BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Zedlers Universal-Lexicon

1732 - 1754

 

Grosses vollständiges Universallexikon

aller Wissenschaften und Künste

 

Band VIII (E)

1734

 

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[1532]

Erde, oder Erdboden, Erd-Creiß, Erden-Creyß, Erd-Kugel. Globus terraqueus, Terra, Tellus ist der Welt-Cörper, auf welchem wir wohnen. Man kan dieselbe hauptsächlich auf dreyerley Art betrachten. Erstlich auf eine Astronomische Art, indem man die Erde als einen Welt-Cörper ansiehet, in so ferne sie ein Welt-Cörper ist, da man ihren Ort, Bewegung, Bahn, Grösse, und Ubereinstimmung mit denen andern Welt-Cörpern in Erwegung ziehet; hernachmahls auf eine Geographische Art, wenn man die Figur derselben, wahre Grösse, und Mathematische Abtheilung untersuchet, und endlich auf eine Physicalische [1535] Art, da man den Zusammenhang derer verschiedenen Theile des Erdbodens und deren verschiedene Structur in Erwegung ziehet. Wir wollen jede von diesen Betrachtungen durchgehen, und das merckwürdigste davon anführen. Die alten Welt-Weisen nahmen als eine unstreitige Wahrheit an, es gehöre zu dem Wesen eines Sterns, daß er sein eigen Licht vor sich habe; und folglich eine Contradiction in adjecto involvire, ein Stern zu seyn, und mit keinem angebohrnen Lichte zu gläntzen; weswegen sie auch die Erde gäntzlich von der Zahl der Sterne ausgeschlossen, da dieselbe mit keinem angebohrnen Lichte versehen ist; wie denn diese Meynung auch noch jetzo in denen Ohren dererjenigen, welche der Astronomie unerfahren, gantz abgeschmackt klinget, wenn sie hören, daß die Erde ebenfalls ein Stern seyn soll. Wir verstehen hier durch einen Stern, einen jeden Welt-Cörper, der da leuchtet, er mag nun sein Licht vor sich, oder anderswo her haben. Nachdem die Astronomie in bessern Stand gesetzet worden, ist man von der Wahrheit, daß die Erde ebenfalls ein Stern sey, gäntzlich überzeuget worden. Die gäntzliche Verduncklung des Monds in denen Mond-Finsternissen, dessen abwechselnde Phases bezeugen zur Gnüge, daß der Mond kein Licht vor sich habe. Die Selenographischen Observationes, vermöge deren man Berge, Thäler, Meere, Insuln, Klippen, Vorgebürge in dem Monde, auch eine Lufft um denselbigen wahrgenommen hat, erweisen die Übereinstimmung des Monds mit unserer Erden zur Gnüge. Venus und Mercurius, wenn sie unter der Sonnen weggehen, praesentiren sich darinnen als ein schwartzer Flecken, und geben dadurch zu erkennen, daß sie kein Licht vor sich haben; ein gleiches erweiset Mars von sich, wenn er in der Quadratur Phasin gibbam zeuget. Der Schatten, welcher zuweilen von einem Jupiters Trabanten auf den Discum des Jovis geworffen wird, macht diesen gleichfalls zu einen an sich duncklen Cörper; und an dem Saturno läst sich dieses aus der Schwäche seines Lichts schlüssen. Inzwischen nennet man alle diese Cörper Sterne, ungeachtet sie mit keinem angebohrnen Lichte gläntzen, sondern solches anders woher, nemlich von der Sonne, borgen. Mit was für Rechte können wir demnach der Erde den Namen eines Sterns absprechen, da so eine grosse Gleichheit sich unter ihnen befindet, welche durch die Ubereinstimmung der gemeldeten Beschaffenheit des Monds mit der Erde noch mehr bekräfftiget, auch mit gutem Rechte von denen übrigen Planeten kan gesagt werden, zumahl da die Flecken der Veneris, des Martis und Jovis hierzu gnugsam Anlaß geben, Hugenius in Cosmotheoro. Von der Sonnen wissen wir, daß sie ein würckliches Feuer sey, wie solches die Effecte derer Brenn-Spiegel u. Gläser darthun; von denen Fix-Sternen sind wir dißfalls auch überzeuget, da wir, wegen ihrer ungemeinen Weite von der Sonnen, die sich weit über die Sphaeram Saturni erstrecket, zugeben müßen, daß sie solches von der Sonnen nicht haben können; zumahl da Saturnus, als der weiteste Planet von der Sonne, schon mit so schwachem Lichte gläntzet, hingegen die Fix-Sterne ein überaus lebhafftes Licht haben. Wie dort die Gleichheit der Erden mit denen Planeten, so ist hier die Gleichheit derer Fix-Sterne mit der Sonnen; und haben daher die neuern Astronomi mit Recht die Sonne aus der Anzahl [1536] derer Planeten ausgeschlossen, und an deren Stelle die Erde darunter versetzet. Sie hat auch ihren Platz fast mitten unter denen Planeten, indem man Vermöge derer Astronomischen observationen gezwungen ist, ihr die Stelle zwischen der Sphaere des Martis und der Veneris anzuweisen. Einige von denen Haupt-Planeten als Jupiter, Saturnus, haben Neben-Planeten um sich, die sich um sie bewegen. Unsere Erde ist gleichfalls mit einem Neben-Planeten, nemlich dem Monde, versehen, der seine Revolution um dieselbe hat, woraus abermahls erhellet, daß die Erde mit Recht als ein Haupt-Planete anzusehen sey. Es kommt ihr auch zu, als wodurch man vor andern die Planeten eine eigene Bewegung, wie denen andern Planeten von denen Fixis zu unterscheiden pfleget, als welche einerley Weite von einander zu behalten pflegen und nicht bald an diesem bald an jenem Orte des Himmels, wie die Planeten, erscheinen. Alle Haupt-Planeten bewegen sich nemlich um die Sonne, und werden von einer vi centripeta, so man auch die Schwere derer Planeten gegen die Sonne zu nennen pfleget, gegen dieselbe zugetrieben, doch dergestallt, daß die aus dem motu progressivo juxta Tangentem suae orbitae entstehende vis centrifuga derselben Einhalt thue, daß der Planet nicht würcklich dadurch gegen den Cörper der Sonnen gäntzlich zugetrieben, sondern genöthiget werde, eine gewisse krumme Linie, durch ihre Bewegung um die Sonne, zu beschreiben, die nach des Kepleri Erfindung eine Ecliptische Figur hat. Diese Krafft oder Schwere gegen die Sonne exeriret sich in allen Planeten, weil sie sich um die Sonne bewegen, und da diese über dieses nicht einerley Weite von der Sonnen beständig behalten, so ist klar, daß dieselbe Krafft, durch das gantze Systema Planetarium vertheilet seyn müsse. Unsere Erde befindet sich ermeldeter massen, mitten unter denen Planeten u. wird derowegen ebenfalls von der gedachten Schwere gegen die Sonne sollicitiret, von welcher die Planeten urgiret werden. Wäre nun dieselbe in Ruhe, so wäre nichts vorhanden, so dieser Krafft Einhalt täte, und müste sich demnach die Erde würcklich gegen die Sonne bewegen, und endl. auf selbige fallen. Hieraus erhellet, daß es Physice nothwendig sey, daß die Erde um die Sonne sich bewegen müsse, als wodurch aus dem Motu progressivo derselben in ihrer Bahn eine Vis centrifuga entstehet, die der Vi centripetae gegen die Sonne die Waage hält, und verursachet, daß die Erde ebenfalls wie andere Planeten in einer gewissen Bahn sich bewege; von welcher Bewegung der Erde um die Sonne, ein mehreres unter dem Titul: Bewegung der Erde um die Sonne. Tom. III. p. 1617. seqq. ist ausgeführet worden. Wir wollen hier nur die Gleichheit zwischen denen Planeten u. unserer Erde darthun, u. erweisen, daß sie selbst ein Planete sey. Die eigne Bewegung derselben bekräfftiget dieses vor andern, u. die tägl. Bewegung der Erden um ihre Achse stimmet gleichfalls bey. Wir müsten wider die principia der Mechanic lauffende Dinge in der Astronomie zugeben, wenn wir das gantze himmlische Heer innerhalb 24. Stunden um die Erde wollten herum drehen lassen, um diesen kleinen Welt-Cörper eine Ruhe zu vergönnen; sondern es nöthigen uns vielmehr alle phaenomena, der Erden eine Bewegung um ihre Achse zuzuschreiben, vermöge welcher sie von Abend gegen Morgen, [1537] innerhalb 24. Stunden eine Revolution absolviret, und ihren Einwohnern dadurch die Phaenomena des primi mobilis zeiget. Ein mehreres hiervon siehe unter dem Titel Bewegung der Erden um ihre Axe Tom. III. p. 1613. Die andern Planeten haben gleichfalls dergleichen Bewegung: wie solches der Titel: Bewegung um die Axe Tom. III. p. 1629. seqq. zeiget, und auch in diesem Stück die Gleichheit der Erden mit denen Planeten zu erkennen giebet. Hier müssen wir noch beyfügen, daß einige sich unterfangen haben, die Erde zu einen Neben-Planeten zu machen, dessen Haupt-Planet de[r] Mond wäre, und daß dieselbe um den Mond und zugleich mit ihm um die Sonne sich bewege, wie wir uns dieses von der Bewegung des Monds um die Erde und zugleich mit ihr um die Sonne vorstellen. Io. Baptista Balianus hat diese Meynung geheget, wie aus des Riccioli Almag. nouo T. I. Lib. IV. c. 10. n. 3. zuersehen. Wallisius giebt in Oldenburgers Act. Philos. Anglic. de an. 1665-1669. p. 209. einige probale Ursachen an, warum diese Hypothesis nicht statt finden könne. Vor wenig Jahren hat eben diese Meynung, ein Benedictiner, Jacob Alexander, wieder hervorgesuchet, da er die Ursache der Ebbe und Fluth hat ausfindig machen wollen. Journal des Scavans Mens. Octobr. 1727. Allein den Irrthum desselbigen hat Christfried Kirch in Observationibus Astronom. Berlin. 1730. gewiesen. Die Sache kan Astronomice nicht wahr seyn, weilen wir sonst alle Monathe eine Retrog[r]adation von 25. Minuten an der Sonne wahr nehmen müsten; so aller Erfahrung zu wieder lauffet. Wir nehmen inzwischen weder die jährliche noch tägliche Bewegung der Erden an sich selbst wahr, sondern müssen solche aus denen Phaenomenis schliessen, wie wir an denen Bewegungen derer Gestirne von der Erden als unsern Observatorio wahrnehmen. Und hieraus ist von denenjenigen welche keinen Unterscheid zwischen einer scheinbahren und wahren Bewegung zu machen wissen, der Schluß gefasset worden: Sonne, Mond und Sterne bewegen sich um die Erde, weil wir solches sehen; Die Erde hingegen ruhet, weil wir keine Bewegung an ihr empfinden. Solcher gestalt müste die Erde viele Secula durch den Mittel-Punct unseres Systematis Planetarii abgeben und die andern Planeten um sich herum lauffen lassen, biß endlich Copernicus von neuen, da schon einige alte Philosophi zuvor darauf gefallen waren, derselben diesen Vorzug vor andern Planeten nicht länger zu gestehen wolte, sondern sie gleichfalls zu einen Planeten machte, und solcher gestallt, das nach ihm so genannte Systema Copernicanum etablirte; welches hernachmahls von Keplero mehr excoliret, und endlich von Newton, zwar nicht geometrice oder absolute, doch Physicé nothwendig gemacht worden ist. In diesem Systemate erhält die Erde, gedachter massen, zwischen dem Marte und der Venere ihre Stelle; und wir pflegen darauff, als auf einen Ort, von dem wir abreisen müsten, wenn wir das Welt-Gebäude durch eine Tour betrachten wolten, die Weiten derer Planeten und Sterne darauff zu beziehen. Wie weit der Mond von unserer Erden entfernet sey, lässet sich ziemlich genau determiniren, weil derselbe eine merckliche Parallaxin hat. de la Hire setzet in seinen Tabb. Astron. p. 27. die gröste Weite des Monds von der Erden 63 ½. und die kleineste 56. halbe Diametros der Erden; und hiermit stimmen [1538] die heutigen Astronomi überein. Ein gleiches gewisses Urtheil würden wir von denen Weiten derer übrigen Planeten von der Erden fällen können, wenn die Parallaxes derselben mercklich wären; allein da solche etwas sehr geringes betragen, das auch mit denen accuratesten Instrumenten nicht genau genug zu observiren ist; so ist kein Wunder, daß die Astronomi bey der Determination derer Weiten derer Planeten von der Erden nicht mit einander übereinkommen. Wir wissen zwar die Verhältnisse derer Weiten derer Planeten und der Erde von der Sonne aus ihrer Periodischen Zeit, folglich auch die Verhältnisse von denen Weiten derer Planeten von der Erde; Allein die Sache bleibet doch noch indeterminiret, weil man solcher gestalt die wahren Weiten durch ein bekanntes Maß. z. E. derer Semidiametrorum der Erden, als durch eine bekannte Einheit, noch nicht bestimmen kan. Wisten wir die Weite der Sonnen von der Erden genau, so könten wir Vermöge der bewusten Verhältnissen die wahren Weiten derer Planeten von der Erden gleichfalls genau bestimmen. Allein eben diese ist es, deren wahre Grösse man wegen Mangel der Parallaxis unmöglich auf das genaueste determiniren kan. Unstreitig ist es, daß die Sonne weit mehr von uns entfernet sey als die alten Astronomi angegeben. Den Unterscheid hiervon nach denen Observationibus verschiedener alter und neuen Astronomorum kan man aus beygefügter Tabelle ersehen:

