Clemens Brentano
1778 - 1842
Romanzenvom Rosenkranz
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Romanze XIIJacopone und Rosarosa
Von Folianten rings umgebenSitzt der stolze Jacopone;Hochgeehrt von den KlientenIst der junge weise Doktor,
Ausgetreten seine Schwelle;Denn mit vollen Händen kommenTaufend, um in ihren RechtenWeise Sprüche sich zu holen.
Täglich, nächtlich kommen, kehrenZu ihm, von ihm schnelle Boten,Fern und nah muß er die TexteStreitigen Parteien ordnen.
Und vor seinem Hause stehenOft der Fürsten stolze Rosse,Er ist rings im Land gebeten,Und man wünscht ihn allerorten.
Er verstand wohl die GesetzeGleich dem griechschen Hermodore.Die zwölf Tafeln hergestelletHätt er, wären sie verloren.
Und wie Flavius gelernetAuswendig die Aktionen,Kannte auch wohl alle Leges,Alle Formeln Jacopone.
Mutius hat er gelesenUnd den Brutus wohl erwogen,Den Manilius versteht er,Ist Sulpicio gewogen.
Des Antistius Labeo GegnerFolget er, des CapitonisSchüler, des Sabini Regeln,Sabinianischer Methode.
Er hielt streng bei den Gesetzenund schrieb dissertationem,Die ihn bracht zu hohen Ehren:De bonorum possessione.
Salvium Julianum kennt er,Gaji Institutionen,Papinian, Ulpiano strebt erUnd Herennio zu folgen.
Ehre hätte dem KathederZu Beryt, KonstantinopelUnd zu Rom er einst gegeben,Wie jene Antecessores.
Hätte damals er gelebet,Die drei Codices zu ordnenIn den Justinianschen, nebenTribonian würd er gelobet.
Und die Sechzehn, die mit jenemDie Pandekten ausgeboren,Wären Siebzehn dann gewesen;Also war sein Geist zu loben.
Zum Behufe der Pandekten,Auf die fünfzig DezisionenFür Justinian zu stellen,Wär er mitbeehret worden.
Dem Theophilo wohl nebenDorotheo zugeordnetWär er, Triboniano helfendBei den Institutionen.
Er wär recht der Mann gewesenRepetitae praelectionisCodicem ins Licht zu stellen,Und νεαραὶ διατάξεις.
Aber spätrer Zeit zur EhreWar er recht ein Schmuck geborenAuf Bononischem KathederMagnae matris studiorum
Wo Irnerius gelehretSeine Justinianischen Glossen,Bulgar, Gosias gelebet,Hugo und Glossatoren.
Weil er ganz besonders ehrteJakob vom Ravenner Tore,Hat er sich nach ihm genennetGar bescheiden Jacopone.
Und Accursius war sein Lehrer,Otofredus diesem folgte;So hat er das Recht erlernetNach der Summa des Azzonis.
Und kaum dreißig Jahre zählt er;Um die hohe Stirne LockenWallen braun aus dem Barette,Und sein Bart ist schön geordnet.
Wenn er im Ornate stehetUnd kreieret die Doktoren,Fließet ihm die stolze RedeGleich dem zweiten Cicerone.
Wüßten das, was er vergessen,Manche andre Professoren,Wäre ziehenden StudentenÖfters aus der Not geholfen.
Und so ganz in Ehren schwebend,Lebte er in seinem Stolze;Seinem Ruhm sind nah und ferneTausend Schüler nachgezogen.
Dunkler Herkunft zu entstreben,Hat ihn so sein Fleiß erhoben,Denn nicht seinen Vater kennt er,Seine Mutter starb verborgen.
Er begann sein JugendlebenMit zwei Brüdern in dem Kloster;Pietro ward ein Blumengärtner,Noch studieret Meliore.
Da er stieg zu dem Katheder,Nahm zum Weib er Rosarosen,Eine Jungfrau auserlesen,Eines Arztes Pflegetochter.
Als er ging zur DoktorehreDurch der Aula hohe Pforte,War die Züchtge ihm begegnet,Und er sprach zu ihr die Worte:
«Schöne Jungfrau! Ihr begegnetMir an sehr gefährlchem Orte,Jetzo ich zu streiten geheDe bonorum possessione.
Und die Schätze aller WeltenHabe ich bei Euch verloren,Nichts besitz ich auf der Erde,Da Ihr mich mir selbst genommen.
Was ich künftig nun erwerbe,Habt Ihr schon von mir gewonnen.Geht und betet, daß die EhreMir nicht gehe heut verloren!»
Rosarose sah beschämetAn den glatten Marmorboden:«Ich erfleh Euch, Herr, die Ehre»,Sprach Sie, «und halt Euch beim Worte:
Daß Ihr mir sodann die EhreTeilet, die ich Euch erworben,Und nie nehmet mir die Ehre,Die um jene Gott ich opfre!»
Ach, zu spät verstand die RedeRosarosas Jacopone,Und es hat ihn sehr beschweret,Was er damals ihr versprochen.
Und sie schieden; sie zum Tempel,Er zu dem Juristenhofe;Sie erfleht ihm Gottes Segen,Er den Doktorhut erobert.
Als er austritt hochgeehretUnter der Schalmeien Chore,Wird bei Pauken und TrompetenIhm drei «Vivat hoch!» erhoben.
Doch er blicket allerwegenNach der Jungfrau dieses Morgens,Ihm will auch der Wein nicht schmeckenBei dem Doktorschmause oben.
Ach, wenn sie den Trank kredenzte,Säh er in des Bechers GoldeSpiegelnd ihre Augen brennen;Ach, wie er dann trinken wollte!
Ach, und wo ihr Mund den BecherSelbst entsauget einen Tropfen,Durstig hätte er die StelleAusgebissen aus dem Golde.
Und in dem Tumult des FestesSchleicht er aus dem lauten Chore,Irret auf verschiednen Wegen,Denn er wußt nicht, wo sie wohnet.
Wo vor Stunden sie sich trennten,Geht er, ihren Weg verfolgend,In den Garten, nah gelegen,Von Sankt Clarens stillem Kloster.
