Clemens Brentano
1778 - 1842
Gedichte 1834 - 1842
183410. Januar: Erstes datiertes Liebesgedicht an die Geliebte seiner Altersjahre, Emilie Linder. Altersbriefwechsel mit der Schwester Bettina. Jahresende: Ein Heiratsantrag an Emilie wird abgewiesen.
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Hier sitzt das liebe neue JahrAuf einem lustgen Feigenbaum,Zwölf Liebschaften ist kleine ScharDie machen ja ein Dutzend kaum.Der Jenner trägt den MorgensternBei meinem Liebchen war ich gern,Der Februar haucht in die HandDie Liebe kommet zu Verstand,Der März macht sich den VeilchenkranzBescheiden Lieb gibt Duft und GlanzApril mit einem Korb sich ziertVeränderlich wird angeführtDer Mai mit süßen BlumenglockenWills Liebchen in den Garten locken.Der Juni gibt das FeigenblattDer Jungfrau wenn sie's nötig hat,Der Juli zeigt ihr gar die FeigenWird sie ihm wohl Ohrfeigen reichen?August bringt ihr die Ähre dar,Fruchtbare Lieb ist auch ehrbarSeptember trinket auf ihr Heil,Doch währt der Rausch nur kurze WeilOktober weint, November friertWeil seine Federn er verliertDezember betet und ist frommDaß er etwas beschert bekomm.Und alle treiben solches SpielUm einen Apfel, der ihr Ziel,Den Eva von der Schlange nahmUnd der uns allen schlecht bekam!
Entstanden vielleicht Neujahr 1834 (Boëtius 1985)
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10. Jänner 1834
Wo schlägt ein Herz das bleibend fühlt?Wo ruht ein Grund nicht stäts durchwühlt,Wo strahlt ein See nicht stäts durchspült,Ein Mutterschoß, der nie erkühlt,Ein Spiegel nicht für jedes BildWo ist ein Grund, ein Dach, ein Schild,Ein Himmel, der kein WolkenflugEin Frühling, der kein Vögelzug,Wo eine Spur, die ewig treuEin Gleis, das nicht stäts neu und neu,Ach wo ist Bleibens auf der Welt,Ein redlich ein gefriedet Feld,Ein Blick der hin und her nicht schweift,Und dies und das und nichts ergreift,Ein Geist, der sammelt und erbaut,Ach wo ist meiner Sehnsucht Braut;Ich trage einen treuen SternUnd pflanzt ihn in den Himmel gernUnd find kein Plätzchen tief und klar,Und keinen Felsgrund zum Altar,Hilf suchen, Süße, halt o halt!Ein jeder Himmel leid't Gewalt!Amen!
10. Januar 1834 (Schultz 1995)
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An eine Feder 17. Jänner 1834
Danke, danke, süße Feder!Liebchen ist es, die dich schnitte,Solche Huld geschieht nicht jeder,Denn sie hat nach KindersitteDich mit ihrem Mund benetzet,Ihre süße linde Lippe,Die noch nie ein Kind verletzet,Küßte lindernd deine Nippe,Und du trankst auch eine Zähre,Die um mich sie hat vergossen,Federchen nicht mehr begehre,Du hast Lust und Leid genossen,Schwarz will ich dich nie betinten,Tinte ist so herb und bitterUnd ein Linderkuß gleicht lindenRosen um ein Perlengitter.Komm und schreib:Mit meinem Blute,Das die Linde hat versüßet;O du liebe, süße, gute!Sei vom treusten Herz gegrüßet,Das an deinem Herzen ruhteUnd gerungen und gebüßet,Und geküßt die scharfe RuteWie ein Kind, als sie erblühteUnter deinen linden Händen;O du Überfluß der Güte!Willst du nicht dein Werk vollenden?Lasse doch die DornenhiebeRosen deiner Seele tragen,Daß mein Blut sich Ruh' erschriebe:Laß die linde Lippe sagen:«Ich vergebe, denn ich liebe!»
17. Januar1834 (Frühwald 1968)
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Ein Becher voll von süßer HuldUnd eine glühnde UngeduldUnd eine arme trunkne SchuldSie lehren mich zu flehen!
Du Becher voll von süßer HuldVergib der glühnden UngeduldVergib die arme trunkne Schuld,Die ins Gericht will gehen.
Den Becher voll von süßer HuldDarf heut die glühnde UngeduldZur Buße armer trunkner SchuldNicht sehn, und möcht vergehen!
Das freut den Becher süßer HuldDas schmerzt die glühnde UngeduldDas straft die arme trunkne SchuldMit bittern, bittern Wehen.
O Becher voll von süßer Huld,Woll' nicht die glühnde Ungeduld,Ob ihrer armen trunknen Schuld,Die heute büßt, verschmähen.
Fließ über Becher süßer Huld,Werd Asche glühnde Ungeduld,Die mag die arme trunkne SchuldGemischt mit Tränen säen.
Auf daß du Becher süßer HuldUm dich in Schmerzen der Geduld,Still auf dem Grab der armen SchuldDie Lilie kann erstehen.
Die Lilie, die voll süßer Huld,Du sahst im Garten der GeduldMit Stern und Engel ohne SchuldDu leuchten hast gesehen.
1834 (Schultz 1995)
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Fortsetzung von Hölderlins Nacht
I.
Aber sie tröstet mich nicht, sie kennt mich und nahet mit BangenWie dem Gefangenen strenge der Wächter sich nahtUnd sie reicht mir den Becher, daß ich mit Tränen ihn fülle,Legt einen Stein mir aufs Herz, daß ich ihn weiche zu Brot,Und als der Becher erfüllt, stößt sie ihn um, und die LampeLöscht sie und traurig [ja wohl fällt] wie ein Schleier mir auf dem glühenden HerzenTauschwere Locken voll Duft, du trunkene Blüte der Lippe,Stummer Kelch rede, wer schickt dich, du glühender Odem,Saget, wo ruhet mein Haupt, so müde, so selig gewieget,Fein ist dies Kissen geschwungen, der Fels, ach unschuldigElfenbein duldet kein Gift, ruh sanft du gegeißeltes Herz!Unter der Wange, ich fühl es, und bebe, des HimmelsSchlüsselbein bist du, die Not! weint an verschlossener Tür –
Wohl dann ihr treuen Augen, mitleidige Bettler des Lichtes,Sehet und sucht einen Quell, sucht einen Strahl, einen Klang –Stumm ist es rings, und Nacht, und Durst und Liebe und Sterben!Über mir schweiget ein Himmel, heiliges Antlitz verschleiertEinsam blickt sinnend ein Stern, sein Bruder blinkt jenseitsUnd es weidet mein Blick im Paradies, dem verschloßnenAch und die Wimper auch sinkt, schlaf süß, du liebliches KindSieh nächst deiner Wiege, die Blume, die glühende RoseGlühet und blühet und schweigt, spricht das Geheimnis doch aus.
Lippe der Wahrheit du lügst nicht, du sprichst, ich werde geliebetSprichst es schweigend so spricht süßes Bewußtsein im BlickUnd lächelst so freundlich, da flöten Töne sehnsüchtig, so flehetEinsam ein Vogel im Schilf, flehet die Liebe im Traum,Liebliche Blumen blühn vor dir, sie wollen das Haupt dir bekränzenUnd es hüpfet ein Kind vor dir dein.unschuldiges Herz.Braun ist sein Röckchen, es hat versteckt in der Tasche die Händchen.Drehet den Rücken dir zu und hüpft, ach könnt ich es haschen,Eine Klein-Kinder-Anstalt würde mein liebendes Herz!
Süß Lieb, schwarzlaubige LindeMein Friede ruht bei dir,Gieb Schutz dem armen KindeHut meine Liebe mir.
Süß Lieb, du reife Gold GarbeDaß Gott sich mein erbarmIch hungre zum Tod und darbe,Und trage den Segen im Arm
Süß Lieb, viel goldene KörnerSie fallen mir brennend aufs Herz,Ich suche durch Distel und DörnerUnd sammle dir alle mit Schmerz
Süß Lieb, das Körnlein, das KleineDas Einzige, pflanz mir zum LohnAm Herzen, wenn wieder ich weine,Da wächst es zur Goldähre schon.
Süß Lieb, die Vögel sie tragenAch all deine Körner zu(m) Nest,Ich muß ja am Leben verzagen,Und halte dies Körnlein mir fest.
Süß Lieb, und hast du genicket,So war es ein Eid auch so gleichUnd hast du ins Äug mir geblicket,So war ich ein Körnlein auch reich!
Süß Lieb, schwarzlaubige LindeMein Körnlein bewahr es mir feinDer Liebe, dem WaisenkindeDer gebe den Zehnten allein.
