Clemens Brentano
1778 - 1842
Romanzenvom Rosenkranz
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Romanze XIIITod der Rosarosa
Wie in dunklen MeereswogenEin verbranntes Schiff entmastetUnterm weiten HimmelsbogenTraurig steht auf ödem Sande,
Wie die Flamme scheu noch lodert,Von den Fluten rings belagert,Bis die traurig tote KohleLeicht umschaukelt in dem Wasser,
Fern schon ziehn die dunkeln Wolken,Die geübt die böse Rache,Und die Sterne vor dem MondeZiehn heran, unschuldig fragend:
Wo ist hin das segelvolleFreudge Schiff, so hoch bemastet,Das wie eine Braut die Wogen,Buhlend mit dem Wind, durchtanzte?
Wo sind hin die Schifferchöre,Die in feuchten Tauen tanzten?Ist von all dem stolzen VolkeAn dem Fels der Ruf verhallet?
Und das Meer spielt mit den Toten,Mit den Segeln, mit den Masten;Sterbend zischen noch die Kohlen,Und dann schweigt und ruhet alles.
Und die Sterne zu dem MondeBrechen aus in bittre Klagen:Ach! wo ist die schöne Tochter,Die uns grüßte mit Gesange?
Die gelöst die goldnen Locken,Ließ in freudgen Lüften flaggen,Unsern Spiegel in den WogenBetend grüßt mit Harfenklange?
Muß sie auch im Wasserschlosse,Von Untieren rings bewachet,Bei Sirenen und TritonenFern von uns nun sein gefangen?
Also klagen sie dem Monde,Der zu ihrer Klage lachetUnd das blaue Feld der WogenÜberschüttet weit mit Glanze.
Und was schimmert dort so golden,Rauschend durch die Wasserbahnen,Zieht gleich einem ArioneRuhig durch die Meere, harfend?
Heil! Es ist die schöne Tochter;Sie steht auf dem WundermantelSicher, wie auf starkem Boote,Und ihr Schleier ist die Flagge.
Und die Sterne freudig horchen,Denn es zieht durch ihre HarfeÄolus mit süßem Tone,Daß die Ufer rings entschlafen:
Also unterm HimmelsbogenStand zerstöret das Theater,Um die trüben SäulentoreSchauerten der Wachen Fackeln.
Also in dem Glanz des MondesTrat Biondette mit der HarfeAus den hohen, dunkeln Pforten,Wie in lichter Geist umwandelt.
Unterm hohen SternendomeSteht sie auf dem öden Platze,Unter ihren leichten SohlenKnirscht die Kohle auf den Platten.
Und zum Monde auf sich wolketNoch der Rauch des toten Brandes,Dumpf schallt fernes WagenrollenUnd es rinnet rings das Wasser.
Und des blauen Reno WogenLauter durch die Nacht hinwallen,Lauter rauschen auch die BronnenSiegreich ob dem Feuerkampfe.
Und Biondetta wiederholet:«Lebet wohl, ihr falschen Farben,Eitler Tränen Regenbogen,Sterne hell von falschem Glanze,
Ihr dient einem Flittermonde!»Sprachs, da klang es in der Harfe,Und zwei hohe, weiße NonnenGeistig ihr zur Seite standen.
Von dem Schleier ganz verborgenSchienen sie zwei selge Schatten,Winkend, ihnen nachzufolgen,Sie Biondetten still ermahnten.
Eine schweift in einem BogenUm sie, Freudenzeichen machend,Und die andre sah zu Boden,Traurig ihr Hände faltend.
«Sprechet, was ihr von mir wollet,Fromme Schwestern von Sankt Claren?»Frug die Jungfrau. NachzufolgenWinkend jene sie ermahnten.
Und Biondetta folgt den Nonnen,Die wie Geister vor ihr wallen,Zu dem Hause Jacopones,Zu der Rosarosa Lager.
«Sei willkommen mir im Tode!»Sprach die Kranke, und vom LagerHat sie leis ihr Haupt erhoben,Unterstützet von dem Knaben.
«Daß dem Feuer du entkommen,O, Biondetta, Gott ich danke;Wolle nun zu meinem TrosteMir ein Lied zur Harfe schlagen!»
Als die Jungfrau harfen wollte,Sah sie an den blonden Knaben:«Sah ich heut dich nicht am BronnenMit dem Vogel, mit dem Lamme,
Bei der Jungfrau mit den Rosen,Bei der süßen Rosablanke,Die heut früh den Kranz geflochtenFür Marien am Altare?»
Und der Knabe hat gesprochen:«Reicher als heut am AltareWard auch hier ein Kranz geflochten,Und du wirst die Dornen tragen.
Als der Gärtner säte RosenIn der Buße bittren Garten,Fiel dein Körnlein in die Dornen,Und du kennst nicht deinen Namen.
Denn du heißest Rosadore,Jene heißet Rosablanke,Rosarosa, rote Rose,Ihr seid aus demselben Stamme!
