Clemens Brentano
1778 - 1842
Romanzenvom Rosenkranz
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Romanze VIPietro
Sieh, es schürzet RosablankeSich ihr Röcklein vor dem Tore,Rückt den Korb, daß er nicht wanke,Sich bequemer auf dem Kopfe.
Ganz befangen in GedankenUnd erfüllt mit neuer SorgeEilet durch das Feld die SchlankeWie auf traumbeschwingter Sohle.
Höret nicht den «Guten Abend»,Den der Wandrer ihr geboten,Und erwidert kaum das AmenAuf ein: Jesus sei gelobet!
Aber an den letzten GartenSteht des Gärtners Fenster offen:«Rosablanke, Rosablanke!»ruft er ihr mit freudgem Tone.
«Willst du so vorüber wandeln?Nimm vorlieb; hier sind Melonen,Feigen, Ananas, Orangen,Alle bloß für dich gebrochen!
Lange hab ich dein geharret;Die mit dir zum Markte zogen,Sind schon lang zurückgewandert.Wo hast du so lang verzogen?»
Und die Jungfrau spricht, sich sammelnd:«Bald hätt ich mein Wort gebrochen,Aber lieber mirs erlasse,Denn es sinket schon die Sonne!
Ängstlicher, als du geharret,Harret mein der Vater Kosme.Sieh, wie lange schon die Schatten!Wäre ich den Berg erst oben!
Sei Geleitsmann deinem Gaste,Ich will deine Güte loben!»Also bittet Rosablanke;Jener greift nach seinem Korbe,
Füllt ihn unten mit Orangen,Legt die zarten Feigen oben,Hängt zur Schulter ihn am Stabe,Tritt heraus und schließt die Pforte.
Und er spricht zur Seite wandelnd:«Zürnen hätt ich mit dir sollen,Sehnlich hab ich dein geharret,Und nun ist auch dies verloren!
Dies ist ihrer Schritte Schallen,Glaubt ich, wenn mein Herz so pochte,Blickte ängstlich durch die KammerOb auch alles sei geordnet.
Und wenn ich dann wieder dachte:Sie versprach dirs nur zum Hohne,Fühlt das Herz ich lauter schlagenAls den Tritt der leichten Sohlen.
Wer mir bot den guten Abend,War an mir zum Lügner worden,Und die schnellen Stunden standenBoshaft still an meiner Pforte.»
Also sprach er. Tränen drangenIhm ins Aug, geheime BotenZüchtger Flamme, die gefangenLag bis jetzt im Jugendstolze.
Doch dies fühlt nicht Rosablanke.Ungeschickt zu seinem TrosteSpricht sie: «Gib mir die Orangen,Die du für mich abgebrochen!»
Nimmt die goldne Frucht und danket.Mutiger spricht er: «O Holde,Wolltest du mit gleichem DankeNehmen, was du selbst gebrochen!
Was vertraulich bei dem MahleIch, dein Wirt, dir bieten wollte,Dieses Herz muß auf der StraßeScheu und unstet ich dir opfern.
Mich ernähret wohl mein Garten;Um Bologna aller OrtenSiehst du keinen so gewartetUnd so vorteilhaft geordnet.
Und, verzeih, ich muß es sagen;Also hab ich ihn erzogenIn dem heimlichen Verlangen,Daß du drinnen mögest wohnen.
Wärst du mit hineingegangen,Unter bunten BlumenkronenEine Königin, empfangenHätt ich dich mit dieser Krone!»
Und nun setzt er RosablankenAuf das Haupt die Blumenkrone,Die er in dem Korb bewahret,Ruhend auf den Früchten oben.
Und die Jungfrau in GedankenGehet mit bekränzten LockenIhm zur Seite durch den Abend,Gleichend einer stummen Flore.
Pietro aber spricht: «Dein VaterKönnte dann bei uns auch wohnen,Und er wäre nie verlassen,Eines blieb ihm stets zum Troste.
Und an manchem schönen AbendKömmt mein Bruder Jacopone,Der an Weisheit hochgeachtet,In den Garten, sich erholend.
Und zur Freundin wirst du habenRosarosen, seine frommeStille Gattin; dir gefallenWird mein Bruder auch, Meliore.»
Aber stumm bleibt Rosablanke,Und der Jüngling spricht betroffen:«Schweige nicht, o laß mich ArmenNicht in zweifelhaftem Troste.
Seit als Gärtner deinem VaterIch gepflegt die roten Rosen,Trag ich heimlich, Rosablanke,Weißer Rosen bittre Dornen.
Ich versetzte ihm im GartenWeiße, rote, gelbe RosenUnd begehrt am letzten AbendEine weiße mir zum Lohne.
Da gabst du von deinem StammeMir ein Zweiglein, dicht in MooseHüllt ich's, trug's zu meinem Garten,Stellt es in den besten Boden.
Schonend ist der Sonne WagenÜber dieses Reis gezogen,Segnend hat des Mondes SchaleGuten Tau zu ihm gegossen.
Hoch bei goldnen PomeranzenRankt sie aus den grünen Wolken,Deines Namens Sternbild strahleGünstig meinem Horizonte!
Paradiesisch blüht der Garten,Seit die Rose bei mir wohnet,Und ich gleich dem ersten Manne,Eh das Weib geschaffen worden.»
Aber Rosablanke dachteNun des Traums von diesem Morgen,«Pietro,» sprach sie, «eine SchlangeRankt um deinen Baum die Rose!
