Clemens Brentano
1778 - 1842
Romanzenvom Rosenkranz
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Romanze XVIITotenmesse –Meliore und Rosablanka beichten
Stille herrscht in den Straßen,Und es rauscht ein MorgenwehnDurch der Gärten Lustterassen,Wo die Blumen träumend stehn.
Eine Perle, eine TräneLegt es jeder in das Herz,Und sie wenden also schöneIhre Kelche sonnenwärts.
Und es wehen ihre DüfteDurch die schlummerstille Stadt,Durch die kühlen, regen LüfteWeht ein einsam Blütenblatt.
Und ein Vöglein aus der LindeFlieget und das Blättlein fing,Glaubt es spielend in dem WindeEinen bunten Schmetterling.
Läßt betrogen dann es fallenIn des Springbrunns Marmorrand,Und er spielt mit süßem LallenMit dem süßen Frühlingstand.
Und der Vogel ohne SorgenStürzet aus dem Bann der Nacht,In den goldnen, lieben Morgen,Der auf Turmesspitzen lacht.
Sonn und Vogel golden lachetAuf dem Kreuz, das himmlisch thront,Und es sinket überwachetIn das Licht der blasse Mond.
Durch den grauen Morgen dringetDer prophetsche Hahnenschrei,Und die Schwalbe dichtend singetIhres Traumes Phantasei.
Sieh, in einem frommen BlitzeFängt das Kreuz den Sonnenschein,Senkt ihn von des Turmes SpitzeIn die stillen Straßen ein.
Und der Bettler, der geschlafenVor des Palasts Säulenkranz,Hebt sich, da ihn Strahlen trafen,Still und dreht den Rosenkranz.
Und es gehet RosablankeDurch das römsche Tor herein,Eine Kerze trägt die SchlankeUnd ein Kännlein Opferwein.
Als sie an des Altars StufenVor Biondettens Wohnung steht,Will die Tänzerin sie rufen,Daß sie mit zur Kirche geht.
Aber wie ward sie betroffen!An dem kleinen, stillen HausSteht die Türe nächtlich offen:Ging so früh die Jungfrau aus?
Nein, dann hätte sie geschlossenEhrbar hinter sich das Tor.Und nun steigt sie unverdrossenZu der Kammer leis empor.
Und sie findet ganz zerrücketDieser Stube Ebenmaß,An der Erde lag zerstücketManche Urne, manches Glas.
Blumen, Federn bunt zerstreuetUnd Gewänder hie und da,Das, was gestern sie erfreuet,Heute sie mit Schrecken sah.
Die zerrissnen PerlenschnüreSäten eine TränensaatZu des Schlafgemaches Türe,Der sich Rosablanka naht.
Und sie pochet: doch die KammerSchweiget, und sie geht hinein.Ach! Da tritt in tiefern JammerNoch die bange Jungfrau ein.
Weh, das Bettlein blutbeflecket,Und zerstört das Saitenspiel!Rosablanka tief erschrecketAuf die Kniee niederfiel.
Zu dem kleinen NonnenbildeRief sie unter Tränen aus:«O, du Antlitz, ernst und milde,Blut und Tod befleckt dies Haus!»
Und mit Angst und mit EntzückenFühlte sie, wie wundervollAus des Bildes stillen BlickenEine helle Träne quoll.
Und so ganz von Angst durchdrungenWeilt sie in dem bösen Haus,Streckt die Hände schmerzgerungenZu dem Morgenlichte aus.
Wie verspätete GespensterGaben hundert Kerzen Schein,Tiefgebrannt, und durch die FensterSah erschreckt der Tag herein,
Den die Nachtigallen grüßenAuf des Fensters Gartenbeet,Wo ihr Bauer unter süßenBlumen eingezäunet steht.
Rosablanka geht zum Bauer,Läßt die Sängerinnen frei:«Flieht und sucht, wo eurer Trauer,Meiner Trauer Heldin sei!
Schwinget euch zu ihrer Leiche,Rufet ihren Mörder aus,Daß die Rache den erreiche,Der befleckt dies heilge Haus!»
Und die kleinen Vögel lenkenZu dem Lichte erst den Flug,Werden aber bald sich schwenkenNach des Herzens innrem Zug,
Wie das Schiff vom Lande rauschetFreudig erst ins ElementUnd die freie Lust dann tauschetMit des Schiffers Ziel und End.