Seid geschenkt der Mutter Gottes,Als sie vor zwölfhundert JahrenAuf der sündgen Erde wohnte;Jetzt erst seid ihr aufgegangen.
Doch noch seid ihr kaum entsprossen!O erscheine, Herr des Gartens,Hüte deine heilgen RosenUnd zertritt die falsche Schlange!» –
«O, Benone, mir zum TrosteEile!» nun die Kranke klaget,«Denn es wirft die LebenssonneÜber mich schon lange Schatten!»
Und der Knabe spricht: «Zum KlosterGehe ich, ihn zu ermahnen;Doch zuvor, o fromme Tochter,Muß ich deiner Treue danken.
Denn ich kann nicht wiederkommmen,Eh erfüllet sind die Tage,Daß wir alle durch die PforteDer Barmherzigkeit einwandern.
Heil sei dir und ewge Wonne,Daß in Unschuld du gewandelt,Und, zu hören Gottesworte,Kinder gern um dich versammelt!
Viele dich am HimmelsthronePalmen schwingend schon erwarten,Und sie singen dort im Chore,Die du sie gelehrt, die Psalmen.
Heil sei dir und ewge Wonne,Daß in Unschuld du gewandelt,Daß du dich dem Herrn verlobetUnd die Treue ihm gehalten!
Also ist auch JacoponeIn die Blutschuld nicht gefallen,Und so bricht der Tod dich RoseZu der Sühnung ewgem Kranze!
Heil sei dir und ewge Wonne,Daß in Unschuld du gewandelt,Und das Kleid der gütgen TotenUnbeflecket hast erhalten!
Den Bußgürtel scharf gedornetTrugst du still und ohne Klagen,Und so halfst du, fromme Tochter,Deiner Mutter Sünde tragen.
Heil sei dir und ewge Wonne,Daß in Unschuld du gewandelt.Was dir unterm Herzen wohnet,Hast du nimmer mich gefraget!
Aber nun vor diesen NonnenÖffne ruhig die Gewande,Zeige deines Herzen Rose,Dieses Siegel deines Stammes!
Und es soll auch Rosadore,Die man sonst Biondetten nannte,An des eignen Busens RoseWahr erkennen ihren Namen.
Heil sei dir und ewge Wonne,Daß in Unschuld du gewandelt,Wisse, daß dir stets zu folgen,Mich mein eigen Heil ermahnte.
Denn ich harre der drei RosenLänger als zwölfhundert Jahre.Eine bist du, bald gebrochen,Bald auch breche ich die andre!
Als der Heiland ward geboren,Hab ich auch das Licht empfangen,Und ich gab ihm meine Rosen,Da er spielte bei dem Lamme.
Und er gab mir eine KnospeAus den Gräsern seines Lagers,Hat dann liebvoll auch gesprochen:`Agnus castus sei dein Name!'
Und wo ich bis jetzt gewohnet,Sät ich dieser Pflanze Samen,Ehrt sie höher als Kleinode,Weil der Herr auf ihr geschlafen.
Agnus castus aller OrtenHeißt, wie ich, nun diese Pflanze.Weißt du noch, wie ich dir MosseSammeln sollte mit den Knaben,
Weil du dir bereiten wolltestDeiner Hochzeit keusches Lager,Wie ich dir zu deinem SchoßeNichts als Agnus castus brachte?
Und du hast sie angenommen,Dankend für die Hochzeitsgabe,So schliefst du und JacoponeWie der Herr auf dieser Pflanze.
So hat eurem frommen WollenGern der Heiland beigestanden,Und das Lager deines TodesBlieb durch ihn der Keuschheit Lager.
Bald steht deines Herzens RoseNun im selgen HimmelsgartenUnd schmückt ihm die Dornenkrone,Die er hat für uns getragen!»
Als der Knabe so gesprochen,Ging er betend aus der Kammer:«Jesus Christus sei gelobet!»Und die Sterbende sprach: «Amen!»
Doch jetzt nahten sich die Nonnen,Die verschleiert fern gestanden,Leis hinschwebend an dem Boden,Rosarosens Sterbelager.
Und es knieet RosadoreEingehüllet in den Mantel.Stille war es, nur der OdemWehte und das Licht der Lampe.
Und die eine sprach: «O Tochter,Ich bin deiner Mutter Schatten.Weh mir, daß ich es geworden!Rosatristis ist mein Name.
Und auch du, o Rosadore,Hast durch mich das Licht empfangen;Fürchte nichts, erheb vom BodenDeinen Blick, der mich erlabet.
Ach, so kann ich nach dem TodeMutterfreuden erst erlangen!Wie unendlich ist die WonneUnergründlichen Erbarmens!»
Und nun schweift sie wie ein VogelFreudig um das Bett der Kranken,Und umschwebet Rosadoren,Streifend kühl durch ihre Haare.
Rosarosens LebenswogeHebt sich nochmals Wellen schlagend,Stumme Freudentränen flossenNieder von der bleichen Wange.
