BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Gedichte 1804 - 1815

 

1812

Arbeit am Drama «Aloys und Imelde»

Beginn der Arbeit an dem Drama «Die Gründung Prags».

Scheidung von Auguste Bußmann.

April: Zerwürfnis mit Varnhagen.

August: Treffen mit Arnim und Bettina in Teplitz

 

_______________________________________________________________________

 

 

 

An dem Feuer saß das Kind,

Amor, Amor!

Und war blind –

Mit dem kleinen Flügel fächelt –

In die Flamme, er und lächelt,

Fächle, lächle, schlaues Kind.

 

Ach, der Flügel brennt dem Kind

Amor, Amor

Läuft geschwind

O, wie mich die Glut durchpeinet!

Flügelschlagend, laut er weinet,

In der Hirtin Schoß entrinnt

Hülfeschreind das schlaue Kind.

 

Und die Hirtin hilft dem Kind

Amor, Amor,

Bös und blind –

Hirtin, sieh, dein Herz entbrennet,

Hast den Schelm du nicht gekennet,

Sieh, die Flamme wächst geschwind,

Hüt dich vor dem schlauen Kind!

 

1812, aus dem Drama «Aloys und Imelde» (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Die Lilie blüht, ich bin die fromme Biene

Die in der Blätter keuschen Busen sinkt

Und süßen Tau und milden Honig trinkt

Doch lebt ihr Glanz, und bleibet ewig grüne

So (ist) dann selig mein Gemüt

Weil meine Lilie blüht!

 

Die Lilie blüht, Gott, laß den Schein verziehn

Damit die Zeit des Sommers langsam geht

Und weder Frost noch andre Not entsteht

So wird mein Glück in dieser Lilie blühn,

So klingt mein süßes Freudenlied,

Ach, meine Lilie blüht.

 

1812, aus dem Drama «Aloys und Imelde» (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Dein Lied erklang, ich habe es gehöret,

Wie durch die Rosen es zum Monde zog;

Den Schmetterling, der bunt im Frühling flog,

Hast du zur frommen Biene dir bekehret,

Zur Rose ist mein Drang,

Seit mir dein Lied erklang!

 

Dein Lied erklang, die Nacht hats hingetragen,

Ach, meiner Ruhe süßes Schwanenlied!

Dem Mond, der lauschend von dem Himmel sieht,

Den Sternen und den Rosen muß ichs klagen,

Wohin sie sich nun schwang,

Der dieses Lied erklang!

 

Dein Lied erklang, es war kein Ton vergebens,

Der ganze Frühling, der von Liebe haucht,

Hat, als du sangest, nieder sich getaucht

Im sehnsuchtsvollen Strome meines Lebens,

Im Sonnenuntergang,

Als mir dein Lied erklang!

 

1812, aus dem Drama «Aloys und Imelde» (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Wohlan! so bin ich deiner los

Du freches lüderliches Weib!

Fluch über deinen sündenvollen Schoß,

Fluch über deinen feilen geilen Leib,

Fluch über deine lüderlichen Brüste,

Von Zucht und Wahrheit leer,

Von Schand und Lügen schwer,

Ein schmutzig Kissen aller eklen Lüste.

Fluch über jede tote Stunde,

Die ich an deinem lügenvollen Munde

In ekelhafter Küsse Rausch vollbracht,

Fluch über jede gottvergeßne Nacht,

Die ich in deinem frechen Bett erhandelt,

Die ich in toller Liebe überwacht,

Wohl unter deinem Fenster hingewandelt,

Wenn du mit andern in dem Werk befangen,

Mit andrer Lüg' an anderm Mund gehangen.

Mein Gott, mein Gott, er will sich mein erbarmen,

Mein Herr hat mich befreit aus deinen Armen,

Wohin dein Gott, der Satan, mich geführt;

Drum hab ich nimmer dir dein Herz gerührt,

Und wie ich mochte bitten, mochte flehen,

Kein edles Wort hört ich von dir erstehen,

Du drohst, du elend Weib, dich zu ermorden,

O könntest du's, es stürb dein ganzer Orden,

Doch spar die Mühe nur, denn du bist längstens tot,

Längst faulst du in dir selbst, in Sünd und Lügenkot.