Längs den still beblumten FeldernWiegen sich die vollen Rosen,Von den Tönen tief bewegetEiner süß gerührten Orgel.
Und im stillen Garten stehetTief erschüttert Jacopone;Lang hat ihn nicht angewehetDer unschuldge Odem Gottes.
Lange hat er nicht gesehenIn das offne Herz der Rosen,Und so frommer Töne WehenWar entfremdet seinen Ohren.
Er war in der Bücher MengeGanz verriegelt und verschlossen,Und hier, wo die Blumen scherzten,Ist ihm auf das Herz gebrochen.
Brach ihm auf in Liebesschmerzen,Recht wie eine BlumenknospeIhn Geschmeide keusch auslegetIn dem Kuß der jungen Sonne.
Wie verschloßne FelsenquellenTraurig in dem Dunkel wohnen,Jauchzend dann zutage brechenZu den Sternen, zu der Sonne,
Und mit bunten Steinen scherzendUnd mit Fischen spielend wogen,Wo die Blumen spiegelnd stehen,Von Libellen leicht umflogen.
Wie, dem Kinde gleich, die WelleGern um Tand die Körner GoldesHingibt, die im Schoß der BergeSie mit Angst vom Geiz erworben,
Und den süßen BlütenregenFreudig zu dem Fluß hinwoget,Freudiger dann FischersegelTrägt, und durch die Mühle toset,
Hohe Masten dann bewegendIn den breiten starken Flossen,Und dann kühne, volle SegelFühret, recht in hohem Stolze,
Dann dem ganzen ElementeSich hingebend, abwärts tosendIn die hohen, vollen Meere,Stirbt in Wiedersehens Wonne;
So fand er sich tief bewegetUnd, dem Bücherstaub entronnen,Neue Liebe in dem Herzen,Zwischen Blumen in der Sonne.
Doch da eine Stimme schwellendSich ergießt zum Orgelstrome,Schreitet er zu der Kapelle,Die in Büschen steht verborgen.
Und er wurzelt auf der Schwelle;Rosarosa schlägt die OrgelSingend, ohne ihn zu sehen,Zwischen Engelbildern golden.
Auf dem kleinen OrgelwerkeSteht das Bild der Mutter Gottes,Frische Rosen reicht ein EngelUnserm Herrn in ihrem Schoße.
Und das Bild des andren EngelsHebt empor in goldnem Korbe,Singend auf und niederschwebend,Einen süßen, bunten Vogel.
Und die leichten Bälge tretend,Sieht er einen goldumlockten,Schönen Knaben freudig schweben.Ach! er glich dem Liebesgotte,
Wäre nicht so fromm sein Wesen;Doch ihm fehlen Pfeil und Bogen,Und ein Kreuz im Arm ihm lehnetAus zwei jungen Weidensprossen.
Einen Rosenstrauß am Herzen,Schlummert still sein Lamm am Boden;Niedersinket auch zur StelleAuf die Kniee Jacopone.
Ihr Gesang sich so erhebet:«Heilge Jungfrau! Mutter Gottes,Denke, wie sandst im TempelJesum, den du glaubst verloren,
Streitend mit den Schriftgelehrten,Mit den Ärzten, Philosophen,Wie er als ein Kindlein redetWunderbare, hohe Worte.
Als er fragt: `Ihr Männer, wessenSohn Messias wird geboren?'Alle kecklich zu ihm sprachen:`Davids Sohn wird er geboren!' –
`Warum dann,' dein Kind versetzte,`Nennt ihn David seinen Obern?Sprach der Herr zu meinem Herren:Du sollst mir zur Rechten thronen,
Daß ich dir zu Füßen werfeDeine Feinde an den Boden!' –`Hast die Bücher du gelesen?'Fragte Jesum dann ein Doktor.
Und dein Kind sprach: `Ja, gelesenUnd auch das, was drin verborgen.'Dann erklärt er dem ProphetenSatzungen und dunkle Worte.
Allen war er ein Entsetzen;Ärzte und die Philosophen,Pharisäer, SchriftgelehrteMußten Kinderweisheit loben.
Hohe Mutter, o gedenke,Wie dein Herz in Freuden wogte,Da du dort in solchen EhrenWiederfandest den Verlornen.
Zu ihm sprachst du: `Warum setztestMich und Joseph du in Sorgen,Die dich suchten allerwegen,Glaubten, du seist uns verloren?'
Und dein Kind sprach, zu dir redend:`Warum sucht ihr nach dem Sohne,Dem ihr selbst als Zucht gelehret,In des Vaters Haus zu wohnen?' –
O Maria! denk der Ehren,Die die Meister dir da boten,Preisend deines Leibes Segen,Der so weis ein Kind geboren!
O, verleihe deinen SegenJenem Jüngling, der heut morgenMir so huldvoll ist begegnetAn des Rechtshofs hoher Pforte!
Für ihn bring ich meine EhreDeinem Gottessohn zum Opfer,Lasse ihn das Recht vermehrenZur Vermehrung des Lob Gottes!
Laß geehrt nach Haus ihn kehren,Recht zu seiner Mutter Wonne,Denk der Freude, denk der Ehre,Die du sahst an deinem Sohne!»
Als sie so das Lied geendet,Gab der Knabe gute Worte:«Ich will singen, ich will beten;Schlag auch meinem Lied die Orgel!»
Und die Jungfrau ohn BedenkenSeiner frommen Bitte folget,Und er singt, die Bälge tretend,Wie ein Engel klar aus Wolken:
«O, mein Jesulein, gedenkeDeiner hohen, weisen Worte,Als Zachäus dich belehrenIn dem Aleph Beta wollte!
`Sage Aleph!' sprach der Lehrer;`Aleph, hast du fromm gesprochen;Nun sprich Beth!' der Mann begehrte;Da sprachst du zu ihm die Worte:
`Nein, ich sprech Beth nicht eher,Bis mir Aleph deutlich worden;Du sollst erstlich mich belehren,Warum Aleph so geformet.'
Und da sahst du deinen LehrerIn Unwissenheit betroffen;Sprachst: `Ich will dich nun belehren,Wie das Aleph ist geformet.
