Clemens Brentano
1778 - 1842
Romanzenvom Rosenkranz
|
|
_______________________________________________________________________
| |
Romanze VIIKosmes Busse I
Allem Tagewerk sei Frieden,Keine Art erschallt im Wald,Alle Farbe ist geschieden,Und es raget die Gestalt.
Tauberauschte Blumen schließenIhrer Kelche süßen Kranz,Und die schlummertrunknen WiesenWiegen sich in Traumes Glanz.
Wo die wilden Quellen zielenNieder von dem Felsenrand,Ziehn die Hirsche frei und spielenFreudig in dem blanken Sand.
In der Düfte Schwermut wiegenSich die Rosen in den Schlaf,Das Geheimnis ruht verschwiegen,Das sie in den Busen traf.
Und es wandeln, die sich lieben,Flüsternd auf dem selgen Pfad,Wo sie gestern Scherze trieben,Zu des Meeres Glanzgestad.
Die Sirene stimmet wiederIhre giften Lieder an,Und die Herzen tauchen niederIn untiefen süßen Wahn.
Denn es schied die Sonne wiederIn der ewgen Flammen Pracht,Und es hebt die dunklen GliederAbermals die alte Nacht.
Und die Erde aufgeriegeltSendet ihren Geist heran,Um das Haupt schwebt sternbesiegeltIhm der blaue Weltenplan.
Und des Waldes dunkle RiesenDrängen sich ums enge Tal,Und durch ihre Kronen gießenSterne geisterhaften Strahl.
Aus der Tiefe aufgewiegeltWachsen stumme Brunnen an,Drinnen schaun sich mondumspiegeltDie Gedanken traurig an.
Vor der Hütte setzt sich niederKosme, lauschet nach dem Wald,Ob nicht aus der Ferne wiederSeines Kindes Stimme schallt.
Ob sie jenseits aus der Tiefe,An dem schroffen Felsenhang,Nicht das treue Echo riefeIn dem nächtlich späten Gang.
Aber nur die MelodieenHöret er der Nachtigall,Und zu seinem Herzen ziehenNicht der Töne Flug und Fall.
Ihm ergießet keinen FriedenDer prophetschen Sterne Strahl,Alle seine Pulse schmiedenEines bösen Schwertes Stahl.
Die Milchstraße sieht er liegenIn des blauen Himmels Bahn;Da stehn aller Waisen Wiegen,Lehret ihn ein frommer Wahn.
Und er denkt der bösen LiebeUnd der Früchte, die sie gab,Die in sündlich frechem TriebeEr dem Schicksal übergab.
Und die Sünde warf ihn nieder,Fesselt ihn in schwerer Acht,Und mit bitterem GefiederRauscht um ihn die böse Nacht.
Tief in Ängsten schon erliegetEr des Herzens bangem Schlag,Denn in dieser Nacht gewiegetWird verhängnisvoll ein Tag.
Denn das Weib, das er geliebet,Ging zu Grabe diese Nacht,Und die Tochter, die er liebet,Kam zum Leben diese Nacht.
Und die Sünde, nie besiegetDurch der Reue bittre Macht,Jene Schuld, der er erlieget,War erzeuget diese Nacht.
Und er wühlet in der TiefeSeiner Brust der Sünde nach,Daß die Reue nicht entschliefe,Schreit er seine Tote wach.
Und er sieht sie heilig knieen,Wie er sie durchs Gitter sah,Sieht sie dann die Glocke ziehen,Da der böse Feind ihm nah,
Der die Farben ihm gerieben,Als ein heilig Bild er malt,Und den Schuldbrief ihm geschrieben,Den nur ewger Tod bezahlt.
Ach! auch sie ist da erschienenSeinen Augen keusch und klar,Wie sie als Modell sollt dienenZu dem Bilde am Altar.
Mit den frommen heilgen Mienen,Mit den Rosen in dem Haar;Seinen Augen, brünstgen Bienen,Sie die süße Blume war.
Lust und Sünde sieht er wieder,Bis sie tief im Elend starb,Die Verzweiflung reißt ihn nieder,Weil er sie durch Lust verdarb.
Ach, daß alle Berge fielenUnd bedeckten ihn im Tal!Wollten doch die Blitze zielenAuf sein nackte Haupt zumal!
Ach, daß alle Wasser stigen,Und es säh der neue TagÖde, weite Fluten liegen,Wo er heute weinend lag!
Möchte dann die Taube fliegenMit dem milden Frühlingsblatt,Sich en Friedensbogen biegen,Wo er schwer gebüßet hat.
Aber weh! das NachtgefiederSchwingt der Rabe wild und hart,Stürzt sich auf sein Haupt herniederDas in bösem Traum erstarrt.
Kalte Schrecken um ihn fließen,Und Entsetzen sträubt sein Haar:Wehe, dorten auf den WiesenWerden die Gesichte wahr!
An dem Walde ist erschienenEine weibliche Gestalt,Von dem Haupte mondbeschienenDas Gewand herniederwallt.
Gleich wie weiße Schwäne fliehenAn der dunklen Wälder Rand,Sieht er eine Nonne ziehenLängs des Gartens Schattenwand.
Jetzt sieht er den Schleier fließen,Sieht die Füße blank und bar,Sieht den Strick den Leib umschließenUnd die Rosen in dem Haar.
«Wehe, wehe, noch hieniedenSchwebst du, teure Seele, arm!Wehe, wehe, noch kein Frieden!O, daß sich der Herr erbarm!»
Und der Schrecken reißt ihn nieder,Doch ihn faßt kein kalter Arm:«Vater, find ich so dich wieder?O, daß Gott sich dein erbarm!» |