BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Romanzen

vom Rosenkranz

 

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Romanze XIX

Moles in Biondettens Leiche

 

Triumphiert, ihr guten Geister,

Es zerbrach der falsche Thron!

Apo, dem verfluchten Meister,

Sind die Diener all entflohn.

 

Heilger Sabbat, betend steige

Auf im Ost dein frühes Rot!

Über dieser Jungfrau Leiche

Schimmre lieblich hin der Tod!

 

In des Morgenlichtes Streifen

Sehe ich ein Flammenboot

Selig durch die Rosen schweifen,

Mit den Segeln purpurrot.

 

Rosarosa, still geneiget,

Führt das Steuer treu und fromm,

Rosadora zu ihr steiget,

Daß sie auch zum Heile komm.

 

Jene keusch den Mantel breitet

Um der Schwester Seele bloß;

Freudig nun der Kahn hingleitet

Durch den blutgen Tränenschoß.

 

Zu des Traumes Insel streichet

Ihre Fahrt, zum stillen Mond,

Den in Sonn und Tränen bleichend

Die unschuldge Schuld bewohnt.

 

Wo die kleinen Kindlein weinen,

Die der Tod ums Licht betrog;

Auf dem Totenkränzlein scheinen

Morgens ihre Tränen noch.

 

Ungetaufet sie verweilen

Singend vor des Himmels Tor,

Und die Tränentauf erteilen

Tauend sie dem Blumenflor.

 

Rosarosa lehrt die Kleinen,

Die auf Erden sie verlor,

Rosadora wird erscheinen,

Führerin in diesem Chor.

 

Bis die Rosen sind befreiet

Aus ererbter Sünde Not,

Bis zum Kranze sie gereihet

Selig steigen aus dem Tod,

 

Singet Jungfraun, Kindlein weinet

An dem goldnen Himmelstor,

Bald Maria euch erscheinet

Mit der Engel selgem Chor.

 

Aber blickend nach der Reinen,

Taucht die Sonne jetzt empor,

Hüllet dann sich, um zu weinen,

In der grauen Wolken Flor.

 

Und ein dichter Nebelschleier

Über ihres Hauptes Gold

Zu des Tages Totenfeier

Traurend tief herniederrollt.

 

Wie ein Trauerhaus bekleidet,

Steht umwölkt das Himmelstor;

Sonnenlos, leidtragend schreite

Bleich der junge Tag hervor.

 

Asche auf die Hügel streuend

Wandelt hin der Göttersohn,

Und Aurora weint bereuend,

Daß er ihrem Schoß entflohn.

 

Und sie spricht: «Aus schweren Träumen

Aufgeschrecket muß ich schon

Dir mit blutgem Purpur säumen

Deiner Trauer trüben Thron.

 

Wo die Nacht den Flügel breitet

Über Schlaf und über Tod,

War mein Lager heut bereitet

Unter böser Träume Not.

 

Boten auf und nieder steigen

Zwischen Erde, zwischen Mond,

Sah ich zu des Abgrunds Reichen,

Wo die Brut des Fluches wohnt.

 

Einen hört ich freuig schreien,

Der etwas verkünden wollt,

Und zur Erde niederstreuen

Blätter, deren Schrift von Gold.

 

Dann in wunderbaren Weisen

Sang er stammelnd Gottes Lob,

Der zu höhern Lichtes Kreisen,

Sein erbarmend, ihn erhob.

 

Er verschwand mit Benedeien,

Und zum Grund vom blauen Dom

Zog hinab mit Maledeien

Ein gespenstisches Phantom.

 

Mit der Taube und dem Weibe

Sah ich unter Fluch und Spott

Sein Kamel zum Abgrund treiben

Den verbuhlten Sarabot.

 

Und er riß vorüber schleichend

Mir vom Haupt des Schlafes Mohn,

Und ich harrte weinend, schweigend

Dein, mein lichter Freudensohn!»

 

Also sang Aurora leise,

Während still der Tag aufzog,

Und versank im ewgen Gleise,

Das ihr lichter Sohn durchflog.

 

Aber auf dem Turm alleine

Harret Apo zornestoll;

Daß ihm Moles nicht erscheine,

Füllet ihn mit bitterm Groll.