Denn sie hört im Ton der WorteJene Stimme widerschallen,Die ihr einst das Haupt geschoren,Ihrer Blöße sich erbarmend.
Durch die Seele RosadorensBebt ein tiefes, süßes Bangen;Furchtlos hat emporgehobenSie die Arme nach dem Schatten.
Denn sie sieht in dieser NonneJenes Bildlein ihrer Kammer,Das mit ihr gefunden worden,Das sie stets so wert gehalten.
Rosatristis nun voll WonneLöst der Kranken Brustgewande,Daß des Busens heilge WogenSchimmernd zu dem Lichte drangen.
Eine rote blutge RoseRosarosens Brust bestrahlet;Was ihr unterm Herzen wohnet,Hat sie so im Tod erfahren.
Während leis zu RosadorenSich die andre Nonne nahte,Und sie sah, die sie erzogen,Rosalätens heilgen Schatten.
Rührend sprach sie: «RosadoreDie ich sonst Biondette nannte,Teure Jungfrau, zeig die Rose,Die dir gab den neuen Namen.
Lasse, die dich hat geboren,Meiner armen Schwester Schatten,Lasse ihres Heiles RoseVor ihr blühn im keuschen Garten!»
Und in Zucht löst RosadoreIhres Mieders goldne Spangen,Und des Herzens banges PochenHört man durch die Stille schlagen.
Eine kleine goldne Rose,Über ihrem Herz gemalet,Zeigt im Spiegel ihr die NonneAls das Zeichen ihres Stammes.
Rosatristis spricht voll Wonne:«O, gesegnet ist der Garten,O, wie herrlich stehn die Rosen,Und derHerr wird sich erbarmen!
Aber eine weiße RoseMuß ich traurend noch erwarten,Sehen darf ich nicht die Tochter,Die unschuldge Rosablanke!»
Und nun hat sie aufgeschlossenDen Bußgürtel, der die KrankeNoch umgürtete – da flossenStröme Blutes von der Armen.
Stürzend in den Arm MelioresAus dem Fenster bei dem Brande,Hatte von des Gürtels DornenTiefe Wunden sie empfangen!
Rosatristis spricht zum Troste:«Du stehst recht im Rosengarten,Den der Herr bei seinem TodeFür die Märtyrer gepflanzet.
Deines Blutes jeder TropfenFällt auf meine Seele labend;Heilig hast du es vergossen,Das in Sünden du empfangen.»
Und sie gürtet RosadorenMit des Gürtels scharfen Stacheln:«Wolle ihn um mich, du Tochter,Treu wie deine Schwester tragen!
Gebe ihn bei deinem Tode»,Spricht die Nonne, «Rosablanken!»Peinumgürtet steht die Fromme,Klaglos für die Marter dankend.
Und nun sinkt sie mit den WortenFroh in Rosarosens Arme:«Laß, o Schwester, deinen OdemMich von deinen Lippen fangen!» –
«Sei willkommen, Todessonne!»Spricht die Kranke liebesstammelnd,«Mir ins Herz mit SiegeswonneFallen deiner Augen Strahlen!
Aber, was du mir versprochen,Singe mir ein Lied zur Harfe,Daß die Seele vor dem TodeAuf dem Klang vorüber wandle!»
Da ergreifet RosadoreGeistberauschet ihre Harfe,Also süße Töne lockend,Daß die Nonnen selig schwanken.
Doch es tritt nun JacoponeHeftig ein mit einem Arzt:Der unheilige AponeFolgt ihm stolz und dreist zur Kammer.
Und vom Zug der Tür erloschen,Starb das Licht der kleinen Lampe.«Licht her, Licht!» schreit wild Apone,«Was tun hier die alten Ammen?»
Denn er sieht die beiden NonnenGeistig schimmernd bei dem Lager.Und es eilet Jacopone,Anzustecken schnell die Lampe.
Und es folgen ihm die Nonnen,Geistig rauschend durch die Harfe,Rufen: «Wehe, weh Apone!Fluch der Schlang und ihrem Samen!»
Und nun griff der Arzt im Zorn,Und erfasset bei der HarfeDie versteckte Rosadore,Und die Jungfrau schreit: «Erbarmen!»
«Ha!» spricht Apo, «sei willkommen,Schöne Nachbarin! Zu fangenSolch ein Vöglein ich nicht hoffteBei dem Bette einer Kranken!
Hat der kluge JacoponeDich zu seinem Trost belanget?Die Juristen bei den TotenGerne sich an Leben halten!»
Und nun will er RosadorenScherzend um die Hüfte fassen;Doch sie war erstarkt im Zorne,Reißt ihm schmerzlich an dem Barte.
«Also halt ich dich, du Toller,»Spricht die Jungfrau, «bis die LampeWiederbringet Jacopone,Daß er sehe deine Schande!»
Frech erwidert ihr Apone:«Wenn du mich nicht fester fassest,Sind mir eine rechte WonneSolche Händlein in dem Barte!»
Und nun kehret JacoponeMit der Lampe in die Kammer,Und es läßt den Bart AponesRosadore schamhaft fahren.