Aus drei Strichen es bestehet,Weil auch steht die Einheit Gottes,Dieses Aleph alles Lebens,In drei göttlichen Personen!' –
Als dein Lehrer ob der RedeDich, o Jesu, schlagen wollte,Mußte er zur Stunde sterben,Der gen Gott die Hand erhoben!
O du Anfang, o du EndeAller Weisheit ausgeboren,Allbarmherziger, o spendeWeisheit zu der Frommen Troste!»
«Amen!» sang die Jungfrau bebend,«Amen!» sang da Jacopone,Und da sie ihn sah, sich wendend,Blühen ihrer Wangen Rosen.
Und sie geht aus der Kapelle;Auch der Knabe hin ihr folget,Wo in einem RosenzelteFreudig tanzt ein frischer Bronnen.
Und zu Rosarosen redetZärtlich dankend Jacopone:«Gott erhörte gern dein Beten,Durch dich bin geehrt ich worden.
Was ich heut von dir erflehet,Ist mit Ruhm an mir erfolget,Um dich ward mein Haupt bedecketMit dem Doktorhut der Rechte.
Und nun möchte ich die EhreMit dir teilen, Fromme, Holde;Ach, wie auf so selge WegeHast du, Jungfrau, mich gelocket!
Aus dem dunklen BücherkerkerIn den Blumensaal der Sonne,Zu der heimlichen Kapelle,In den selgen Klang der Orgel!
Sieh, es tanzet meine SeeleAuf dem frohen Strahl des Bronnens,Und sie faltet ihre Hände,Dir ihr Herz in Liebe opfernd!»
Rosarosa ihm entgegnet:«Freund, ich bin dir wohlgewogen,Doch ich kenne keine Eltern;Kannst du lieben eine solche?
Mich gefunden und geflegetHat des Arztes Weib Dolores;Sie erbaute die Kapelle,Stiftete die kleine Orgel.
Dort fand sie des Grabes Stelle,Und ich lebe von vier Soldi,Die sie täglich ausgesetzet,Daß ich sing und spiel die Orgel.
Mir zum Vormund ist gesetzetFromm ein Priester, der Benone,Bis ich in den Ehstand geheOder trete in ein Kloster.
Sonst kann ich auch schreiben, lesen,Schnüre wirken und auch Borten,Spinnen und Tapeten weben,Sticken Silbernes und Goldnes.
Und daß ich nicht müßig gehe,Habe ich im KlosterhofeEine Schule angelegetIn des Kreuzgangs hohen Bogen.
Oft auch hier bei dieser QuelleZu mir meine Kinder kommen,Mannigfaltge SchulgesellenSich aus allen Winkeln holend.
Hier der Knabe war der erste,Der sich selbst mir angeboten,Und mit seines Lammes SchelleAndre Kinder angelocket.
Wie sich meine Schüler nennen,Weiß ich nur durch ihre Worte,Kenne keines einzgen Eltern,Meine Schul ist frei und offen.
Und die Mütter stehn oft ferne,Lauschend an der Gartenpforte;Täglich mehret sich die Herde,Und ich lehr um Gottes Lohne.
Und die gute Hirtin nennenMich die Kinder, und ich wollte,Hätt ich nimmer dich gesehen,Keinen andern Namen borgen.» –
«Hättst du nimmer mich gesehen!»Jacopone wiederholet;«Hätt ich nimmer dich gesehen!O, wie sind dies goldne Worte!
Wären nimmer sie geredetMit so liebem, süßem Tone,Möchte ich in diesem LebenNimmer sehen diese Sonne!
Unser Los ist gleich gestellet,Unser Würfel gleich geworfen;Auch ich kenne keine Eltern,Ward im Kloster auferzogen.
Willst du deine Hand mir schenken,So will ich dir angeloben:Du magst deine Kinder lehren,Du magst spielen hier die Orgel.
Wenn mein Reichtum sich vermehretDurch den Ruhm, den ich erworben,Will ich in das Haus noch nehmenMeinen Bruder Meliore.
Einen Garten auch erwerbenPietro, dem ZuletztgebornenMeiner Mutter, der jetzt lernetBlumen pflegen in dem Kloster.»
Und dann hat er ihr gegebenEiner Rose Doppelknospe,Und mit scheuen Fingern trennen,teilen sie die Zwillingsrose.
Tief sich in die Augen sehendWaren sie vor Gott verlobet,Wußten nicht, wie es geschehen,Waren still und voller Wonne.
Aber Rosarosa redet,Da sie hört des Lammes Glocke:«Lebe wohl, auf Wiedersehen!Meine Schüler hör ich kommen!»
Jacopone spricht: «Ich geheHin zum alten Mönch Benone,Unsern Bund ihm vorzulegen.»Und dann eilt er von dem Bronnen.
Einsam Rosarosa stehet,Blicket in den Strahl des Bronnens;Wie er sinket, wie er schwebet,Fühlt sie in dem Herzen pochen.
In den Händen die getrennte,Sonst gepaarte Zwillingsrose,Und es fließen ihre TränenAuf die stille Rosenknospe.
Eilet dann zu der Kapelle,Findt an der belaubten PforteIhre kleine SchülerherdeFeierlich im Kreis geordnet.
Und der Knabe trägt in HändenEinen Kranz von weißen Rosen,Einen Schäferstab, weiß blendend,Sprach zu ihr die süßen Worte:
«Du hast dich in der Kapelle,Hirtin, heut dem Herrn verlobet,Der ein treuer Hirt, die HerdeWeidet an dem Himmelsbogen.
Und darum soll ich dich kränzenMit dem Brautkranz weißer RosenUnd den Schäferstab dir geben,Daß du denkest deiner Worte!»
Rosarosa kniet zur Erde,Und er kränzt die dunklen LockenMit den weißen Rosen blendend,Gibt den weißen Stab der Holden.
Und die Kinder sie umgeben,Freuen sich der Rosenkrone;Jacopones und des HerrenDenket weinend Rosarose. –
Wenig Sonnen untergehen,Und herauf ziehn wenig Monde,Wenig volle Rosen sterbenAufgekeimt sind wenig Knospen,
Da geschmückt am Altar stehen,Vor dem alten Mönch Benone,Rosarosa, weiß bekränzet,Rotbekränzet Jacopone.
