naß.
O Mutter, laß dein LächelnHinab ins feuchte HausMir laue Lüfte fächeln,Dann trocknet's wieder aus,Und scheinet deinem KindeDein Auge wieder klar,Umblühn es Ros und Winde,Wie sonst es oben war.
O weine nicht! sei munter!Was helfen Thränen dir?Komm lieber doch hinunterUnd lege dich zu mir;Da magst du leise kosenMit deinem Kindelein,Du liegst auf weichen RosenUnd schläfst so ruhig ein.
Sie hat aus süßem MundeDie Warnung wohl gehört,Sie hat von dieser StundeZu weinen aufgehört.Wohl bleichten ihre Wangen,Doch blieb ihr Auge klar;Sie ist hinab gegangen,Wo schon ihr Liebling war.
Vergeltung.
Wie der Mai du anzuschauen,Wonnereiche, Zarte, Feine,Mit des Haares Gold, der blauenKlaren Augen Himmelsreine;Mit den Lippen von Korallen,Mit der Gabe zu gefallen,Holdes, süßes Mägdelein, –Mußt, unseligste von allen,Du des Henkers Tochter sein?!
Und der Vater kam nach HauseDüstern, fast verstörten Muthes;Ihn verfolgt das Bild, das grause,Des am Tag vergoßnen Bluthes: –Haben, die den Stab gebrochen,Nach den Rechten auch gesprochen,Schreit um Rache doch dieß Bluth;Jene Rechte sind bestochen,Sind der Unterdrücker Gut.
Ja, die Mächt'gen, die Beglückten,Ja, die Götter dieser Erden!Ihnen muß der UnterdrücktenSühnend Bluth geopfert werden;Rein von Bluth sind ihre Hände,Das Gesetz verlangt die Spende,Wie der Richter selber spricht;Ich, Verworfner, bring's zu Ende,Ob das Herz darob mir bricht.
Recht und Freiheit! rufen wollteDieser noch, da scholl der dumpfeTrommelschlag, – ein Wink, – es rollteSchnell sein Haupt getrennt vom Rumpfe.Morgen werden Mütter weinen,Morgen folgen zwei dem einen,Und gebrandmarkt werden drei! –Möchte noch der Tag mir scheinen,Wo Vergeltung Losung sei! –
Wühlt in seines Herzens WundenSo der Alte trüb und trüber,Und die nächtlich bangen StundenZiehen träg an ihm vorüber;Ewig scheint die Nacht zu dauern;Wahngebilde sieht er lauern,Wo sein Auge starrend ruht;Sieht an den geweißten MauernRieseln der Gerechten Bluth.
Und er hofft die düstern SorgenSich beschäft'gend abzustreifen,Im voraus zum andern MorgenWill er Beil und Messer schleifen,Will am Herde sich bemühenNoch die Stempel auszuglühen,Die er morgen brauchen soll; –Bluthroth sieht er Funken sprühenUm das Eisen schreckenvoll.
Bluth und Bluth! Die grausen BilderStürmen auf ihn ein und hadern,Es empöret wild und wilderSich das Bluth in seinen Adern;Frieden hofft er nur zu finden,Sich der Angst nur zu entwindenIn der reinen Unschuld Näh: –Dieser Spuk, er wird verschwinden,Wann ich meine Tochter seh.
Nahen will ich ihr, mich haltenIhr zu Häupten, nur sie schauen,Zum Gebet die Hände faltenUnd auf meinen Gott vertrauen. –Wie er sagte, also that er,Sorglich, leisen Schrittes naht' er,Nicht zu stören ihre Ruh; –Was, verzweiflungsvoller Vater,Zuckst dein scharfes Messer du?
Ach du siehest, weh dir Armen!Siehst den Wüstling, siehst den Grafen,Siehst der Tochter in den ArmenDen Verführer eingeschlafen.Im Begriff, den Stoß zu führen,Wirst du andres noch erküren,Ja! du wirfst das Messer weit, –Zeit war's, jene Gluth zu schüren,Und der Stempel liegt bereit. –
Wirst nicht, Schandbub, mit dem LebenNur die Frevelthat mir büßen;Werde meinen Fluch dir geben,Und du wirst dich krümmen müssen,Trage du auf deiner bleichenStirne dieses Kainszeichen,Eingebrannt von meiner Hand!Magst so ungefährdet schleichen,Mann der Sünde, durch das Land.
Zischend brennt sich ein das Eisen,Schreiend fährt er aus dem Schlafe,Und erblickt den grimmen GreisenMit dem Werkzeug seiner Strafe. –«Zeuch von hinnen! dein ErwachenMöge den noch glaubend machen,Der Vergeltung nicht geglaubt;Gott ist mächtig in dem Schwachen»:Spricht's und wiegt sein graues Haupt.
Ein Lied von der Weibertreue.