Schneidst du den Hals dir ab

Und springst du in die Spree,

Du findest nie ein Grab,

Die Spreu schwimmt in der Höh.

Des Todes heiliger Traum

Wird nimmer dich erlösen,

Es stirbt ein grüner Baum,

Doch nie ein dürrer Besen.

Zur eignen Rute wirst du noch an deinem Rücken,

Und höchstens reicht dein Leib dir einstens schlechte Krücken.

Wohlan, du elend Weib, nun sind wir auf der Stelle,

Wo wir zuerst uns sahn, ich, du, und dein Geselle,

Ich mein den Teufel, Weib, der deine Seele reitet,

Hör wie sein Flügel rauscht, den über dir er breitet,

Ich hör den dunklen Fluß, es tönt die dumpfe Welle,

Du Lügnerin leb wohl, leb schlecht hier ist die Schwelle,

Wo sich mein reuig Herz, von dir, du Hexe, scheidet,

Verdorren mag der Fuß, der je dein Bett beschreitet,

Ich hab dich nie gekannt, ich hab dich nie gesehen,

Es war ein böser Traum, er muß hinuntergehen.

Das lüderliche Buch, um das du mich betrogen,

Aus dem du geile Brunst für andre Lust gesogen,

Ich werfe es hinab in diese schmutzgen Wogen,

Und mit ihm werf ich hin, was ich für dich gefühlt,

Daß sich die böse Glut, die mir das Herz zerwühlt,

In dieses Flusses trüber Welle kühlt.

Nimm hin den Scheidekuß,

Ich geb ihn ohn Verdruß,

Von mir ist dir verziehn,

Wend dich, zu Gott dahin

Und fleh, daß er verzeih;

Dem Sünder steht es frei.

Er ist für dich, für mich, für Alle uns gestorben,

Ich habe im Gebet mir Trost von ihm erworben.

Ich gab des Heilands Bild in deine schnöden Hände,

So bin durch dich ich auch zu einem Judas worden,

Den Herrn hab ich verkauft, an die, die ihn ermorden,

Erbarm dich meiner Seel, und zu dem Kreuz dich wende,

O mache, daß an dir dies Bild ein Wunder tut,

Und daß er dich erlöst mit seinem heilgen Blut,

So darf ich ruhig sein, daß ich so fromme Gabe

An dich, du elend Weib, so schnöd vergeudet habe,

Nun wend ich mich von dir, ich will in Frieden gehn,

Ich will unschuldig nun die Sterne wiedersehn,

Ich will zu Gott dem Herrn um Hülfe für dich flehn,

Daß dich die Gnade sein barmherzig mög anwehn

Daß einen Engel er zu dir ermahnend sende,

Daß er dein elend Herz wie meines zu sich wende,

So gehet nicht mein Schmerz, doch Leid und Lieb zu Ende.

 

1812, vermutlich nach der Scheidung von Auguste Bußmann (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Ich träumte hinab in das dunkle Tal

Auf engen Felsenstufen

Und hab mein Liebchen ohne Zahl

Bald hier, bald da gerufen

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Mein lieber Hirt nun sage mir,

Hast du Treulieb gesehen,

Sie wollte zu den Lämmern hier,

Und dann zum Brunnen gehen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Treulieb in meinem Schoße saß

Dort oben an den Klippen,

Und weil die Wangen ihr so blaß,

So küßt ich ihre Lippen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Ich blies die Flöte, ich flocht den Kranz,

Ich ging ihr Blumen zu pflücken,

Ich wollte sie zum Abendtanz

Als meine Buhle schmücken.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Da hört sie ein schallendes Jägerhorn,

Da tät sie die Öhrlein stellen

Und schwang sich hinüber durch Distel und Dorn

Und folgte dem Waldgesellen.