 

Weite der Sonnen von der Erden in halben

Diametris der Erden

 

Astronomi.

gröste

mittlere

kleineste.

Hipparchus

1586      

1472      

1357      

Ptolemaeus

1210      

1168      

1126      

Albategnius

1146      

1107      

1068      

Copernicus

1179      

1142      

1105      

Tycho

1182      

1150      

1120      

Keplerus

3430      

3381      

3327      

Wendelinus

14905      

14656      

14407      

Ricciolus

7427      

7300      

7173      

Cassini

22347      

22000      

21626      

de la Hire

34996      

34377      

33759      

 

Die neuesten observationes des Cassini und de la Hire treffen der Sache am nächsten, in dem Theils die Instrumente, womit sie observiret haben, weit accurater, Theils auch die Methoden, die sie angewendet, weit gewisser als dero alten ihre gewesen sind; womit auch die observationes derer andern neuern Astronomorum übereinstimmen. Nimmt man nun die Weite der Sonnen von der Erden an, wie sie Cassini angegeben, so werden die Weiten derer Planeten von der Erden in Semidiametris der Erden folgender massen heraus kommen:

 

 

gröste

mittlere

kleineste

des Saturni

244000      

210000      

176000      

des Jovi

143000      

115000      

87000      

des Martis

59000      

33500      

8000      

der Veneris

38000      

22000      

6000      

des Mercurii

33000      

22000      

11000      

der Lunae

61      

57      

53      

 