«Herr,» spricht sie, «wie magst du zum TrosteDeines Weibes du den alten,Ehrvergessnen Buben holen?Weh mir, daß ich hier gestanden!»
Aber nun zu JacoponeSpricht mit schwachem Ton die Kranke:«Um den tröstenden BenoneBat ich meinen Herrn und Gatten!»
Und er spricht: «Auch er wird kommen,Jetzt vertrau dem großen Arzte;Dieser Aesculap BolognensWird dich, Theure, mir erhalten.
Conciliator, dich, Apone,Man ob hoher Weisheit nennet,Dich versühnend wolle folgenDer Bedeutung deines Namens.»
Aber nun zu JacoponeSpricht mit schwachem Ton die Kranke:«Um den tröstenden BenoneBat ich meinen Herrn und Gatten!»
Und er spricht: «Auch er wird kommen,Jetzt vertrau dem großen Arzte.Wolle, daß die Kunst Apones,Theure, dich mir noch erhalte!»
Und zum Arzt spricht er die Worte:«Herrlicher, vergiß des Kampfes,Der uns trennte oft im Zorne,Nimm die Hand zum Friedenspfande!
Dienen will ich deinem Lobe;Kannst du mir mein Weib erhalten,Geb ich dir zweitausend Kronen,Geb ich mehr noch, geb ich alles!»
Und zum Lager tritt Apone,Reißt die Decke von der Kranken,Doch es stürzt sich RosadoreÜber sie mit ihrem Mantel.
Und der Arzt spricht wild im Zorne:«Was soll hier ich besser machen,Wo man meiner nur will spotten?Nackt muß ich die Kranke haben!
Über ihrem Herzen drohendEinen Flecken von dem BrandeSah ich schwarz. Sie ist des Todes,Wenn ich sie nicht heilend salbe!»
«Nimmer,» spricht nun Rosadore,«Sollst du sie berühret haben,Ihres Herzens heilge RoseNimmer sehen, böse Schlange!»
Und erbittert flucht Apone:«Nun, so soll ich sein verdammet!Schöne Buhlrin, dir zum HohneSollst du mir zur Seite wandeln!
Du sollst deine JungfraukroneSelber mir ins Haus eintragen,In den Spuren meiner SohlenSollst du liebekrank herwandeln!
Abends an mein Lager kommen,Deinen Leib mir anzutragen,Und mit Füßen weggestoßenSollst du in der Brunst verschmachten!
In der Kirche, vor dem Volke,auf dem offnen vollen MarkteSollst du mir verbuhlet folgen,Wie dem Leibe folgt der Schatten!»
Ihm erwidert Rosadore:«Mein wird sich der Herr erbarmen;Vor dem Fluch, den du geschworen,Wird er seine Magd bewahren!
Eher sollen alle RosenMit den Wurzeln abwärts wachsenUnd die vollen LiebeskronenIn der Erde Nacht begraben,
Eher all die bleichen TotenAus der Tiefe blühend wandelnUnd was lebet an der SonneFluchend in die Gräber tragen,
Eh der Mond vom SternendomeBuhlend in ein Nest voll DrachenSteigen und im keuschen SchoßeUngeheure Brut empfangen,
Und eh soll die lichte SonneWeichen aus des Himmels Bahnen,Durch der Hölle Tor zu wandeln,Eh ich tret in deine Pforte.
Ja, eh wird dem Feinde Gottes,Dem satanschen Sündenvater,Auch ein Gottsohn ausgeboren,Keusch von einer Magd empfangen,
Und zu lösen uns vom Tode,An das heilge Kreuz geschlagen!Gott verzeihe mir die Worte,Antwort ungeheurer Fragen!
Nein! nein! nein! Du hast gelogen!O erscheine, Herr des Gartens,Tritt den Lügner an den Boden,Trete auf das Haupt der Schlange!»
«Kind,» spricht Apo, «heiße KohlenMöchtest auf mein Haupt du sammeln,Aber mir auch blühen Rosen;Gut lacht, wer am letzten lachet!»
Doch indes fragt JacoponeFlehend die geliebte Kranke,Wie sie so viel Blut vergossen?Und sie hat es ihm gestanden.
Und nun bietet er Apone,Daß er helfend ihm mög raten,Abermals zweitausend Kronen,Nimmt das Gold gleich aus dem Schranke.
Jener aber spricht: «Die Dornen,Die ihr schwer den Leib durchstachen,Wirf in einen tiefen BronnenOder in ein fließend Wasser;
Dann, so wie der Gürtel rostet,Schließen sich die Wundenmale;Doch vor allem einen TropfenNehme sie aus dieser Flasche!»
Und nun reichet ihr AponeEine Flasche; doch die KrankeWinkt verneinend mit dem Kopfe,Und Apone weicht vom Lager;
Denn er höret eine Glocke;Fackelschein erhellt die Gasse,Weil begleitet von dem VolkeSich der Leib des Herren nahet.