Also sang ich, es hüpfte lustig das Kind nach dem TakteStumm war mein Leid und dein Mund lächelte all deiner WeisheitAch ich kenne dich wohl, Traum ist deine Name du Glück,Schwermut heiße ich, es schlummert ein Traum mir am Herzen,Alles ist Nacht, ist öde, ohne Hoffnung spannt das Meer sich hinaus,Und doch fasset der Arm hier, o Traum, die liebliche Garbe,Doch ruht die süßeste Hand, kühl.Höret mich, schreiet mein Herz, hört mich, die etwa ihr lebet.Süße Wunder der Tiefe, Sirenen, Sibyllen der FlutO erbarmt euch und nehmt mir von der StirneDen Traum –Und nun hebt sich die Woge, es stürmt, ich fasse die GarbeBanger ans glühende Herz, sinkt sie, so sink ich mit ihr.Sieh da tauchen zwei Schwestern, Kinder des Meeres hervor,Lieblich und heilig und töricht und ernst,Flamme (?) und Wasser und Glanz (?) und – fluthBeide so blank wie Frau Venus, wie sie der WogeEinet (?) ein Leib und der Fisch beginnt wo die Weissagung ruhtZwillinge lieblich und ernst und töricht mutwillig getrennetBlühen sie mit doppel. . .
II.
Ach und sie tröstet mich nicht, ich kenn' sie, ich laure, sie nahetWie zum Gefangnen sich schleichet der Wächter heranHier ist ein Becher so spricht sie fülle ihn ein (?) dir mit TränenHier diesen Stein nimm aufs Herz daß er dir werde zu BrotUnd ist der Becher erfüllet stößt sie ihn um und die LampeLöscht sie und senkt mir aufs Haupt heiß ihren Schleier den Traum –Tauschwere Locken voll Duft ihre trunkenen Blüten des MundesLispelt verstummender Kelch glühender Odem, o sprich –Sagt mir wo ruhet mein Haupt so müde so selig gewieget –Fein wie dies Bettchen sich schwingt wölbt sich kein Fels, UnschuldigElfenbein duldet kein Gift, Ruh sicher gegeißeltes Herz!Küsse den Schlüssel o Not!, wein vor verschloßener TürUnter der Wange dir ruhet des Himmels Schlüsselbein drückend.Drinnen pochet ein Herz, sprudelt ein glühender Quell,Drinnen sind Freude und Lust und Unschuld und jauchzende KinderWerfen die Blumen sich zu, die nie der Tod hat geküßtWohl dann ihr treuen Augen, umirrende Bettler des LichtesSucht einen Trunk meiner Not, sucht einen Strahl einen KlangStumm ist es rings und Nacht und Durst und Hunger und LiebeRingen nach kühlendem Tau schmachtend die Hände hinaus,Und an des schweigenden Himmels süß seltsam verschleiertem AntlitzSinnet ein Doppel Gestirn, Rätsel sehnsüchtiger Nacht,Weinend weidet mein Blick am Paradies dem VerschloßnenWenn der Stern sich verhüllt, grüßt (?) er ein schlummerndes Kind,Und des unschuldigen Mund stumm sagende BlumeSchweiget, doch blühet und glüht keusch das Geheimnis auf ihmLippe der Wahrheit, du lügst nicht, du sprichst: Ich werde geliebetHeiß geliebet, o Lust! – lieb ich gleich eigentlich nicht.Wohlich flötet die Lippe lieblich sehnsüchtig, so flehetEinsam ein Vogel im Schilf, wiegt ihn die Liebe im TraumBlümchen, ihr Kleinen, seid lieblich, flüstert sie, tippt mit dem FingerRote und blaue gar lieb, kommet ihr Blumen zu mirAch und das drollichte Kind dort, wie hüpft es so lustig, unschuldigDrehet den Rücken mir zu, läßt nicht sein Angesicht sehnBraun ist sein Röckchen, es hat versteckt in die Taschen die Händchen,Und ich flüstre, dies Kind bist ja du Heimliche selbst,Fange mirs, mir wills entlaufen, sieh hier im Herzen verstecktHalt ich dem Engel allein eine Klein-Kinder-Anstalt.Lieben kann ich, nicht wahr? und spielen und harren geduldigUnd auch wohl singen ein Lied, horche du heimliches Kind
Schweigend sang ich dies Lied, fort hüpfte das Kind nach dem Takte,Abgewendet sein Haupt, weh mir! vielleicht auch das Herz!Stumm wird mein Lieb, und verbirgt sich mir an dem schreienden HerzenWeh mir! ich kenne dich wohl – Traum ist dein Name, du Glück!Und die glühende Schwermut wiege weinend dich Traum in den ArmenHoffnungslos spannet die Nacht, öd wie ein Meer sich mir aus.
Und doch umfasset mein Arm, o Traum, deine lieblichste Garbe,Und die süßeste Hand, schließt mir den flehenden Mund,Aber nun schreiet die Not, hör mich, so etwa hier lebetUnter der Woge ein Herz, unter den Hügeln ein Schatz,Wunderwesen der Tiefe, Sirenen, des Meeres Sibyllen,Nahet barmherzig und nehmt mir von der Stirne den TraumUnd schon wallet die Woge, es stürmet, ich fasse die GarbeBanger ans liebende Herz, gönne kein Körnchen dem SturmUnd es hüpfen empor zwei Schwestern, Gespielen des LebensDort wo die Weissagung wohnt, eint sie und trennt sie der FischZwillinge sind sie geboren als Flamme und Woge sich küßtenHoben den doppelten Kelch beide der Liebe emporKindisch und weise und heilig, und töricht mutwillige JungfraunWiegt sie die glühende Flut, zweie vereintDoppelsirenen vereinet wieget euch beide ein Leib.Eine von beiden heget ein Herz nur, die andreSeufzet und lebt nach dem Schlag, der in dem Schwesterchen zuckt,Grüß euch das Licht, ihr Sibyllen weissagende Kinder des Herzens,Euch bei dem Gotte beschwör ich, der Brüste der Jungfrau gesogenLöset das Rätsel mir auf, nehmet mein Leben zum Sold, –Und nun zog michs, ich durfte ruhen inmitten der Kinder,Dort wo die Weissagung wohnt, sah ich mich selber im BildHörte sprechen die beiden sibyllische Worte, sie sangen dem ZweifelDer zwischen Liebe und Not, hungernd die Garbe umarmt,In Lieb? – In Lust? – im Tod? – verschmachtet? trunken? –Ob Odem von der süßen Lippe fließt?Was ists, das der gefallne Becher gießt?Hat Gift, hat Wein, hat Tränen sie getrunken?Kein Öl, die Lampe, oder keinen Funken?Ob ihr ein Gott? ein Krampf? den Mund verschließt?Ob rings nur Dorn? ob keine Rose sprießt,Ist an ein Herz das andre hier gesunken,Sag? diese Arme wollen Flügel werdenNein Falten sind es – Leichentuches FaltenUms süße Haupt strahlt Glorie – zerraufte Haare!Sink nieder, Nacht! nein! Blitz strahl zu der ErdeDeck zu, erleucht des Zweifels PeingestaltenVerhüll, enthüll das Rosenbett, die Bahre.
Also ernst sang die Rechte, die Linke aber des HerzensSüße Gespielin zugleich sang einen milderen TonIn heißer Lieb ist Witz und Geist ertrunken,Einfältige Wahrheit von den Lippen fließtSeit Linde Hand die schreinde Wunde schließtEin Kinderherz ans andre ist gesunken –Die Wunderlampe strahlt von HimmelsfunkenSeit dieses Herz von Segen überfließtEin Rosenlicht rings von den Dornen sprießt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . trunkenDaß diese Arme reine Flügel werdenWill sie die Flut verirrten rein entfaltenUnd einst zur Glorie . . . . . . . . . . . . . HaarenDann sinkt der Himmel sehnend ab zur ErdenUnd durch ihr liebend treues Gottes WaltenMacht sie zum Rosenbette diese Bahre
Entstanden 1834 (Boëtius 1985)
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Der erste Abschnitt von Hölderlins Elegie «Brot und Wein» war unter dem Titel «Die Nacht» in Seckendorfs Musenalmanach für das Jahr 1807 erschienen. Im folgenden Höldelins Text, so wie Brentano ihn kannte:
Rings um ruhet die Stadt. Still wird die erleuchtete Gasse,Und mit Fackeln geschmückt rauschen die Wagen hinweg.Satt gehn heim, von Freuden des Tags zu ruhen, die Menschen,Und den Gewinn und Verlust wäget ein sinniges HauptWolzufrieden zu Haus; leer steht von Trauben und Blumen,Und von Werken der Hand ruht der geschäftige Markt.Aber das Saitenspiel tönt fern aus Gärten; vielleicht, daßDort ein Liebendes spielt, oder ein einsamer MannFerner Freunde gedenkt und der Jugendzeit; und die BrunnenImmerquillend und frisch rauschen an duftendem Beet.Still in dämmriger Luft ertönen geläutete Glocken,Und der Stunden gedenk rufet ein Wächter die Zahl.Jezt auch kommet ein Wehn und regt die Gipfel des Hains auf,Sieh! und das Ebenbild unserer Erde, der MondKommet geheim nun auch, die schwärmerische, die Nacht kommt,Voll mit Sternen, und wohl wenig bekümmert um unsGlänzt die Erstaunende dort, die Fremdlingin unter den MenschenÜber Gebirganhöhen traurig und prächtig herauf.