Treulieb. Treulieb ist verloren!

 

Ich träumte hinab in den dunklen Wald

Auf engen Felsenstufen

Und habe mein Liebchen, daß es schallt

Bald hier, bald da gerufen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Mein lieber Jäger, nun sage mir,

Hast du mein Lieb gesehen?

Sie wollte in das Waldrevier

Zu Hirsch und Rehen gehen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Treulieb lag heut in meinem Arm

Im Schatten kühler Eichen;

Wir herzten uns, es ward ihr warm,

Sie ging ins Bad zu steigen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Der Mühlbursch hell ein Liedlein pfiff,

Da tauchte Treulieb unter

Und tauchte auf, sprang in sein Schiff,

Ohn Hemd doch frisch und munter.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Ich träume hin an Mühlbachs Rand

Auf engen Felsenstufen

Und habe in schallender Klippenwand

Mein Liebchen oft gerufen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Nun lieber Müller, nun sage mir,

Hast du mein Lieb gesehen?

Ich gab ihr Korn, sie wollte hier

Bei dir zur Mühle gehen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Treulieb ist heut auf weichem Pfühl

In meinem Arm entschlafen;

Es klang die Schelle, es klappte die Mühl,

Das Auffüllen hab ich verschlafen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Und als mich morgens die Reuter geweckt,

Die hier vorbeigezogen,

Hat sie der Trompeter in Mantel gesteckt

Und mich um sie betrogen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Ich träumte hin auf der Reuter Zug,

In Staub erkannt ich die Hufen.

Und wo das Herz mir lauter schlug,

Hab Treulieb ich gerufen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Mein lieber Reuter, willst du mir,

Wo Liebchen ist wohl sagen?

Ich weiß, sie hat geholfen dir,

Dein Zeltlein aufzuschlagen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Treulieb bei mir im Zelte lag,

Das Pulver hat sie gerochen,

Die ganze Nacht, doch früh am Tag

Da ist sie aufgebrochen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Es zog der Bettelstudent vorbei

Und spielte auf der Leier,

Sie guckt hinaus, was es wohl sei,

Und folgt dem neuen Freier.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Ich träumte, ich folg der Leier Klang

Hinab viel Felsenstufen

Und habe auf dem bittren Gang

Mein Liebchen noch oft gerufen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Mein lieber Schüler, sage mir,

Hast du Treulieb gesehen?

Sie wollt, ich weiß es wohl, bei dir

Zur Singeschule gehen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Treulieb fraß (mit) mir auf ein Mal

Wohl Bettelbrot zwei Pfunde.

Den Wein, den sie dem Reuter stahl,

Trank ich aus ihrem Munde.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Doch als ich an der Schmiede stand,

Ums Abendbrot zu singen,

Viel größre Freude sie empfand

An kräftgem Hammerschwingen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Mein lieber Meister, wohlgestallt,

Sprach sie zum rußgen Mohren,

Beschlag mich lieber warm als kalt,

Viel Eisen hab ich verloren.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Ich träumt zur Schmiede den schwarzen Gang

Hinab so viele Stufen

Und lauter als der Hammer klang,

Hab ich Treulieb gerufen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Der Meister sprach: sie hat der Knecht,

Der Knecht: sie hat der Bube.

Der Bube wies mich dann zurecht,

Zu Totengräbers Stube.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Ich träumt hinab ins Totental

Wohl tausend dunkle Stufen

Und hab mein Lieb wohl tausendmal

Mit bittrer Angst gerufen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Mein Totengräber, nun sage mir,

Hast du mein Lieb gesehen?