Mit dem Sakrament gezogenKommt Benone durch die Straße,Und die Kranke hebt frohlockendUnd getröstet sich vom Lager.
«Bleibe liegen!» sprach Apone.«Willst du dir dein Weib erhalten,»Sagt er dann zu Jacopone,«Hüt sie vor dem Abendmahle!
Sie stirbt eines schnellen TodesBei der letzten Ölung Salbe.Da ich sie hab übernommen,Werd ich dieses nie gestatten!» –
«Jacopone, Jacopone,»Seufzt nun angstbewegt die Kranke,«Willst du mich zur Hölle stoßen?Hüte mich vor diesem Drachen!»
«Seht, sie raset,» spricht Apone,«Sie ist nicht mehr bei Verstande,Denn sie spricht verwirrte Worte,Taugt jetzt nicht zu heilgen Sachen!»
Doch nun tritt herein Benone,Nahet sich dem Bett der Kranken,Und sie spricht: «O Herr, willkommen!Wolle meine Beicht empfangen!»
Und der Priester will, es sollenAlle nun allein ihn lassen.«Rosadore, JacoponeMögen bleiben,» spricht die Kranke.
«Und ich geh nicht,» spricht Apone,«Bis der Gürtel liegt im Wasser,Bis getrunken sie die Tropfen.Wer bringt meine Pflicht zu wanken?»
Und zu weichen hat BenoneNochmals friedlich ihn ermahnet;Aber höhnisch ihm der StolzeIn das würdge Antlitz lachet.
Nun erst fühlet Jacopone,Welcher Geist in diesem Arzte,Und er spricht in schnellem Zorne:«Weich aus meinem Haus, du Laster!» –
«Hast du mich mit SchmeichelwortenHergelocket,» spricht der Arge,«Bringst du mich mit bösem TrotzeWahrlich nimmermehr von hinnen!» –
«Weh uns!» jammert Jacopone,«Wer mag diesen Teufel bannen!»Und es nahet Rosadore,Spricht: «Ich wags in Gottes Namen!»
Und sie zieht gleich einem DolcheJene Nadel RosablankensAus dem Haar, das Gold der LockenFließt, sie rüstend, von dem Nacken.
Und im heilgen Zorne GottesSpringt die Kranke von dem Lager,Und ein Kreuz von rotem GoldeDienet ihr zur frommen Waffe.
Aber beiden reißt AponeVon dem Busen die Gewande.Da er sieht die heilgen Rosen,Fühlt er seine Sinne wanken.
Und er fluchet: «Moles, Moles!Dies ist unser Rosengarten.Daß er ewiglich verdorre,Mußt du dich zur Arbeit halten!»
Doch am Fenster ruft BenoneDem Geleite, und mit FackelnDringen sie herauf; MelioreTritt einher vor allen andern.
Doch er stehet schwer erschrocken,Da er Apo sieht, und fraget:«Meister, lebet ihr hier doppelt?Eben hab ich euch verlassen!
Pietro kam als schneller BoteZu dem Vater Rosablankens,Der erkrankte, euch zu holen,Und Ihr seid mit ihm gegangen.
Habt mir selbst die Hand geboten,Spracht, daß ihr des alten HassesGänzlich nun vergessen wolltet,Weil ich brav gelöscht beim Brande.
Dann hast du mich angesprochenUm ein Büschel meiner Haare;Sprachst: `Aus blondem Haar gesponnenWird zur Wundennaht der Faden.'
Und ich gab dir eine Locke –Sieh, hier fehlt sie mir im Nacken –Folgte weit dir vor dem Tore,Bis in meines Bruders Garten,
Wo du eintratst, weiße RosenUnd Arzneikraut einem KrankenZur Erquickung gleich zu holen;Dorten hab ich dich verlassen.
Denn es war dort bei den RosenSolch ein heftger Duft entstanden,Daß mir schier gebrach der Odem;Wankend ging ich aus dem Garten.
Jetzt – wie find ich dich hier oben?»Doch ihn bei dem Arme fassendSpricht Apone: «Freund Meliore.Jetzt geleite mich von dannen!
Denn die Gattin JacoponesWill das Sakrament empfangen,Gönnen wir ihr Raum zum Troste!»Und nun gehen sie zusammen.
Ihnen folgen, die vom VolkeMit den Fackeln aufwärts drangen.In den Armen JacoponesRuht ohnmächtig noch die Kranke.
Da sie wieder sich erholet,Segnend ihr der Priester nahet,Und sie spricht mit leisen Worten,Matt aufrichtend sich vom Lager:
«Der du an der Stätte Gottes,Höre, wie ich mich anklage,Was ich sündlich hab verbrochen,Seit auf Erden ich gewandelt,
Mit Gedanken, Werken, Worten.Und zuerst nun mit Gedanken:Ich gedachte, meinem GotteKönnt ich Sünderin gefallen.
Und ich sündigte mit Worten,Weil ich Gott nicht Wort gehalten,Als das ja ich JacoponeTreulos gab an dem Altare.
