Clemens Brentano
1778 - 1842
Romanzenvom Rosenkranz
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Romanze XIBiondetta in dem Theater
Schwarze Damen, schwarze HerrenWandeln durch Bolognas Straßen.Werden sie zur Leiche gehen?Wen bringt man so spät zu Grabe?
Doch kein Priester wird gesehen,Kreuz und Fahne nicht getragen;Alles strömet laut und rege,Und die schnellen Wagen rasseln.
Nicht zur Mette oder Vesper,Miserere, Salve, Ave,Auch zu keiner Totenmesse:Diese liest man nicht am Abend.
Nein, sie gehn zur letzten Ehre,Trauernd all in schwarzer Farbe,Was sie lieben anzusehenIn die Runde des Theaters.
Denn die herrliche BiondetteWird der Bühne heut entsagen,Morgen dann den Schleier nehmenIn der Kirche zu Sankt Claren.
Und der Schein unzähl'ger KerzenFüllet leuchtend schon die Hallen,Und es lodern alle HerzenIn unsichtbar schönen Flammen.
All die schwarzen Fraun und Herren,All die Diamanten strahlendUnd die schwarzen Augen brennendReihen blendend sich zum Kranze.
Bis lebendig alle WändeIn viel tausend Herzen schlagen,Jeder Blick ein Aug muß treffen,Jeden Ton ein Ohr muß fassen.
So gleich einem FirmamenteMit viel guten Sternen flammend,Baut sich wundersam ein Tempel,Um Biondetten zu umfangen.
Da der Vorhang ruhig schwebet,Sonne, bist du aufgegangen,Leise Kühlung duftend wehetUm die sehnsuchtsheißen Wangen.
Liliensäulen sich erhebenEine Rosenkuppel tragend;Unter einem BlumentempelSteht Biondetta mit der Harfe.
Ach, sie war ein klarer Engel,Voll von lieblichen Gedanken,Einer frommen Jungfrau SeeleAn der Himmelspforte zagend.
Alles Licht zu ihr sich sehnet,Zu ihr alle Strahlen fallen,Alles schweigt und liebt und betetRecht in selgem Wohlgefallen.
Also schwieg die junge Erde,Da der Mensch, der Gottgeschaffne,In dem Kelch des jungen LebensSinnend schwankt und weint und lachte.
In ihr nur war alles Denken,In ihr alle Herzen schlagen,Mit ihr jedes Aug gesenketOder freudig aufgeschlagen.
Nun erhebet sie die Rede,Und die tausend Hörer alleFühlen ihrer Lippe BebenStill in freudigem Erwachen.
Züchtig sprach sie: «Hochgeehrte!Schonend habt ihr mich vor JahrenAufgenommen in den Tempel,Habt geduldet mich seit Jahren.
Wollet heute auch in EhrenEure Dienerin entlassen,Daß mich rein ein reinrer TempelAus der Künste Haus empfange.
Als ein Opfer will ich gebenheut des äußren Lebens Fabel,Daß ich dann das innre LebenMorgen opfre am Altare!»
Und nun stieg des Tempels Schwelle.Mit Biondetten, einsam ragendStand ein Fels in ödem Meere,Ein Marienbildlein tragend.
Rings die tausend Lichter blendendSanken ein, die DiamantenBlickten schüchtern, ferne Sterne,An dem dunklen Firmamente.
Eine weite Dämmrung streckteSich umher, und keine SchrankenSchienen um den Fels zu stehen,Als nur liebende Gedanken.
Bei dem Bildlein saß BiondetteIn dem Scheine einer Lampe,In den weißen Arm gelehnetSchimmerte die goldene Harfe.
Schweigend glich das Volk dem Meere,Über dem ein Gott hinwandelt;Als ruht und wogt die MengeIn Biondettens Sang und Harfe.
Und es sind des Meeres WellenAn der Jungfrau Lied gebannet,Weh und Wonne fluten, ebben,Wie sie will in allen Adern.
Hell auf meerumwogten FelsenHebt sich über ewges WasserEin Marienbild; des MeeresStern auf ihrem Haupte flammet.
«Meerstern, wir dich grüßen,Die durch TränenwüstenAus der sündedunkeln ZeitEinsam steuern müssenZu den hellen KüstenDer gestirnten Ewigkeit.»
Nächtlich steigt zur ihr Sirene,Opfert Perlen und Korallen,Singt auf mondbeglänzter SchwelleZu kristallner Harfen Schalle:
«Jungfrau, laut verkündenVon des Himmels BühnenEngel deine Herrlichkeit;Und aus Meeres GründenSteigt, dich zu versühnen,Was da lebt in irdschem Streit.»