Nach dem de la Hire würden diese Entfernungen noch grösser heraus kommen, woraus man abnehmen kan, was vor eine erstaunende Grösse nur unser Systema Planetarium hat, und wie klein unsre Erde in Ansehung dieser Weiten sey; dahero mit Recht die heutigen Astronomi sagen unsere Erde sey schon in Ansehung [1539] der Weite der Sonnen von derselben nur wie ein Punct (nemlich Physicalisch und relativé) zu achten; indem sich nach dem Cassini der Diameter der Erden gegen die mittlere Weite der Sonnen, wie 2. zu 22000. oder wie 1 : 11000. verhalten wird, welches allerdings eine unmerckliche Verhältniß. Allein eine noch weit geringere Grösse werden wir uns von der Erden einbilden müssen, wenn wir dieselbe mit der Entfernung derer Fix-Sterne von der Erde vergleichen. Flamsteed setzet die Weite des Polar-Sterns von der Erde 126023944. halbe Diameter der Erde, oder derselbe ist 6173. mahl weiter von der Erden als die Sonne von ihr entfernet. Whisten Praelect. Astronom. p. 39. & 81. Hugenius urtheilet, die Sirius stehe 27664 mahl weiter von der Erden als die Sonne von ihr ab, Histoire de l'Academie royale des sciences an. 1717. p. 83. und Cassini behauptet, daßdie Weite des Sirii von der Erden um 43780 mahl grösser sey, als die Weite der Sonnen von der Erden. Ist nun in Ansehung dieser der Diameter der Erden als ein Punct zu achten; wie vielmehr wird man solches bejahen müssen, wenn man sie mit der Weite der Sterne von ihr vergleichet. Wir, die wir auf der Erden wohnen, bilden uns dieselbe überaus groß ein; Wir müssen aber hier erstaunen, wenn wir sehen, daß dieselbe so was geringes ausmache. Es wird Oerter in dem Welt-Gebäude geben, da die vielleicht daselbst befindlichen Creaturen Theils unsere Erde nur als ein kleines Sterngen, Theils gar nicht erblicken werden; und es wird ihnen, so wenig von unserer Erden bewust seyn, wie wenig uns etwas von denenjenigen Sternen bekannt ist, die wir nicht einmahl durch die Fern-Gläser erkennen können. von denen doch zu verläßig zu schlüssen, daß deren welche vorhanden. Ein Einwohner im Monde wird den Diameter unserer Erden ungefehr unter einem Winckel von 2. Graden sehen, und folglich derselbe bey nahe viermahl grösser erscheinen als uns der Diameter des Mondens auf der Erden vorkommt. Unsere von der Sonnen erleuchtete Erde wird beynahe 16. mahl mehr Licht in den Mond werffen und denselben dadurch erleuchten, als wir von dem Monde zu genüssen haben; ja wir sehen dieses reflectirte Licht der Erden augenscheinlich in dem Mond, wenn derfelbe kurtz nach-dem Neu-Monde uns wieder sichtbar wird, da wir ihn gantz sehen können, ungeachtet nur ein geringer von der Sonnen erleuchteter Theil an ihm uns zugekehret ist. Ein solcher Einwohner im Monde wird ferner unsere Erde als einen runden Cörper am Himmel sehen, der bald wenig, bald halb, bald gantz erleuchtet erscheinet, eben wie wir die Phasen des Monds wahr nehmen; er wird auch auf dem Disco der Erden die Berge, Thäler, Meere, Insuln, Vorgebürge etc. als Flecken erblicken, nicht anders, als wie uns diese Dinge in dem Disco des Mondens erscheinen. Eine solche Gestalt wird die Erde haben, wenn sie in einer solchen Weite, in welcher der Mond von uns abstehet betrachtet würde. Es wird aber noch weniger einem Observatori etwas davon bekannt werden, der viel weiter davon entfernet ist. So jemand aus der Sonne die Erde betrachten sollte, so würde derselbe ihren Diametrum unter einem Winckel von 12. Secunden wahrnehmen, und folglich ihme die Erde so groß als uns der Mercurius erscheinen. Ein Einwohner in dem Saturno wird wenig oder gar nichts davon zu sehen bekommen; [1540] und noch weniger derjenige so weiter, als der Saturnus von ihr entfernet wäre. Ob nun zwar in dieser Betrachtung die Erde was sehr geringes, so kommt sie doch wieder in einige Hochachtung und wird mercklicher wenn man selbige mit denen Cörpern derer übrigen Planeten unseres Systematis Planetarii vergleichet. Nach des Hugenii Rechnung verhält sich der Diameter der Erden zu dem Diametrum des Saturni wie 1 zu 15; des Jovis wie 1. zu 20; des Martis, wie 3. zu 2; der Sonne wie 1. zu 111; der Veneris wie 3. zu 4; des Mercurii wie 23. zu 5; hingegen der Cörperliche Innhalt der Erden verhält sich gegen dem Cörperlichen des Saturni, wie 1. zu 3375; des Jovis, wie 1. zu 8000; des Martis wie 27. zu 8; der Sonne, wie 1. zu 1397631; der Veneris, wie 27. zu 64; des Mercurii, wie 2197. zu 125. und ist folglich dem Cörperlichen Innhalt nach Saturnus 3375, Jupiter 8000, die Sonne 1367631, die Venus 2 10/27; oder bey nahe 2⅓, mahl grösser als die Erde; hingegen der Mars 3⅗, der Mercurius 17 7/10 mahl kleiner als dieselbe. Wenn wir aber unsere Erde wiederum mit der Grösse derer Fix-Sterne vergleichen, wird sie wieder unmercklich und fast zu nichts. Cassini schätzet den Diametrum Sirii 100. mahl grösser, als den Diametrum der Sonne, und ist folglich derselbe den cörperlichen Innhalt nach, 1000000. mahl grösser als die Sonne; so wir derowegen die Sonne nur 1000000. mahl grösser als unsere Erde annehmen (wie sie denn nach angeführter Rechnung des Hugenii noch grösser ist); so wird der Sirius dem cörperlichen Innhalte nach 1000000000000. mahl grösser als unsere Erde seyn. Memoires de l' Acad. Royale des Sciences an. 1717. p. 345. Es siehet aber dieser ungeheure Cörper des Sirii, uns, wenn wir ihn durch die besten Fern-Gläser betrachten, nur wie ein Punct aus; dahero kan man leicht schlüssen, daß wenn ein Einwohner in dem Sirio wäre, derselbe von unserer Erden gar nichts würde zu sehen bekommen. Wir müssen endlich diese Astronomische Betrachtung der Erde und ihre Kleinheit verlassen, um keine Verachtung gegen sie zu erwecken; und hingegen die Geographische Betrachtung derselben vornehmen, wie wir uns, die wir auf der Erden wohnen, dieselbe vorstellen. Hier kommt nun vor allererst die Frage vor was die Erde vor eine Figur habe? wollten wir dem Urtheil des Pöbels folgen, der eine Sache nur dergestalt zu concipiren pfleget, wie sie sich seinen Sinnen vorstellet; so müsten wir die Erde als eine grosse Ebene betrachten, die sich allenthalben ausdehnete, und an ihrem äussern Circel mit dem Himmel verbunden wäre; weilen einem solchen Menschen, wenn er auf einer Ebene sich befindet, alles solcher gestallt vorkommt, und ihme der Himmel auf der Erden aufzuliegen scheinet. Keplerus in Epitom. Astron. Copern. I. erzehlet dergleichen Meynungen des Pöbels folgender massen: Huic videtur terra latissima planitie circulariter excurrere in omnes plagas circa spectatorem, undiquaque aquis circumdata, quae parte coeli inferiori tarnquara vase contineantur. Alii vero alium extra Oceanum concipiunt terrae limbum, Oceanum, ne effluat, continentem, iidemque substernunt ei terram, eadem de caussa. Tertii hic quoque accedunt, quibus cum Oceanus videatur esse altior terris, si quis illum inspiciat ex littoribus, ideo illi existimant terram quasi demissam inter aqua fundari, & custodiri a [1541] Dei omnipotentia supernaturaliter, ne imminentes ex alto aqua revertantur illamque operiant. So urtheilet nicht nur der Pöbel, sondern einige alte Philosophen haben selbst dergleichen Meynungen geheget, wiewohl sie nach ihren besondern Einfällen, und daraus formirten Gründen, der Erden verschiedene Figuren gegeben. Empedocles und Anaximenes haben sich die Erde als einen platten Tisch; Leucippus als eine Trommel; Heraclitus, wie einen hohlen Kahn; Anaximander wie eine Säule; Cleanthes als einen Kegel; Democritus rund und hohl, damit das Wasser nicht heraus fliessen könne; Plato als einen Cubum vorgestellet; welche verschiedene Meynungen Petrus Gassendus in Animadvers. in Lib X. Diogen. Laërt. T. I. p. 347. Ricciolus in Almag. nouo L. II. c. 1. §. 