Clemens Brentano
1778 - 1842
Gedichte 1834 - 1842
1836Arbeit am großen Gockelmärchen.
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Ich hab in heißer SonnenMein Denken all gesponnenZu einem Mäntelein feinIch habs in Angst gewebetMein Schifflein hat geschwebetIn steter Not und PeinIch habs mit Tränen erweichetUnd hab es still gebleichetIn Mond und SternenscheinIch trug es ohn VerweilenGar viele, viele Meilen –Da war mein Tuch zu kleinIch wollt sie mit bedecken,Da zuckt an allen EckenHeraus das Flammelein
Und drüben strömen in WellenViel tausend tausend EllenRot Tuch dahin im WindUnd trunken von den FarbenSchaut sie, und ich muß darbenHab nichts für(s) ärmste Kind.
Entstanden 1836 (Boëtius 1985)
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Willkomm, leb wohl!So spricht ein liebend GrüßenZu Lichtern, die den Scheideblick versüßen,Wenn Dichter unsre ewigen GedankenVermählen in des Augenblickes Schranken.O Glut! die wir entzündenAuf Schätzen, die auf Ewgem gründenUnd in der Zeit verschwinden,Du wirst verrechnet werdenAm Löhnungstag des Himmels auf der Erden!
Entstanden vermutlich 1836 (Schultz 1995)
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Nachtigall, ich hör dich singen's Herz im Leib möcht mir zerspringen,Komme doch und sag mir bald,Wie sich alles hier verhalt'.Nachtigall, ich seh dich laufen,An dem Bächlein tust du saufen,Tunkst hinein dein Schnäbelein,Meinst es sei der beste Wein!Nachtigall, wohl ist gut wohnenIn der Linde grünen Kronen,Bei dir, lieb Frau Nachtigall,Küß dich Gott viel tausendmal!
Entstanden 1836/37, aus Gockel, Hinkel, Gackeleia (Schultz 1995)
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O Stunde, da der Schiffende bang lauertUnd sich zur Heimat sehnet an dem Tage,Da er von süßen Freunden ist geschieden,Da in des Pilgers Herz die Liebe trauertAuf erster Fahrt, wenn ferner Glocken KlageDen Tag beweinet, der da stirbt in Frieden!
Entstanden 1836/37, aus Gockel, Hinkel, Gackeleia (Frühwald 1968)
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Wenn der lahme Weber träumt, er webe,Träumt die kranke Lerche auch, sie schwebe,Träumt die stumme Nachtigall, sie singe,Daß das Herz des Widerhalls zerspringe,Träumt das blinde Huhn, es zähl die Kerne,Und der drei je zählte kaum, die Sterne,Träumt das starre Erz, gar linde tau es,Und das Eisenherz, ein Kind vertrau es,Träumt die taube Nüchternheit, sie lausche,Wie der Traube Schüchternheit berausche;Kömmt dann Wahrheit mutternackt gelaufen,Führt der hellen Töne GlanzgefunkelUnd der grellen Lichter Tanz durchs Dunkel,Rennt den Traum sie schmerzlich übern Haufen,Horch! die Fackel lacht, horch! Schmerz-SchallmeienDer erwachten Nacht ins Herz all schreien;Weh, ohn Opfer gehn die süßen Wunder,Gehn die armen Herzen einsam unter!
Entstanden 1836/37, aus Gockel, Hinkel, Gackeleia (Frühwald 1968)
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Das Seelchen auf der HeideHat nicht genug zum KleideUnd friert durch Mark und Bein;Ich hab in heißer SonnenMein Leben aufgesponnenZu einem Faden fein,Den hab ich treu gewebet,Mein Schifflein ist geschwebetIn stäter Not und Pein.Mit Tränen ich's erweichte,Mit Tränen ich es bleichteIn Mond- und Sternenschein.Totwund lag ich zum Sterben,Der Seele Kleid zu färbenMit roter Farbe Schein.Ich trug es ohn VerweilenHin viele, viele Meilen,Da war mein Tuch zu klein,Das Seelchen zu bedecken,Da zuckt an allen EckenHeraus das Flämmelein,Und irret auf der Heide,Mein Zeug reicht nicht zum KleideDem Feuer-Lämmelein.Dadrüben die Gesellen,Die schleudern tausend EllenRoth Zeug zur Nacht hinein;Die Fackeln und Schallmeien,Sie brennen, reißen, schreienMir tief durch Mark und Bein.Weh, Weh tut das Verschwenden,Mit Not mußt ich vollendenMein Tuch – nun ists zu klein.Das Seelchen springet trunkenVon Tönen, Farben Funken,Zur roten Lust hinein.Wenn Tön' und Farben starben,Kömmt Nacht und bittres Darben,Arm, bloß, allein; allein!»