Doch nun kömmt der kleine Knabe,Dem sie gestern am AltarTeilte ihre Honigwabe,Sprach mit seiner Stimme klar:
«Rosablanka, nicht vergesseÜber dieses Hauses SchmerzDeiner Mutter Totenmesse,Trage ins Gebet dein Herz!
Größre Trauer zu bestehenStehet deiner Seele vor,Durch die Dornen mußt du gehenZu des Himmels Rosenflor!
Es verließ die kleine ZelleSchon der treue Gottesmann,Kerzenhell ist die KapelleUnd der Glockenruf getan.
Zünde deine SchlangenfackelAn der ewgen Lampe Licht,Sie sei vor dem TabernakelDes Erlösers aufgericht!»
Rosablanka spricht: «O sageMir, du blondes Wunderkind,Ob ich die, um die ich klage,Je im Leben wiederfind?»
Und er sprach: «Die Seele stehetWieder licht in Gottes Hand,Nur der Leib, der irdisch gehet,Ist dem Dunkel zugewandt!»
Und nun wendet er sich stille,Und die Jungfrau folget nach.«Es geschehe Gottes Wille!»Sie ergeben vor sich sprach.
Und er führt sie zu Sankt ClarenDurch den Klostergarten ein,Wo sich tausend Blumen paarenIn des neuen Tages Schein.
Vor des Kirchleins MarmorschwelleSproßt der schönste RosenstrauchUnd erfüllet die KapelleMit der süßen Düfte Hauch.
Wunderbar ist er gewundenUnd geranket tausendfach,Einer Schlange gleicht er untenUnd umzieht das ganze Dach.
Wo er aus der Erde dringet,Ist er dürr und ungestalt,Wo er höher an sich schwinget,Grünt und sproßt er mit Gewalt.
Links wohl alle Rosen trauern,Rechts sie freundlich lachend glühn,Und es stehn des Kirchleins MauernWie in Mond- und Sonnenschein.
Doch drei Sprossen sendet obenFrisch der recht und linke Zweig;Alle sechse dicht verwobenBlühen freudig alle gleich.
Durch das Kuppelfenster schauenStill sechs Rosen zum Altar,Ihre Tränen nieder tauenAuf Mariens Schleier klar.
Aber von den sechsen schimmertEine rot und eine weiß,Und die dritte golden flimmertAus dem wunderbaren Gleiß.
Rosa mystica MariaHeißt der heilge Rosenbund;Virgo dulcis, clemens, piaGrüßet sie des Volkes Mund.
Als die Jungfrau fromm sich neigetUnd zum Weihbrunn führt die Hand,Wunderbar ein Anblick steigetAuf an seinem Marmorrand.
Vor ihr steht zwei geistge Nonnen,Blicken zu ihr ernst und mild,Reichen ihr den heilgen Bronnen;Eine glich wohl jenem Bild.
Jene, die da stand zur Linken,Wo die Rosen traurig sind,Ließ voll Schmerz die Augen sinken,Wie die Mutter auf das Kind.
Als die Magd von ihren HändenDas geweihte Naß empfing,Suchte sie ihr zu entwendenVon der Hand Biondettens Ring.
Als die Jungfrau dies empfindet,Schloß sie schreckhaft ihre HandUnd das Nonnenpaar verschwindetSeufzend an des Brunnens Rand.
Aber in der Seele stehetEwig nun dies Antlitz fest,Wo sie ruhet, wo sie gehet,Dieses Bild sie nie verläßt.
Doch nun steckt sie Kosmes KerzeAn der ewgen Lampe Glut,Will sie dann mit frommen SchmerzePflanzen, wo die Mutter ruht.
Doch sie findet aufgedecketDer geliebten Toten Gruft,Und: «O Jungfrau, nicht erschrecke!»Eine Stimme zu ihr ruft.
Und es tritt der blonde Knabe,Der sie bis hierher geführt,Lächelnd aus dem offnen GrabeZu ihr, die sein Anblick rührt.
Denn es war, als stieg das LebenAus dem schweren, tiefen Tod;Also wird ein Engel schwebenIn dem letzten Abendrot.
Und er wird der Sonne winkenDie dann sinket nimmermehr,Und die Erde wird ertrinkenIn des ewgen Lichtes Meer.
Alle Schatten werden leuchten,Alles Dunkel wird erglühn,Und die Welten werden beichtenVor dem Lichte auf den Knien.
Und der Knabe sprach: «GeschauetHab ich Rosarosens Gruft,Wo sie heut wird Gott vertrauet,Bis der Herr uns alle ruft.
Rosatristis, die begrabenHier mit Rosaläta steht,Sie wird heut Gesellschaft haben,Blumen, die sie ausgesät.