 

Es erkaltet schon die Leiche,

Deren Herz noch blutend quoll,

Und die Wangen schon erbleichen

Und die Lippe rosenvoll.

 

Und er legt metallne Scheiben

Ihr auf Augen, Brust und Schoß,

Um ihr Blut zurückzutreiben

Durch geheimer Kräfte Stoß.

 

Nieder reißt er ihre Kleider;

Ach, sie hüllt kein schamhaft Rot!

Doch ihr Leichnam nackt und heiter

Ist geheiligt in dem Tod.

 

Rosarosens Gurt von Eisen

Schützet Lende ihr und Schoß;

Apo will ihn niederreißen,

Doch er zwinget ihn nicht los.

 

Und mit allen seinen Feilen

Kann mit Mühe er und Not

Den Bußgürtel nicht zerteilen

Der geheiligt Trotz ihm bot.

 

Nun zum Keller niedersteiget

Apo, wo am feuchten Ort

Springwurz, die jed Schloß erweichet,

Ruhet, daß sie nicht verdorrt.

 

Als er wiederkehrt zur Leiche,

Sieht er selbst sich oben schon,

Und er spricht: «Laß deine Streiche,

Moles, was soll dieser Hohn?

 

Hund, du sollst als Hund erscheinen;

Sieh, du treibst es mir zu toll!

Willst du, daß zu deinen Peinen

Ich die Glocke schlagen soll?

 

Wo bist du so lang verweilet?» –

«Herr, ich tat, was ich gesollt,

Und bin dann zurückgeeilet.

Drum nicht also schmähen wollt!

 

Einem Kranken Hilfe reichend,

Dessen Heil uns schwer bedroht,

Gab ich Gift, das zäh und schleichend

Ihn verzweifeln läßt im Tod.

 

Böse Frucht sah ich uns reifen;

Wo ich war, da war man fromm,

Und da muß man seltsam greifen,

Daß man zu dem Pulse komm.

 

Zürne nicht, mein teurer Meister,

Kam ich doch ums Gastgebot

Meiner anverwandten Geister;

Mir tut auch Zerstreuung not.

 

Wunderbare Neuigkeiten

Sind auch zu bedenken noch;

Wenn wir nicht zum Flicken schreiten,

Kriegt der Sack ein böses Loch.»

 

Doch Apone spricht: «Jetzt schweige!

Eins nur mildert meinen Groll:

Rate mir, wie ich die Leiche

Auf die Beine bringen soll?»

 

Moles spricht: «Des Gürtels Eisen

Hindert deine Wünsche bloß,

Kannst du ihn herniederreißen,

Zeige ich dir Wunder groß!

 

Ich schmeck was von Heiligkeiten,

Drum laß ich die Hand davon.

Du mußt selbst das Schloß bestreiten,

Daß der Schatz dir wird zum Lohn!»

 

Und die Springwurz hält der Meister

An des Gürtels heilig Schloß;

Nimmer doch den Gurt zerreißt er,

Und er flucht, und sein Genoß.

 

Moles spricht: «Hier hilft nur Schneiden!

Zeige dich, mein Anatom,

Und wir schicken Heimlichkeiten

Als Reliquien nach Rom.»

 

Apo spricht: «Hinüberschleiche,

Wo die Jungfrau hat gewohnt,

Und mir schnell den Schlüssel reiche,

Daß ihr Leib mir bleibt verschont!»

 

«Ei, dies mag dir leicht wohl scheinen!»

Sagt der Hund, «bedenke doch,

Was die Frau dazu wird meinen,

Die da steht am Brunnen noch.

 

Gehe selbst, mein kluger Meister,

Du vielleicht trägst ihn davon,

Doch wir andern jüdschen Geister

Feiern jetzt den Sabbat schon.»

 

Apo geht. – Zum toten Leibe

Spricht der Hund: «Verdammter Spott,

Nicht zum Manne, nicht zum Weibe,

Hast du mich erschaffen, Gott!

 

Diese Puppe zu zerreißen,

Scheut sich der gelehrte Tor,

Und sieht das geweihte Eisen

Wie die Kuh das neue Tor.