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Ach hätt ich doch kein Schiff erblickt,Ach wär ich einsam doch geblieben,Die Sehnsucht hat dich her geschicktMein Unwert hat dich fort getrieben,Dein Segel hat mir zu genicktNun muß ich ewig hungernd liebenDu hast die Hoffnung mir entrückt,Nun muß ich einsam Marter üben,Die Liebe muß ich einsam bauenUnd nach dem fliehnden Segel schauen.
Entstanden 1834 (Boëtius 1985)
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Geben, nehmen, und verschwenden,Tausend Wahrheit auf ein Lot,Ach wohin, wohin mich wenden,Vor der Fülle in der Not,Vor dem Finstern, vor dem Blenden,Vor dem hart versteinten Brot,Das mir kann die Milde spenden,Die mir kaum Vertrauen botUm sich starrend abzuwenden
Entstanden 1834 (Boëtius 1985)
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14 – 15. April 1834
Vogel halte, laß dich fragenHast du nicht mein Glück gesehnHast du's in dein Nest getragen,Ei dein Glück, ei sage wen?
Eine feine zarte RebeUnd zwei Träublein FeuerweinDrüber Seidenwürmer GewebeDrunter süße Maulbeerlein
Hier hab ich's im Arm gewiegetHier am Herzen drückt ich's fest,Lieblich hat sich's angeschwiegen.Und du Vogel trugst's ins Nest.
Armer, Mann, dein Glück ich wette,War ein Liebchen und kein StraußGing aus deinem Arm zu BetteUnd du gingst allein zu Haus.
Meinst du? – Nun so sag mir QuelleHast du nicht mein Glück gesehnTrug's ins Meer nicht deine WelleEi dein Glück, ei sage wen?
Eine tauberauschte RoseUnd zwei RosentöchterleinFrühlingsträume ihr im Schoße,Wachten auf und schliefen ein.
Hier am Herzen hat's gehauchet,Süßen Duft, Goldbienen schwerSind die Küsse eingetauchet.Fort ist's – Ach du trugst's ins Meer
Armer Mann, dein Glück ich wette,Linder war dein RosenlosGing aus deinem Arm zu BetteHeim trugst du die Dornen bloß.
Meinst du, will ich Taube fragen,Hast du nicht mein Glück gesehnNicht ins Felsennest getragen?– Ei dein Glück! – ei sage wen?
Eine goldne Honigwabe,Süßen Seim und Wachs so reinAller Küsse BlumengabeSchlossen drin die Bienen ein.
Ach ich trug es an die LippenDuftend, schimmernd, süß und lindDurft ein bißchen daran nippenWar doch ein verwöhntes Kind.
Armer Mann, dein Glück, ich wette,Linder war's, als Honigseim,Ging aus deinem Arm zu Bette,Und du gingest einsam heim.
Meinst du? – will ich Echo fragen,Hast du nicht mein Glück gesehn,Und willst allen wieder sagen?Ei dein Glück, ei sage wen?
Einer Stimme süßes KlagenLocken, Flüstern, Wonn und Weh,Nachtigallen TraumeszagenBitte, bitte, geh o geh!
Mir am Herzen hat's gewehetAlle Wonnen, allen Schmerz,Wie ein Kinderseelchen flehetUnter süßem Mutterherz!
Armer Mann! dein Glück, ich wette,War ein linder träumend Wort,Fleht' aus deinem Arm zu Bette,Du gingst einsam dichtend fort.
Meinst du. – Muß ich Rose fragen,Hast du nicht mein Glück gesehnBirgt dein Schoß nicht süßes Zagen.Ei dein Glück: Ei sage wen!
Süßes Duften, wachend Träumen,Hülle, Fülle, süß und warmBienenkuß an Rausches SäumenIrrend, suchend, Rausches arm.
Hier am Herzen hat's geblühet,Meine Seele süß umlaubt,Liebe hat mein Blut durchglühet,Hoffnung hat doch nicht geglaubt.
Armer Mann, dein Glück ich wetteLinder war's, als TrunkenheitGing aus deinem Arm zu BetteDu gingst einsam, kühl, es schneit.
Meinst du, frage ich die Sterne,Habt ihr nicht mein Glück gesehn?Sterne sehn ja Augen gerne.Ei dein Glück? ei sage wen?
Lockennacht an HimmelsstirneSinnend, minnend Doppellicht,Augen blitzend Glücksgestirne,Andern Sternen folg ich nicht.
Sah's von Tränen tief verschleiertSah's von Sehnen tief durchglühtSah's durchleuchtet, sah's durchfeuertSah's wie Liebe blüht und flieht.
Armer Mann, dein Glück ich wetteWar ein linder Augenschein,Ging aus deinem Arm zu Bette,Durch die Nacht gingst du allein
Meinst du, muß die Lilie fragenHast du nicht mein Glück gesehnReimt sich dir, doch darf's nicht sagen.Ei dein Glück, ei sage wen?
Eine, eine, sag nicht welche,Stand im Gärtchen nachts alleinSah o Lilie! deine KelcheÜberströmt von Lichtesschein.
Hat von Lilien, Engeln, SternenSchon an meiner Brust geträumt,Alle Nähen, alle FernenMir mit Dichtergold gesäumt.
Sel'ger Mann, dein Glück, ich wetteIst Emilie, fein und liebGing aus deinem Arm zu BetteDir des Traumes Goldsaum blieb.
Meinst du, muß Emilien fragen,Hast du wohl mein Glück gesehnHast du's in dein Bett getragen?– Ei dein Glück, o sage wen?
Ein Süßlieb, schwarzlaubge LindeSchwüle, kühle, süße Glut,Feuermark in Eises RindeHüpfend Kind in freudgem Blut.
1834 (Schultz 1995)
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Als ich in tiefen LeidenVerzweifelnd wollt ermatten,Da sah ich deinen SchattenHin über meine Diele gleiten,Da wußt ich, was ich liebte,Und was so schrecklich mich betrübte,O Wunder aller Zierde,Du feine ernste Myrte.
14./15. April 1834 (Schultz 1995)
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7. Juni 1834.Aus einem Briefe nach Karlsbad
Was heiß aus meiner Seele fleht,Und bang in diesen Zeilen stehtDas soll dich nicht betrübenDie Liebe hat es ausgesäetDie Liebe hat hindurchgeweht,Die Liebe hat's getrieben
Und ist dies Feld einst abgemäht,Arm Lindi durch die Stoppeln geht,Sucht Ähren, die geblieben,Sucht Lieb, die mit ihr untergeht,Sucht Lieb, die mit ihr aufersteht,Sucht Lieb, die ich mußt lieben!
7. Juni 1834 (Schultz 1995)
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Es sprach die edle DameVon Ahlefeld mit Name,Voll Herz und voll Verstand«Nie hat er Maß gekannt.»O möchten sie's erkennenUnd selbst sich sagen könnenDaß ich ganz anders bin,Nach ihrem Wunsch und SinnNie sein kann hier im LebenMein Wesen kann nur strebenNach ruhiger Entwicklung,Geordnet ohn Verwicklung!Mir passen keine Sprünge,Sie werden mir zur Schlinge,Sie bringen mich in WirrenUnd machen mich verirren.
Ihr Weg kann mich nicht frommenKann nicht drauf vorwärtskommenAuf Boden, der so glühetEin Blümchen schnell wohl blühet.Doch bald sein Köpfchen hanget –Wie Glut, Vulkan, sie speienWie soll da je gedeihenDas Alpenblümlein klein?Leb wohl mein Brüderlein!
Lehrt ich es girrigirrenUnd hin und wieder schwirren –Pflanzt ich's in alle Ecken,Zog ich's durch Dorn und Hecken –Ließ ich es galoppierenLehrt ich's philosophieren,Tiefsinnig weil narkotisch,Christminnig weil erotisch!Führt ich's zu HeiligtumenWo nicht die AlpenblumenNein Belladonna wachsen –Wo mit des Wagens AchsenDer sie zum Sabbath führtDie eitle Weltlust ziert.
Wer drang durch SteingerölleDurch wilde Wasserfälle,Durch Distel und durch Dornen,Wer ließ sich blutig spornenWelch Blut schrieb Weh und WehRot in den Alpenschnee.Bis zu der Kindheit Schwelle,Bis zu der reinen QuelleBis zu der AlpenwieseBis zu dem Paradiese –Wer schritt vom glühen KraterZu deiner Mutter, VaterZu Jungfer JakobeLieb Alpenblümlein geh!
Ach wolle doch begreifenSo schnelle als da reifenDie schwachen LedernelkenSo schnelle sie auch welkenWenn sie auf lockerm GrundeGewühlt stets in die RundeEin Preis für alle StürmeUnd jegliches GewürmeAn dürrem GnadenbronnenVersengt von ZweifelssonnenSich keinem Lichte weihenUnd darum nicht gedeihen.
Ich glaubte auf der HöheIm Ländchen von VaduzIm kühlen AlpenschneeDa suchte ich einst SchutzDa kamst du PortantineMit deiner BlumenmieneUnd zündetest mich anDa stand dir ein Vulkan.