Auf ihrer Mutter Grab allhier

Wollt sie die Blumen säen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Treulieb lag bei mir manche Nacht

Und sang mir freche Lieder;

Und wenn ich ein Fräulein zu Grab gebracht,

Da stahl sie ihr den Mieder.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Sie stiehlt der Braut den Jungfernkranz,

Die schwarzen Totenschuhe,

Die zieht sie an und ging zum Tanz

Und nimmt den Leichen die Ruhe.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Und als sie nach goldnen Ringen sucht

Und in den Sarg tät langen,

Der tote Jude, der tief verflucht,

Hat zärtlich sie umfangen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Wo ist des toten Juden Grab,

Wo ruht der böse Bube?

Der Totengräber zur Antwort gab:

Geh nach der Schindergrube.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Ich träumte zum dunklen Galgen hin,

Hinauf viel tausend Stufen

Und hab mein Lieb mit wildem Sinn

Wie Raben und Geier gerufen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Nun toter Jude, sage mir,

Hast du Treulieb gesehen?

Sie wollte ganz allein zu dir,

Um dich zu taufen, gehen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Sie lag bei mir zur zwölften Stund

Und hat mir's nicht gedanket.

Es heulte zum Mond des Schinders Hund,

Der Gehenkte im Galgen schwanket.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Da läßt sie die edle vertrauliche Gruft

Und stiehlt mir meine Geschmeider

Und steigt herauf zu dem luftigen Schuft

Auf der dünnen Galgenleiter.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Ich träumte hinauf ins leere Schloß

Wohl auf der Leiter Stufen

Und habe auf jeder Galgensproß

Nach meinem Lieb gerufen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Nun sag mir, mein gehenkter Schuft,

Hast du Treulieb gesehen?

Sie schöpfte hier wohl frische Luft

Und wollte um sich sehen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Sie hat mit mir im Mondenschein

Ein Stündchen sich geschaukelt;

Da hob sich Lärm und wildes Schrein,

Da kam es heran gegaukelt.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Zuerst der Hexen Troß voran,

Auf Gabeln und auf Besen,

Und dann der Meister Urian,

Der hat sie sich erlesen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Er faßt die Jungfer sich aufs Korn

Mit angenehmen Sitten.

Sie faßt den Teufel bei dem Horn,

Zum Blocksberg sie dann ritten.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Ich träumte hinauf die steile Höh

Auf engen Felsenstufen

Und hab mit Ach und hab mit Weh

Nach meinem Liebchen gerufen

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Nun lieber Teufel, sage mir,

Hast du Treulieb gesehen?

Sie kam allein herauf zu dir,

Dich kämpfend zu bestehen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Treulieb, sie küßte mich unterm Schwanz,

Ich war ihr wohlgewogen;

Doch hat sie mir beim wilden Tanz

Ein Ohr schier abgelogen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Geh, nimm sie wieder, da sitzet sie

Auf einem Katzendrecke. –

Bist du Treulieb? ich laut aufschrie,

Als ich das Luder entdecke.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Mein lieb Treulieb, nun sage mir,

Hast du Treulieb gesehen?

Sie soll nun mir in dir allhier

Wahrhaftiglich bestehen.

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

Treulieb, Treulieb sie sitzt allhie

Auf mir dem falschen Schwure.

Treulieb ist Dichterphantasie;

Und ich bin deine Hure!

Treulieb, Treulieb ist verloren!

 

1812 (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Die Welt war mir zuwider

Die Berge lagen auf mir

Der Himmel war mir zu nieder

Ich sehnte mich nach dir, nach dir,

O lieb Mädel wie schlecht bist du!

 

Ich trieb wohl durch die Gassen

Zwei lange Jahre mich

An den Ecken mußt ich passen

Und harren nur auf dich, auf dich.

O lieb Mädel wie schlecht bist du!

 

Und alle Liebeswunden

Die brachen auf in mir

Als ich dich endlich gefunden

Ich lebt und starb in dir, in dir!

O lieb Mädel wie schlecht bist du!

 

Ich hab vor deiner Türe

Die hellgestirnte Nacht,

Daß dich mein Lieben rühre

Oft liebeskrank durchwacht.