Als sie goldne Ringe wechseln,Fällt das Ringlein JacooponesSpringend nieder an die Erde,In dem Kreise weit hinrollend.
Und dem Knaben, der zugegen,War es endlich zugerollet,Der es in dem Lilienkelche,Den er trug, der Braut geboten.
«Nimm den Ring im Lilienkelche»,Sprach das Kind, «und denk des Opfers,Da du um des Jünglings EhreDeinem Herrn dich hast verlobet!»
Und er schied. Sie nahm erbebendNun den Ring, und JacoponeWußte nicht, was sie beschwerte,Da sie schwer das Ja gesprochen.
Und der Priester sprach den Segen;Traurig weinte Rosarose,Als sie still von dannen gehen;Freudig weinet Jacopone.
An des Tempels MarmorschwelleSprach die Jungfrau: «Jacopone,Laß mich gehn zu der Kapelle,Einsam meinen Herrn zu loben.
Daß ich fromm am Abend kehre,Bei dir in dem Haus zu wohnen;Einen Trunk aus unsrer QuelleBring ich dir und viele Rosen.»
Einsam geht nun der Geselle,Seine Kammer schön zu ordnen.Pietro hat zum Schmaus gebetenEr, und auch den Meliore.
Und es steigt im AbendmeereFeurig nieder schon die Sonne,Und es zieht die SternenherdeVor dem Monde durch die Wolken.
Rosarosa noch nicht kehret;Pietro spannt die Blumenbogen,Und es zündet hundert KerzenIn der Kammer Meliore.
In der Kammer Mitte stehetBlank ein Tischlein, wohlgeordnet,Zierlich ist da aufgedecketFür vier fröhliche Personen.
Pietro Rosarosens TellerZiert mit einer Myrtenkrone,Und zwei künstliche SonetteLegt dazu ihr Meliore.
Aber von dem HochzeitsbetteSpringet traurig Jacopone:«Will mein Weib denn noch nicht kehren,Gehe ich, sie mir zu holen!
Was des Kaisers ist soll gebenMan dem Kaiser, Gott was Gottes,Und der Mann, er soll sich nehmen,Was ihm ward vor beider Throne!»
Seinen Mantel umgelegetHat er dann im Liebeszorne,Und mit raschen Schritten geht er,Doch der Garten ist verschlossen.
Er vernimmt ein leises Reden,Doch das Sprudeln jenes BronnensUnd der Büsche flüsternd WehenÜberrauschet ihm die Worte.
Eifersucht seine Herz durchbrennet,An sich hält er seinen Odem,Aber nur der Büsche WehenHört er, und des Herzens Pochen.
Und er findet eine StelleAn der Mauer ausgebrochen,Und behutsam überkletterndKommt er an des Gartens Boden.
Durch die Gänge schleicht er, geht er;Der wollüstge Duft der RosenSchüret ihm die Brust noch enger,Und er greift nach seinem Dolche.
Ach, es spiegeln sich die SterneIn dem blanken, bösen Dolche.Ach, wie schrecklich sind die Sterne,Denkt im Herzen Jacopone.
Unbekümmert um mein ElendSpielen sie mit meinem Dolche;Nein, sie sollen ihn nicht sehen!Und er haucht ihn an mit Odem.
Aber seine Tränen nehmenStets den Odem von dem Dolche.Und die Sterne ruhig sehenIn den Stahl den Himmelsbogen.
Und nun hört er wieder reden,Und er hört die leisen Worte:«Du wirst mich nicht wiedersehenAls bei deinem frühen Tode!
Was du unterm Herzen trägest,Ist ein Pfand von dem Verlobten;Wolle nie des Leibes TempelEiner andern Liebe opfern!»
Rosarosa dann entgegnetSammelnd liebestrunkne Worte:«Ja, ich bin die Magd des Herren,Dem ich liebend bleib verlobet!
Was ich trage unterm Herzen,Bleibt dir treulich aufgehoben,Durch dich mag es heimlich leben,Durch mich werde es geboren.
Nimmer habe ichs gesehen,Nimmer werde ichs sehen wollen,Unbekannt ie meine Seele,Die durch Gott den Leib bewohnet.
Stünd geschrieben mir am HerzenGar die Stunde meines Todes,Nimmer würde sie gelesen,Und ich stürbe unverhoffet.
Keusch bleibt meines Leibes TempelDem Geliebten nur geopfert,Meine Blicke haben selberNimmer Teil an mir genommen.
Wenn der Himmel ist bedecket,Ohne Sterne, Mond und Sonne,Hab ich hier in dieser QuelleEinsam kühl das Bad genommen.
Meines Herren Aug erhellteMir das Herz mit Liebeswonnen,Unter Beten, unter FlehenBin ich ihm so lieb geworden.
Und sah ich am Tag die Quelle,Die mich nächtlich kühl umschlossen,Schamrot konnte ich wohl wettenIn der Röte mit den Rosen.
Leb dann wohl, auf Wiedersehen,Du geliebter Blondgelockter!Werde in des Todes WehenRosarosen einst zum Troste!» –
Und nun höret jemand gehenDurch den Garten Jacopone,Und er sucht ihm zu begegnen,Irret durch die Laubenbogen.
Ach, in seinem Herzen wehenHöllenflammen tiefen Zornes,Den Geliebten RosarosensWill er mit dem Dolch durchstoßen!
Mondhell fand er eine Stelle,Und es rauschet Laub am Boden;Mit gezücktem Dolch verstecketEr sich im Gebüsch der Rosen.
Schon sieht er den Schatten schwebenDes verhaßten Blondgelockten,Und er hat in bösem StrebenSeinen Dolch schon hoch erhoben,
Als der Knabe vor ihm stehetUnd ihm ruhig sagt die Worte:«Jacopone, wiedersehenWirst du mich bei deinem Tode!»
Und er fühlte sich gefesseltUnd stieß nieder mit dem DolcheIn die kalte, harte Erde;Hat sich lange nicht erholet.
Als er wieder sich erhebet,War sein Sinn ganz wild verworren,Auch der Himmel war bedecketMit dem Mantel schwarzer Wolken.