Und mit Werken,» sprach die Fromme,«Da ich sprang von dem Theater;Denn ich glaubte fest, des TodesWürd ich an die Erde fallen;
Glaubt in meinem bösen StolzeOhne Sakrament empfangenKäm ich doch zu meinem Gotte,Sündigte auf sein Erbarmen.
Doch mich nicht verderben wollend,Hat er mich zur Buß erhalten,Die von ihm durch dich, Benone,Ich zerknirschet nun erwarte!» –
«Rosarosa,» sprach Benone,«Keiner noch trat ohne MakelVor den Thron des ewgen Gottes;Er wird dein sich auch erbarmen!
In des Vaters, in des Sohnes,In des heilgen Geistes NamenSei dir, meine fromme Tochter,Deine Schuld erlassen! Amen.
Fühlst du jetzt dein Haus geordnet,Deinen Herren zu empfangen,Speis ich mit dem HimmelsbroteDich zu diesem letzten Pfade.» –
«Bis zum neuen MorgenroteHarret noch», spricht leis die Kranke,«Einen Bissen weißen BrotesAß ich heut von einer Armen,
Der durch dich, mein Jacopone,Ward ihr kleines Feld erhaltenGen den Anspruch eines Großen;Sie bracht mir das Brot zum Danke,
Bat: `O esse von dem KorneJetzt aus Liebe zu dem Manne,Der gerettet mir den BodenDem dies Brot für mich entwachsen!'
Aber hört, die elfte GlockeSchlägt! Noch eine Stunde harret;Reicht indes zum letzten TrosteMir des heilgen Öles Salbe!»
Doch nun klaget Jacopone,Der bis jetzt in stummen JammerSaß an ihrem Lager oben:«Weh, o weh, ich muß dich lassen!
O dich, aller Jungfraun Krone,Keusch und duldend gleich dem Lamme,Das die Schuld hat hingenommen,Das für uns das Kreuz getragen,
Rosarose, heilge SonneMeiner irdisch trüben Tage,Firmament voll Lichtessonne,Ewig gleiche Friedenswage!
Herr, was hab ich denn verbrochen,Daß ich in der Nacht soll wandeln,Daß aus meines Himmels DomeNun erlischt die heilge Lampe?
Weh, o weh, du süße Rose,Dornen dir das Herz zerbrachen,Die du fromm vor mir verborgen;Schuldig muß ich mich anklagen!
Weh, ich bins, der dich gemordet,Blind an jenem Hochzeitsabend,Da durch mich du von den TotenHast den Dornengurt empfangen!
Und ich habe zu der OperDich geführet heute Abend:Weh, durch mich wards du durchbohretVon dem Gürtel bei dem Brande!
Deine letzte Zeit verdorbenHab ich dir aus falschem WahneDurch den Bösewicht Apone,Hoffend, dich mir zu erhalten!
Ach, ich diene bösem Stolze!Die ich nie besessen habe,Die mir ewig war verloren,Wollt ich mir durch Kunst erhalten!
Weh, mein Weib, du Jugendrose,Auf dem Wasser der DemantenSpiegelt deiner Schönheit SonneIhres Abendrotes Flamme!»
Also jammert Jacopone.Ihm erwidert dann die Kranke:«Wolle nicht mit harten WortenGegen Gottes Willen klagen.
Lasse uns den Herren loben,Daß er uns zurückgehaltenVon dem Abgrund ewgen Todes,Von der Blutschuld hartem Laster.
Wenn der Schleier wird gehobenÜber unserm dunklen Stamme,Singst du bis zu deinem TodeGott und seiner Mutter Psalmen.
Seit das Weib den schwer verbotnenApfel teilte mit dem Manne,Bringt das Weib das Kind des TodesZu der Welt mit Not und Jammer.
Und wir durch die Güte GottesHaben schuldlos uns erhalten,Und er wird uns nicht verstoßenAus des Paradieses Garten.
Auch ich muß von diesem OrteIn den Willen des Erbarmers;Dich, bei dem so gern ich wohnte,Muß ich einsam nun verlassen.
Und du sollst, wie Christen sollen,Deinem irdschen Gut entsagen,O, mein Bruder, wolle folgenEines schwachen Weibes Rate.
Geh in einen frommen Orden;An die Stelle des TheatersLaß erbaun ein heiles Kloster;Dort auch ruhe meine Asche!
Lasse jetzt von armen VolkeStille mich zu Grabe tragen,Bis erbauet ist das KlosterZur Kapelle bei Sankt Claren.
Und den Schwestern dieses OrdensDann das neue Kloster lasse,Weil sie jetzt nur ärmlich wohnenUnd das Haus sie kaum mehr fasset.
Meinen Sarg, geschmückt mit Rosen,Laß von armen Jungfraun tragen;Lasse auch die Kinder folgen,Die ich stets geliebet habe.
Allen spende aus zum LohneMeine vollen Kleiderladen,Aus dem Tuch, das ich gesponnen,Lasse allen Hemdlein machen.