O lieb Mädel wie schlecht bist du!

 

Ich ging nicht zu dem Feste

Trank nicht den edlen Wein

Ertrug den Spott der Gäste

Um nur bei dir zu sein.

O lieb Mädel wie schlecht bist du!

 

Bin zitternd zu dir gekommen

Als wärst du ein Jungfräulein,

Hab dich in Arm genommen

Als wärst du mein allein, allein.

O lieb Mädel wie schlecht bist du!

 

Wie schlecht du sonst gewesen

Vergaß ich liebend in mir

Und all dein elendes Wesen

Vergab ich herzlich dir ach dir,

O lieb Mädel, wie schlecht bist du!

 

Als du mir nackt gegeben

Zur Nacht den kühlen Trank

Vergiftetest du mein Leben,

Da war meine Seele so krank so krank

O lieb Mädel, wie schlecht bist du!

 

Bergab bin ich gegangen

Mit dir zu jeder Stund,

Hab fest an dir gehangen

Und ging mit dir zu Grund.

O lieb Mädel, wie schlecht bist du!

 

Es hat sich an der Wunde

Die Schlange fest gesaugt

Hat mit dem giftgen Munde

Den Tod in mich gehaucht.

O lieb Mädel, wie schlecht bist du!

 

Und ach in all den Peinen

War ich nur gut und treu

Daß ich mich nannt den Deinen

Ich nimmermehr bereu, bereu

O lieb Mädel wie schlecht bist du!

 

1812 (Schultz 1995)

 

 

*

 

Heil'ge Nacht, heil'ge Nacht!

Sterngeschloßner Himmelsfrieden!

Alles, was das Licht geschieden,

Ist verbunden,

Alle Wunden

Bluten süß im Abendrot!

 

Bjelbogs Speer, Bjelbogs Speer

Sinkt in's Herz der trunknen Erde,

Die mit seliger Geberde

Eine Rose

In dem Schoße

Dunkler Lüste niedertaucht.

 

Zücht'ge Braut, zücht'ge Braut!

Deine süße Schmach verhülle,

Wenn des Hochzeitbechers Fülle

Sich ergießet.

Also fließet

In die brünst'ge Nacht der Tag!

 

Entstanden vermutlich Ende 1812, aus dem Drama «Die Gründung Prags» (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Brouillon einer Romanze von Amor unter dem Helm.

Die Veranlassung weiss ich nicht mehr.

 

An dem Rande dunkler Quelle

Saß ein Kind mit blankem Helm,

Und ein armer Kriegsgeselle,

Nahte sich dem kleinen Schelm.

 

Und das Kind versteckt sich schnelle

Unterm Helm, als er es sah,

Sprach mit seinem Stimmlein helle,

Guck, Guck, Guck, Guck, bin nicht da.

 

Magst du diesen Helm von Golde,

Tragen, sprach der arme Mann,

Werb ich mich in deinem Solde

Gern zu hohen Diensten an.

 

Sprich, was willst du Handgeld geben,

Wunderholder Kriegesgott,

Lieben will ich und auch leben,

Und auch sterben ohne Spott.

 

Willst du meiner Fahne schwören

Schallt es unterm Helm heraus,

Mußt du erst die Rätsel hören,

Die in diesem Helm zu Haus.

 

Erst, wer bist du? daß du dienen

Möchtest einem klugen Kind,

Und wie bin ich dir erschienen,

Bin ich sehend oder blind.

 

Und der Helm, der mich verstecket,

Ist er leicht nur oder schwer,

Also fragt das Kind und necket,

Und der Helm wankt hin und her.

 

Und die Flamme des Metalles

Spiegelt in des Kriegers Brust,

Und er spricht, dies alles, alles

Und noch mehr ist mir bewußt,

 

Alle diese Rätsel lös ich,

Fragst du sie in meinem Arm,

Und vom schweren Helm entblöß ich

Dir das Haupt, das Gott erbarm!