An deinen feinen SohlenTrugst du herauf die Kohlen,Von deines Glühens FunkenWard ich so feuertrunken,Die Schlacken . . .
Und wenn ich krank hier liegeSo ist's, weil ich zur WiegeVom Krater dich getragen,Du darfst das Kind nur fragen,Das redet viel gelinderAls jene Fräulein LinderOft wird, wie zu scharf schartigZu artig redensartigZarts Alpenblümchen feinAddio Schwesterlein.
11. Juni 1834 (Boëtius 1985)
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22. Juni 1834.Nach Karlsbad
Den ersten Tropfen dieser Leidensflut,In der ich wehrlos, elend bin ertrunken,Und auch von dieser grimmen Glut,Die all mein Sein verzehrt, den ersten Funken,Des Traumes Blumenrand, wo ich geruht,Eh in des Schmerzes Abgrund ich gesunken.Das erste Tröpflein von dem Feuerblut,In das ich wagt, den Finger einzutunken,Um wehe mir! mit irrer WutAn Leib und Seele liebeszaubertrunkenVon mir zu schleudern, weh! mein letztes Gut,Und weh! mit meinem Elend noch zu prunkenVor meiner Seele, arger Übermut!– Ich kenn das all, schiffbrüchig auf dem MeerSchwimmt drohend es in Trümmern um mich her.Weh! – der Syrene nackte Schulter blank,An der gescheitert ich den Sinn verloren,Zuckt dort empor und weh! – das Leibchen schlank,Das kranke Herz, das mich zu Tod geboren,Die Hand, die mich getauft, genährt mit Zaubertrank,Sie hebt sich drohnd – es schallt zu meinen Ohren:«Mein lieber armer Freund! wie krank! wie krank!Horch! Schlummerlied vom Schicksal eines Toren,Viel hättest du mir helfen, nützen können,Nun muß die Flut, die uns umarmt, uns trennen,Die Woge die mich kühlet, dich verbrennen!»
Auf wundenvoller StraßeMußt du gespenstend gehen,Wo dir mit allem MaßeIch Quelle aller Wehen,Ich Welle aller Wonnen,Die Adern hab durchronnen.
Wo mich, die dir vertrauet,Du schmählich hast verloren,Wo, was du kaum erbauet –O schon' des kranken TorenSchlaf, schreiendes Gewissen! –Du nieder hast gerissen!
O Platz der Promenade!Haus, gelb mit zweien Pforten,Da fandst du Recht für Gnade,Bist hingerichtet worden,Wo du dich hast verschuldet,Hast du dein Recht erduldet.
Dein Geist hat keinen FriedenNach deinem Tod gefunden,Er muß mit ewgem SiedenDer Tränen mich umrunden,Weil Flammen er erweckte,Die kühle Woge deckte.
Weh Flammen, grüne Flammen,Die nun mit blinden TriebenDem Holze neu entstammen,Das er zur Glut gerieben,Und wenn es wieder grünet,Ist er noch nicht versühnet.
Und wenn es wieder blühetUnd weiß von Blüten kühlet,Und heiß von Früchten glühet,Ein Feuer dich durchwühlet,Das Feuer meiner Triebe,Das Feuer deiner Liebe.
O Herr, hör laut im TraumeDie arme Seele wimmern,Ach laß dir aus dem BaumeFür sie ein Kreuz doch zimmernUnd richt es auf am Pfade,Wo sie verlor die Gnade!
Schreib drauf, weil er erwühletDie Glut, die ich bedecket,Er nun die Flammen fühlet,Die selbst er hat erwecket,Bis Glut von meinem HerdeEinst diese Glut verzehrte.
Und bis die PromenadeEin Saatfeld goldner KörnerEin Erntefeld der Gnade,Und rings im Zaun nur Dörner,Und bis dies Kreuz wird blühen,Muß diese Seele glühen
Bis dahin betet alleFür diese arme Seele,Daß sie nicht tiefer falleUnd still die Tränen zähle,Bis Herzblut der SyrenenHeiß wird, wie Reuetränen.
Und als sie so gesungenEin bißchen süß gegaukelt,Und sich herum geschwungenGeschlungen und geschaukeltRief sie: Gut Nacht mein BrüderchenAddio! schreib, mach Liederchen.
Nun streifet mein GebieterchenSchon ab das feine MiederchenUnd streckt die reinen Gliederchen,O Engel seine Hüterchen,Deckt sie mit dem Gefiederchen,Und singt ihr kleine Liederchen,Baut eure keuschen NesterchenUnd legt ein englisch PflästerchenAns Herz dem neuen Schwesterchen,Daß es, was gut es eingeschnürt,Nun aufgeschnürt nicht gleich verliert!
22. Juni 1834 (Schultz 1995)
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14. Juli 1834
Ich weiß wohl, was dich bannt in mir,Die Lebensglut in meiner Brust,Die süße zauberhafte Zier,Der bangen tiefgeheimen Lust,Die aus mir strahlet, ruft zu dir,Schließ mich in einen Felsen ein,Ruft doch arm Lind durch Mark und Bein:Komm, lebe, liebe, stirb an mir,Leg dir diesen Fels auf deine Brust,Du mußt, mußt.
14. Juli 1834 (Schultz 1995)
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Im Wetter auf der HeimfahrtAm Dienstagnacht des Winters von 1833-34gegeben 17. Sept. 1834
O du lieber wilder RegenO du lieber Sturm der Nacht,Da der Finsternis entgegenIch mein Licht nach Haus gebracht.
Sturm du warst ein Bild des Lebens,Licht du warst der Liebe BildDas im Drang des WiderstrebensLeuchtet unter Jesu Schild.
Doch ich bebe, zieht so brausendSpät der Sturm mir noch durchs Haar,Treibt das welke Laub mir sausendNoch im Kreis um den Altar.
Meine Lampe flackert, lecket,Rußt die blanke Leuchte an,Zuckend hin und her geschrecketZeigt ihr Schein mir irre Bahn.
Gleich' ich doch dem armen Schwimmer,Der zum teuren Ziele ringt,Den verführt von falschem SchimmerBald das wilde Meer verschlingt.
Alles hab' ich sinken lassen,Sinken alle Lust der Welt,Eines treu ans Herz zu fassen,Was mich über Meer erhält.
Eine Gott gefallne BlüteTrägt und hebt mein brennend Herz,Treib o Woge die verglühteAsche endlich heimatwärts.
Aber diese Blüte kühletEwig mir die heiße Glut,Nie verzehrt, die in mir wühlet,Mich der Flamme irre Wut.
O ertränk' mich wilder Regen,Schleudre mich du Sturm der NachtEinem scharfen Fels entgegen,Daß mein schwerer Traum erwacht.
Wind und Wasser um mich zanken,Auf den Bahnen wankt das Licht,Schwarze Wolken der GedankenStürzen vor das Weltgericht.
Soll ich fliehen, soll ich bleiben,O unnennbar liebes Gut!Wolle mich zum Ziele treiben,Wo die ganze Hoffnung ruht.
Alles, was, im Sturm zu schiffenEinst mein banger Arm umfaßt,Treibt um mich, der selbst ergriffenSchwebt ohn' Steuer und ohn' Mast.
Eines ist mir nur geblieben,Eines, das ich nie verlor,Ein unsterblich treues LiebenReißt mich überm Meer empor.
Heil dir, die des Sturmes ZügelMir mit Kinderhänden lenkt,Und die reinen HimmelsflügelSegelnd durch die Nacht hin schwenkt.
Immergrüne DornenkroneDie die Rosen seelwärts flicht,Daß der Leib, aufschreit, o schone!Und der Geist in Wonne bricht.
Ja ich trag' dich dicht am Herzen,Du zerreißest mir die Brust,Doch die Nesselglut der SchmerzenDeckt mir eine heil'ge Lust.
Selig, gehst du treu zur Seiten,Schweb' ich durch die Wetternacht,Ist es doch ein süßes Leiden,Wenn die fromme Lippe lacht.
O unnennbar lebend Sterben,Himmelsbrot in Erdennot,Lachen in uns selbst die Erben,Macht der Tod die Wangen rot.
Tagsanbruch im Augenbrechen,Glühnden Durst machst du zum Trank,Dornen blühn, wenn Rosen stechen,Erdenheil ist himmelskrank.
Wer bist du? mit müden HändenFasset dich ein letzter Traum,Als die Nacht sich wollte wendenTratst du hell ihr auf den Saum.
Lichtes Sprosse – Himmelsleiter,Flüßchen steig' allein nicht auf,Öffne doch die Türe weiter,Treibe meinen müden Lauf.
O süß Kind, Geliebte, Schwester,Schatten, Leben, Leid und Lust,Alle Vöglein haben Nester,Und mein Herz hat eine Brust.
An der Türe angekommenSprachst du mir ein freundlich Wort,Hättst mich gerne aufgenommen,Doch mein Richter trieb mich fort.
Kann ich einst zu ruhn verdienenMit dir unter einem Dach,Summen über uns die BienenAuferstehungsblumen wach.