Schön ist diese Gruft geweitet,Für sechs Särge ist noch Raum,Daß die Wurzel sicher breitet,Wie den Zweig, der Rosenbaum.
Vor der offnen Gruft nicht bange,Stell vor deines Stammes HausHell die Fackel; eine Schlange,Spricht sie wohl die Sünde aus.
Bete! Ich muß von dir scheiden,Denn ich führ das Kinderchor,Um die Leiche zu begleiten,Hier zu ihres Tempels Tor!»
Nun verließ er die Kapelle.Zum Altar Benone zieht,Ihm zu dienen auf der SchwelleMeliore betend kniet.
Als die Jungfrau ihn erblicket,Von der Wunde siech und bleich,Fühlet sie das Herz erquicketUnd zerdrücket allzugleich.
Denn er gleicht in allen MienenJenem, dem sie Rosen gab,Als die Schlange ist erschienenIn dem Garten bei dem Grab.
Mit dem bei des Altars SchwelleMorgens sie die Kränze wand,Der den Ring bei der KapelleReißen wollte von der Hand,
Den sie eng mit sich verbundenDann in heimlichem Gesicht,Das sie tief verschweigt, gefunden;Beten, ach! vermag sie nicht.
Neben ihr das Licht als SchlangeUnd die offne Totengruft,Und der Mann, macht ihr so bange,Und der tausend Rosen Duft.
Was sie nimmer hat gefühlet,Woget durch die keusche Brust,In dem Herzen brennt und kühletIhr ein Leid und eine Lust.
Immer muß sie nach ihm sehen,Ob er nicht sein Antlitz kehrt,Und vor Scham möcht sie vergehen,Wenn er ihren Wunsch gewährt.
Und in züchtig bangen SchmerzenWerden tausend Wünsche frei;Ach, sie wünscht, verwirrt im Herzen,Daß er eine Jungfrau sei.
Und sie möchte mit ihm gehenIn vertrauter Liebeswahl,Möchte mit ihm niedersehenVon dem Berge in das Tal.
Würde er wohl träumend schweigen,Wenn ein Abendvogel singt?Würde er die Hand mir reichen,Wenn die Sonne untersinkt?
Ach, ich würde ihn verstehen,Wüßte stets, was er gedacht,Würde seine Blicke sehen,Deckt ihn gleich die stumme Nacht.
Und wenn ewig untersänkeMir das süße Tageslicht,Er, den ich so herzlich denke,Er versänke mir doch nicht.
Ja, er müßte mich erhaltenMit der treuen, starken Hand,Wollte sich die Erde spalten,An des Abgrunds steiler Wand.
Halte, halte, ach ich gleite!Doch der starre FelsenschlundBlühet mir an deiner SeiteWie ein duftger Wiesengrund.
Mondvoll sind die Finsternisse,Eine Rose ist mein Mund,Deine Worte werden KüsseIn dem zauberischen Bund!
Also trieb vor ihrer SonneSich der Träume Wolkenflug,Und in wunderbarer WonneIhre Seele Wogen schlug.
Aber von der SchlangenkerzeTraf ein Funken ihre Hand,In des Brandes scharfem SchmerzeSie die Sinne wiederfand.
Bei der Gruft erschien die Kerze,Gleich der Schlange jener Gruft,Die heut früh zu ihrem HerzenZückte aus dem Rosenduft.
Und Meliore glich dem Manne,Der so ernstlich warnt und sprach,Doch mit seines Blickes BanneJetzt ihr krankes Herz zerbrach.
Sieh, da küßt die volle SonneJetzt Mariens Altarbild,Und es deckt mit GlanzeswonneNochmals sie der Jungfrau Schild.
Und mit kindlicher GebärdeSenkt die Magd ihr Lockenhaupt,Spricht: «Die Schlange tritt zur Erde,Die dir deine Rosen raubt!»
Und in Tränen ganz zerschwimmend,Fühlet sie die Gnade mild,Dennoch in den Tränen glimmendSieht sie nur des Jünglings Bild.
Und ihr Herz, sie anzuklagen,Ewig: «mea culpa!» spricht,Und sie braucht nicht dran zu schlagen,Weil es schon in Ängsten bricht.
Wie sie auch die Blicke wendet,Ihn, und immer ihn, sie sieht,Gleicht dem Auge, das geblendetNie dem Sonnenfleck entflieht.
Von des Meßrocks schwarzem Grunde,Zu des Kelches blankem Gold,Zu der Kuppel Rosenrunde,Sie die süßen Augen rollt.