 

Mensch, um zweie nur beneidet

Dich der Teufel: um den Tod

Und die Lust, die dir bereitet,

Als sie dir den Apfel bot.

 

Als du ihn mit ihr geteilet,

Warfst du ab des Lebens Joch;

Mir, der ewig sich langweilet,

Ließ der Zimmermann kein Loch.

 

Allen Quark muß ich beneiden

Und bin allen Quarkes Gott;

Spott ich Gottes Herrlichkeiten,

Tödlich wird mir nie der Spott.

 

Stift ich tausend Bubereien,

Gehn sie alle auf ein Lot;

Das unendliche Verzeihen

Hilft dem Herrn aus aller Not.

 

Als ich in der Wüst allein

Ihm die Erdenschätze bot,

Macht er aus dem dummen Steine

Mir zulieb nicht einmal Brot.

 

Ohne Freude muß ich teuflen,

Und mein Werk wird all zu Kot,

An dem ewgen Leben zweiflen,

Und erzweifle nie den Tod!

 

Was ich mühsam hab geleimet,

Ist und bleibt ein schlechter Klotz,

Und in jedem Kraute keimet

Gegen meine Werke Trotz!

 

Nichts kann ich zu Ende treiben,

Ach, ein Ende wär ein Lohn!

Das Unendliche vertreiben

Kann nicht all mein Spott und Hohn.

 

Ewig elendes Arbeiten,

Null ist mir wie Million,

Wer den Knoten könnt zerschneiden:

Sohn ist Vater, Vater Sohn!

 

Arm, blutarm bin ich ein Teufel,

Mutterlos und vaterlos,

Bös erzeuget von dem Zweifel

In der Lüge dunklem Schoß.

 

Treibe ewge Affereien,

Ohne Freude, ohne Zorn,

Keine Rose kann mich freuen,

Und mich schmerzen kann kein Dorn.

 

Elende Quacksalbereien,

Wort zum Fleisch und Fleisch zum Wort,

Hänseleien, sieben Weihen,

Jagen mich bald hier, bald dort.

 

Hab ich mich wo eingefleischet,

Brauchts vom Kreuz ein Stückchen Holz,

Und der Teufel flieht und kreischet

Wie ein Hund vor Pfeil und Bolz.

 

Doch den alten Bärenhäuter

Hör ich auf der Treppe schon;

Munter, Moles, treib es weiter,

Bett dich, wie des Menschen Sohn!

 

Sieh einmal zum Zeitvertreibe,

Wie sichs in der Jungfrau wohnt,

Und dem mürrschen Apo bleibe

Doch der Pudel, der ihm front!»

 

Und der Geist, der stets entzweite,

Treibet einen Höllensproß,

Und von seinem Stamm befreite

Sich der Zweig und reißt sich los.

 

Und sie machen Höflichkeiten,

Wer das Weib besitzen soll,

Ja, beginnen schier zu streiten,

Also ist der Teufel toll.

 

«Vater bin ich,» schreit der eine,

«Mir gebührt des Lebens Thron!»

«Nein, das Fleisch, es ist da meine,»

Spricht der andre, «ich bin Sohn!

 

Weh, es fehlt uns nur am Geiste,

Wäre der uns nicht entflohn,

Daß er uns Entscheidung leiste,

Dann wär uns geholfen schon.

 

Einig sind Dreieinigkeiten,

Vater wird durch Geist zum Sohn,

Zweie sind Zweideutigkeiten,

Zote nur gebiert der Hohn.»

 

«Wechseln wollen wir zuzeiten,»

Spricht der Hohn nun zu dem Spott,

«Denn das Leiden wie das Streiten

Treiben beide wir gen Gott.»

 

Und der Spott dringt in die Leiche,

Und es hilft ihm frech der Hohn,

Daß er in die Wunde schleiche,

Der Biondettens Geist entflohn.

 

Apo kehrt und spricht: «Es scheinen

Menschen in dem Hause noch,

Eine Stimme hört ich weinen

Und sah Licht durchs Schlüsselloch.»

 

Doch nun richtet sich die Leiche

Auf und nicket mit dem Kopf;

Als sie ihm die Hand will reichen,

Bebet Apo wie ein Tropf.