Blumenaug' im MorgengrauenTraumberauscht von TränentauWirst du nach dem Bruder schauenPerlen wiegend auf der Au.
Wirst süß duftend nicken, blickenFlüstern zu des Gärtners Hand,Sollst den Armen mit mir pflückenHab' zum Tod ihn treu erkannt.
Ja wenn ich erst kann verdienen,Unter deinem Dach zu ruhn,Ist der Morgen schon erschienenAndres bleibt mir noch zu tun.
Muß noch einsam ringend steuernDurch die wilde Wetternacht,Bis zu allen FegefeuernMir dein Flügel Kühlung facht.
O zu selig, daß ich ArmerStehe in so edler Pein,Daß ich ewig den ErbarmerSeh' in des Gerichtes Schein.
Und so bin durch Wind und WogenIch wie ein verlornes KindDurch die Blumen hingezogen,Daß ich dir ein Sträußlein bind',
Und der Strauß den ich gepflücketIst das sturmverwirrte Lied,Würd' er an dein Herz gedrücket,Dann wär' er dem Herrn erblüht.
Als ich ihr dies Lied gelesenWard ich arm und todeskrank,Ach und bin noch nicht genesenDenn ich trank den Zaubertrank.
17. September 1834 (Kemp 1978)
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Im achtzehnhundertvierunddreißigsten JahrAls arm Lindi in Basel warDa naht der Tag, daß die geborenAn die der Pilger sein Herz verlorenDer neunzehnte Oktober gut,Da war dem Pilger gar schwer zu MutEr saß allein im BayerlandSüß Lieb am fernen Rheinesstrand,Er dachte hin und dachte herDie Welt war leerSein Herz war schwer,Und wie er denket, wie er sinntEr wollte erfinden ein BußgebindDem feinen, goldnen KindeSüß Lieb schwarzlaubige Linde.Da nahm er Kohle und zeichnet ein BildDa ward ihm sein Herz mutwillig und wildUnd aller Witz und aller SchmerzStürzten ihm an das vereinsamte Herz,Und er zeichnete lachend wohl Tag und NachtUnd hat dies Bild da zustand gebracht.Aber er konnt (es) nicht fertig vollendenUnd mußte sich selber nach Basel wenden,Da war er glücklich und selig ganzEr war bei der Lieben und ihrem Kranz,Und sie zeigte ihm ihre süße (?) Gespiel,Das ihm mehr als sein Leben gefiel.Und der Eltern Haus, wo sie geboren ward,Da hat alles eine gar . . . . . . . .Denn sieht man dort zum Fenster hinausSieht man gleich die drei Könige vor dem WirtshausSie wollen was bringen dem KindeSüß Lieb schwarzlaubige Linde.Auch war ich in dem Kämmerlein,Wo gehauset das süße Lämmerlein,Wo es sein Wesen tat übenKein Wässerlein jemals betrüben,Studieren und malen und dichtenKorrespondieren und . . . . . . . Pflichten.
An der Wand wars . . . . . . . . . . WandIn der Harfe spielend mit zarter Hand –Aber traurig wars jetzt im GemacheDa nistete ein übler DracheDer hat gefressen dem LammeleinSein schwaches hinfälliges Schwesterlein.So hat ich in Basel viel Schmerz und LustUnd hab wieder einsam fortgemußt –Und sie gab mir (ein) Kissen, das bei ihr liegt,Drauf hab ich mein Leiden nach Haus gewiegt.
Oktober 1834 (Boëtius 1985)
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Denke bei der NudelrolleDaß du eben wirst und weichWolle rollen dich die MolleBis du wirst ein Linder Teig.
Denke bei dem Brett der NudelnMolle rollt den Teig drauf aus,Nudeln werden nur durch HudelnGleich ihr selbst, fein, zäh und kraus.
Denke bei dem KinderstühlchenMolle sitzest zu Gericht,Rühr nicht an das SomnambülchenDaß es dir den Stab nicht bricht.
Bei dem kleinen Korbe denkeMolle gab ihn zwanzig malBlos in Basel zum GeschenkeUnd im Ausland ohne Zahl
Denke bei dem ReibeeisenWer Rettich (?) und Zucker reibtMolle, daß das scharfe BeißenSüßer stets und Linder bleibt
Denke bei dem StiefelknechteStiefelchen liebt Molle sehr,Schnürt das linke, schnürt das rechteDoch der Knecht ist ihm zu schwer.
Denke, allzu scharf macht schartigBei der Säge scharfem Bart,Allzu artig redensartig,Beides werde dir gespart,
Bei dem Salzfaß denk daß MolleWeil das Fleisch so leicht verdirbtDeine Liebe salzen wolleEh sie an den Wunden stirbt
Nimm dir an dem HanfknirschstempelVogel, der im Hanfe sitzt,Der Zerknirschung ein Exempel,Steinhart war dein Herz bis izt –
Denkst du wo der Schuh dich drücket,Denk' bei dem Schuhlöffelchen:Unter dem ich steh, gebücketKüß ich das Pantöffelchen
Fasse bei dem HenkelkübelDie Gelegenheit beim Schopf.Tröste dich, dir geht's nicht übelWasche Lind mir nur den Kopf.
Denk, dem Baum den Stiel zu findenKein Baum fällt auf einen Hieb,Hieb und Hieb dringt durch die RindenUnd zum Herzen Lieb und Lieb.
1834 (Boëtius 1985)
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Gleich der Lilie, die erhöhetUnter Dornen leuchtend steht,So die Freundin rein erhöhetUnter andern Töchtern steht.
Wie die Lilie leuchtend strahletKlar und rein und ohne Schuld,Steht Maria lichtdurchstrahletVon des Himmels Gnad und Huld.
Dornen viel aus ihrem StammeTrafen sie in ihrem Sohn,Doch des Herzens reine FlammeGab für Bittres süßen Lohn;
Denn wenn sie die Dornen spornen,Duftet sie nochmal so süß,Drum als Lilie unter DornenSie das hohe Lied auch pries.
In der Lilie sieben SpeereTragen goldne Körnlein lind,Weil des heilgen Geistes EhreSiebenfach in Strahlen rinnt.
Nieder sind sie reich getauetZu des ewgen Königs Sohn,Als er liebend hat gebauetIn der Lilie seinen Thron.
Einst auch strahlt zur letzten Stunde,Wenn er uns zu richten kehrt,Aus des ewgen Wortes MundeRechts die Lilie, links das Schwert.
Rechts die Lilie, die Gnade,Links das Schwert, gerecht und streng,Links hin führen breite Pfade,Rechts hin Pfädlein, schmal und eng.
O du Lilie unter Dornen!O du Mutter gnadenvoll!Lasse mich durch Leiden spornen,Wie ich rechts hin wandeln soll.
Gut wohl ist es mit den FrommenFromm zu sein, mit Reinen rein,Aber es ist hoch vollkommen,Unter Dornen Lilie sein.
Drum in Dornen hoch erhöhetDie geliebte Lilie blüht,Die da für die Sünder flehet,Bis das Heil sie niederzieht.
Bis aus ihr, dem Kelch der Gnade,Stieg des heilgen Geistes Frucht,Jesus, der auf dorngem PfadeDas verlorne Schäflein sucht,
Der da durch die Dornen dringetNach der Lilie, nach der Braut,Bis er sie zu Tage ringetIn der Kirche Blut betaut,
Die mit Rosen hoch verzieret,Die mit Lilien rein geschmückt,In den Martyr'n triumphieret,In den Jungfraun still entzückt.
Die als Brautleib auserwähletMit des höchsten Königs SohnEwig jubelnd wird vermähletVor des Vaters heilgem Thron.
Siehst die Lilie du, Adele!Und das Kindlein auch dabei,Sorge treu, daß deine SeeleFür das Kindlein Lilie sei!
Dieses Lied sang von der Lilie,Der in Dornen weidend geht,Weil sie reimet auf Emilie,Die sub rosa sich versteht.
1834 (Schultz 1995)
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In Lieb'? – In Lust? – im Tod? Verschmachtet? trunken?Ob Odem von der süßen Lippe fließt?Was ist's, das der gefallne Becher gießt?Hat Gift, hat Wein, hat Tränen sie getrunken?
Kein Öl, die Lampe, oder keinen Funken?Ob ihr ein Gott? ein Krampf? den Mund verschließt?Ob rings nur Dorn? ob keine Rose sprießt,Ist an ein Herz das andre hier gesunken,
Sag? diese Arme wollen Flügel werden –Nein Falten sind es – Leichentuches FaltenDas liebe Haupt strahlt Gloria – zerraufte Haare!
Sink nieder, Nacht! nein! Blitz strahl' zu der ErdeDeck' zu, erleucht' des Zweifels PeingestaltenVerhüll', enthüll' das Rosenbett, die Bahre.