Und an Rosarosen denkt er:War der Knabe nur ein Bote?Sie muß selbst den Herrn mir nennenOder sterben von dem Dolche!
Und nun tappt er nach der QuelleDurch die dunkeln Laubenbogen,Und er höret RosarosenBadend plätschern in dem Bronnen.
Und in seinem Herzen regetSich ein Strahl geheimer Wonne.«O, wie boshaft seid ihr, Sterne,Daß ihr jetzt euch habt verborgen!
Meine Augen, Feuerspeere,Möchten gern die Nacht durchbohren,Daß der helle Tag anbrecheGlänzend mit der vollen Sonne;
Daß ich meine Braut könnt sehenIn dem Schoß kristallner Wogen,Süß errötend in dem Tempel,Taufend voller Liebesrosen!
In den Arm wollt ich sie nehmen,Und mit lustberauschten WortenMeines Gartens Rosen brechenBeim Geläut der Blumenglocken!»
Also denkt er, und es hebetSich ein lauer Wind von Osten,Der die Bäume leis bewegetUnd im Laube laut ertoset.
Und es wirft zur BadequelleViele Rosen Jacopone,Doch im Bad die Jungfrau denket,Daß der Sturm sie abgebrochen.
«O Geliebter», spricht sie betend,«Nicht mit Rosen, nur mit DornenDeine arme Dienrin treffe,Weil sie dir das Wort gebrochen!»
Doch nun schleicht zu der Kapelle,Zündet an der Ampel DochteJacopone eine Kerze,Trägt sie unterm Hut verborgen.
Da er kehrt zum Rosenzelte,Da er nah des Bades Bronnen,Füllt er plötzlich mit der KerzeSchein die dunkle Blumengrotte.
Rosarose taucht erschrecketSchreiend nieder in den Bronnen,Alle Sinne ihr vergehen,Als wär sie vom Blitz getroffen.
Und es löschte aus die KerzeVom Gespritze. Jacopone,Ach, er hat sie nackt gesehen,Nimmer wird der Anblick frommen!
Und sie weinet, und sie flehet,Daß er fliehe ovn dem Orte;Aber er war tief verblendet,Sprach zu ihr die harten Worte:
«Für mich bist du nicht zu sehen,Aber für den Blondgelockten;Das, was du trägst unterm HerzenSoll mir ewig sein verborgen!
Ihm willst du nicht Treue brechen,Aber mir ist sie gebrochen;Aber jetzt sollst du ihn nennen,Und dann will ich dich durchbohren!
In des frechen Blutes QuelleSoll erröten dieser Bronnen,Sich und dich der Lüge schelten,Denn hier hast du mich belogen!»
Stammelnd ihm entgegnet:«Herr und Gatte, hör mein Flehen!Ehe du mich willst ermorden,Laß mich an die Kleider legen,
Daß mich nicht errötend seheSo entblößt der junge Morgen;Herr, nur aus der Laube trete,Ich will rufen dich zum Morde!
Denn ich kann dir nimmer nennen,Was mir unterm Herzen wohnet,Da ichs nimmer hab gesehen,Da es immer bleibt verborgen.
Herr und Gatte, hör mein Flehen!Laß mich beten vor dem Tode,Laß mich nicht so elend sterbenOhne Sakramentes Troste!»
«Das will ich dir zugestehen!»Sprach voll Unwill Jacopone,«Doch die Kleider dir versteckeIch, daß du nicht kommst vom Orte.
Ich will bald zurücke kehrenMit dem alten Mönch Benone;Der den bösen Bund gesehen,Seh zerhauen auch den Knoten!»
Und mit ihrem Mantel gehetSchnell von dannen Jacopone.Hartes Weh ist ihr geschehn,Die zurückblieb in den Wogen.
Doch den Herrn um Hilf anflehend,Ist ihr Herz erstärket worden,Mutig stieg sie aus der Quelle,Und die Nacht ist dunkler worden.
Da sie nackt in der KapelleBleibe vor dem Licht verborgen,Breitet sie der Haare FlechtenUm sich her bis auf den Boden.
Und auf ihre Augen senketNieder sie den Kranz der Rosen,Den als Braut sie aus dem TempelTraurig trug in ihren Locken.
Da sie tritt zu der Kapelle,Ist die Lampe schnell erloschen,Ihre Keuschheit zu verehren;Und sie suchet an der Orgel,
Wo der goldne Schlüssel hängetZu dem Grabe der Dolores;In verzweifeltem GebeteHat sie dann die Gruft erschlossen.
Und die Stufen abwärts tretendSprach sie: «Heil euch, heilge Toten!Wollet meine Blöße decken,Einer armen züchtgen Tochter!»
Und sie hört die Stimme bebenDer verstorbenen Dolores:«Liebe Tochter, wir dir gebenHilfe, kniee an den Boden!»
Und sie fühlt sich um die LendenEin Cilicium geschlossen,Und von einer schnellen SchereIhre Locken abgeschoren,
Dann mit seidenen GewändernIhren züchtgen Leib verborgen,Hört dann nahe vor sich redenDie unendlich süßen Worte:
«Den Bußgürtel um die LendenTrage, bis bei deinem TodeDeine arme Schwester erbet;Büß um meine Schuld, o Tochter!
Trage züchtig, die dich decken,Diese farbgen Seidenstoffe,Und die Schuld, die sie beflecket,Helf mir büßen, liebe Tochter!
Einstens werd ich bei dir stehen;Zu unendlich süßem TrosteWirst du deine Mutter sehen;Jetzo gehe, süße Tochter!»
Und es scheidet RosaroseFreudig von der gütgen Toten,Hängt den Schlüssel an die Stelle,Da sie hat die Gruft verschlossen.
Und die Lampe brennet helle;Sie setzt freudig sich zur Orgel,Läßt ein Requiem erschwellen,Recht in freudig vollem Tone.
Als in des Benone ZelleEingetreten Jacopone,Lag der Alte im GebeteUnd sprach hörbar diese Worte:
«Herr, dein Aug nicht von mir wende,Wenn ich steh in bösem Zorne!Herr, o leite meine SeeleDurch des Sündenmeeres Toben!