Doch es war ein liebend Schweifen,Denn sie suchte, was sie floh,Floh ihn, um ihn zu ergreifen,Und ward ihrer Sorge froh.
War sie endlich ihm entronnen,In der Rosen Labyrinth,Das der Kuppel FenstersonnenWie mit einem Netz umspinnt,
Wo die süß gefangnen StrahlenOffner Rosen Busen wiegtUnd das Licht, des Duftes Schalen,Wie ein Schmetterling umfliegt,
Ist die Seele eingeträumetIn des blauen Himmels Aug,Daß sie selig überschäumetIn des Wohlgeruches Hauch:
Sieh, das rasselt mit der SchelleMeliore am Altar,Und sie findet auf der Schwelle,Dem sie kaum entronnen war.
Also geht des Opfers FeierIhr vorüber ohn Gebet,Und auf ihrem Mund der SchleierVon den heißen Seufzern weht.
Doch als sich Benone kehret:«Ite missa est!» nun spricht,Was so ängstlich sie beschweret,Plötzlich mit ihr niederbricht.
Wie vom Taue überfülletEine Blume niedersinktUnd ihr Haupt in Staub verhüllet,Der nun ihre Tränen trinkt,
Also neigt in tiefer DemutSie die Stirne voller Schmerz,Und der Tränenkelch der WehmutSinkt in ihr verwirrtes Herz.
Lämmlein, fromm an sonngen Hügeln,Stürzt nicht an dem Wasserfall;Vöglein, unter Mutterflügeln,Schreckt nicht vor des Sturzes Schall!
Wo auf süß beraster StelleSonst die keusche Hirtin sang,Da erwühlt sich eine Quelle,Stürzet von dem Felsenhang.
Und die Lämmer, bunt geflecket,Stürzet nach dem Abgrund hin,Aus dem Schlummer aufgeschrecket,Hält sie nicht die Schäferin.
Hirtin, Hirtin, nach den HöhenLenke rettend deine Flucht,Um der Welle zu entgehen,Die ja selbst die Tiefe sucht!
Doch sie stehet schon geschürzetIn der heilgen Grotte Raum,Und die Welle nach ihr stürzet,Folgend ihres Mantels Saum.
Aber als sie niederknieetVor dem kleinen Felsaltar,In der Höhle Dunkel siehetSie gedrängt der Lämmer Schar.
Und sie dankt dem GnadenbildeIhrer Herde Rettung itzt,Das auch mit dem WunderschildeSie in banger Flucht geschützt.
Und sie findet auf der SchwelleIhren Schäferstab und Hut,Hierher führte ihn die WelleVon dem Ort, wo sie geruht,
Die nun tiefer ab sich stürzetVon der steilen Felsenwand,Wo der Kräuter süß GewürzeNun von ihr erquicket stand.
Und die Hirtin tritt ins Freie,Von den Lämmern bang umdrängt,Sieht, wie eine neue WeiheFels und Tal und Quell empfängt;
Wie der Quell von FelsengipfelnStürzt und springt und widerspringt,In der Schluchten TannenwipfelnSich, ein kühner Jüngling, schwingt;
Wie der Wald sich ihm erbiegetUnd in manchen Arm ihn flicht,Oder wie er stürmisch siegetUnd die Zweige niederbricht;
Und wie heilge SonnenblickeBauen in dem WasserrschaumEine Regenbogenbrücke,Friede sinket in den Traum.
Und der Adler, den dem NesteWild entstürzt die neue Flut,Staunend ob dem heilgen FesteSchwebend überm Bogen ruht.
Und es scheut ihn nicht die Taube,Segelt aus dem Felsenspalt,Denn ein wunderbarer GlaubeTuet aller Welt Gewalt.
Und die Lämmer ruhig schauenVon der steilen Felsenbrust,Lassen sich ds Vlies betauenVon des Wasserfalles Lust.
Denn es waltet ein Vertrauen,Und der Hirtin frommes liedTönet durch die selgen Augen,Bis die Sonne niederzieht.
Solcher Schreck traf Rosablanken,Solche Ruh hat sie erquickt,Als aus irdischen GedankenSie ein tief Gebet entrückt.
Als sie wieder sich gefunden,War schon einsam der Altar,Und Meliore zeigt die WundenSeines Herzen beichtend dar.
An dem Beichtstuhl kniet Meliore,In der kleinen Sakristei,Und bekennt des Priesters Ohre,Welcher Sünd er schuldig sei.