1834 (Kemp 1978)
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Gärtnerlied im Liedergartender Liebe
Du dauerst mich Seele!Der so hat gesungenDie lieblichste Kehle,Die süß'ste der Zungen.Wie kannst du noch leben,Noch andere LippenMit Küssen umschweben?Ich ging in den KlippenBerauschet zu Grund,Hätt je mich so innig,So innig und sinnigDer blühende MundDer Lieder-SireneBegrüßet im Bund.Ein Liebender bin ichUnd weih eine TräneDir, nüchterne Seele,Dir hat PhilomeleIn Liedern gerungen,Mich hat sie bezwungen,Den Garten der WonneDer andern zu bauen,O süßes Vertrauen!Ich lenke die Bronnen,Die trunken verronnen,Daß frisch sie betauenDie Blumen, die Lichter,Die Sterne, die Strahlen,Die Farben der Dichter,Um Liebe zu malen,O seliges Dienen!Dem Herzen, dem armenIst's süß, zu erwarmenSo sonnenbeschienenVom Himmel der AugenIst's süß, um die schwülenGefühle zu kühlen,Die tötenden GlutenIn hüpfende FlutenDer Lieder zu tauchen,Worin sie die Schmerzen,Die Feuer aushauchenVom liebenden HerzenErgoß und erkühlte,Bis Friede sie fühlte.O Gluten durchwühlt mich,In denen sie wühlte,O Fluten umkühlt mich,In denen sie kühlte,O Wellen umspielt mich,In denen sie spielte,O Blüten umblüht mich,In denen sie blühte,O Lieder durchglüht mich,In denen sie glühte,O stammelnde LiederVoll Wahrheit und Güte,Mit feurigem Hauche,Mit Tränen im Auge,Klingt wieder, klingt wieder,Mein sind eure Leiden,Das Ringen, das Zagen,Das Scheiden, das Meiden,Das bittre Entsagen.Weint nieder, weint nieder,Ihr stammelnden Lieder.Euch liebt sie, euch schrieb sie,Ich lieb euch, ich lieb sie,Doch sie liebt nicht wieder,Ihr sehnenden Lieder!Süß ist, eure schlankenVerlangenden RankenMit Zier auf und niederZu schlingen, zu winden,In Lauben zu binden;Und muß hin und wiederEin Reblein ich schneiden,Muß gleich ich mit leiden,Die Wunden, sie weinen,Da muß ich mich sehnen,O liebliche Lieder!Es sind eure TränenAuch immer die meinen,So such ich und findeDie süßen GedankenUnd binde und windeSie träumend in Schranken.Und irre die PfadeDer LuftlabyrintheBis hin zum Gestade,Wo unter der LindeDie dichtende GnadeDem liebenden KindeIm geistigen BadeSo leuchtend, so lindeErkühlet die Glut,O selige Flut,O trunkener SpiegelDer schimmernden Glieder,Du küßtest das SiegelDer lieblichen Lieder,Wie war dir zu Mut?Und wie ich so sehne,Da lockt die Sirene;Komm nieder, komm nieder,Hier hat sie geruht,Hier duftet der Flieder,Hier ist es so gut,Hier löst sie das MiederUnd taucht in die FlutDas WonnegefiederDer Phönix; ihr BlutHat hier in den WogenGebadet die TriebeUnd ist dann geflogenDurch Feuer und Glut,Und hat seine Liebe,Die rot war, verglühet,Bis weiß sie erblühetIn heiligem Licht,So sang ein Gedicht.
Mich aber, mich habenDie Wogen begraben,In Flammen so rotErgriff mich der Tod!Ach! wüßt es die LinderSie riefe die Kinder,Und käme mit SegenAns Ufer geknietUnd sänge ein Lied,Das Gott könnt bewegen,Weil gern sie vergibt,Sich mein zu erbarmen,Des Ärmsten der Armen,Der heiß sie geliebt,Der alles ihr LiebenAuch selber muß übenUnd der in den Trieben,Die sie überlebt,Zu sterben nicht bebt.
1834 (Schultz 1995)
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Die Abendwinde wehen,Ich muß zur Linde gehen,Muß einsam weinend stehen,Es kommt kein Sternenschein;Die kleinen Vöglein sehenBetrübt zu mir und flehen,Und wenn sie schlafen gehen,Dann wein' ich ganz allein!«Ich hör' ein Sichlein rauschen,Wohl rauschen durch den Klee,Ich hör' ein Mägdlein klagenVon Weh, von bitterm Weh!»
Ich soll ein Lied dir singen,Ich muß die Hände ringen,Das Herz will mir zerspringenIn bittrer Tränenflut,Ich sing und möchte weinen,So lang der Mond mag scheinen,Sehn' ich mich nach der Einen,Bei der mein Leiden ruht!«Ich hör' ein Sichlein rauschen etc.»
Mein Herz muß nun vollenden,Da sich die Zeit will wenden,Es fällt mir aus den HändenDer letzte Lebenstraum.Entsetzliches VerschwendenIn allen Elementen,Mußt ich den Geist verpfänden,Und alles war nur Schaum!«Ich hör' ein Sichlein rauschen etc.»
Was du mir hast gegeben,Genügt ein ganzes LebenZum Himmel zu erheben;O sage, ich sei dein!Da kehrt sie sich mit SchweigenUnd gibt kein Lebenszeichen,Da mußte ich erbleichen,Mein Herz ward wie ein Stein.«Ich hör' ein Sichlein rauschen etc.»
Heb Frühling jetzt die Schwingen,Laß kleine Vöglein singen,Laß Blümlein aufwärts dringen,Süß Lieb geht durch den Hain.Ich mußt mein Herz bezwingen,Muß alles niederringen,Darf nichts zu Tage bringen,Wir waren nicht allein!«Ich hör' ein Sichlein rauschen etc.»
Wie soll ich mich im FreienAm Sonnenleben freuen,Ich möchte laut aufschreien,Mein Herz vergeht vor Weh!Daß ich muß alle Tränen,All Seufzen und all SehnenVon diesem Bild entlehnen,Dem ich zur Seite geh!«Ich hör' ein Sichlein rauschen etc.»
Wenn du von deiner SchwelleMit deinen Augen helle,Wie letzte LebenswelleZum Strom der Nacht mich treibst,Da weiß ich, daß sie SchmerzenGebären meinem HerzenUnd löschen alle Kerzen,Daß du mir leuchtend bleibst!«Ich hör' ein Sichlein rauschen,Wohl rauschen durch den Klee,Ich hör' ein Mägdlein klagenVon Weh, von bitterm Weh!»
1834 (Frühwald 1968)
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AlhambraAm Vorabend des Advents
Es saß ein Mägdlein an dem Wege,Die Augen sahen klar ins Licht,Die Händchen übers Herz geleget,War's stille, stille, redet nicht.
Und rings ums Kind war süßer Frieden,Und um des grünen Röckleins SaumSchneeglöckchen lieblich nickend knieten,Der Winter träumte Frühlingstraum.
Von allen Vöglein auf den Zweigen,Da rührt sich keins, sie winkten sich,Sie wollten alle stille schweigen,Kein Lüftchen durch die Blätter strich.
Ein Pilger, der daneben ruhte,Sprach leise: «Sag, du liebes Kind,Wie ist dir's denn so still zu Mute,Als wenn der Schlummer Träume spinnt?»
Da seufzt das Kind: «O daß ich lägeIn einem Bettchen ausgestreckt,Und nicht so einsam hier am Wege,Die Mutter hätt' mich zugedeckt.
Und würde mich gar leise wiegen,Bis mich ein Engeltraum beschlich,Und würd' sich zu mir niederbiegen,Und küssen mich, und segnen mich.
Mir ist's so stille jetzt im Herzen,Ich fühle ganz mich wie ein Kind,All meine Freuden, meine Schmerzen,Sie spielen wie ein Blatt im Wind.
Ich sehe in Großvaters Zimmer,Der lang schon tot – er liebte mich,'s ist Donnerstag, da komm' ich immer,Und freue an den Bildern mich.
Die vielen Bilderbücher liegenDort auf dem Muschelmarmortisch,Da bin ich jetzt so voll Vergnügen,Als nur im Wasser je ein Fisch.
Ich und die Schwester still beschauenVon Sadler das Einsiedlerbuch,Und gleich wir uns ein Hüttchen bauenDort unterm Tisch, behängt mit Tuch.
Da sind wir still in unserm Hause,Und schauen uns die Klausner anIn Wald, in Höhle, Fels und Klause,Und was sie alles dort getan.
Und wenn Großvater disputieretMit einer Jungfrau fromm und klug,Und Glaubenszweifel explizieret,Bis sie ihn mit der Bibel schlug;
Da hören wir, was in dem BucheWir öfters abgebildet sehn,Den Zweifel, daß er ihn versuche,Zum alten Eremiten gehn.
Ach, wie ist's rings so voller Sachen,Dort Männchen, Tierchen feingeschnitzt,Und wenn das Schränkchen auf wir machen,Die Steine, Muscheln, wie das blitzt!
Herrje, was ist das, ich erschrecke,Die Katze mir zur Schulter springt,Sie lauerte dort in der Ecke,Und weh, der schöne Traum versinkt!»
Da sprach der Pilger: «Liebe Waise,Ich war bei allem auch dabei,Denn ewig bin ich auf der Reise,Damit ich ewig bei dir sei.»