Aber dunkle Wolken tretenVor den Mond, das weite WasserSträubt das Wogenhaar zu BergeVor den tosenden Orkanen.
«Jungfrau voller Güte,Wie das Meer sich türme,Stehest du in Heiterkeit;Wie gefallne BlütenSchütten dir die StürmeHimmelssterne auf dein Kleid.»
Ach, im zorngen ElementeSchwankt ein Schifflein notumklammert!Leuchte, leuchte, Stern des Meeres,Einer Mutter dich erbarme!
Ach, sie flehet nur zu rettenIhren Säugling, den umarmendAn der Brust sie nährt zum Leben,Schwankend selbst im Untergange.
Dir, o Meerstern, weiht sie betendDen sie unterm Herz getragen,Nun zur Wogenwiege legetAus den sichern Mutterarmen.
«Denk, o Mutter süße,Wie du durch die WüsteUnsern Herren trugst in Pein,Daß er für uns büße,Trank er deine Brüste,Sog er deine Milde ein.»
Schon zerbricht des Sturmes Segel,Und der Blitze FeuerflaggeZucket einsam auf den Wellen,Wo das Schiff in Nöten schwankte.
Nieder zur der Gruft der MeereSank das Schiff; es folgt dem SargeSchwarz der Donner, ernstlich betend,Und der Blitze Leichenfackel.
Und es suchen kleine SterneEinsam durch die dunklen WasserNach der Mutter, ach vergebens!Fromme Kerzen ihres Grabes.
«Jungfrau, Himmelstüre,In des Todes GründeSenke deiner Strahlen ScheinUnd helleuchtend führeAus dem Meer der SündeUns zum Quell des Lichtes ein!»
An dem Himmelsdome brennetStill des Mondes ewge Lampe;Zu dem Felsen rauscht Sirene,Einen Schatz im Arme haltend.
Denn sie trug das Kindlein flehendZu dem steilen Felsenrande,Das die Mutter untergehendLegte in Mariens Arme.
Die, ein heller Stern des Meeres,Trägt den Scheiternden Erbarmen,Hat es sicher durch die WellenIn Sirenens Arm getragen.
Aus dem wilden ElementeTrug sie nun das Bild der GnadeFreudig aufwärts zu dem Felsen,Ganz in neuer Lieb erwallend.
Liebvoll löst sie ihre Flechten,Teilt die Locken sich am Nacken,Bildet draus am warmen HerzenFür das Mägdlein weich ein Lager.
Setzt sich an des Bildes SchwelleMit dem süßen WunderpfandeUnd spricht fromm: «O Stern des Meeres,Lasse mich dies Kind erlaben!»
Und nach ihren Brüsten wendetSich das Kind und findet Gnade;Die es lebend hielt in Wellen,Gab barmherzig ihm die Amme.
Alle die keuschen LebensquellenÜber ihrem Herzen wallen,Muß sie süße Blicke senkenZu dem Kind in Mutterarmen.
Und dann singt sie; schlummerwebendTönt das Lied und rauscht das Wasser,Und es wandeln Mond und SterneLeise, daß das Kind entschlafe.
«Da der Morgen wiederkehrte,Lag ich in kristallner Kammer;Auf der weichen PurpurdeckeSpielten goldne Sonnenstrahlen.
Und am Mittag wiegt SireneMich in glatten Muschelschalen,Und ich schlief bis sie mich weckteMit Gesang und süßer Harfe.
Rötet Abendlicht die Welle,Trug sie mich in MutterarmenZu dem Bilde, für mein LebenDer Gebenedeiten dankend.
Wenn um Mitternacht die SterneSinnend in dem Meere schwankten,Flocht mir durch den Traum SireneIhrer Lieder heilge Schlangen.
Also in dem Land des LebensUnd in Andacht schon erwachsen,Nannte sie das Kind BiondetteOb der goldnen Flut des Haares.
Frühe lehrt sie mich zu schwebenAuf des Tanzes Wunderbahnen,Früher noch die Blicke hebenUnd zu Gott die Händlein falten.
Und sie lehrt die junge SeeleSich erschwingen im GesangeUnd mit Engeln auf der TöneHimmelsleiter freudig tanzen.
Aber endlich sprach Sirene:`Folge mir in meine Kammer;Fest ist schon in dir das Leben,Lerne nun, dich zu verwandeln!
Alles Leben lerne leben,Alle schöne Klage klagen,Alle Freude schön erheben,Alle Geister aufwärts tragen!
Alle Herzen sollen bebenIn dem Klange deiner Harfe!Bannen sollst du alle SeelenIn die Kreise deines Tanzes!