S'il est un conte usé, commun et rebattu, C'est celui qu'en ces vers j'accommode à ma guise. La Fontaine Sie haben zwei Todte zur Ruhe gebracht;Der Hauptmann fiel in rühmlicher Schlacht,Mit Ehren ward er beigesetzt,Und der, den jüngst er wacker gehetzt,Der Räuber hängt am Galgen.
Da hält die Wacht als SchildergastEin junger Landsknecht, verdrießlich fast;Die Nacht ist kalt, er flucht und friert,Und wird ihm geraubt, der den Galgen ziert,So muß für ihn er hangen.
Im Grabgewölb bei des HauptmannsLeib Verweilt verzweiflungsvoll sein Weib,Sie hat geschworen in bittrer Noth,Für ihn zu sterben den Hungertod;Die Amme, zur Gesellschaft.
Die Amme spricht: «Gebieterin,Ich habe geschworen nach Eurem Sinn;Beklagt und lobt den sel'gen Herrn,Da stimm ich mit ein, von Herzen gern,Doch plagt mich sehr der Hunger.
Er war, so alt er war, gar gut,Nicht eifersüchtig, von sanftem Muth;Ach, edle Frau, Ihr findet zwarDen zweiten nicht, wie der erste war,Doch plagt mich sehr der Hunger.
Euch war's, es ist mir wohl bewußt,Ein harter Schlag, ein großer Verlust;Doch seid Ihr noch schön, doch seid Ihr noch jung,Und könntet noch haben der Freude genung;Es plagt mich sehr der Hunger!»
Die Amme so; und stumm beharrtDie edle Frau im Schmerz erstarrt,Erloschen scheint der Augen Licht,Sie klaget nicht, sie weinet nicht,Es plagt sie sehr der Hunger.
Und draußen bläst der Wind gar scharf;Der Landsknecht läuft, so weit er darf,Indem er sich zu erwärmen sucht;Und wie er läuft, und wie er flucht,So sieht ein Licht er schimmern.
Von wannen mag der Schimmer sein?Er schleicht hinzu, er tritt hinein:«Gegrüßet mir, ihr edle Fraun;Wie muß ich hier im Grabe schaunSo hoher Schönheit Schimmer!»
So staunend er; und stumm beharrtDie edle Frau im Schmerz erstarrt,Erloschen scheint der Augen Licht,Sie klaget nicht, sie weinet nicht,Es plagt sie sehr der Hunger.
Die Amme drauf: «Das seht Ihr ja,Wir trauern um den Todten da;Wir haben geschworen in bittrer Noth,Für ihn zu sterben den Hungertod,Es plagt mich sehr der Hunger.»
Drauf er: «Das ist nicht wohlgethan,Und hilft zu nichts dem todten Mann.So schön! so jung! ihr seid nicht klug,Es hat die Welt der Freude genug;Entsetzlich nagt der Hunger!
Ich sage nur: ihr Frauen solltMich essen sehn, dann thun, was ihr wollt.Hier hab ich Brod, hier hab ich Wurst,Hier eine Flasche für den Durst;Es plagt auch mich der Hunger.»
Und wie er thut, was er gesagt,Und ihm so wohl das Essen behagt,Da sinkt der Alten ganz der Muth:«Ach! edle Frau, das schmeckt so gut!Und, ach! mich plagt der Hunger!»
Drauf er: «So eßt, ich habe für zweiGenug, und habe genug für drei,Ich esse sonst allein für vier;So eßt und trinkt getrost mit mir;Das hilft schon für den Hunger.»
Die Amme versucht, auf gutes Glück,Ein Stückchen erst und dann ein Stück;Sie sieht der Herrin ins Angesicht;Sie klaget nicht, sie weinet nicht,Es plagt sie sehr der Hunger.
«Ach, edle Frau, das schmeckt so gut,Ihr wißt schon, wie der Hunger thut,Was hat davon Euer Herr Gemahl?Es sei genug für dieses Mal,Entsetzlich nagt der Hunger!»
Er tritt zu ihr: «Versucht es nur.»Sie aber spricht: «Mein Schwur! mein Schwur!»Und stößt ihn dennoch nicht zurück,Sie nimmt ein Stückchen und dann ein Stück,Das hilft denn für den Hunger.
Er fällt vor ihr auf seine Knie:«Ich sah ein schöneres Weib noch nie,Nur sollt Ihr hinfort mir klüger sein.Nun muß ich gehen, gedenket mein,Ich komme morgen wieder;
Nichts da von Lebensüberdruß!»Er spricht's und raubt ihr einen Kuß,Und stürzt hinaus, er ist schon fort;Die Alte ruft: «So halt auch Wort,Du lieber, lieber Landsknecht!»
Und ferner spricht sie zu der Frau:«Bedenk ich, Herrin, die Sache genau,Er hat es gar nicht schlecht gemacht,Und uns auf guten Weg gebracht,Der liebe, liebe Landsknecht!»