Entstanden 1836/37, aus Gockel, Hinkel, Gackeleia (Frühwald 1968)
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Treu, dunkellaubige Linde,Wenn rings die Windsbraut tobt,Dein Säuseln lieblich lindeDen Frieden Gottes lobt.
Treu, dunkellaubige Linde,Wie fährt all Gut und BlutFort, fort im Sturm geschwinde,Nur du hegst festen Mut,
Treu, dunkellaubige Linde,Wie bist du stark und gut,Wohl dem, der mit dem KindeBei dir im Hüglein ruht.
Entstanden 1836/37, aus Gockel, Hinkel, Gackeleia (Frühwald 1968)
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Es ist ein Schnitter, der heißt Tod,Er mäht das Korn, wenns Gott gebot;Schon wetzt er die Sense,Daß schneidend sie glänze,Bald wird er dich schneiden,Du mußt es nur leiden;Mußt in den Erntekranz hinein,Hüte dich schöns Blümelein!
Was heut noch frisch und blühend stehtWird morgen schon hinweggemäht,Ihr edlen Narzissen,Ihr süßen Melissen,Ihr sehnenden Winden,Ihr Leid-Hyazinthen,Müßt in den Erntekranz hinein,Hüte dich schöns Blümelein!
Viel hunderttausend ohne Zahl,Ihr sinket durch der Sense Stahl,Weh Rosen, weh Lilien,Weh krause Basilien!Selbst euch KaiserkronenWird er nicht verschonen;Ihr müßt zum Erntekranz hinein,Hüte dich schöns Blümelein!
Du himmelfarben Ehrenpreis,Du Träumer, Mohn, rot, gelb und weiß,Aurikeln, Ranunkeln,Und Nelken, die funkeln,Und Malven und NardenBraucht nicht lang zu warten;Müßt in den Erntekranz hinein,Hüte dich schöns Blümelein!
Du farbentrunkner Tulpenflor,Du tausendschöner Floramor,Ihr Blutes-Verwandten,Ihr Glut-Amaranten,Ihr Veilchen, ihr stillen,Ihr frommen Kamillen,Müßt in den Erntekranz hinein,Hüte dich schöns Blümelein!
Du stolzer, blauer Rittersporn,Ihr Klapperrosen in dem Korn,Ihr Röslein Adonis,Ihr Siegel Salomonis,Ihr blauen Cyanen,Braucht ihn nicht zu mahnen.Müßt in den Erntekranz hinein,Hüte dich schöns Blümelein!
Lieb Denkeli, Vergiß mein nicht,Er weiß schon, was dein Name spricht,Dich seufzerumschwirrteBrautkränzende Myrte,Selbst euch ImmortellenWird alle er fällen!Müßt in den Erntekranz hinein,Hüte dich schöns Blümelein!
Des Frühlings Schatz und WaffensaalIhr Kronen, Zepter ohne Zahl,Ihr Schwerter und Pfeile,Ihr Speere und Keile,Ihr Helme und FahnenUnzähliger Ahnen,Müßt in den Erntekranz hinein,Hüte dich schöns Blümelein!
Des Maies Brautschmuck auf der Au,Ihr Kränzlein reich von Perlentau,Ihr Herzen umschlungen,Ihr Flammen und Zungen,Ihr Händlein in SchlingenVon schimmernden Ringen,Müßt in den Erntekranz hinein,Hüte dich schöns Blümelein!
Ihr samtnen Rosen-Miederlein,Ihr seidnen Lilien-Schleierlein,Ihr lockenden Glocken,Ihr Schräubchen und Flocken,Ihr Träubchen, ihr Becher,Ihr Häubchen, ihr Fächer,Müßt in den Erntekranz hinein,Hüte dich schöns Blümelein!
Herz, tröste dich, schon kömmt die Zeit,Die von der Marter dich befreit,Ihr Schlangen, ihr Drachen,Ihr Zähne, ihr Rachen,Ihr Nägel, ihr Kerzen,Sinnbilder der Schmerzen,Müßt in den Erntekranz hinein,Hüte dich schöns Blümelein!
O heimlich Weh halt dich bereit!Bald nimmt man dir dein Trostgeschmeid,Das duftende SehnenDer Kelche voll Tränen,Das hoffende RankenDer kranken GedankenMuß in den Erntekranz hinein,Hüte dich schöns Blümelein!
Ihr Bienlein ziehet aus dem Feld,Man bricht euch ab das Honigzelt,Die Bronnen der Wonnen,Die Augen, die Sonnen,Der Erdsterne Wunder,Sie sinken jetzt unter,All in den Erntekranz hinein,Hüte dich schöns Blümelein!
O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit!Den Kranz helft mir winden,Die Garbe helft binden,Kein Blümlein darf fehlen,Jed Körnlein wird zählenDer Herr auf seiner Tenne rein,Hüte dich schöns Blümelein!
Entstanden 1836/37, aus Gockel, Hinkel, Gackeleia (Frühwald 1968) |