Mit der Künste heilgem ZepterSchlage an das Herz der Sklaven,Die du in den Sinnen fesselst,Um im Geist sie zu entlassen!'
Also sprach zu mir Sirene,Hüllend mich in einen Mantel,Der sich wie der Leib der SeeleAllgestaltend um mich faltet.
Nieder stieg ich. Tief im FelsenTut sich auf ein bunter Garten,Rauschet, strömet ToneswellenUm das Eiland aller Farben!»
Also schwieg das Lied Biondettens.Neben ihr die kleine LampeWard zu einem Kranz von Sternen,Um das Bild Mariens strahlend.
Dies erhob sich leis vom FelsenZu dem Himmel aufgetragen;Mit dem Felsen sank BiondetteKnieend und die Harfe schlagend.
Und die wilden ElementeSchieden sich, sie zu empfangen;Es stieg aus dem öden MeereEinen Wunderinsel prangend.
Tonumflutet vom OrchesterTrennte sich das KunstgestadeVon dem Garten des ParterresUnd der Logen Glanzterrassen.
Auf den stillen BlumenbeetenBlinkt der Tau der DiamantenUnd die stillen TränenperlenIn dem Blick der schwarzen Damen.
Und es stieg hoch überschwellendMelodie aus allen Schranken,Aus den Wänden tausend Kerzen,Aus dem Boden tausend Lampen.
Von Marien niederwehendSank der himmelblaue Mantel,Schürzt sich feierlich zum ZelteIn des Ölbaums grünen Armen.
Aus dem Zelte tritt Biondette,Eingeflochten ihre Haare,Stolz geschmückt mit milden Perlen,Edelstein und goldnen Spangen.
Schwer ein Schwert faßt ihre Rechte,Von der linken Schulter walletEine blutge Purpurdecke,Hüllend, was die Linke trage.
Und sie schürzt die Decke, sprechend:«Den durch Gott ein Weib geschlagen,Seht das Haupt des Holofernes,Seht die Decke seines Lagers!
Und so wahr der Herr uns lebet,Rein sein Engel mich bewahrte,Die ohn Sünde wiederkehret,Nur mit Freud und Sieg beladen!»
Nun tritt sie zurück zum Zelte,Das nach ihr hernieder wallet,Aber rings Gesang sich hebet,Freudig Flöt und Zimbeln klangen.
Jauchzend durcheinander wehtenAlle Töne, und es schwangenTriumphierend sich die ChöreWie ein Wald voll Siegespalmen.
Schneller, jubelnder und heller,Bis zu einer wilden Flamme,Die sich wieder selbst verzehrte,Bis zur stillen glühen Asche.
Da trat still einher BiondetteUnter weißem Rosenkranze,Ihre Locken, goldne Flechten,Von der Stirn zum Gürtel fallen.
Um die zarten Glieder bebetIhr ein schlichter, weißer Mantel,An des Gürtels SilberketteHängt ein Brot und eine Flasche.
Ihrer Augen blaue QuellenLassen Tränenperlen fallenIn der Maienglöckchen KelcheAn dem goldnen Knauf der Harfe.
Als die zarten Finger bebenDurch der Saiten goldnen Garten,Blühen ihrer Lippen NelkenUnd das Rosenfeld der Wangen.
Und sie sang ein Lied bewegendVon dem Tode eines Lammes,Das, die Schuld von uns zu nehmen,Starb in heilger Opferflamme.
Als schleiert sich in NebelOft der Mond; aus keuschen StrahlenEinen Heilgenschein sich webend,Weint er umd die trüben Tage;
Also tönt ein Schwan im Sterben,Der im Spiegel klarer WasserStumm sein Sternbild angesehen,Grüßt es scheidend im Gesange.
«Lebet wohl, ich will mich wendenZum Gebirge; einsam wandelndWill die reine Tochter JephtasWeinen um die jungen Tage!
Weinen um den Schein des Lebens,Weinen um den Duft des Kranzes,Weinen, daß die Seele hellerScheine, als des Opfers Flamme!»
Und nun wendet sich BiondetteTrauernd zu dem Felsenpfade,Der bald sichtbar, bald verstecketAufsteigt an des Berges Rande.
Wo der Steg zu Tal sich wendet,Stand sie grüßend mit der Harfe,Ferne Sehnsuchtsklänge sendendZu verlaßnen Frühlingstalen.
Rings die Hirtenflöten flehen,Und der Herden Glocken stammeln,Und die Abendlieder schwebenKlagend aus der Büsche Schatten.
Sie geleitend steigt am FelsenSonnenschein zum Untergange,In der Tritte Spuren senketDämmerung den ernsten Mantel.