Sie sagt nicht nein, sie sagt nicht ja,Sie steht betroffen, erröthend da,Giebt ihren Thränen freien Lauf,Und seufzet leiseratmend auf:«Du lieber, lieber Landsknecht!»
Der Landsknecht aber verwundert sich sehr,Er steht vor dem Galgen und der steht leer.«Blitz Hagel! das war mein Henkersschmaus;Den Platz da füll ich morgen noch aus!Ich armer, armer Landsknecht!»
Er läuft zurück: «Nun schafft auch Rath,Sonst muß ich hangen; ich kam zu spat.»Sie fragen ihn aus; wie er alles gesagt,Da weint die edle Frau und klagt:«Du armer, lieber Landsknecht!»
Die Alte spricht: «Geduld! Geduld!Ich wasch ihn rein von aller Schuld;Er hat uns errettet, das wißt Ihr doch,Versteht mich, Frau, was zaudern wir noch?Du lieber, lieber Landsknecht!
Man hat ihm seinen Todten geraubt,Wir haben auch einen, wenn Ihr es erlaubt,Gebt ihm den Unsern, gebt Euren Schatz,Der füllt, wie einer, seinen Platz.Du lieber, lieber Landsknecht!
Und wer betrachtet's scharf genug,Daß er entdeckte den Betrug?Frisch angefaßt und schnell ans Werk!Daß keiner dort den Mangel merk.Du lieber, lieber Landsknecht!»
Wie er die Hand an den Todten legt,Da ruft der Landsknecht tief bewegt:«Mein Hauptmann! was? du bist es fürwahr!Nun bring ich dich an den Galgen gar!Du lieber, guter Hauptmann!»
Die Frau versetzt: «Was zauderst du?Geschwind! sonst kommen noch Leute dazu,Geschwind! ich helfe, was ich kann,Geschwind! geschwind! du lieber Mann,Du lieber, lieber Landsknecht!»
Und er darauf: «Es geht nicht an;Dem Räuber fehlt ein Vorder-Zahn.»Da nimmt sie selber einen SteinUnd schlägt den Zahn dem Todten ein:Du lieber, lieber Landsknecht!
So schleifen hinaus ihn alle dreiUnd hängen ihn an den Galgen frei;Und streift nun der Wind die Heide entlang,So geben die Knochen gar guten KlangZum Lied von der Weibertreue.
Minnedienst.
Während dort im hellen SaaleLustberauscht die Gäste wogen,Hält ein Ritter vom GedrängeEinsam sich zurückgezogen.
Wie er von dem Sofa aufblickt,Wo er ruhet in Gedanken,Sieht er neben sich die Dame,Der er dienet sonder Wanken.
«Sind es Sterne, sind es Sonnen,Die in meiner Nacht sich zeigen?Sind's die Augen meiner Herrin,Welche über mich sich neigen?»
«Schmeichler, Schmeichler! Sterne, SonnenSind es nicht, wovon Ihr dichtet;Sind die Augen einer Dame,Die auf Euch sie bittend richtet.» –
«Herz und Klinge sind Euch eigen,Schickt mich aus auf Abenteuer,Heißt im Kampfe mich bestehenRiesen, Drachen, Ungeheuer.» –
«Nein, um mich, mein werther Ritter,Soll kein Bluth den Boden färben;Um ein Glas Gefrornes bitt ich,Lasset nicht vor Durst mich sterben.» –
«Herrin, in dem Dienst der MinneWollt ich gern mein Leben wagen,Aber hier durch das GedrängeWird es schwer sich durchzuschlagen.»
Und sie bittet, und er gehet, –Kommt zurück, wie er gegangen:«Nein! ich konnte, hohe Herrin,Kein Gefrorenes erlangen.»
Und sie bittet wieder, wiederWagt er's, immer noch vergebens:«Nein! man dringt durch jene ThüreMit Gefahr nur seines Lebens.»
«Ritter, Ritter, von GefahrenSprachet Ihr, von Kämpfen, Schlachten;Und Ihr laßt vor Euren AugenOhne Hülfe mich verschmachten.»
Und ins wogende GewühleIst der Ritter vorgedrungen,Dort verfolgt er einen Diener,Hat den Raub ihm abgerungen.
Und die Dame schaut von ferne,Wie mit hochgehaltner SchaleEr sich durch den Reigen windetIn dem engen, vollen Saale;
Sieht in eines Fensters EckeGlücklich seinen Fang ihn bergen,Sieht ihn hinter die GardineIhren Augen sich verbergen;
Sieht ihn selber dort gemächlichDas Eroberte verschlingen,Wischen sich den Mund und kommen,Ihr betrübte Kunde bringen:
«Gern will ich mein Leben wagen,Schickt mich aus auf Abenteuer,Heißt im Kampfe mich bestehenRiesen, Drachen, Ungeheuer.
Aber hier, o meine Herrin,Hier ist alles doch vergebens,Und man dringt durch jene ThüreMit Gefahr nur seines Lebens.» |