Herr, laß keinen trostlos sterben,Ohne heilge Sakramente,Laß den Sünder nicht verderben,Ohne Buß vor seinem Ende!»
An der Zelle Türe stehetDieses hörend Jacopone,Und von Schrecken ganz erbebetPochet er und ruft: «Benone!»
Und, die Tür geöffnet, redetErnst der Mönch: «O Jacopone,Gott hat mein Gebet gesegnet,Daß du bist an diesem Orte!
Doch du hast ein wildes Wesen,Was willst du mit diesem Dolche?Deine Haare um dich wehen,Kommst du, mich hier zu ermorden?
Oder hast du Rosarosen,Deine fromme Braut, erstochen?Fremde Lieb bei ihr erkennend,Was der Herr verhüten wolle?
Oder hast du gen dich selberDiesen bösen Stahl erhoben,Willst in blinder Wut du sterben?O, du armer Jacopone!
Weh, ich seh RosarosensMantel deinem Arm entrollet!Rede, rede, du Entstellter,Gibt dem stummen Schrecken Worte!»
«Vater, zu dem Garten gehe,»Spricht nun bebend Jacopone,«Wo mein Weib in der KapelleTäglich singet zu der Orgel.
Trete zu ihr an die Quelle,Wo sie badet in dem Bronnen,Laß sie beichten, laß sie beten,Eh sie stirbt von diesem Dolche.
Daß sie nackt die Flucht nicht nehme,Hab ich ihr Gewand genommen;Du magst rücklings hin es werfen,Wenn du zu dem Bronnen kommest.»
Und der Mönch schließt seine Zelle,Folgt zum Garten Jacopone.Da sie an der Brücke stehen,An des Reno blauen Wogen,
Spricht der Mönch zu dem Gesellen:«Wirst du mich nicht hier durchbohren,Mich dann in den Reno werfen?Sieh, ich trau nicht deinem Dolche;
Gib ihn mir doch aufzuheben!»Und es gibt ihn Jacopone,Und sie gehn. Doch unbemerketWirft der Mönch ihn in die Wogen.
Vor dem Garten nun begehretSeinen Dolch der Jacopone:«Er ruht in des Reno Wellen!»Spricht zu ihm der Mönch Benone.
Und die Arme um ihn legendKüßt die Stirn er Jacopone,Spricht: «Zu deiner Kammer kehre,Deine Seele steht im Zorne!
Dir zum Troste wiederkehrenWill ich bald mit Rosarosen.Gott verleih dir seinen Segen!»Und es gehet Jacopone.
Und auf seinem Weg begegnetSuchend ihn der Meliore,Fragt ihn bang nach Rosarosen,Doch es schweiget Jacopone.
Da sie in die Stube treten,Schlummert Pietro an dem Boden,Abgebrannt sind tief die Kerzen,Traurig stehn die Blumenbogen.
Jacopone spricht: «O wehe!»Und bricht aus im Tränenstrome,«Weh, ihr dunkeln Hochzeitskerzen,Weh, ihr armen Blumenbogen!
Nieder brennt ihr in dem HerzenUnd erlöscht im Tränenstrom,Nieder welkt ihr in den SchmerzenUnter meiner Klage Odem!
Kehret nicht zum Firmamente,Sterne, Mond und hohe Sonne1Ewig an des Himmels SchwelleSteh blutweinende Aurore!
Also ewig stille stehenSoll der Puls im Herz gebrochen,Ewig meine HochzeitskerzeNiederbrennen unverloschen!
Ewig meine Kränze welken,Von den Tränen nur begossen,Stille ewig sterbend lebenNur die bittren Tränen rollend!
Blumenkränze, Hochzeitskerzen,Sterne, Mond und hohe Sonne,Ewgen Schmerzes TränenquellenUnd blutweinende Aurore:
Welket, brennet, steht in Schmerzen!Nimmer lachet Jacopone;Die die Liebste mir gewesen,Sie ist schlecht mir vorgekommen!»
Aber zu dem Mahl einkehretNun der alte Mönch Benone,Ihm zur Seite traurig stehetRosarose ohne Locken.
Pietro, vom Geräusch erwecket,Springet auf; die MyrtenkroneReichet er der neuen Schwester,Lieb und Treue ihr gelobend.
Dann putzt schnell er rings die Kerzen,Daß es helle ward. MelioreGrüßt sie, reicht ihr die SonetteUnd blickt schüchtern an den Boden.
Aber auf dem HochzeitsbetteLieget jammernd Jacopone:«Die die Liebste mir gewesen,Sie ist schlecht mir vorgekommen!» –
«Nun genug der frevlen Reden!»Spricht zu ihm der Mönch Benone,Daß, der du ihr lieb gewesen,Ihr nicht schlechter vor mögst kommen!
Hier empfange Rosarosen,Und bei Gott im Himmel drobenBist gleich ihr du reines Herzens,Will ich dich vor Engeln loben.
Ich hab all ihr Tun gesehen,Da ich bin ihr Beichtger worden,Konnt des Herren Leib ihr gebenOhne Absolutionen.
Sie hat dir auch schon vergeben,Daß du sie ermorden wolltest.Die du hast entblößt im Leben,Ward gekleidet von den Toten.»
Aber Rosarosa redet:«Denke meiner ersten Worte:`Ich erflehe eure Ehre,Gebe meine Gott zum Opfer.
So bin eine Braut des HerrenIch, und dennoch Euch verlobet,Teile mit euch eure Ehre,Meine bleibe unverloren!
Was im Garten hat geredetJener Knabe, dunkle WorteSind es mir wie dir; erhellenMüssen sie zukünftge Sonnen!»
Und sie knieet vor dem Bette,Nimmt die Rechte Jacopones,Auf ihr nacktes Haupt sie legendIn den vollen Kranz der Rosen.
Und der Jüngling, tief beweget,Spricht: «O Weib, wo sind die Locken,Die ich wollte liebend flechten?Was soll mir der Kranz voll Dornen?»
Liebvoll Rosarosa redet:«Ich ließ sie den gütgen Toten,Die dein nacktes Weib bedecket,Das du hast entblößt im Zorne.