Aber schaut! Nun steht BiondetteHoch am dunklen Tor des Waldes,Niederkniet sie und singt betendIn die Welt, die sie verlassen:
«Lebet wohl, ihr falschen Farben,Eitler Tränen Regenbogen,Sterne, die mit falschem GlanzeDienet einem Flittermonde!
Meine Tränen sollen wachsen,Daß sie mit den bittren WogenGanz mein Irdsches überwallen,Bis die Schuld ist hingenommen.
Aus dem Argen in die ArcheGeh ich gleich der Tochter Noä,Kleide mich in schwarzer Farbe,Wie der Rabe ausgeflogen.
Kleide schwarz mich gleich dem Raben,Der als Bote ausgeflogenUnd so traurig auf den WassernSchwebte, bis sie abgeronnen.
Schleire mich in weißer FarbeGleich der Taube, die als BoteWiederkehrte mit dem Blatte,Das dem Friedensbaum entsprossen.
Sei gegrüßt, du Tag der Gnade!Durch den Friedensbogen GottesWill ich zu den Vätern wallenAuf der Opferflamme Wolken!»
Aber in den Wald nun senketSich die Sonne, und mit FlammenScheint Biondetta rings umgeben,Schwarz geschleiert, nur ein Schatten.
Da der Wald im Glanze stehet,Schweigen rings die Flöten alle,Und ein Chor von Hörnern schwebetKlagend auf im Widerhalle.
Und das Volk lauscht tief beweget,Denn die Sonne widerstrahlendSpielet, die nicht auszusprechen,Lieder durch die goldne Harfe.
Und so stille war die Menge,Daß man hört die Tränen fallenUnd die heißen Seufzer wehenUnd die bangen Herzen schlagen.
Wie ein Kahn auf stillem MeereMondumspielet träumend wanketUnd der Fischer hingestrecketSchlummert ein in dem Gesange:
Also waren alle SchmerzenIn Biondettens Lied entschlafen,Scheiden kann sie von den Herzen,Die in Wunderträumen wandeln.
Doch es treibt das Schiff zum FelsenUnd füllt sinkend sich mit Wasser;Nacht ist's und der Mond bedecket,Und der Mann starb unerwachet.
Aber weh! nicht so die Schmerzen,Schlummernd, träumend im Gesange,Hier im süßen Schlafe starben,Wie der Fischer, Mond und Rachen.
Um Biondetten wird es heller:«Wehe, wehe, das sind Flammen!Feuer, Feuer, Helft! o helfet!»Schreiet alles im Theater.
«Feuer! Helfet!» schreit Biondette. –«Stürzet das Gerüst zusammen,Ist sie nimmermehr zu retten»:So erfüllt das Haus ein Jammer.
Nach den Türen, zu den TreppenStürzen alle Herrn und Damen,Und die Menge des ParterresWill sich wogend überschlagen.
Bald in allen Fenstern stehenHohe Leitern; Herrn und DamenDrängen sich, hinab zu klettern,Und hinauf die Herrn Soldaten.
Dieser will sein Liebchen rettenUnd faßt seine alte Base;Jener, der die Frau will heben,Wird umklammert von dem Manne.
Und die duftgen CicisbeenMüssen gar zu harter StrafeHelfend auf und nieder klettern,Wie die nassen Katzen jammernd.
Denn den Fliehend entgegenSpringen schon die Wasserstrahlen;Wer im Feuer nicht kann leben,Muß sich durch das Wasser baden.
Schreien, Weinen, Fluchen, Beten,Steigen, Klettern, Ohnmachtfallen,Trommelschlag und Brandtrompeten,Wagenrasseln, Glockenschlagen.
Und schon windet sich die MengeKapuziner, DomnikanerSich in braun, schwarz-weißer Kutte,Wassereimer eilig langend.
Doch die mutigen StudentenSpringen jubelnd zum Theater,Stürmen die papiernen Felsen,Niederreißend rings die Lampen.
Oben an des Haues DeckeHört man schwere Äxte fallen,Sieht auch bald die Zimmrer stehen,Niederstürzend Fluten Wassers.
Und schon ordnet sich die Menge,Massen bilden sich und Straßen,Alles stehet, geht und kehret,Keiner hindert mehr den andern.
Aber unter den StudentenAchtet einer nicht der Flammen;Er hat gar ein wildes Wesen,Gleichet einem Salamander.
Und schon klagt man um den Helden,Den umkrachten alle Sparren,Doch er kehrt und trägt BiondettenIn den dunklen, harten Armen.