1. Joh. Praetorius in Diss. de Terrae facies figura Sect. 1. David. Christiani in System. geograph. general. I. 4. Albert. Christian. Dünhaupt. in Dissert. tertia & postrema de sphaerica telluris figura Wittenberg 1715. und andere erzählen. Doch haben nicht alle unter denen alten Philosophen solchergestalt raisonniret, sondern verschiedene davon haben der Erde eine sphaerische oder Kugel-runde Figur zugeeignet. Nach dem Zeugniß des Diogenes Laërtii IX. 21. soll Parmenides Eleates zu erst diese Meynung geheget haben; und eben derselbe bezeuget l. c. L. II. 3. dieses von dem Anaximandro Milesio. Plutarchus de Placit. Philos. III. 10. hingegen spricht solche dem Anaximandro ab, und legt solche dem Thaleti Milesio, als dem Lehr-Meister des Anaximandri bey; und eben dieser Plutarchus bezeuget, daß die Stoici diese Meynung von der Rundung der Erden gehabt. Die Peripatetici sind den Aristotelem de Coelo II 14. gefolget, welcher die Erde Kugelrund machet; und die Cosmographi haben die Meynung des Ptolemai annehmen müssen, da er im Almag. l. 4. ihre sphaerische Figur erwiesen. Ob nun zwar diese Meynung von der Figur der Erde der Wahrheit gemäß, wie wir bald darthun werden, auch nach der Zeit von denen Peripatetischen Philosophen, die darinnen ihrem Aristoteli gefolget, starck ist vertheidiget worden; so haben doch einige alte Kirchen-Lehrer solche als der Religion gefährlich verworffen, zumahlen, da man alsdenn zu geben müste, daß Antipodes wären; wie solches vor andern Lactantius Divin. Instit. III. 24. und Augustinus de Ciuit. Dei XVI. 6. gethan. Gleicher Meynung mit diesen sind die meisten Christen mittler Zeiten gewesen, und in dem 8ten Seculo hat der Bischoff zu Mayntz Bonifacius, den Bischoff zu Saltzburg Vergilium, so wohl in der Mathematic versiret war, deswegen Ketzerey beschuldiget, daß derselbe Antipodes statuiret, in dem er davor hielte, daß man solcher gestallt unter der Erden andere Menschen, eine andere Welt, eine andere Sonne, einen andern Mond zu geben müsse; wie er denn auch durch den Papist Zachariam zu wege gebracht, daß Vergilius das wegen seines Bischoffthums ist beraubet worden; wie solches Auentinus Annal. Bojorum III. p. 172. und aus ihm Daniel Erasm. ab Huldeberg in Diss. de rotunditate ac magnitudine terrae 2. §. 2. Joh. Christ. Beckmann in Histor. Orbis Terrarum I. §. 9. erzählen. Nachdem die Mathematischen Wissenschafften mehr und mehr sind excoliret worden; ist auch die Meynung von der Rundung der Erde mehr in Schwang gekommen; und durch eine Erfahrungen [1542] dergestalt bekräfftiget worden, daß heut zu Tage, ausser den Pöbel, solche niemand mehr in Zweiffel ziehet. Der letztere unter denen Philosophen, der dieser Meynung wiedersprochen, ist Franciscus Patritius Pancosmiae XXV.XXVI. gewesen, als welcher noch die Ebene der Erden vertheidiget; dessen Irthum aber Ricciolus in Almag. novo II. 1. Schol. 3. & 4. zur Gnüge gezeiget. Es sind die Beweiß-Gründe, welche die sphärische Figur der Erden bekräfftigen, Theils aus denen Astronomischen Observationen, Theils aus einigen auf der Erden selbst angewerckten Erfahrungen herzuhohlen. Nach der ersten Art wissen wir aus denen Mond-Finsternissen, daß der Schatten der Erden sich allezeit Circel-rund in dem Monde darstelle; die Finsterniß mag, zu welcher Zeit und an welchen Orte des Himmels sie will, geschehen. Hieraus ist klar, daß weil die Erde, sie mag von einer Seiten von der Sonnen erleuchtet werden, von welcher sie will, allezeit einen Circul-runden Schatten hinter sich wirfft, nach denen Optischen Principiis nothwendig eine Kugel seyn müsse; weil sonst, wenn ein solcher Cörper nicht rund wäre, bey einer andern Lage desselben in Ansehung des erleuchteten Cörpers auch eine andere Figur seines Schattens erfolgen müste. Wir wissen aus Astronomischen Observationen ferner, daß einem jeden Orte in einerley parallelo die Sonne bey Tage und die Sterne bey Nacht just eben so viel eher aufgehen, so viel er weiter gegen Morgen lieget; woraus folget, daß die Erde von Abend gegen Morgen zu rund seyn müsse; indem wenn sie eben wäre, die Sonne allen zu gleicher Zeit aufgehen würde; wäre sie aber hohl, würden die so weiter gegen Abend wohnen, die Sonne zeitiger aufgehen sehen, als die gegen Morgen. Eben so ist auch die Erde vom Mittag genen Mitternacht rund; welches klärlich daraus erhellet, daß je weiter man von Mittag gegen Mitternacht unter einerley Meridiano fortgehet, je höher man in eben solcher Proportion den Polar-Stern über dem Horizont erhaben siehet, welches nicht erfolgen könnte, worferne die Erde nicht nach solcher Direction rund wäre. Wir könten noch mehre Beweiß-Gründe aus der Astronomie anführen; sie erfodern aber schon eine weitere Erkäntniß derselbigen. Diejenigen Erfahrungen, so man auf der Erden selbst wahrgenommen hat, und uns von der sphärischen Figur derselben überzeugen, sind: daß der sichtbahre Horizont der Erden sich allenthalben circulariter terminire, wenn man solchen von einem erhabenen Orte besonders an der See betrachtet; daß, wenn man an denen Ufern des Meers die ankommenden Schiffe in Augenschein nimmt, das oberste von denen Mast-Bäumen, hernachmahls immer mehr, je näher das Schiff kommet, und endlich dasselbe gantz dem Auge entdecket werde, welches wir sonst auf einmahl gantz sehen würden, woferne die Fläche des Meers eben wäre. Man muß sich hier aber nicht die fallaciam opticam verführen lassen, daß das Meer in der Mitten höher sey, als an denen Ufern; denn aus der Optic wissen wir, daß weit entlegene Sachen dem Auge vorkomen, als wenn sie höher liegen. Es ist dahero kein Wunder, daß man die Erde zur See schon etliche mahl umschiffet hat. Ferdinandus Megellanus hat an. 1519. innerhalb 1124. Tagen die Erde das erstemahl umschiffet; nach ihm haben Franciscus Draco, ein Engländer, anno 1577. innerhalb 1056; Thomas [1543] Candisch, ein Engländer an. 1586. innerhalb 777. Simon Cordes aus Rotterdam ann. 1590. und Olicier Noort gleichfalls ein Holländer, an. 1598. innerhalb 1077; Wilhelm Cornelius Schouten an. 1615. innerhalb 749. und Jacob Heremiten und Johann Hugen an. 1623. innerhalb 802. Tagen, dergleichen Reise gethan. Man erkennet hieraus, daß die Erde ein runder Cörper seyn müsse; die obigen Gründe hingegen