BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Gedichte 1804 - 1815

 

1807

April: Die zusammen mit Görres verfaßte Satire «BOGS» erscheint.

Mai/Juni: Reise nach Holland.

Juli: Liaison mit der sechzehnjährigen Auguste Bußmann.

21. August: Ehe mit Auguste. Wohnung in Kassel.

Oktober: Reise nach Giebichenstein, dort Treffen mit Arnim.

November: Reise mit Arnim zu Goethe nach Weimar.

10. November: Arnim kommt nach Kassel, Arbeit am «Wunderhorn».

Zusammenarbeit mit den Brüdern Grimm.

 

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[...] drei Waldhörner kündigten eine nahe Jagd an, und ich mußte die fettsten Leipziger Lerchen und Sinngedichte streichen lassen, und selbst meine Seele in die Flucht geben. Waldnacht in der Musik und leises Baumgeflüster, Quellenmurmeln, grüner Mut, grünes Blut in allen Adern rinnt; der Jäger aus Kurpfalz, der schnallt auf seinen Mantelsack und reitet durch den grünen Wald als Jäger aus Kurpfalz, ju ja ju ja lustig wollen wir leben, allhier auf grüner Heid. Fort, fort den Hörnern nach, den Jägern nach, Trarah, Trarah über Berg und Tal, schürz dich Gredelchen, schürz dich,

 

über Bäche, über Gräben, über Stock, über Stein,

springen die Hasen und Hirschelein,

und das Publikum hinterdrein,

in die Waldnacht hinein.

Rezensieren, kritisieren

soll dir aus dem Kopf spazieren,

wann ich sag, es bleibt dabei,

es leb die edle Jägerei,

he he he,

Hirsch und Reh,

sind nicht frei,

vor dem Blei

meiner Jägerei,

 

so rief Frau Echo nach und der Kuckuck mit seinem Schreien macht fröhlich jedermann. Da tat sich auf ein Feld von Schmaragd und an kristallnen Quellen erkühlte die Jagd,

 

gegrüßet seid ihr Waldgebäu,

bei hochbelaubten Eichen,

o Mägdlein, setz dich neben bei,

tu mir den Becher reichen,

und den vergoldeten Sonnenglanz

laß in den Becher schauen,

und flicht mir einen Blumenkranz,

und wolle mir vertrauen.

Weil die Sonne heißer scheint,

komm in die tiefen Lauben,

wo die wilde Rebe weint,

da lachen die Turteltauben.

Sie bringt den Wein in Bechersglanz,

aus Veilchen und Narzissen,

reicht sie ihm einen süßen Kranz

in Waldes Finsternissen.

Da kräuselt und säuselt der Schall,

seine Stimme will übersteigen,

da lispelt und wispelt die Nachtigall,

Orgel, Lauten, Geigen,

aber du Liebe, du Liebe, du Liebe,

vor dir muß alles schweigen.

Da tat sie den Jäger wohl fragen,

ob sie einen grünen Kranz dürft tragen

in ihrem goldfarbenen Haar?

Grün Kränzlein darfst du nicht tragen

wie eine Jungfräulein trägt,

ein schneeweiß Häublein sollst du tragen,

wie eine junge Jägersfrau trägt.

Und drüben überm Berge, da stand der rote Mond,

Feinslieb dreh dich herumme, beut mir den roten Mund,

so ging die Nacht herumme, da billt des Jägers Hund,

der Jäger sieht ob ihrem Haupt

einen schwarzen Vogel wiegen,

er nahm sein Flintlein aus dem Laub,

Feinslieb, bleib ruhig liegen,

bleib ruhig liegen in dem Moos,

du brauchst dich nicht zu schämen,

ich will den schwarzen Vogel dir

vom Haupt herunter nehmen,

Feinslieb erwacht so nackt und bloß,

und weint und tut sich schämen,

Feinslieb, sitz still im grünen Moos,

der Vogel fällt in deinen Schoß,

in deinem Schoße stirbt sichs gut.