 

Und er hebet waffenkundig

Kühn den Helm, da trifft ein Pfeil

Und das Kind spricht, dich verwund ich?

Daß ich meine Wunden heil.

 

Denn es hat mich schwer gedrücket

Dieses goldnen Helmes Dach,

Unter seine Last gebücket

Mir die Himmelsluft gebrach,

 

Nur die Sonnenschwerter drangen

Heißer durch das rote Erz

Und die Seele lag gefangen,

Und gebunden lag das Herz.

 

Aber jetzo gibt die Sonne

Auch das süße, heilge Licht,

Und mein Herz zerspringt in Wonne

Wenn es nicht in Schmerz zerbricht.

 

Eile armer Kriegsgeselle,

Fülle schnell des Helmes Raum,

Mit der kühlen Flut am Quelle,

Fülle voll ihn bis zum Saum!

 

Dann ich dir die Labung teile,

Ich genese von dem Helm

Du genesest von dem Pfeile

Also sprach der kleine Schelm.

 

Blutend geht der Kriegsgeselle,

Füllet ruhig jenen Helm,

Aber an derselben Stelle

Findet er nicht mehr den Schelm,

 

Eine ernste Jungfrau sieht er

Traurig, freudig blickt sie hin

Und er blicket also wieder,

Nennt sie eine Zauberin.

 

Willst du mich umhelmet fragen,

Dann als Kind dein Pfeil mich trifft,

Dann soll ich dir Wasser tragen,

Sprich ists Wasser? Ist es Gift?

 

Und zur Jungfrau gar geworden,

Sag es flüsternd, sag es laut,

Lieber dich muß ich ermorden,

Ich bin eines andern Braut.

 

Also spricht der Kriegsgeselle

Achtet nicht der Wunde Blut,

Das sich mischet mit der Quelle

In dem goldnen Waffenhut.

 

Als das Weib sein Blut erblicket,

Faßt sie heftig nach dem Trank,

Trinkt von Herzen und entzücket

Spricht sie, ich bin nicht mehr krank.

 

Reicht ihm dann den Helm, zu trinken,

An der Stelle wo sie trank,

Ihre Äuglein ihm zuwinken

Und er trank und war nicht krank.

 

Und er küßte ihre Lippen,

Ganz in heißer Liebe wund,

Blut, o Blut, an deinen Klippen

Scheitre ich, und geh zu Grund,

 

Geh zu Grund, denn hier ist Thule,

Und aus dem Korallenschlund,

Bringt den Becher er der Buhle

Und sie trinket sich gesund.

 

Und er spricht, dein Helmlein werf ich,

Daß es blinke in dem Gras,

Falsche Liebe, die entnerv ich,

Denn ich liebe nicht zum Spaß.

 

Denn kannst du nicht Treue halten

Der nicht wußte, daß du blind,

Liebe muß im Lichte walten,

Sei mein Herr, ich bin ein Kind.

 

Und sie sah den Helm hin rollen

Golden in der Blumen Schein,

Und aus ihren Äuglein quollen,

Tränen und sie waren rein.

 

Waren Perlen ihres Lebens

Fielen in den Liebeswein,

Und den trank ich nicht vergebens,

Becher, Becher, du bist mein.

 

Und sie trinken aus den Becher

Trinken sich die Augen aus,

Trinken recht wie kühne Zecher,

Ach und halten dennoch Haus.

 

Denn so reichlich gibt die Liebe,

Daß sie Höll um Himmel tauscht,

Daß, wenn auch kein Tropfen bliebe,

Sie im Durste sich berauscht,

 

Aber aus dem Helme lachet

Amor, der dies Lied ersann,

Der ein Feuer angefachet,

Das er nimmer löschen kann.

 

Und es klinget mit den Pfeilen

Nun der Knabe an dem Helm

Und aus allen Blumen eilen

Bienen zu dem kleinen Schelm.

 

Entstanden vielleicht 1812 (Boëtius 1985)