zeigen, daß er eine sphaerische Figut habe. Diese Beweiß-Gründe und noch mehrere dergleichen findet man weiter ausgeführet, in Riccioli Geograph. I. 1. Varonii Geograph. general. Lib. I. Sect. 2. cap. 3. Liebknecht Elem. Geograph. general. P. II. c. 2. Praetorius in diss. cit. Dünnehaupt in denen beyden erstern dissertationibus de sphaerica telluris figura, davon er die erstere unter Schrödern zu Wittenberg an. 1715. gehalten, Christoph Langhausen diss. de Figura Telluris ad sensum sphaerica Königsberg 1724. und andern Schrifften, wie auch in denen gewöhnlichen Compendiis Geographicis, so Mathematisch geschrieben sind. Man muß aber die sphaerische Figur der Erden nicht mit der geometrischen Notion einer Kugel vermischen, auf deren Fläche alle Puncte von ihrem Mittel-Punct gleichweit entfernet sind; denn die Ungleichheiten der Erde und die grossen und hohen Gebürge bezeugen augenscheinlich das Wiederspiel. Wir wissen auch daß alle Flüsse endlich in die See sich ergüssen, indem das Wasser von einem höhern Orte, in ihnen Vermöge seiner natürlichen Schwere flüsset; solches kan nicht geschehen wo der Grund derer Flüsse nicht abhängig ist, wie solches Erfahrungen des Wasser-Wägens und des Gefälles gar deutlich vor Augen legen; da nun dieses beständig an einem Flusse fortgehen muß, wenn anders das Wasser darinnen ordentlich fortlauffen soll; so muß der Ort, wo sich ein Fluß in die See ergüsset, folglich auch die Fläche des Meers selbst, sehr viel tieffer liegen, als der Ort, wo die Quelle des Flusses ist; woraus man abnehmen kan, daß das feste Land weiter von dem Mittel-Puncte der Erden weg sey als die Fläche des Meeres, daraus folglich wiederum die Ungleichheit auf der Fläche der Erd-Kugel, die aus Wasser und Land zusammen gesetzet ist, erhellet. Keplerus in Epitome Astronom. Copern. Lib. I. P. I. p. 20. 21. mercket aus denen Observationibus derer Schiffer an, daß ein solcher Fluß, welcher in einer weite von 200. Schritten, um einen Schritt tieff ein Gefälle habe, nicht ohne Gefahr könne beschiffet werden; und Erhardus Weigelius in Speculo terrae 6. p. 92. stimmet bey nahe damit überein. Es setzet der letztere, daß ein sehr langsamer Fluß in einer Stunde 2000. Schritte weit lauffe, und in einer weite von 1000. Schritten sich um einen Schritt sencke, ein langsamer Fluß 4000. Schritt in einer Stunde durchwandere, und in einer Weite von 1000. Schritten, 2. Schritte Gefälle habe; ein mittelmäßiger Fluß 6000. Schritt in einer Stunde absolvire, und in einer Entfernung von 1000. Schritten sich um 3. Schritt sencke; ein schneller Fluß eine Stunde von nöthen habe 8000. Schritt zu durchlauffen, der alsdenn innerhalb 1000. Schritten ein Gefälle von 4. Schritten habe; ein sehr schneller Fluß 10000. Schritte in einer Stunde vorbey flüsse, und sich um 5. Schritt innerhalb 1000. Schritten sencke; endlich ein gefährlicher Fluß in einer Stunde 12000. Schritt fortflüsse, und in einer Weite von 1000. Schritt ein Gefälle von 6. Schritten habe. [1544] Wir wissen indessen, daß die meisten grossen Flüsse auf der Erden schiffbar sind, und daher keiner wohl von solcher Beschaffenheit, daß er sich in 200. Schritten um einen, oder in einer Weite von 200. Meilen, um 1 Meile sencken sollte; dahero hat Keplerus mit Recht daraus geschlossen, daß nicht leichtlich Flüsse auf der Erden würden angetroffen, welche an dem Orte, wo sie sich in die See ergüssen, eine Meile tieffer liegen sollten, als der Ort ihrer Quellen, folglich, daß ein solches Land sehr selten um eine Meile über die Fläche des Meers erhabener wäre. Gleichergestalt wird man auf der Erden nicht leicht Berge antreffen, so im perpendicel eine Meile hoch seyn sollten, wie bereits unter dem Titel: Berg Tom. III. p. 1227. ist erinnert worden. Es beträget demnach der Unterscheid, welchen die Fläche eines Landes über der Fläche des Meers, oder die Spitze eines Berges über die Fläche des Landes in Ansehung der Höhe haben kan, kaum eine Teutsche Meile; und wäre folglich die Proportion einer solchen Protuberante eines Berges, oder der tieffgesenckten Fläche des Meers wie I. 860. welche nicht mercklich ist, und daher unsere Erden gar wohl ungeacht dieser Ungleichheiten als eine runde Kugel könne angesehen werden. Die Erfahrung bekräfftiget dieses an den Schatten der Erden bey einer Mond-Finsterniß. Dieser praesentiret sich allezeit, wie ein Circel und läst keine Ungleichheiten spüren so etwan von dem Gebürgen unserer Erden herrühren könnte; welches eine Anzeige ist, daß ihre Höhe gegen den Diameter der Erde, der hierdurch den Diameter des Erd-Schattens repraesentiret wird, nicht mercklich sey. Wir sehen hiervon ein deutliches Exempel an dem Mond, von dem wir wissen, daß er gleichfalls eine Kugel und mit grossen Gebürgen besetzet sey (siehe: Berge im Monde Tom. III. p. 1251.) dessen ungeachtet sehen wir seinen äussern Rand, sowohl im Voll-Monde, als auch bey totalen Sonnen-Finsternissen, allezeit genau nach der Periphaerie eines Circels terminiret, und bemercken keine Ungleichheiten daran. Man pfleget daher die Erde mit einer Pomerantze zu vergleichen, deren Protuberantzen ihre Rundung so wenig unscheinbar machen können, als die grösten Berge der sphaerischen Figur unserer Erden etwas benehmen können. Es ist demnach die Erde in physicalischen, nicht mathematischen Verstande, eine Kugel. Allein auch diese Figur hat sie in denen neuern Zeiten nicht behalten können, sondern man hat ihr eine Oval oder ­sphaeroidische Figur zugeeignet. Es stimmen aber hierinnen auch die neuern Philosophen nicht mit einander überein, indem einige die Erde unter dem Aequatore erhabener, gegen die Polos zu aber gedruckt und niedriger setzen; andere hingegen umgekehrt dieses angeben und um die Polos die Erde höher, unter dem Aequatore aber niedriger machen. Jene gründen sich auf Vernunfft-Schlüsse, die durch die Erfahrung zugleich bekräfftiget werden; diese suchen ihrem Grund in einer Ausmessung eines Theils der Erden. Die erstere Meynung hat Newton in Princip. Philos. natural. Mathem. Lib. III. prop. 19. erwiesen. Die Sache kommt darauf an: die Bewegung der Erde, um ihre Axe kan heut zu Tage kein vernünfftiger Astronome leugnen; wo ferne aber diese Statt findet, so folget, daß die Erde nothwendig unter dem Aequatore höher als um die Polos seyn müsse. Dasjenige, was die Theile unserer Erden zusammen hält, daß sie eine [1545] physicalische runde Erde Kugel formiren, ist die Schwere derselbigen, oder der Nisus, den sie gegen den Mittel-Punct der Erden haben. Wenn die Erde um ihre Axe revolviret, so bekommen die Theile der Erden eine vim centrifugam, das ist, eine Krafft, sich von dem Mittel-Punct der Erden zu entfernen; und würden sie sich vermöge derselben würcklich von der Erden abreissen und darvon flügen, wenn ihre Schwere geringer als diese Vis contrifuga wäre; eben wie ein Stein aus der Schleuder heraus fähret, wenn man dieselbe in einen Creise herumgetrieben hat, und den einen Faden loß läst, da denn nichts mehr