Auch den Hochzeitsmantel schwebend,Den zurück mir gab Benone,Hab ich ihnen hingegeben,Ihre Güte zu belohnen.
Herr, o wolle dich erheben,Sieh, es kehret schon Aurore,Wolle mich zu dir aufnehmen,Züchtig will ich bei dir wohnen!
Eine Magd mich dir bequemen,Spinnen dir zur Nacht, zum Morgen.Für dich beten, für dich sterben;Herr, entsage deinem Zorne!»
Jetzt erhebt er sich, doch sehenKann er nicht, ein RegenbogenSchwebt um sie von seinen TränenIn dem Schein des Morgenrotes.
Und sie trocknet seine Tränen,Still mit ihres Kranzes Rosen,Und Benone gibt den Segen,Will dann kehren nach dem Kloster.
«Trink des Brautweins einen Becher,Heilger!» flehte Jacopone.«Gib ihn mir, ich will zur MesseIhn verwandeln!» spricht Benone.
«Dort will eurer ich gedenkenUnd als Christi Blut ihn opfern!»Und nun kehrt zu seiner ZelleStill der alte Mönch Benone.
Rosarosa spricht nun: «Denke,Lieber, was ich dir versprochen:Hier ist Wasser aus der Quelle,Hier sind unsres Gartens Rosen.
Lasse unsre Augen netzen,Die getrübt vom Weinen worden.»Und nun auf die Tafel setzetSie das Glas bekränzt mit Rosen.
Und sie kühlen mit der Quelle,Den die Tränen all entquollen,Ihrer Augen heiße Quellen;Sieh, da steigt herauf die Sonne.
«Sie will sein bei unserm Feste!»Spricht der stille Meliore;Aber Pietro laut erhebetSeine Stimme ihr zum Lobe:
«Grüß dich, Held des Orientes,Grüß dich, Gottes Morgensonne,Grüß dich, Heiland aller Wesen,Grüß dich, Heiland voller Rosen!
Grüß dich, Trost der dunklen Felder,Grüß dich, Quell der Tauestropfen,Grüß dich auf dem Himmelswege,Grüß dich, goldne Morgensonne!
Singt mir, was sie spricht, ihr Lerchen,Singt die sieben letzten Worte,Singt den Held des Orientes,Der die schwere Nacht gebrochen!»
Also sang er, während betendDie drei andren zu ihm horchen,Und die volle Sonne sehenSie, und waren voll des Trostes.
Und sie trinken einen BecherBrautwein, haben angestoßenEiner zu des andern Segen,Und dann aßen sie des Brotes.
Da ertönt das Glöcklein helleAn dem wohlbekannten Kloster,Und sie gehen zu der MesseIhres alten Freunds Benone. –
Also liebte er ihr Wesen,Hat sich so mit ihr versprochen,Feiert so die Hochzeitsfeste,Der gelehrte Jacopone.
Und sie war ihm tief ergeben,Eine Magd ihm unterworfen,Winke waren ihr BefehleUnd Gesetze seine Worte.
Auf sein Haus strömt voller Segen,Und man pries ihn allerorten;Die er führte, die Prozesse,Waren alle bald gewonnen.
Und sie füllte spinnend, webend,Seine Schränke an bis oben,Nähte ihm wohl hundert Hemden,Die sie alle selbst gewoben.
Sie half ihm die Bücher stellen,Wußte sie gar wohl zu ordnen,Schrieb ihm ab viel dicke HefteUnd gar manchen schweren Codex.
Als sie einst ihm die PandektenHeimlich schrieb mit flüssgem GoldeAuf schneeweißem PergamenteUnd ihm gab am Christtagsmorgen,
War er gar in Lieb beweget,Schenkte ihr, die sie gesponnenUnd gewebet, all die HemdenUnd dazu viel Münzen Goldes.
Und sie ließ auf allen WegenZu sich bald die Armen kommen,Ihre Linnen sie ausspendet,Recht zu aller Frommen Troste.
Und so lebten sie in Segen,Wohl vier Jahre ohne Sorgen,Und es wußte kaum zu bergenSeinen Reichtum Jacopone.
Und Bologna war getrennetIn Parteien. Die des VolkesSich die Gieremei nennen,Stritten für das Recht des Volkes.
Lambertazzi, ihre Gegner,Für des Adels Recht erhoben;Von zwei feindlichen GeschlechternWar der Namen angenommen.
Und da diesen eigenen HändelnSich noch fremde eingeflochten,Ghilbellinen und die Guelphen,Ward die Sache mehr verworren.
Und so ward gar viel gerechtet,Manches Blut im Streit vergossen,Daß die Frauen bittre TränenUm die Toten weinen konnten.
Oft erteilte den GeschlechternSeinen Rat auch Jacopone,Und in ihrer Mitte stehendMußte Freund und Feind ihn loben.
Wenn in diesem stolzen LebenWar sein irdscher Mut erhoben,Sah er oft sein Weib beschämetNeben sich so still verborgen.
Die den Schleier nie ablegetVon des schönen Hauptes Locken,Die mit Edelstein und PerlenNimmer vor ihm prangen wollte.
Und sie wollte niemals gehenZu dem Tanze, zu der Oper,Ging vor Tag nur in die MesseUnd zu der Kapelle Orgel.
Endlich hat er sie erbeten,Ihm zu folgen in die Oper,Da die Sängrin BiondetteWollt entsagen zu dem Kloster.
Und er hat ihr angelegetSchwere Spangen roten Goldes,Edelsteine, reiche PerlenUnd Rubinen, blutge Rosen.
Als er ihr den Schmuck anlegte,Stand sie wie ein Lamm des Opfers,Und er sprach: «Den Schleier legeAb, laß flechten mich die Locken!»
Doch sie wollt ihn nicht ablegen,Bis er zürnend es befohlen;Ach, was muß erschreckt er sehen:Schneeweiß sind des Hauptes Locken!
Ruhig sie da zu ihm redet:«Darum hielt ich sie verborgen.Seit sie von der TotenschereFielen, sind sie bleich geworden!»
Ach, wie recht im tiefsten HerzenTraf die Rede Jacopone,Da er sah die Jungfrau stehenMit des Alters grauen Locken.