Mein Geschmeide, silber, golden,Alle Perlen und Demanten,Die mir deine Huld erworben,Schenke ich zu dem Altare.
Lasse eine Mutter GottesRecht vor allen herrlich malenUnd ihr vor dem hohen ChoreHimmlische Musik erschallen.
Mit des Weihrauchs süßen Wolken,In wollüstger Düfte Kampfe,Soll ein Wald unzählger RosenUm der Kirche Säulen ranken.
Kelche, Lampe, Weihebronnen,Leuchter, Rauchfaß und Monstranzen:Alle seien goldne Rosen,Durch der Künstler Fleiß gestaltet.
Und die groß und kleine GlockeUnd der Taufstein und die KanzelSeien Rosen gleich geformet.O, welche frommer Rosengarten!
Als ich bin getragen wordenSinnlos weg von dem Theater,Hat sich ein Gesicht ergossen,Hab ich diesen Wunsch empfangen.
Unter einem hohen DomeSah ich Weihrauchwolken wallenUnd Gesang und Klang der OrgelDurch die Säulenwälder wachsen.
Und ich sah den Greis BenoneEine Totenmesse halten,Aber alles war voll Wonne,Alles war voll selgen Glanzes!
Und ich sah viel fromme NonnenEinsam betend in der Kammer,Sah sie nächtlich in dem ChoreHimmlische Gebete lallend.
Und vor allen glanzumflossenSah ich eine mit der NadelWeiße, rote, schwarze RosenWirken in die Meßgewande.
Und das Bild der Mutter Gottes,Gnädig blickend vom Altare,Glich dir, meine Rosadore,Aber heilger, höher strahlend.
Und ich selbst lag eingeschlossenKühl in einem Marmorsarge;Auf der schweren Decke obenSchlief der Knabe mit dem Lamme.
Rings um mich geliebte ToteSchlummerten zum letzten Tage;Doch kein Sinn war mir verschlossen,Und ich sah und hörte alles.
Ach, wie mag die VisionenAlle ich in Worte fassen!Durch der Kirche hohe BogenHimmelschöre niederdrangen!»
Und nun sagte Rosadore:«Ja, des Himmels Tore standenÜber diesem Tempel offen,Von den Seligen umscharet.
Und es stand die Mutter GottesUnd der Heiland mit dem LammeGanz bekränzt mit süßen RosenIn des Lichtes ewgen Glanze.
Und der Engel LegionenSangen: Gnade! Gnade! Gnade!Tausend Kränze heilger RosenSah ich zum Altare fallen.
Und den Schleier einer NonneSah ich nehmen Rosablanken;Eine Goldflut ihrer LockenVor der Schere niedersanken.
Singend stand ich auf der Orgel,Vor mir stand die goldne Harfe;Aber stille und gestorbenLag mein Herz in kalten Banden,
Wie in bösem Traum der BodenFliehenden die Füße bannet,Hilferufenden der OdemKämpfend in der Brust erstarret.
Lebend und doch eine Tote,Sehend und doch dicht umnachtet,Stumm, doch singend vollen Tones,War ich wie von Stein umfangen.
Neben mir stand schwarz Apone.Weh, o weh, was er gesaget,Was er sprach vorhin im Zorne,Füllet mich mit tiefem Bangen!
Doch am Altar aufgezogenWard ein himmelblauer Mantel,Und das Bild der Mutter GottesGrüßte laut des Volkes Ave.
Und ich hört in meinen Ohren:Ave, Salve, Mater! schallen,Und aus meinen Augen quollenWieder Tränen auf die Wangen.
In der Kirche hohem DomeSchmetterten die Nachtigallen,Ganz durchzucket von dem ToneFühlt mein Herz ich wieder schlagen.
Und ich bin emporgeflogen,Eine Stimme, singend Ave,Bin des Engels Gruß geworden,Ave, Salve, Dei Mater!
Dies Gesicht war mir ergossen,Da ich sinnlos in der HarfeRuhete, von MelioreFromm gerettet bei dem Brande.» –
«Was du sahest, Rosadore,Sah ich alles,» sprach die Kranke,«Herr! du hast in VisionenWunderbar dich uns erbarmet!»
Und in stiller Wonne schlossenBeide sich in ihre Arme.Ruhig sprach nun Jacopone:«Herr, tu mir nach Wohlgefallen!»
Aber nun tritt durch die PforteAgnus castus mit dem Lamme,Knieet betend an dem BodenNeben Rosarosens Lager.
Nach der Sanduhr sieht Benone,Eine Schelle rührt der Knabe,Niederknieet Rosadore,Jacopone bei der Kranken.
Beim Gesang des frommen Volkes,In dem Scheine heller Fackeln,Hat sie leis das Haupt erhobenUnd des Herren Leib empfangen.
Und dann sprach sie noch die Worte:«Herr, du hast dich mein erbarmet,Herr, dein Wille sei gelobet,Meine Seele nun empfange!»