Da er eilet in die Szene,Schreit die Jungfrau: «O erbarmeDich, Maria! Rette, retteMich von ihm in Jesus Namen!»
Da springt von der offnen DeckeKühn ein Jüngling, wütend packetEr den Räuber von Biondetten,Doch der stehet ganz in Flammen.
Alle Glut zu ihm sich wendet,Und wie auch die WasserstrahlenAuf ihn stürzen, wills nicht helfen,Und man hört ihn gräßlich lachen.
Und wie Wirbelwinde drehenZu ihm hin sich alle Flammen,Die wie Haare um ihn wehen,Wenn er also gräßlich lachet.
Und so hat er lachend, brennend,Eine lange Zeit gestanden,Da das Feuer rings geendet,Und das Volk schrie laut: Mirakel!
Da ein Priester zu ihm sprengetEinen Strahl geweihten Wassers,Ward er, allen zum Entsetzen,Nur ein Häuflein dunkler Asche.
Und das Volk kniet ringsum betend.Von der Höhe des TheatersSprach der Priester dann den Segen,Und es schallt ein lautes: Amen!
Fromme Litaneien betend,Ziehn die Mönche still gepaaret,Und die hilfreichen GewerkeFolgen betend aus den Hallen.
In des Hauses weiter LeereSchallet das Geträuf des Wassers;Rings die stummen Wachen stehenBei dem wilden Schein der Fackeln.
Aber die Studenten stehenStaunend um das Häuflein Asche;Den die Flamme hat verzehret,War der beste Kandidate.
Er war Famulus des Lehrers,Und sie brechen aus in Klagen,Bis die rufenden PedellenSie zur Heimkehr laut ermahnen.
In den Weihewasserkessel,Den die Mönche stehn gelassen,Sammelt unter Tränen jederDes verbrannten Freundes Asche.
Und dann ziehen die Gesellen,Die geliebte Urne tragend,Trost sich singend, von der Schwelle,Um Apone es zu klagen.
Schweigend steht das Haus. Es sehenDurch die Öffnungen des DachesStille nieder Mond und Sterne,Traurig spiegelnd in dem Wasser.
An der Erde ruht Biondette;Als sie nannte Jesu Namen,Ließ der fürchterliche RetterSinken sie aus seinen Armen.
Bei ihr kniet mit seinem SchwerteStumm Meliore; in die HarfeHat er sorglich sie gebettet,In den himmelblauen Mantel.
Er verließ im Lärm den Kerker,Er war's, der den Sprung gewagetVon der Decke, sie zu rettenAus des Räubers dunklen Armen.
Da es stille war, erhebetSich Biondette, und den MantelSchlingt sie um sich, von der ErdeHebt sie dann die goldne Harfe.
Spricht, sich zu Meliore wendend:«Sei gegrüßt! In Jesu NamenHast du mich von ihm gerettetUnd gehütet in dem Schlafe.
Einen Traum hab ich gesehen:Asche war ich, und zu AscheSoll ich einstens wieder werden,Wenn erfüllet sind die Tage.
Für dich hab ich heut gebetet,Da du fochtest am Altare;Und du hast für mich gebetetJetzt in dringenden Gefahren.
Du hast liebend mich gerettetAus des ewgen Todes Banden,Und ich werde dir's vergeltenBald in übervollem Maße.
Laß die Sinne untergehen,Liebe nicht, was irdisch schwanket;Die du irdisch angesehen,Wird dir göttlich liebend danken.
Hier auf dieser öden StelleWird es einstens göttlich tagen.Sieh, es haben schon die SterneIhren Strahl den Weg gebahnet.
Wenn hier an des Altars SchwelleEine Jungfrau wird entsagen,Werd ich durch dich auferstehenAus der irdschen Leibesasche.
Und du wirst die Asche nehmen,Streuen sie in deine Haare,Weil die Schlange wird zertretenVon des Weibes heilgem Samen.
Was in Träumen ich gesehen,Hab ich alles dir gesaget;Denn auch du bist ausersehenZu unendlich großen Gnaden.
Wir gehn auf demselben Wege;Lasse uns im Geiste wallen,Lasse uns nie Abschied nehmen,Gehe hin in Gottes Namen!»
Da geendet sie die Rede,Konnt er nicht den Blick ertragen;Also mächtig war ihr Wesen,Daß er schweigend ging von dannen.
Und zur Harfe sang Biondete:«Lob sei Gott dem Herren! Amen!»Und das öde Haus erbebte,Widerhallend: Amen, Amen!
Amen! sprachen Mond und Sterne,Träufelnd sprach das Wasser: Amen!Und da sie verließ die Schwelle,Riefen rings die Wachen: Amen! |