«Könnte ich mit meinen TränenDir das Silberhaar vergolden!Ach, ich habe dich dem SchreckenJener Schere unterworfen!»
Und er hat die SilberflechtenMit Rubinen ihr durchzogen,Wie ein Busch im Blütenschnee,Vom Johanniswurm umflogen.
Wunderbar war sie zu sehen,Eine Diamantensonne,Und es freut an RosarosenWie ein Kind sich Jacopone.
Wie die Flitterkränze schweben,Und die flimmernden GoldrosenZitternd auf der Jungfraun Särgen,Schien sie in der Glorien Krone
Eine selge Braut der Engel,Eine Königin der Toten,Eine hochzeitliche Seele,Ein gestirnter Geist voll Wonne.
Schier geneigt, sie anzubeten,Ging bei ihr der Jacopone.Da sie ins Theater treten,Ging ein Flüstern durch die Logen.
Nie noch hatte man gesehenDie Gemahlin Jacopones,Und nun wie ein höhres WesenStand sie blendend vor dem Volke.
Und in der erstaunten MengeHat ein Klatschen sich erhoben,Bis beschämt in tiefstem Herzen,Sie den Schleier umgenommen.
Als die liebliche BiondetteSang ihr Leben vor dem Volke,War die schöne RosaroseTief im Herzen scharf getroffen.
«Daß du mich mit dir zu gehenHast bewogen, Jacopone,»Sprach sie, «dank ich dir ohn Ende.O, wie ist mir wohl geworden!
Diese Jungfrau anzusehenIst mir nie genossne Wonne,Und ich könnte ruhig sterben,Spräch sie zu mir süße Worte!
Ach, ich fühle ihrem WesenMeine Seele tief verwoben,O, ich werde nie genesen,Steht sie mir nicht bei im Tode!»
Und sie war so tief beweget,Da die Jungfrau ihre RollenWiederholt als Judith, Jephthe,Daß sie nachsprach alle Worte.
Aber als sich um BiondettenHat die wilde Glut erhoben,Hat sie, nicht um sie, um jeneNur, das Hilfsgeschrei erhoben.
Und es brachte sie zu rettenMit Gewalt nun JacoponeHinzu einem hohen Fenster,Da ersah sie Meliore.
Keine Leiter ruht am Fenster,Rings schon alles um sie lodert,Und sie sprang, sich Gott befehlend,Nieder in den Arm Meliores.
Glücklich nieder zu der ErdeFolgt ihr springend Jacopone,Doch er findet sie mit SchreckenBlaß und schon ihr Aug geschlossen.
Und rings unter ihrem HerzenBlutge Tropfen niederflossen,Doch sie sprach: «Mein Herr, ich lebeAnnoch durch die Hilfe Gottes!»
Und vier rheinische StudentenSie auf ihren Mantel hoben,Trugen still sie durchs Gedränge,Weinend folget Jacopone.
Und sie ward auf ihren WegenAngestaunet von dem Volke,Wie ein Kunstwerk von JuwelenUnd ein Bild von lauterm Golde.
Nimmer ward von solchem WerteEin geheimer Schatz gehoben,Und die tragenden StudentenNimmer von ihr blicken konnten,
Wenn sie in dem Schein der SterneOder in dem Glanz des MondesAuf dem weißen Mantel blendet,Wie auf Schätzen Flammen lodern.
Hätte sie nicht von BiondettenOft den Namen ausgesprochen,Für die Leiche eines EngelsHätte man sie halten sollen.
Über ihres Hauses Schwelle,Bis zu ihrer Kammer oben,Auf sein keusches HochzeitbetteLieß sie tragen Jacopone.
Dann entließ er die Studenten,Ihre Treue zärtlich lobend,Und zu ihm sprach Rosarose:«Höre mich, mein Jacopone!
Da ich aus dem Leben gehe,Soll dir bleiben unverborgen,Was ich mußte dir verhehlen,Das Geheimnis jenes Bronnens.
Warum du mich wolltest töten,Als den Knaben du gehorchet.Wisse, daß ich deine Schwester,Deinem Vater bin entsprossen!
Und ich danke, daß du ehrendMeine Unschuld nicht verdorben,Daß von Blutschuld unbeflecket,Keusch wir bei einander wohnten.
Aus versündeten GeschlechternSind wir sündenvoll geboren,Und die Sünde wird erst enden,Wenn ein schweres Jahr verflossen.
Von der eitlen Welt dich wende,Geh in einen frommen Orden,Wo das Schauspielhaus verbrennte,Laß erbauen mir ein Kloster!
Aber jetzo, eh ich sterbe,Hole mir den Greis Benone,Daß ich nehm die Sakramente,Zu der Seele letztem Troste!»
Jacopone steht entsetzet,Ohne Regung, ohne Worte,Nur sein Haar hebt sich zu Berge;Doch er eilet zu Benone.
Aber auf der Treppe schelletSchon des kleinen Lammes Glocke,Und zu Rosarose gehetEin der Knabe blondgelocket.
«Grüß dich Gott zum Wiedersehen1Ei, wie bist du schön geworden,Meine liebe Rosarose!»Hat das Kind zu ihr gesprochen.
Und sie sprach: «Mein guter Engel,Du kamst, wie du mir versprochen,Doch du bleibest stets derselbe,Du bist größer nicht geworden!»
«Mir ist», hier das Kind versetzte,«Dieses Maß gegeben worden.Ach, es war nicht zu ermessen,Als dies Maß war voller Wonne!»
Doch nun fühlt die Jungfrau Schmerzen;Klagend sprach sie: «O, Benone,Komme bald zum Trost der SeeleUnd geselle mich den Toten!»
Und der Knabe sorglich legteAuf die Stirn ihr eine Rose,Und von ihrem Duft erwecket,Hat die Jungfrau sich erholet.
«Du hast dich zum Hochzeitsfeste»,Spricht er, «schön geschmückt mit Golde,Und mit Perlen und JuwelenStrahlst du in der Jungfraunkrone!
Wird dein Bräutigam dich auch kennen,Der dich sonst nur sah mit Rosen?»«Ja,» sprach sie, «er wird mich kennenAn dem Blut, das ich vergossen!» |