vorhanden, so dieser Krafft sich zu entfernen Einhalt täte. Allein da die Schwere derer Theile der Erden gegen den Mittel-Punct derselben weit grösser ist, als diese aus der Bewegung der Erden um ihre Axe entstehende Krafft sich zu entfernen; so findet auch würcklich keine Absonderung derer Theile der Erden von derselben Statt. Inzwischen concurriren alsdenn in dieser Sache zwey einander entgegen gesetzte Kräffte, nemlich die Schwere eines Cörpers, welche ihn gegen den Mittel-Punct der Erden zudruckt; und die Vis contrifuga desselben, so ihn von der Erden zu entfernen sich bemühet, und wird demnach ein Theil von der Schwere des Cörpers als die grössern Kraft, von der Vi centrifuga destruiret. Wäre nun diese Vis centrifuga an allen Orten der Erden gleich groß; so würde an allen Orten der Erden die Schwere derer Cörper gleich viel dadurch destruiret werden, und man würde hierinnen kein Merckmahl finden, ob die Theile der Erden an sich schwerer wären; allein, da wir aus der Mechanic wissen, daß einerley Cörper, wenn er mit einer gewissen Geschwindigkeit in einem grössern Circel beweget werde, eine grössere Vim centrifugam habe; als wenn er mit eben derselben Geschwindigkeit in einem kleinern Circel revolviret: so ist klar, daß da die Theile unserer Erden alle mit gleicher Geschwindigkeit innerhalb 24 Stunden einmahl herum gedrehet werden, die Circel aber, darinnen sie sich bewegen, unter dem Aequatore am grösten, gegen die Polos zu immer kleiner sind (indem die Erde bey nahe eine Kugel); auch die Vis centrifuga unter dem Aequatore grösser seyn müsse, als unter denen parallelis, die denen Polis näher liegen. Hierdurch wird ein grösserer Theil von der absoluten Schwere derer Cörper unter dem Aequatore destruiret, als von eben derselben absoluten Schwere unter einem parallelo näher nach dem Polo zu; das ist, die Cörper von einerley Art sind unter dem Aequatore leichter als in denjenigen Ländern, so weiter davon liegen. z. E. ein Stück Bley, so hier zu Lande ein Pfund wieget, wiegt unter dem Aequatore weniger. Hieraus ist klar, daß weil dieses von allen Cörpern gilt, auch das Wasser unter dem Aequatore leichter seyn müsse, als in denen Meeren gegen die Polos zu. Nun wissen wir, daß das Wasser in denen Meeren deswegen einerley Höhe behalte, weil solches von einerley schwere ist, und einerley Druck gegen einander exerciret; wie solches die Phaenomena derer Tuborum communicantium bekräfftigen; hingegen zwey Liquores, davon der eine specifice leichter ist als der andere, halten nicht mit einander in gleicher Höhe die Waage, sondern es stehet alsdenn der leichtere höher, als der schwerere; wie solches gleichfalls aus denen Phaenomenis derer Tuborum communicantium bekannt ist. Da nun das Wasser unter dem Aequatore leichter ist, als gegen die Polos zu, so muß [1546] das Wasser unter dem Aequatore nothwendig höher und von dar an gegen die Polos zu immer niedriger stehen, weil diese Gewässer mit einander eben so wohl wie in denen Tubis communicantibus, communiciren, und einen Druck gegen einander ausüben. Wäre nun die Erde gantz und gar mit Wasser überflossen, so wüsten wir gewiß, daß sie alsdenn eine Oval-Figur haben müste, vermöge deren sie unter dem Aequatore hoch, unter denen Polis niedrig wäre; und diese Figur muß sie wenigstens im Anfange der Welt gehabt haben, da sie mit Wasser umgeben, und ihr von GOtt die Bewegung dem die Axe ist mitgetheilet worden. Allein eben diese Figur wird sie auch noch jetzo haben, da Wasser und Land von einander separiret sind, denn da das Land Theils wegen der sonst zu erfolgenden Inundation, Theils wegen des schon oben angemerckten Ergüssens derer Flüsse in das Meer, nothwendig höher als die Fläche des Meers liegen muß; so folget: ist das Wasser unter dem Aequatore höher, als das Wasser unter denen parallelis gegen die Polos zu, so muß auch das Land dort höher, als in diesen Strichen der Erden liegen. Es hat demnach auch die Erde in dieser Verfassung, worinnen sie sich jetzo befindet, eine Oval-Figur, und ist gegen die Polos gedruckt, unter dem Aequatore hoch. Die Obseruationes bekräfftigen dieses auf das Beste. Als Richer, ein Frantzose, in der Insel Cayuenne, so bey America über 4. biß 5. Grad von dem Aequatore nicht ablieget, mit Astronomischen Obseruationen beschäfftiget war, befand er, daß er sein Pendulum um 1¼. Linie habe kürtzer machen müssen, um dessen Ubereinstimmung mit dem Himmel zu erhalten, daß solches praecise mit einer Vibration eine Secunde der Zeit abmesse, da solches zu Paris 3. Schuhe 8 7/9. Linie lang war, und genau eine Secunde schlug. Recueil d'Observations faites en plusieurs voyages par ordre de sa Majeste pour perfectionner l'Astronomie et la Geographie auec diuers Traites astronomiques par Messieurs de l'Academie Royale des Sciences; als worinnen diese Observationes des Richers die andere Stelle erhalten haben; Ingleichen Histoire de l'Academie Royale des Sciences an. 1700. p. 114. seqq. gleiche Observationes haben Varin und des Hayes, in denen Inseln Goree, Gadeloupe und Martinique angemercket, davon die erstere 14. Grad 40. Minuten, die andere 14. Grad, die dritte 14. Grad, 44. Minuten von dem Aequatore ablieget, und haben bey jeder die Länge des Penduli so eine Secunde schlägt, um 2. Linien kürtzer als zu Paris gefunden. Gleichergestalt hat Halley in der Insel St. Helena sein Pendulum um 1½ Linie kürtzer machen müssen, als es zu London gewesen. Nun wissen wir aus der Mechanic, daß wenn die Länge des Penduli und die Grösse des daran gebundenen Cörpers einerley verbleibet, hingegen die Schwere desselben verändert wird, sich die Zeiten derer Oscillationen reciprocé wie die Radices quadraticae die veränderten Schweren von dem angebundenen Cörper verhalten. Herrmann Phoron. I. §. 175. Aus diesem und der Zeit, um wie viel das Pendulum an einem dem Aequatori nahe gelegenem Orte weniger geschlagen, hat man die Verhältniß der Schwere unter dem Aequatore zu der Schwere zu Paris oder einem andern Orte der Erden ausfündig gemacht: Newton l. c. Prop. 20. hat hieraus dargethan, daß das Wachstum der Schwere einerley Cörpers von dem Aequatore gegen die Polos zu, bey nahe [1547] in der Proportion derer Quadrate des Sinus recti derer breiten derer Örter geschehe; hat auch eine Tabelle beygefüget, darinnen vor jede Pol-Höhe die Länge eines Penduli determiniret, so eine Secunde schlagen soll. Ist die Verhältniß der Schwere unter dem Aequatore gegen die Schwere an einem andern Orte der Erden bekannt, so kan man gar leicht die Höhe des Wassers, das ist, dessen Entfernung von dem Mittel-Puncte der Erden, in Ansehung der Höhe des Wassers unter einer gegebenen Pol-Höhe ausfündig machen; oder, welches einerley ist, man kan bestimmen, wie sich der Diameter der Erden unter dem Aequatore, zu dem Diameter der Erden, der von einem Polo zu dem andern reichet, verhalte. Newton setzet in der ersten Auflage seiner Principiorum diese Verhältniß, wie 692. zu 689; in der neuen hingegen bringet

