BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Gedichte 1816 - 1819

 

1819

12. Januar: Brentanos «üble Brautfahrt» nach Berlin.

März: Luise Hensel gibt Brentano seine Briefe zurück.

Anfang Mai: Brentano kehrt nach Dülmen zurück.

7. bis 29. August: Gerichtlich-polizeiliche Untersuchung der

Stigmata A. K. Emmericks, Brentano wird als Berater abgelehnt.

Dezember: Brentano läßt seine Bibliothek in Berlin versteigern.

 

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Bestellte Poesie

 

Bleib nur stille,

Gottes Wille

Hat auch dich ja ausersehn,

Alle Armut, alle Fülle

Wird auch dir vorübergehn.

 

Bleib nur innig

Treu und sinnig,

Wie dich auch der Engel grüßt,

Spreche: Deine Magd, Herr! bin ich,

Die dir nie ihr Herz verschließt.

 

Bleib nur heiter,

Blick nicht weiter

Als zum Hirten, der dich führt.

Sorge bricht die Himmelsleiter,

Weil sie aus der Erde rührt.

 

Bleib vertrauend

Aufwärts schauend,

Nimm nur fremde Not ans Herz,

Und auf die Verheißung bauend

Trag die Erde himmelwärts.

 

Bleib nur selig,

Ach allmählich

Wird die Nacht vorüber gehn,

Denk, nur wenge Stunden zähl ich,

Schlafengehn wird Auferstehn.

 

Bleib nur liebend,

Wenn betrübend

Alles Leben treulos scheint,

Stirb du, allen Liebe übend,

Dann stirbst du dem Herrn vereint.

 

Bleib in Frieden,

Ungeschieden,

Eng getraut dem einzgen Gut,

Der die Arm' ausstreckt hienieden,

Bis Süßlieb am Herz ihm ruht.

 

Bleib nur betend,

Wenig redend,

Sorge für dein Gartenbeet,

Säend, pflanzend, stützend, jätend,

Bis es reif zur Ernte steht.

 

Bleib nur kindlich,

Unverbindlich

Dieser lügenvollen Welt,

Einem nur unüberwindlich

Wirk dein Herz ins Siegsgezelt.

 

Bleib nur leise,

In dem Gleise,

Wird zum Ernste einst das Spiel

Und die wirre, bunte Reise

Tritt zum lichtgeschmückten Ziel.

 

Bleib nicht, allen

Zu gefallen,

Wählend auf dem Scheideweg,

Ob links?, rechts? zum Traum zu wallen?

Segnend dich zur Seite leg.

 

Bleib nur hüpfend

Und entschlüpfend,

Allen ab- und zugewandt,

Alle Schleifen hier verknüpfend

Führen nicht ins Vaterland.

 

Bleib lebendig,

Ganz abwendig

Werd mir nie, o sei mir fromm,

Mit dir leb ich, mit dir end ich –

Fleh! daß uns sein Reich zukomm!

 

Bleib demütig!

Einstens blüht ich,

War doch nie so froh wie du,

Arm war ich und übermütig,

Gott und du ihr sah't mir zu!

 

Bleib geduldig,

Denn ich huldig'

Aller Huld allein in dir,

Strafe, lohn'? was all verschuld ich?

Gib stumm Kind, ach gib es mir!

 

Bleib, wie üblich,

Fein und lieblich,

Zäh und kraus, das arme Kind,

Dessen Fesseln, nie verschieblich,

Nimmer ich mein Herz entwind.

 

Bleib nicht länger

Aus, denn enger,

Immer enger, wird die Brust

Deinem armen kranken Sänger –

Dessen Herz du stimmen mußt.

 

Bleib nur bleibend,

Blüten treibend,

Bis der Herr zur Ernte geht,

Für mich Ärmsten dieses schreibend,

Opfre Früchte im Gebet!

 

Bleib das süße

Ziel der Grüße,

Grüß dich Gott viel tausendmal,

Auf dem Baum im Paradiese

Liebste Frau von Nachtigall!

 

1819 (Schultz 1995)