Mit dem heilgen Öl BenoneHaupt und Hand und Fuß ihr salbet.Und sie sprach: «Des Herzens RoseWirft unendlich weiten Schatten!
O der Wonne, o des Trostes,O des wundersüßen Garten!Singe, meine Rosadore,Mit des Himmels Nachtigallen!
In dem Schatten meines TodesLasse Gottes Lob erschallen!»Und es sang nun RosadoreZu dem Klang der goldnen Harfe.
Solch ein Lieb, so selgen Tones,Hat nur da die Luft getragen,Als der Heiland ward geborenUnd die Engel Gloria sangen.
Also sang des Lichtes Bogen,Da den Lustkreis aller FarbenGott durch seinen Raum hinrollteIn dem Glanz des ersten Tages;
Also tönt des Wassers Woge,Mit dem Rund des ErdenballesSelig spielend in der Sonne,Jauchzend an dem ersten Tage.
In so süßen Tones StromeWar die Luft aus Gottes AtemUm die junge Welt ergossen,In der Lust des ersten Tages.
Und die neue Erde rollteUnter also freudgem KlangeIn den Kreis von Mond und Sonne,Jubelnd an dem ersten Tage.
Also sang das Blut, ergossenDurch des neuen Menschen Adern,Also sang der Mensch voll Wonne,Da er zu der Welt erwachte.
Doch annoch viel höhern TonesWird das Lied der Selgen schallen,Wenn sie aus dem Haus des TodesZu dem Antlitz Gottes wandeln.
Aber nun zieht mit dem Volke,Betend bei dem Schein der Fackeln,Nach dem Kloster hin Benone.Einsam steht der Toten Lager.
Und es küßt ihr RosadoreTränenlos die bleiche Wange,Grüßet scheidend JacoponeUnd verläßt ihn mit der Harfe.
Einsam sitzet JacoponeAuf dem stummen Sterbelager,In der Toten DemantkroneMit des Schmerzes Blick hinstarrend.
Keine Träne ihm entrollet;Seine tiefe Trauer ragetWie die Wüste öd und trockenAuf, am Horizont verschmachtend,
Ohne Schatten, und die SonneSelbst ein tiefer Feuerschatten,Der sich wie ein weiter BogenÜber seinen Scheitel lagert.
Die Gedanken an dem BodenSchleichend, in dem gleichen Sande,Alle Spuren von dem OdemHeißen Sturmes stets verwaschen.
An dem Himmel keine Wolke,An der Erde keine Pflanze,Auch kein einzger kühler TropfenIn dem ungeheuren Plane.
Also sitzet JacoponeIn der Wüste seines Jammers,In die helle DemantkroneDer geliebten Leiche starrend.
Aber auf die Schulter klopfetAgnus castus ihm, der Knabe,Reicht ihm einen Korb voll Rosen:«Jacopone, jetzt erwache!
Kränz des Todes Braut mit Rosen;Sie sind aus demselben Garten,Wo die Rosen ihr gebrochenAn dem ersten Hochzeitsabend.
Nimm ihr ab die Demantkrone,Die du ihr hast heute abendIn das Silberhaar geflochten;Deiner letzten Pflicht gewarte!
Einst werd ich am rechten OrteWunderbare Dinge sagen;Du wirst, die dir war verborgen,Deines Namens Schuld erfahren.»
Sprachs. – Da jener nahm die Rosen,Schied er betend aus der Kammer:«Jesus Christus sei gelobet!»Jacopone saget: «Amen!»
Als er löst die DemantkroneAus dem Strom des Silberhaares,Ist des Schmerzes Kern gebrochen,Und des Jammers Quellen sprangen.
Da er ihr den Kranz der RosenLegte in die Silberhaare,Sind die Augen in dem StromeHeißer Tränen ihm vergangen.
Da der arme JacoponeIhr die kalten Hände faltet,Ist der Trauring roten GoldesIn die Hand ihm schwer gefallen.
Da er ihr das Aug geschlossen,Brach er aus in lauten Jammer,Ganz in einem TränenstromeDer Geliebten Antlitz badend.
Als die Nacht war hingezogen,Stand des Morgensternes FackelAn dem stillen Horizonte,Wie ein Irrlicht auf dem Grabe.
Wie in eines ausgestochnenAuges leere Höhle, zagendSah des neuen Tages SonneIn das Herz des armen Mannes.
Und wie an dem HochzeitsmorgenPietro, sie begrüßend, sagte:Grüßt sie an dem Todesmorgen;Jacopone, laut aufjammernd:
«Grüß dich, blutge Todessonne,Grüß dich, Held des Unterganges,Grüß dich, Heiland voller Dornen,Grüß dich, Sichel meines Gartens!
Grüß dich, lichter Trauerbote,Grüß dich, Tauestränensammler,Grüß dich, Wecker aller Toten,Grüß dich, Feuerheld des Grabes!
Singt die sieben letzten Worte,Singt sie mir, ihr grauen Schwalben!Singt ihn mir, den Schild des Todes,Singt den Held des Unterganges!» |