 

Moles spricht: «Empfang, Hochzeiter,

Meine Gratulation,

Sieh, dein Glückstern scheinet heiter,

Führe deine Braut davon!

 

Eine Unschuld sondergleichen,

Ohne Hemdlein, nackt und bloß,

Even muß ich sie vergleichen,

Wie sie stieg aus Adams Schoß.

 

Fräulein, ich seh von dem Pfeile

Amors euer Herz durchbohrt!

Daß er euch die Wunde heile,

Ihr den rechten Arzt erkort.

 

Alles ist nicht Gold, was gleißet;

Wenn der Herzensrose Gold

Eure Wunde gleich zerreißet,

Seid ihr drum nicht minder hold.»

 

Apo spricht: «Laß deine Streiche!

Sage, wie du sie erhobst,

Welchen Geist der schönen Leiche

Du belebend unterschobst?»

 

Und der frechste aller Geister

Spricht: «Ein Wort sagt ich ins Ohr;

Fiat heißts beim großen Meister,

Pfui heißts in unserm Chor.

 

Willig hat sie sich bezeiget,

Etwas blöde freilich noch;

Was die Lippe jetzt verschweiget,

Pocht im Herzen laut und hoch.

 

Brechet erst diese züchtge Schweigen;

Durch des Treurings rotes Gold

Läßt sie sich vielleicht erweichen,

Gibt den Schlüssel, den ihr wollt.

 

Die Kleinode laß erscheinen,

Gut erworben hier und dort;

Durch Kleinode kommt der Kleinen

Bald das lustge Fleisch zu Wort!»

 

Einen Schrein voll Edelsteinen

Und von goldnen Ringen voll

Bringt der Meister, daraus einen

Sich die Braut erwählen soll.

 

Gierig nun den Schatz durchschweifet

Wild ihr Aug, das dunkel rollt,

Heftig zuckt die Hand und greifet

Einen Siegelring von Gold.

 

Und als wollt sie ihn zerbeißen,

Zuckt sie ihn zum Mund empor,

Apo wollt ihn ihr entreißen,

Doch verschlang sie ihn zuvor.

 

Und nun spricht sie: «Herr, die Deine

Bin ich nun, wie du gewollt:

Vor dem Volke und alleine

Dien ich dir um dieses Gold.

 

Dieses Ringlein auf der Reise

König Pharao verlor,

In dem Roten Meer zur Speise

Sichs ein geizger Hecht erkor.

 

König Pharao, dem Weisen,

Setzt der Koch den Fisch einst vor;

Als er wollt den Hecht verspeisen,

Kam das Ringlein blank hervor.

 

In dem Bette seiner Weiber

Kam es wieder ihm davon,

Ein ägyptscher Eselstreiber

Trug es dann als süßen Lohn.

 

Dems der freche Papageie

Der Herodias entzog,

Und mit einem Freudenschreie

Fand sie es in seinem Trog.

 

Bei der blutgen Weihnachtsfeier,

Bei der Kindlein lustgem Mord,

Daß er tanz nach ihrer Leier,

Schenkt sie es dem Vater dort.

 

Und das Ringlein war ihm teuer,

Es besiegelte sein Wort;

Doch es lief ein ungetreuer

Diener mit dem Ring ihm fort.

 

Und der Ring kam immer weiter,

Keinem hat er noch gefrommt,

Außer dir, mein Herr Hochzeiter,

Dessen Braut er wohl bekommt.

 

Meines Leibes bist du Meister

Bis zum Gürtel und dem Schoß;

Leider zwingen alle Geister

Diese Last mir nimmer los!

 

Könnt ich dir den Schlüssel reichen,

Wär ich deiner Lust Genoß;

Aber er ist mir nicht eigen,

Mir gehöret nur das Schloß.

 

Alles geb ich, nur verweigern

Muß ich dir den Schlüssel bloß,

Deine Kunst, kannst du sie steigern,

Ringt vielleicht dem Feind ihn los.

 

Ich will offen dich begleiten,

Nach Belieben, wann und wo;

Alle sollen dich beneiden;

Werde dieses Neides froh!

 

Mich als Nonne einzukleiden

Sag ich auf dem Markt mich los;

Lügen müssen wir verbreiten,

Wie ich ward dein Hausgenoß.