Und der Herr hat sie geschaffenAus der sehnsuchtvollen WogeSeines Busens; des EntschlafnenHerz entstieg die Traumgeborne.
Die Orange wird zum Apfel,Und der Apfel wird zum Tode,Willst du schließen in die Arme,Die dir in dem Herzen wohnet.
Heute früh in meinem GartenGrub er traurig bei den RosenNach dem göttlichen Erbarmen,Das er mit dem Weib verloren.
Und die bunte, böse SchlangeDrang zu mir und meinen Rosen,Doch Mariens Füße tratenNieder diese Schuld des Todes.
Nimm zurücke die Orange,Die du mir vom Baum gebrochen,Denn ich teile keinen ApfelWeil der Herr um mich gestorben.»
Also redet Rosablanke.Pietro schweigt, und tief betroffenLegt der Jüngling die OrangeZu den andern in dem Korbe.
Schweigend gehn sie nun zusammenBis zu der Kapelle oben,Und des Abends ZaubergartenSchwankt vor ihrem Aug entrollet.
Aus den Tälern wächst der Schatten,Und es betet schon die SonneIhren Abendsegen, schwankendAuf des Waldes goldnen Kronen.
Durch des Himmels Gründe wallenWolkenschafe, goldgeflocket;In dem Abendmeere badendTrinken sie die Purpurwoge.
Und zum Rosengarten wandeltSich zu baden nun die Sonne,Einen Mantel webt im SchattenIhr die Nacht aus grauem Flore.
Als sie schwebet ob dem Bade,Gleicht es einem Feueropfer,Sie dem Phönix, der mit FlammenSich verjünget in dem Tode.
Aber rings aus Luft erstarrenHohe Purpurburgen, goldenWundervolle Inseln wachsenAus des Äthers glühnden Wogen.
Und die Inseln werden DrachenUnd die Burgen all Sankt GeorgeUnd der Sonne Strahlen Lanzen,Gen die Drachen blank erhoben.
Aber ewig sich verwandelnd,Wo sie aufeinander stoßen,Ziehn sie eine Bucht kristallenUm der Sonne Bad voll Rosen.
Wie ein Schäfer scheu und schmachtend,Lauschend schleicht auf leichten SohlenZu der spröden Hirtin Bade,Zieht der Mond schon hinter Wolken.
Nieder zuckt sie gleich Dianen;Jungfräulich erglühnd im ZorneSpritzt empor sie Goldkristalle,Birgt den Schoß im Wellenschoße.
Und der Mond, den Tropfen trafen,Steht gehörnt gleich Aktäone,Und zu Sternen rings erstarrenUm ihn her die goldnen Tropfen.
Mahnend zieht die Nacht den MantelVor des Unterganges Tore,Und die Herzen fühlen alle,Wer verloren, wer gewonnen.
Seine Schmerzen nicht mehr fassend,Spricht nun Pietro: «Deine Rosen,Sonne, sind im AbendgartenAll verblutet an den Dornen.
Paris gab den goldnen ApfelLiebend hin der Schaumgebornen,Aber mir ward ausgeschlagenDie Granate, scheu geboten!
Und die Sonne gleicht dem Apfel,Paris gleicht dem Silbermonde,Und das Meer des UntergangesDer entschleierten Dione.
Aber ach, meine GranateGleicht den Äpfeln von Gomorrha,Innen voll von giftger Asche,Außen lustig und voll Wohnne.
Und es drohet mir die blankeTodessichel dort des Mondes,Wie in meinem armen GartenTödlich steht die weiße Rose!» –
«Pietro!» spricht nun Rosablanke,«Umschaun hat der Herr verboten,Sahst du in den AbendflammenSodom und Gomorrha lodern.
Gab zurück ich dir den Apfel,Denk getröstet meiner Worte:Keinen Apfel mit dem ManneTeil ich; Jesus ist gestorben!
Lasse sinken all dies Trachten,Lasse sinken diese Sonne,Lasse wachsen diese Schatten!Sinkt zur Ruhe, wächst zum Troste!
Sieh, die Kerne der Granate,Die verglichen du der Sonne,Sind als Sterne aufgegangen,Leuchtend zu den Ewgen Lobe.
Betend sollst du nun betrachten,Wie gehütet von dem MondeSie wie Gottes Lämmer wandern,Und du sollst nicht trauern wollen.
Trauern nicht um die Granate,Trauern nicht um eine Rose,Trauern nicht um Rosablanke,Die dem Himmel sich verlobet!»
Und nun nimmt sie die GewandeVon Biondetten aus dem Korbe,Legt sie an und fromm verwandeltSteht sie eine weiße Nonne.
Pietro spricht: «Leb wohl, zum GartenKehre ich, die HochzeitskronePfleg ich dir, dir muß sie tragenweiße Rosen, mir die Dornen!»
Und zur Erde kniet er jammernd,Aus den dunklen Augen flossenTränen heiß, und seine ArmeHielt er schmerzemporgehoben.
Aber in den Büschen raschelt's,Und die Jungfrau spricht: «Es kommenmeine Freunde, ausgegangenSind die Hirsche, mich zu holen.
Beten werd ich noch heut abend,Daß die kühlen TauestropfenDiese Nacht dein Herz erlaben,Und dich ruhig seh der Morgen.»
Pietro spricht: «Es wird die FlammeIn der Nacht noch wilder lodern,Büßend streue meine AscheSich ins falbe Haar Aurore!»
Doch sie schreitet zu dem Walde:«Jesus Christus sei gelobet!»Pietro spricht ein leises Amen,Und der Mond tritt aus den Wolken. |