Das Mägdlein sprach nach kleiner Stille:«Mich dünkt, daß ich ein Kätzchen wär',Nichts fehlet, nichts, als nur mein Wille,Ich lief' auf steilem Rand umher;
Ich könnt' von Ast zu Ast hinspringen,Von Fels zu Fels, auch noch so steil,Und mehr – ja durch die Luft hindringen,Adje, fort bin ich – bin ein Pfeil!» –
Da sprach der Pilger: «Liebe Waise,Gleich bin ich wieder auch dabei,Dein Seelchen fliegt in meinem Gleise,Ob's Kätzchen, ob ein Pfeil es sei.»
Das Mägdlein sprach nach kleiner Weile,Indem ihm süß die Lippe blüht:«Ich ruh' an einer feinen Säule,Wie kühl ist's hier! die Sonne glüht!
O goldne Zier der Wunderhallen,O linde Luft, wie süß, wie müd!Der Springbrunn plätschert, und sein LallenSingt mir ein buntes Schlummerlied;
Ich ziehe leis durch die Alhambra,Der Blumensäulen Traumpalast,Ein Weihrauchwölkchen, süß wie Ambra,Schweb' ich beim Märchen hier zu Gast.
Wer bin ich denn, bin ich die Wonne,Die hier ihr Traumgezelt gespannt,Bin ich ein Strahl der heißen Sonne,Sich kühlend auf des Springquells Rand?
Bin ich ein Geist aus diesen Hallen?Ein Vogel, der im Laub dort singt?Bin ich dort aus dem Nest gefallen,Ein Täubchen, das die Flügel schwingt?
O, heißer Duft der PomeranzenKomm, kühle dich in meinem Blut!Ich möchte auf dem Springquell tanzen,Mir ist's so leicht, so frei zu Mut!
Ich lass' mir einen Teppich bringen,Lieg' auf dem Marmor hingestreckt,Die Vögel blühn, die Blumen singen,Ein Himmel hat mich zugedeckt.
Komm Sinnspruch, kommt ihr goldnen Sterne,Komm Schicksal vom Lazur-Gezelt,Komm nah und näher ew'ge Ferne,Komm, küsse mich, du süße Welt!
Horch! Mitten inne pocht das kleine,Das leicht bewegte Kinderherz,So ganz allein, allein, alleine!Und sehnt nach Freude sich und Schmerz!
Hier kann ich keine Zeitung lesen,Noch philosoph'sche Abhandlung,Ich bin ja hier ein andres Wesen,O, welche süße Umwandlung!
Mein Schmetterling bricht durch die Larve,Ein Blumensegel ihn entführt,Mein Seelchen schwebt wie Klang der HarfeVom Kuß der milden Luft berührt.
Sprich, Traum der Wahrheit, kann ich lügen?Kann mich, den Stolz der Pünktlichkeit,Bezaubern müßiges Vergnügen?Küßt hier der Rausch die Nüchternheit?
Verräterei, wer hat die Wonne,Die sehnend mir im Blute sinnt,Wer hat hier ausgeblümt zur Sonne,Was tiefgeheim mein Seelchen spinnt?
O Sehnsucht, Schwalbe meines Geistes,Die durch die Sonnenhallen schweift,Wie heiß das kleine Herz, du weißt esWenn leis dein Flug den Springquell streift.
O, Blumen blühend, keusche Lippen,O, Bienen glühend, treuer Kuß,O, Schmetterling, du flatternd Nippen,Sagt nicht was ich verschweigen muß!
O, Dämmerlicht der bunten Säle,Von Licht und Liedes Gold gesäumt,Du bist der Schleier meiner Seele,Die über ferner Liebe träumt.
So kühn und groß hier die BegierdeIm Blumenkelch den Rausch kredenzt,So tief verwandt ist mir die Zierde,Die hier den Helm mit Rosen kränzt.
Ich bin's, ich bin's, mit Kinderlallen,Auf feinen Säulchen schlank und hold,Durchkühlt von hüpfenden Kristallen,Spannt gern mein Geist ein Netz von Gold.
Drin fang' ich mir die heiße Sonne,Und flecht' ihr fein das goldne Haar,Tauch' sie in kühlen Bades Wonne,Da scheint sie mir nochmal so klar.
Kristallgespinst des Morgenfrostes,Im Sonnenfeuer ausgeglüht,Geheimnis des bewegten Mostes,Wenn draus die Rebe wieder blüht!
Von mir gefühlt, von mir gesponnen,Gewebt, erlebt! – du Zauberlust,Die hier umschirmt den Löwenbronnen,Lagst wie ein Kind an meiner Brust!
Berauscht vom Duft der Rosenhecken,Wo kühn die Lust dem Dorn entschlüpft,Trägt Löwen-Großmut Marmorbecken,Vom Demanttropfen kühl durchhüpft.
O Halle der Abencerragen!Die Blutspur klaget laut genug,Die Wunden, die mir sind geschlagen,Die Wunden, die ich andern schlug.
Dies Seufzen, Stöhnen, Flehen, Schwirren,Die Geisterklage, die hier tönt,Sie fleht zu mir – dies bange Girren!Es fleht aus mir, ach seid versöhnt!
Ach fortgehn, fortgehn! bitte, bitte!Ins Gärtchen dort ich gehen will,Dort blüht's in des Palastes Mitte,In sich gehüllt geheim und still.
Kleinod der süßen Lindachara,Du der Alhambra Blumenstrauß,Lieb' sprichst du süß, wie Dulcamara,Mit Leid in einem Namen aus.
Beschloss'nes Gärtchen aller Wonne,Wo keusch der Mond im Brunnen spielt,Und sich der Strahl der Mittagssonne,Im Schoß der vollen Rose kühlt.
Hier will ich mich im Bad erfrischen,Von Ros' und Myrten dicht versteckt,Von duftenden ZitronenbüschenUnd Goldorangen zugedeckt.
Du bist aus meinen Heiligtumen,Du Gärtchen, dessen Inschrift spricht:«O, stille Kerzen, Erdenblumen,Entbrannt vom Himmels-Sternenlicht.»
Was gleicht den Alabasterbronnen,Aufwallend vom kristallnen Tau,Als du, o Mond, voll SehnsuchtswonnenIn wolkenloser Himmelsau.
Versteckt von kalter MarmorzinneBist du, o Gärtchen, nur mein Herz,Drin blüht, und glüht und träumt die Minne,Geheimnis decket Lust und Schmerz!
Mir ist, als ob an allen EckenIch auf in tausend Blumen ging,Mir ist, als ob an allen HeckenIch wie ein Flöckchen Wolle hing.
Ich bin der Vogel und das Nestchen,Das Mütterchen und auch das Ei,Ich brüte, zwitschre auf dem Ästchen,Und trage Futter auch herbei.
Ich fühle mich gebaut, gemalet,Geschnitzt, geblüht, in diesem Haus,Und in dem Springquell ausgestrahlet,Ich sag' es ja – bin jäh – bin kraus.
Wer hat mein Gürtelchen gelöset,Wer streute meinen Blumenkranz,Hier so von allem Schutz entblößet,Bezaubernd aus im Sonnenglanz?
Horch! still! – ach! das sind Männerschritte!Weh mir! – welch junges Heldenbild!Nicht her! – nicht her! ach bitte, bitte!– Er steht und deckt sich mit dem Schild!
Und spricht: «Ich bin Gazul, vor ZeitenDer süßen Lindachara Freund,Ich muß in ihrem Gärtchen schreiten,Bis hier ihr Ebenbild erscheint,
Das alle Sehnsucht meiner TräumeIn seinem Kinderherzen stillt,Und als den Zauber dieser RäumeSich selbst erblickt in meinem Schild.
Da hörte ich dein keusch Verzagen,Du Süße, in dich selbst versteckt,Fühlst deinen Reiz vor deinen Tagen,In der Alhambra aufgedeckt.
Dich bauten dieses Baues Meister!Ach, lange eh' dein Herzchen schlug,Begeisterte dein Geist die Geister,Doch taten sie ihm nie genug!
Sie brachen deiner Sehnsucht Spiegel,So daß du dich zerstreut beschautDoch du wirst ihres Werkes Siegel,Zerstreutes ward in dir erbaut.
Denn alles Sehnen, alle Schmerzen,Die einst bewegt in Kampf und Lust,Die längst in Staub zerstreuten Herzen,Sind eins und ganz in deiner Brust.
Nur du bist dieses Werkes Seele,Bist dieser Zauberschale Kern,Bist Lichtes Blitz in dem Juwele,Bist dieses öden Himmels Stern;
In dir ich die Alhambra sehe,Wie du in der Alhambra dich,Es löst sich meiner Sehnsucht Wehe,Zu Lindachara kehre ich!
Mein Herz wird gleich den Lilien munter,Wenn sie der Sterne Licht betaut,Blick in mein Schild, du liebes Wunder,Sei deiner eignen Wonne Braut!
Dein Gürtel ist nicht mehr gelöset,Nicht mehr zerstreut dein Blumenkranz,Und Gazul taucht, durch dich erlöset,Nun auf in Lindacharas Glanz!»