Und erzählt ihm die GeschichteDieser wunderbaren Nacht,Die in einem TraumgesichteZu Biondetten ihn gebracht.
Daß die Wunde er empfangen,Zeigt und fühlte seine Brust,Was sonst über ihn ergangenWar ihm angstverwirrte Lust.
Und Benone hört mit SchauerSeiner bangen Worte Hast,Bis die Tränen seiner TrauerLindern seines Herzens Last.
Als der Jüngling lang geweinet,Da erließ er ihm die Schuld:«Friede, Herz! Die Sonne scheinet,»Sprach er: «fühl des Himmels Huld!»
Und zur andern Seite beugetRosablanka nun das Knie,Spricht: «Das Ohr, o Vater, neigetEiner armen Sündrin hie!»
Sie bekennt ihm die VerirrungIhrer Sinne im Gebet,Wie in seltsamer VerwirrungSie seit manchen Tagen geht.
Wie sie in Biondettens KammerHeut Verwüstung fand und Schmerz;Also zeiget sie voll JammerIhm das eigne kranke Herz.
Und vertraut ihm Kosmes LeidenUnd der letzten Nächte Qual,Bittet ihn, sie zu begleitenIn das stille Tränental.
«Deine Schuld, mein Kind, zu büßen,»Sprach Benone, «ist genug,Folgst du fromm mit bloßen FüßenRosarosens Leichenug.
Meliore wird dich leiten.Wenn die Erde sie umschließt,Will ich dich ins Tal begleiten,Wo den Vater du verließst.»
Ruhig hört sie ihn und weinet,Da erließ er ihr die Schuld:«Friede, Herz! Die Sonne scheinet,»Sprach er, «fühl des Himmels Huld!»
Nun verläßt sie die Kapelle.An des Weihbrunns MarmorrandSteht Meliore bei der Schwelle,Reicht ihr segnend seine Hand.
Abermals die beiden NonnenSieht sie stehn mit tiefem Blick,Und sie bebt vom WeihebronnenIn erneuter Angst zurück.
Und sie tritt mit dem GesellenIn den lichten Garten ein,Und des Lebens rege WellenLachen in dem Sonnenschein.
Und sie fühlen alle beide,Daß sie ihre Schuld bekannt,Gehn in Freude sich zur SeiteDurch das blumenvolle Land.
Selig, wer solch Heil gefühlet,Wer die sündenvolle BrustIn der Beichte hat erkühlet,In der Reue frommer Lust!
O unendliches Erbarmen,Ja, ich fühle dich mir nah,Auch mich trugst du in den Armen,Daß ich Gottes Antlitz sah!
Zu der Beichte gehn die Sünder,Schleppend eine tote Welt,Aus der Buße wie die KinderTummeln sich durchs Blumenfeld.
Alles wird zum Paradiese.Mensch und Tier versöhnet sind,Und die Blumen senden GrüßeVon dem süßen Jesuskind.
O, wie lacht der Garten heiter!Funkeln nicht die Blumen schön?Und der Himmel scheinet weiterIn der Vögel Lustgetön.
Aber sieh! Zwei NachtigallenFlattern bange um sie her,Wo sie gehen, wo sie wallen,Und verlassen sie nicht mehr.
Und Meliore bricht das Schweigen:«Was bedeutet wohl, mein Knd,Daß die Vögel nicht mehr weichen,Die doch sonst nicht heimlich sind?»
Rosablanke spricht: «Die beidenHabe ich wohl gleich erkannt,Ach, sie klagen uns ihr Leiden,Haben sich uns zugewandt.
Ihre Herrin ist verschwunden,Heute früh gab ich sie frei;Daß sie wieder sie gefunden,Saget uns ihr Wehgeschrei.»
Daß sie von Biondetten spreche,Wußte zwar Meliore nicht,Doch es stürzten TränenbächeVon dem bleichen Angesicht.
Und sie wagt ihm nicht zu sagen,Wie sie jener Kammer fand,Denn schon hatte ihn geschlagenAllzusehr des Schicksals Hand.
Und sie ließ die Vöglein flehen,War sie doch wie sie gebannt,In das Antlitz ihm zu sehen,Das zur Erde er gewandt.
Meliore sprach: «Ich glaube,Diese Vögel flehn um SchutzVor des wilden Geiers RaubeOder böser Buben Trutz.
Laß uns ihren Flug begleiten!» –Ach, er kannte nicht ihr Leiden!Und hinaus zum Garten schreitenErnst und ahnungsvoll die Beiden. |