 

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BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Zedlers Universal-Lexicon

1732 - 1754

 

Grosses vollständiges Universallexikon

aller Wissenschaften und Künste

 

Band VIII (E)

1734

 

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[1532]

Erde, oder Erdboden, Erd-Creiß, Erden-Creyß, Erd-Kugel. Globus terraqueus, Terra, Tellus ist der Welt-Cörper, auf welchem wir wohnen. Man kan dieselbe hauptsächlich auf dreyerley Art betrachten. Erstlich auf eine Astronomische Art, indem man die Erde als einen Welt-Cörper ansiehet, in so ferne sie ein Welt-Cörper ist, da man ihren Ort, Bewegung, Bahn, Grösse, und Ubereinstimmung mit denen andern Welt-Cörpern in Erwegung ziehet; hernachmahls auf eine Geographische Art, wenn man die Figur derselben, wahre Grösse, und Mathematische Abtheilung untersuchet, und endlich auf eine Physicalische [1535] Art, da man den Zusammenhang derer verschiedenen Theile des Erdbodens und deren verschiedene Structur in Erwegung ziehet. Wir wollen jede von diesen Betrachtungen durchgehen, und das merckwürdigste davon anführen. Die alten Welt-Weisen nahmen als eine unstreitige Wahrheit an, es gehöre zu dem Wesen eines Sterns, daß er sein eigen Licht vor sich habe; und folglich eine Contradiction in adjecto involvire, ein Stern zu seyn, und mit keinem angebohrnen Lichte zu gläntzen; weswegen sie auch die Erde gäntzlich von der Zahl der Sterne ausgeschlossen, da dieselbe mit keinem angebohrnen Lichte versehen ist; wie denn diese Meynung auch noch jetzo in denen Ohren dererjenigen, welche der Astronomie unerfahren, gantz abgeschmackt klinget, wenn sie hören, daß die Erde ebenfalls ein Stern seyn soll. Wir verstehen hier durch einen Stern, einen jeden Welt-Cörper, der da leuchtet, er mag nun sein Licht vor sich, oder anderswo her haben. Nachdem die Astronomie in bessern Stand gesetzet worden, ist man von der Wahrheit, daß die Erde ebenfalls ein Stern sey, gäntzlich überzeuget worden. Die gäntzliche Verduncklung des Monds in denen Mond-Finsternissen, dessen abwechselnde Phases bezeugen zur Gnüge, daß der Mond kein Licht vor sich habe. Die Selenographischen Observationes, vermöge deren man Berge, Thäler, Meere, Insuln, Klippen, Vorgebürge in dem Monde, auch eine Lufft um denselbigen wahrgenommen hat, erweisen die Übereinstimmung des Monds mit unserer Erden zur Gnüge. Venus und Mercurius, wenn sie unter der Sonnen weggehen, praesentiren sich darinnen als ein schwartzer Flecken, und geben dadurch zu erkennen, daß sie kein Licht vor sich haben; ein gleiches erweiset Mars von sich, wenn er in der Quadratur Phasin gibbam zeuget. Der Schatten, welcher zuweilen von einem Jupiters Trabanten auf den Discum des Jovis geworffen wird, macht diesen gleichfalls zu einen an sich duncklen Cörper; und an dem Saturno läst sich dieses aus der Schwäche seines Lichts schlüssen. Inzwischen nennet man alle diese Cörper Sterne, ungeachtet sie mit keinem angebohrnen Lichte gläntzen, sondern solches anders woher, nemlich von der Sonne, borgen. Mit was für Rechte können wir demnach der Erde den Namen eines Sterns absprechen, da so eine grosse Gleichheit sich unter ihnen befindet, welche durch die Ubereinstimmung der gemeldeten Beschaffenheit des Monds mit der Erde noch mehr bekräfftiget, auch mit gutem Rechte von denen übrigen Planeten kan gesagt werden, zumahl da die Flecken der Veneris, des Martis und Jovis hierzu gnugsam Anlaß geben, Hugenius in Cosmotheoro. Von der Sonnen wissen wir, daß sie ein würckliches Feuer sey, wie solches die Effecte derer Brenn-Spiegel u. Gläser darthun; von denen Fix-Sternen sind wir dißfalls auch überzeuget, da wir, wegen ihrer ungemeinen Weite von der Sonnen, die sich weit über die Sphaeram Saturni erstrecket, zugeben müßen, daß sie solches von der Sonnen nicht haben können; zumahl da Saturnus, als der weiteste Planet von der Sonne, schon mit so schwachem Lichte gläntzet, hingegen die Fix-Sterne ein überaus lebhafftes Licht haben. Wie dort die Gleichheit der Erden mit denen Planeten, so ist hier die Gleichheit derer Fix-Sterne mit der Sonnen; und haben daher die neuern Astronomi mit Recht die Sonne aus der Anzahl [1536] derer Planeten ausgeschlossen, und an deren Stelle die Erde darunter versetzet. Sie hat auch ihren Platz fast mitten unter denen Planeten, indem man Vermöge derer Astronomischen observationen gezwungen ist, ihr die Stelle zwischen der Sphaere des Martis und der Veneris anzuweisen. Einige von denen Haupt-Planeten als Jupiter, Saturnus, haben Neben-Planeten um sich, die sich um sie bewegen. Unsere Erde ist gleichfalls mit einem Neben-Planeten, nemlich dem Monde, versehen, der seine Revolution um dieselbe hat, woraus abermahls erhellet, daß die Erde mit Recht als ein Haupt-Planete anzusehen sey. Es kommt ihr auch zu, als wodurch man vor andern die Planeten eine eigene Bewegung, wie denen andern Planeten von denen Fixis zu unterscheiden pfleget, als welche einerley Weite von einander zu behalten pflegen und nicht bald an diesem bald an jenem Orte des Himmels, wie die Planeten, erscheinen. Alle Haupt-Planeten bewegen sich nemlich um die Sonne, und werden von einer vi centripeta, so man auch die Schwere derer Planeten gegen die Sonne zu nennen pfleget, gegen dieselbe zugetrieben, doch dergestallt, daß die aus dem motu progressivo juxta Tangentem suae orbitae entstehende vis centrifuga derselben Einhalt thue, daß der Planet nicht würcklich dadurch gegen den Cörper der Sonnen gäntzlich zugetrieben, sondern genöthiget werde, eine gewisse krumme Linie, durch ihre Bewegung um die Sonne, zu beschreiben, die nach des Kepleri Erfindung eine Ecliptische Figur hat. Diese Krafft oder Schwere gegen die Sonne exeriret sich in allen Planeten, weil sie sich um die Sonne bewegen, und da diese über dieses nicht einerley Weite von der Sonnen beständig behalten, so ist klar, daß dieselbe Krafft, durch das gantze Systema Planetarium vertheilet seyn müsse. Unsere Erde befindet sich ermeldeter massen, mitten unter denen Planeten u. wird derowegen ebenfalls von der gedachten Schwere gegen die Sonne sollicitiret, von welcher die Planeten urgiret werden. Wäre nun dieselbe in Ruhe, so wäre nichts vorhanden, so dieser Krafft Einhalt täte, und müste sich demnach die Erde würcklich gegen die Sonne bewegen, und endl. auf selbige fallen. Hieraus erhellet, daß es Physice nothwendig sey, daß die Erde um die Sonne sich bewegen müsse, als wodurch aus dem Motu progressivo derselben in ihrer Bahn eine Vis centrifuga entstehet, die der Vi centripetae gegen die Sonne die Waage hält, und verursachet, daß die Erde ebenfalls wie andere Planeten in einer gewissen Bahn sich bewege; von welcher Bewegung der Erde um die Sonne, ein mehreres unter dem Titul: Bewegung der Erde um die Sonne. Tom. III. p. 1617. seqq. ist ausgeführet worden. Wir wollen hier nur die Gleichheit zwischen denen Planeten u. unserer Erde darthun, u. erweisen, daß sie selbst ein Planete sey. Die eigne Bewegung derselben bekräfftiget dieses vor andern, u. die tägl. Bewegung der Erden um ihre Achse stimmet gleichfalls bey. Wir müsten wider die principia der Mechanic lauffende Dinge in der Astronomie zugeben, wenn wir das gantze himmlische Heer innerhalb 24. Stunden um die Erde wollten herum drehen lassen, um diesen kleinen Welt-Cörper eine Ruhe zu vergönnen; sondern es nöthigen uns vielmehr alle phaenomena, der Erden eine Bewegung um ihre Achse zuzuschreiben, vermöge welcher sie von Abend gegen Morgen, [1537] innerhalb 24. Stunden eine Revolution absolviret, und ihren Einwohnern dadurch die Phaenomena des primi mobilis zeiget. Ein mehreres hiervon siehe unter dem Titel Bewegung der Erden um ihre Axe Tom. III. p. 1613. Die andern Planeten haben gleichfalls dergleichen Bewegung: wie solches der Titel: Bewegung um die Axe Tom. III. p. 1629. seqq. zeiget, und auch in diesem Stück die Gleichheit der Erden mit denen Planeten zu erkennen giebet. Hier müssen wir noch beyfügen, daß einige sich unterfangen haben, die Erde zu einen Neben-Planeten zu machen, dessen Haupt-Planet de[r] Mond wäre, und daß dieselbe um den Mond und zugleich mit ihm um die Sonne sich bewege, wie wir uns dieses von der Bewegung des Monds um die Erde und zugleich mit ihr um die Sonne vorstellen. Io. Baptista Balianus hat diese Meynung geheget, wie aus des Riccioli Almag. nouo T. I. Lib. IV. c. 10. n. 3. zuersehen. Wallisius giebt in Oldenburgers Act. Philos. Anglic. de an. 1665-1669. p. 209. einige probale Ursachen an, warum diese Hypothesis nicht statt finden könne. Vor wenig Jahren hat eben diese Meynung, ein Benedictiner, Jacob Alexander, wieder hervorgesuchet, da er die Ursache der Ebbe und Fluth hat ausfindig machen wollen. Journal des Scavans Mens. Octobr. 1727. Allein den Irrthum desselbigen hat Christfried Kirch in Observationibus Astronom. Berlin. 1730. gewiesen. Die Sache kan Astronomice nicht wahr seyn, weilen wir sonst alle Monathe eine Retrog[r]adation von 25. Minuten an der Sonne wahr nehmen müsten; so aller Erfahrung zu wieder lauffet. Wir nehmen inzwischen weder die jährliche noch tägliche Bewegung der Erden an sich selbst wahr, sondern müssen solche aus denen Phaenomenis schliessen, wie wir an denen Bewegungen derer Gestirne von der Erden als unsern Observatorio wahrnehmen. Und hieraus ist von denenjenigen welche keinen Unterscheid zwischen einer scheinbahren und wahren Bewegung zu machen wissen, der Schluß gefasset worden: Sonne, Mond und Sterne bewegen sich um die Erde, weil wir solches sehen; Die Erde hingegen ruhet, weil wir keine Bewegung an ihr empfinden. Solcher gestalt müste die Erde viele Secula durch den Mittel-Punct unseres Systematis Planetarii abgeben und die andern Planeten um sich herum lauffen lassen, biß endlich Copernicus von neuen, da schon einige alte Philosophi zuvor darauf gefallen waren, derselben diesen Vorzug vor andern Planeten nicht länger zu gestehen wolte, sondern sie gleichfalls zu einen Planeten machte, und solcher gestallt, das nach ihm so genannte Systema Copernicanum etablirte; welches hernachmahls von Keplero mehr excoliret, und endlich von Newton, zwar nicht geometrice oder absolute, doch Physicé nothwendig gemacht worden ist. In diesem Systemate erhält die Erde, gedachter massen, zwischen dem Marte und der Venere ihre Stelle; und wir pflegen darauff, als auf einen Ort, von dem wir abreisen müsten, wenn wir das Welt-Gebäude durch eine Tour betrachten wolten, die Weiten derer Planeten und Sterne darauff zu beziehen. Wie weit der Mond von unserer Erden entfernet sey, lässet sich ziemlich genau determiniren, weil derselbe eine merckliche Parallaxin hat. de la Hire setzet in seinen Tabb. Astron. p. 27. die gröste Weite des Monds von der Erden 63 ½. und die kleineste 56. halbe Diametros der Erden; und hiermit stimmen [1538] die heutigen Astronomi überein. Ein gleiches gewisses Urtheil würden wir von denen Weiten derer übrigen Planeten von der Erden fällen können, wenn die Parallaxes derselben mercklich wären; allein da solche etwas sehr geringes betragen, das auch mit denen accuratesten Instrumenten nicht genau genug zu observiren ist; so ist kein Wunder, daß die Astronomi bey der Determination derer Weiten derer Planeten von der Erden nicht mit einander übereinkommen. Wir wissen zwar die Verhältnisse derer Weiten derer Planeten und der Erde von der Sonne aus ihrer Periodischen Zeit, folglich auch die Verhältnisse von denen Weiten derer Planeten von der Erde; Allein die Sache bleibet doch noch indeterminiret, weil man solcher gestalt die wahren Weiten durch ein bekanntes Maß. z. E. derer Semidiametrorum der Erden, als durch eine bekannte Einheit, noch nicht bestimmen kan. Wisten wir die Weite der Sonnen von der Erden genau, so könten wir Vermöge der bewusten Verhältnissen die wahren Weiten derer Planeten von der Erden gleichfalls genau bestimmen. Allein eben diese ist es, deren wahre Grösse man wegen Mangel der Parallaxis unmöglich auf das genaueste determiniren kan. Unstreitig ist es, daß die Sonne weit mehr von uns entfernet sey als die alten Astronomi angegeben. Den Unterscheid hiervon nach denen Observationibus verschiedener alter und neuen Astronomorum kan man aus beygefügter Tabelle ersehen:

