Clemens Brentano
1778 - 1842
Romanzenvom Rosenkranz
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Romanze VIIIKosmes Busse II
Nieder stieg die Sonne wiederAuf des stummen Hügels RandUnd sieht scheidend ernst herniederIn das dämmervolle Land.
Ihre Strahlen fallen schieferAn der engen Kammer Wand,Malend an der Kerze, tieferSinket Kosme fleißge Hand.
Lang nach jenem Bilde sieht er,Das er hänget an die Wand,Und zur Erde kniet er nieder,Weit die Arme ausgespannt.
Und er spricht: «O Herr, den FriedenGabst du, an das Kreuz gespannt,Und das Kreuz, es blieb hienieden,Du hast dich zu Gott gewandt.
Sieh gekreuzet mich hier knieenIn der schweren Sünde Last,Bis du, Herr, auch mir verziehen,Auch für mich gelitten hast.
Ach, das Herz ward dir durchspießetVon verräterischem Stahl,Blutge Versöhnung sprießetAus der heilgen Wunden Mal.
Aber ach, die Sonne spieletEwig nur mit meiner Qual,Ewig, ewig sie mir zielet,Nimmer tötet mich ihr Strahl.
Wenn so rasch die Wolken fließenUm den nackten Feuerball,Alle Narben sich erschließen,Aufstehn meine Sünden all.
So wenn einst die Engel ziehenMit der Zornposaune Schall,Nahn die Toten aufgeschrieenIn des Wahnes Widerhall.
Nieder schmilzt der Sonne SiegelVor des Richters jüngstem Tag,Es zerbricht des Todes Riegel,Klar steht, was verloren lag.
Und der ewgen Schönheit SpiegelSpiegelt jegliche Gestalt,Und des Rechtes FeuertiegelPrüfet jeglichen Gehalt.
Wohin soll ich dann mich schmiegen-Wenn das Licht hoch überwallt?In dem Staube werd ich kriechenMit der Schlange Mißgestalt.
Weh, die Sonne sinkt, vergießendBlutge Tränen ohne Zahl,Und aus ihren Tränen sprießenTausend Tränen bittrer Qual.
Und es weinen die VerliebtenEinsam in vergeßner Schmach,Und es weinen die Geliebten,Denen man die Treue brach.
Unter gingst du, Lustgezierte,Der die Ehe mich verband,Der aus schändlicher BegierdePflicht und Treue ich entwand.
Blutschuld ist die RosenzierdeIn der Sonne Untergang:Fluch der teuflischen Begierde,Die mit Sünde dich verschlang.
Alle Tränen, die du gießest,Sinkend auf der ewgen Bahn,Bis du deine Augen schließest,Wachsen mir zur Sündflut an.
Und auf ihrer Woge ziehetDort des Mondes bleicher Kahn,Aber keine Taube fliehetMit dem Ölblatt mir heran.
Mond, wie blinkst du bleich und siechendAn des Abends Rosengrab,Wo die Sonne still versiegendIn den Schatten sinkt hinab.
Rosalata, du sankst niederMit dem roten Rosenkranz,Rosatristis, du kehrst wiederMit der weißen Rose Glanz.
Mond, ich sah dich mahnend ziehenWie ein Geist die Wolkenbahn,Und ich muß hier weinend knieen,Klagen mich der Sünde an.
Eile nicht, vorüberfliehendMit der Sichel scharf und blank;Schneide ab den Stamm, der knieendAn der Erde welk und krank.
Eine Wagschal, hoch auffliegend,Hebt die Buße dich hinan,Meine Sünde nie aufwiegendKlagest du vor Gott mich an.
Wie so weiß dein Schleier fliehet,Nonne, durch den Sternensaal,Mit dir betend, büßend, ziehetStill der Sterne Nacht-Choral.
Aus der Unschuld Paradiesen,Wo du trugst den Rosenkranz,Irrest du, durch mich verwiesenMit des Schwertes Feuerglanz.»
Doch der Mond zog stillverschwiegenHinter eine Wolkenwand,Ließ ihn ungetröstet liegen,Wo er ihn in Tränen fand.
Und er hebt sich von den Knieen,Als er sein Gebet vollbracht;Aber ihm ward nicht verziehen.Auf dem Tale lag die Nacht. |