So sprach Gazul, und auf sein FlehenHab' ich, von eignem Reiz entzückt,Mein Bild in seinem Schild gesehen,Und hab' gar süß mir zugenickt.
Da ist mir alles rings verschwunden,Da ward ich wieder zäh und kraus,Und alle Blumen sind gebundenIn den versteckten Blumenstrauß.
In mich zurück zog die Alhambra,Ich bin allein, allein, allein!Ich Weihrauchwölkchen, süß von Ambra,Denk': Wo mag nun der Gazul sein!»
Nun schwieg das Kind! – Sein webend SehnenZog durch des armen Pilgers Brust,Und nieder tauten seine TränenIn ihrer Träume Blumenlust.
Er sprach: «O Kind! in alles Scheinen,Das sich um deine Seele legt,Muß immer still ich niederweinen,Bis sich ein Regenbogen schlägt.
O schwebe durch, du Friedenstaube,Und bring ein grünes Ölblatt her,Daß neu ich hoffe, liebe, glaube,Mir ist die Welt so wüst, so leer! »
Da spricht das Kind: «Jetzt zieh' ich weiter,» –Und zuckt, der Pilger fragt: «Es stachVielleicht dich ein Insekt, denn leider,Sie trachten hier dem Blute nach!» –
Das Kind sprach: «Greulich sind mir Spinnen,Ich fliehe ihre tück'sche List.»Der Pilger sprach: «Du willst entrinnen,Weil du ein tanzend Mückchen bist.»
«Ich kann,» sprach sie mit edler Miene,«Nie glauben, daß der Herr erschufDie garst'gen Tiere – nur die Biene,Die hat noch göttlichen Beruf.
Ich könnte selbst noch Schlangen leidenIn meinem stillen Kämmerlein,Doch seh' ich eine Spinne schreiten,So muß ich fliehen, muß ich schrein.
Maikäfer, die gemeinen, dummen,Ich dulde sie; wenn alles grün,Hör' ich sie abends gerne summen,Sie rennen an und fallen hin.
Die Flöhe hüpfen, kann sie fangen,Hüpf' hintendrein, kleb' sie ans Licht,Die Wanzen machen mich erbangen,Von andern Tierchen spricht man nicht.
Ich war einmal bei armen Kindern,Da kriegt' ich eine ganze Schar;Gott steh mir bei, den reichen SündernDroht gleich den Armen die Gefahr.»
Der Pilger sprach: «Wie schaust du, Seele,Aus der Alhambra Lustpalast,In diese trübe, wüste Höhle,In diesen Ekel und Morast?»
Sie sprach: «Ich möcht' ein Bild jetzt malenVon dem verlornen Paradies,Verwelkt sind alle Sonnenstrahlen,Als Gott hinaus den Menschen stieß.
Ich armes Kind muß drauf verzichten,Ich fühle, daß die Form mir fehlt,Auch fehlt das Wort, sonst wollt' ich dichten,Was tief mein Herz mit Lieb' beseelt.
Die Blumen und die Blätter weinen,Die Vögel schmachten stumm und krank,Kalt seufzt das Echo aus den Steinen,Das Blut ergrimmt in Streit und Zank.
Der Himmel, bleiern, rufet Wehe,Verhüllt sein Sternen-Antlitz sich,Und liegend an der Erde seheGefesselt einen Engel ich.» –
Der Pilger sprach nun zu ihr nieder:«Du bist der Engel, armes Kind!Noch zuckt zum Lichte dein Gefieder,Ist gleich dein Auge sonnenblind.
Dich feinen Strahl aus Gottes Schimmer,In dem verlornen Paradies,Dich heil'gen Ebenbildes Trümmer,Ans Herz ich niederweinend schließ'.»
Da weinten stille alle beide,Sie lehnte gern an seiner Brust,Sie litt es, daß er selig leide,Und beide haben nichts gewußt!
Aus beiden greift ein tiefes SehnenHinaus bis nach der Ewigkeit,Und wie sie so zusammen lehnen,Da naht das Ewige der Zeit.
Der Pilger sprach: «Welch leises Schallen,Sag, Kind! pocht denn dein Herzchen so?Ich sehe Licht aufs Haupt dir fallen,Mir wird's so innig, wird's so froh!» –
Das Mägdlein blickte in die Ferne,Die Wange glüht, die Lippe blüht,Ihr Schauen glich dem Blick der Sterne,Wenn Liebe durch den Himmel zieht.
Dann sprach sie: «Horch! still, bitte, bitte,Dies ist nicht meiner Locken Licht,Und dieses Schallen, das sind Schritte,So pocht mein heimlich Herzchen nicht!»
Und durch die Nacht von Licht erfülletFührt her ein Mann sein Eselein,Und auf dem Tier sitzt weit verhülletEin lilienreines Jungfräulein.
Als diese sah den Engel liegenGefesselt an der Erde dort,Ist sie vom Lasttier abgestiegenUnd sprach zu ihm mit süßem Wort:
«In aller Lust wirst du nichts finden,Als das verlorne Paradies,Den Fesseln will dich jetzt entwindenDer treue Gott, wie er verhieß.
Weil du ein armes Kind, ward LiebeIn mir nun auch ein armes Kind,Daß dir auch gar kein Vorwand bliebe,Komm mit, komm mit, süß Lieb', arm Lind!
Tu! wie du lang gepflegt zu tuen,Halt an der Mutter Schürze dich,Komm mit mir reisen, mit mir ruhen,Denn deine Mutter bin auch ich!
Komm mit, sollst an der Krippe singen,Ein Lied dem starken Brüderlein,Der löst die Fesseln deiner Schwingen,Trägt dich ins Paradies hinein.
Da bringt dir keine Spinne Grauen,Berauschet kein Alhambra dich,Da sollst du schönre Bilder schauen,Als bei Großvater sicherlich!»
Das Kind sprach: «Mir ist Heil geschehen!Dies ist die Wahrheit, ist kein Traum,Sitz auf dein Eselein, wir gehen,Ich fasse deiner Schürze Saum.»
Die Jungfrau sprach: «Willst nicht mitnehmenDen armen Mann du, der dort lag.»Das Kind sprach: «Ei, ich tu' mich schämen,Er kömmt mir ohne dies schon nach!»
Da blickt es um – der Pilger hebetSein müdes Haupt, folgt ungetrennt,Gen Betlehem der Zug hinschwebet,Die erste Nacht war's im Advent.
Sankt Joseph und Maria heißen,Die beiden mit dem Eselein,Nach Betlehem sie jetzt hinreisen,Sie kehren nachts bei Hirten ein.
Wer ist das Mägdlein dann gewesen,Und dann der Pilger, stets dabei?Das Mägdlein war der Sehnsucht Wesen,Der Pilger war die Phantasei!
Entstanden vermutlich November 1834 (Kemp 1978)
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Abschied dem Jahre 1834
Leb wohl du Jahr voll Tränen!O lasse mich an deinem letzten TagNoch einmal selig wähnen,Daß ich an einem Kinderherzen lag!
Geh hin du Jahr voll Tränen!Tritt glaubend hin vor Gottes Thron,Er wird um krankes SehnenDich strenge richten, nimmer doch um Hohn!
O selig Jahr voll Tränen!War dir auch früh das tiefre Wort geraubt,So war der Strom der TränenZu ihren Füßen oft dir doch erlaubt!
O liebes Jahr voll Tränen!O dichte Saat, wie segnend reift dein Schmerz,O hochbelohnt! mein Sehnen!Ich fühlte jauchzend, ja! sie hat ein Herz!
O Jahr von heißen Tränen!Geheimnisvoller, als sie weiß, berauscht,Was all sie kann verschönen,Du hast in Tränen sterbend es belauscht.
O Jahr voll bittrer Tränen!Ist irgend Gottes Wahrheit offenbar,Ist vieles hier nur Wähnen,So opfre, weine darum am Altar!
O Jahr voll tiefer Tränen!Du magst vertraut dein armes müdes HauptAns Kreuz nur ruhig lehnen,Du hast geliebet, hast gehofft, geglaubt.
O teures Jahr voll Tränen!Du bist in bittrer Reue Flut getauft,Der wird uns auch versöhnen,Der uns mit seiner Weihe Blut erkauft.
Geh hin! du Jahr voll Tränen!Geh, werfe dich zu ihren Füßen hin!Und wasche sie mit TränenSag ihr, daß ich ihr armer Bruder bin!
Ihr Bruder ganz in Tränen,Ihr kranker Bruder, um die eigne Schuld,Um fremde Schuld in Tränen,Ihr Bruder weinend um der Väter Schuld!
O sterbe Jahr in TränenWeil unsrer Väter Schuld die Kinder trennt,Und diesen scheint ein WähnenWas unsre Mutter ewge Wahrheit nennt.
Leb wohl du Jahr voll Tränen,O lasse mich an deinem letzten TagNoch einmal selig wähnen,Daß ich an einem Kinderherzen lag.
Dezember 1834 (Schultz 1995) |