 

Wie ich in Melancholeien

Hilf von deiner Kunst gehofft,

Wie, die Kranken zu zerstreuen,

Mein Gesang dir diene oft.

 

Wie die Kunst der Arzeneien

Ich von dir erlernen soll,

Wie nichts könne uns entzweien,

Weil wir eines Gottes voll.

 

Dieses, jenes, und so weiter

Lüge nur, man glaubt es schon,

Denn du bist ein Teil gescheiter,

Herr und Meister und Patron!

 

Deine Magd kann ich erscheinen,

Wie es deinen Lüsten frommt;

Nur nicht lachen und nicht weinen,

Weil dies von der Seele kommt.

 

Soll dein Lager ich beschreiten,

Oder auf der Erde bloß

Ruhn an deines Bettes Seiten,

Oder sitzen dir im Schoß?

 

Ob ich auf dem Draht, dem Seile,

Dir soll gaukeln liebestoll,

Ob ich dir zur kurzen Weile

Buhlerliedlein singen soll?

 

Deinen Blicken, Fingerzeigen

Folget deine Dienrin schon,

Darf ich deinen Bart dir streichen,

Ist es mir ein süßer Lohn.

 

Vor der Welt nach alter Weise

Nenne mich Biondette noch;

Älia Lälia Crispis heiße

Mich in Traulichkeiten doch.

 

Denn in mir von diesen Dreien

Brennet der gedrillte Docht,

Um die einst in Buhlereien

Mancher römscher Bürger focht.

 

Ja, ich bin von diesen Dreien

Das gezwirnte Kunstphantom,

Und wie sie will ich nicht schreien,

Küssest du gleich wie ganz Rom.

 

Will dir mein Besitz verleiden,

Werd ich zu der Lust zu stolz,

Kann dich wieder von mir scheiden

Klein ein Splitter Kreuzesholz.

 

Aber an dem Jungfernleibe,

Den ich dir zur Lust bewohn,

Daß er unverdorben bleibe,

Zeig jetzt deine Kunst, Patron!»

 

Und mit Blut zwei Sprüche schreibet

Apo ihr nun hinters Ohr,

Unter ihre Achseln reibet

Salbe er, die er beschwor.

 

Lüstern die besessne Leiche

Küsset nun der alte Tor,

Moles spielet auf der Geige

Ein vermaledeites Chor.

 

Und in buhlerischem Eifer

Tanzet, wie der trunkne Lot,

Mit der Braut er einen Schleifer

In fatalem Teufelstrott.

 

Älia Lälia Crispis schreiet

Mit verruchtem, giftgem Ton,

Und Biondettens Kehl entweihet

Eines frechen Liedes Hohn.

 

Dies gefällt nicht gnaz dem Meister,

Und er spricht: «Verschon mein Ohr!»

Mit Biondettens Stimme heißt er

Singen sie den Hochzeitschor.

 

«Denn du sollst Biondette scheinen,

Die zum Freunde ich erkor,

Und die Stadt soll sie beweinen,

Daß sie sich an mich verlor.

 

Alle sollen mich verschreien,

Und um Silber und um Gold

Will ich ihren Festen leihen

Meine Freundin süß und hold!»

 

Und die Jungfrau spricht: «So sei es!

Lieb ich gleich nicht jenen Ton,

Freut sich gleich des frechen Schreies

Mehr ein freier Musensohn,

 

Lieb ich lügend doch zu gleißen;

Und zweideutig will ich Gott

Dir in schiefen Weisen preisen,

Mir zum Lobe, ihm zum Spott!

 

Mit gedrehten Schlangenhäuten

Lasse mir von Apfelholz

Eine Harfe bald besaiten,

Ich bin auf dergleichen stolz.

 

Ich will die Akkorde greifen,

Daß du mich gewißlich lobst,

Daß der Weiber Augen greifen

Rings nach dem verbotnen Obst.

 

Und die Männer werden eilen,

Den verrufnen Apfel rot

Mit den Even schnell zu teilen,

Und sie essen sich den Tod!»

 

Moles spricht nun zu dem Meister:

«Eine Harfe ist besorgt,

Der galanteste der Geister

Hat die seine mir geborgt.