Sie wollte nicht trauen auf sein Wort,

brauns Mädel wollt springen fort,

der Schuß schlug sie darnieder,

der schwarze Vogel ob ihrem Haupt

schwang aufwärts sein Gefieder.

Da schwang der Jäger ins Jammertal

sein Horn, sein Horn, sein traurig Horn,

durch Weh und Zorn und Distel und Dorn.

Feinslieb, wie bleich, dein Blut wie rot,

dein Mund wie rot,

Feinslieb, dreh dich herumme,

der Mond wie rot,

Feinslieb, dreh dich herumme,

Feinslieb liegt still im grünen Moos,

im roten Moos,

so rot von Blut,

in deinem Schoße stirbt sichs gut,

du kannst dich nicht mehr schämen,

o Jammer, Jammer, Jugendblut,

er tat sichs Leben nehmen.

 

Und immer leiser, leiser sangen die Töne, als wollten sie die beiden Toten nicht erwecken, und das Hündlein lag auf dem Grab und starb, und weiße Hirsche und junge Rehe kamen heran und schauten die zwei Liebenden an, und weinten, und die Turteltauben lachten nicht mehr, aber die wilde Rebe weinte nieder und rankte heran und flocht eine grüne Laube über ihr Grab.

 

Es wuchsen drei Lilien auf ihrem Grab, auf ihrem Grab,

die wollte ein Engel wohl brechen ab,

ach Engel laß die drei Lilien stahn, die Lilien stahn,

es sollen sie drei Waldhornisten han,

sie bliesen so freudig, so traurig ins Horn

und alles was sie bliesen, das war verlorn.

 

Da ward ich dermaßen gerührt und fing selbst an zu singen, ach soll denn euer Blasen verloren sein, so mögens auch meine Sackuhren sein, Sackuhren sein; und riß eine heraus, und wollte hin, die Künstler zu belohnen, aber in der Angst drückte mich einer, die Uhr, die ich hielt, repetierte, ich hatte mich vergriffen, welch Glück, daß ich noch zu Verstand kam, das Konzert war aus, [...]

 

1807, aus der Satire BOGS (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Trippel Trippel trap, trab, trap

Heut schließ ich die Tür nicht ab

Wenn ich dich erst bei mir hab

Küß ich dich recht tüchtig ab.

 

Weck mir nicht die Mutter auf

Nur nicht hust, nicht nies, nicht schnauf,

Nicht zu stolz renn mir herauf,

Wer hoffärtig fällt leicht drauf.

 

Weck mir nicht die Martinsgans,

Tritt dem Hund nicht auf den Schwanz,

Schleiche wie der Mondenglanz,

Wie ein Floh im Hochzeitskranz

 

Stoß mir nicht die Kübel um

Liebster Schatz, ich bitt dich drum

Rumpelt er rumpidipum

Liebster Schatz, das wäre dumm

 

Und vor allem ich dich bitt

Auf der Treppe in der Mitt

Mache einen großen Schritt

Von vier Stufen fehlt die dritt

 

In das Maul nimm deine Schuh

Kömmt die Magd, so fahr drauf zu

Dann glaubt sie, du seist Wu Wu

Kriecht ins Bett und läßt uns Ruh.

 

Gehe links, ach geh nicht recht

Sonst kömmst du zum Oberknecht

Und da kriegst du ein Gefecht

Und der Jockel schmeißt nicht schlecht

 

Steig auch nicht bis unters Dach

Kömmst (sonst) in das Taubenfach,

Da wird gleich mein Bruder wach,

Eilet schnell dem Marder nach.

 

Bist du vor der Kammertür

Klage deinen Jammer mir,

Dann schieb ich die Klammer für

Schrei, wer ist, Potz Hammer, hier.

 

Und da wachet alles auf

Mutter, Bruder, Knecht im Lauf

Nahn, es wird 'ne Prügeltrauf.

Besser als 'ne Kindertauf!

 

Doch es ging 'nen andern Gang,

Mutter nach neun Monden sang,

Mädel, 's wird mir angst und bang,

Sonst war ja dein Röckchen lang.

 

Entstanden 1807 (Schultz 1995)