 

Ist sie gleich ein bißchen heischer,

Ist sie doch vom besten Ton,

Wird die Sängerin erst keuscher,

Wird sie besser stimmen schon.

 

Aber jetzt, ihr Hochzeitsleute,

Machet mich nicht länger rot!

Apo, es tut uns für heute

Zu studieren noch sehr not!

 

Denk, wie du vor kurzen Zeiten

Sahst in meinem Horoskop,

Wie die Rose gen uns beide

Drohnd ein dreifach Haupt erhob.

 

Uns entzogen hat die eine

Rosarosens selger Tod,

Diese hier ist jetzt die Deine,

Und sie bringt uns keine Not.

 

Wenn die dritte nun erscheinet,

Ist das böse Kleeblatt voll,

Dem ich einst mit dir vereinet

Tragisch unterliegen soll.

 

Schnell mein Meister, ohn Verweilen!

Über Rose, über Dorn

Muß das Buch uns Rat erteilen,

Suche hinten, ich such vorn!»

 

Im Register steht verzeichnet:

Rose golden, weiß und rot,

Die Marien zugeeignet,

Bringen böse Kunst in Not.

 

Auf der angeführten Seite

Stehet: Suche Jericho!

Jericho nun suchen beide,

Doch es fehlet J bis O.

 

Und Apone denkt, wie heute

Er das Buch durchs Fenster schob,

Wie der Wind da, Seit auf Seite

Wälzend, in dem Buch getobt.

 

«Weh, mir Toren!» flucht der Meister.

«Als mir Samael entfloh,

Dacht ich: Ach, mein Buch zerreißt er!

Denn es tönte wahrlich so.»

 

Moles spricht: «Am Wald hinreisend

Sah ich unterm blanken Mond

Samael in Freuden kreisend,

Weil der Herr ihn hat belohnt.

 

Und ich sah ihn Blätter streuen

Unter hellem Gottes Lob,

Und ich konnt ihn nicht erschreien,

Weil er sich zum Licht erhob.

 

Das sind böse Neuigkeiten,

Dumm hast dus gemacht, Patron,

Du mußt jetzt im Dunkel schreiten,

Weil die Blätter dir entflohn.»

 

Und sie fangen an zu streiten,

Wechseln harter Worte Zorn,

Älia Lälia Crispis beiden

Schärfet noch des Grimmes Dorn.

 

Aber ihren Zank durchschneidet

Der geweihten Glocke Ton;

Jacopone zubereitet

Seine Leichenfeier schon.

 

Älia spricht jetzt: «Schnell mich kleide

In den buntsten Freudenrock,

Hülle mich in Samt und Seide,

Meine Haare üppig lock!

 

Schütte alle dein Geschmeide

Über meinen Busen bloß,

Daß ich durch das Volk hinschreite

Dir zur Seite leicht und los!

 

Und dein Kummer wird zur Freude,

Es versinkt dein grimmer Zorn

In dem allgemeinen Neide,

Wie im Meer ein kleiner Born!»

 

Lächelnd kräuselt ihr der Meister

Nun das Haar in frei Gelock,

Und der hündischste der Geister

Schürzet ihr den Purpurrock.

 

Und es schmücken sie die beiden,

Gleich der Hure Babylon,

Und sie singet Schändlichkeiten

Ihnen vor im frechen Ton.

 

Sodomitsche Blumenzweige

Steckt sie ihrem Busen vor,

Und nun führt die falsche Leiche

Apo aus des Turmes Tor.

 

Wer sie sieht, steht wie versteinert,

Oder mehret ihr Gefolg;

Aber allen unter keiner

Kennt in ihr den Höllenmolch.

 

Und mit bangem Finger zeiget

Jeder Vater sie dem Sohn,

Und von Mund zu Munde streichet:

«Sahst du heut Biondetten schon?»

 

Alle, die sie einst beneidet,

Weil sie kunstreich, schön und fromm,

Glauben, wo sie hin nur schreitet,

Daß die irdsche Venus komm.

 

Also frech ist ihr Bezeigen,

Jedem Buben scheint sie eigen,

Ich erschrecke und muß schweigen.