 

Weite der Sonnen von der Erden in halben

Diametris der Erden

 

Astronomi.

gröste

mittlere

kleineste.

Hipparchus

1586      

1472      

1357      

Ptolemaeus

1210      

1168      

1126      

Albategnius

1146      

1107      

1068      

Copernicus

1179      

1142      

1105      

Tycho

1182      

1150      

1120      

Keplerus

3430      

3381      

3327      

Wendelinus

14905      

14656      

14407      

Ricciolus

7427      

7300      

7173      

Cassini

22347      

22000      

21626      

de la Hire

34996      

34377      

33759      

 

Die neuesten observationes des Cassini und de la Hire treffen der Sache am nächsten, in dem Theils die Instrumente, womit sie observiret haben, weit accurater, Theils auch die Methoden, die sie angewendet, weit gewisser als dero alten ihre gewesen sind; womit auch die observationes derer andern neuern Astronomorum übereinstimmen. Nimmt man nun die Weite der Sonnen von der Erden an, wie sie Cassini angegeben, so werden die Weiten derer Planeten von der Erden in Semidiametris der Erden folgender massen heraus kommen:

 

 

gröste

mittlere

kleineste

des Saturni

244000      

210000      

176000      

des Jovi

143000      

115000      

87000      

des Martis

59000      

33500      

8000      

der Veneris

38000      

22000      

6000      

des Mercurii

33000      

22000      

11000      

der Lunae

61      

57      

53      

 

Nach dem de la Hire würden diese Entfernungen noch grösser heraus kommen, woraus man abnehmen kan, was vor eine erstaunende Grösse nur unser Systema Planetarium hat, und wie klein unsre Erde in Ansehung dieser Weiten sey; dahero mit Recht die heutigen Astronomi sagen unsere Erde sey schon in Ansehung [1539] der Weite der Sonnen von derselben nur wie ein Punct (nemlich Physicalisch und relativé) zu achten; indem sich nach dem Cassini der Diameter der Erden gegen die mittlere Weite der Sonnen, wie 2. zu 22000. oder wie 1 : 11000. verhalten wird, welches allerdings eine unmerckliche Verhältniß. Allein eine noch weit geringere Grösse werden wir uns von der Erden einbilden müssen, wenn wir dieselbe mit der Entfernung derer Fix-Sterne von der Erde vergleichen. Flamsteed setzet die Weite des Polar-Sterns von der Erde 126023944. halbe Diameter der Erde, oder derselbe ist 6173. mahl weiter von der Erden als die Sonne von ihr entfernet. Whisten Praelect. Astronom. p. 39. & 81. Hugenius urtheilet, die Sirius stehe 27664 mahl weiter von der Erden als die Sonne von ihr ab, Histoire de l'Academie royale des sciences an. 1717. p. 83. und Cassini behauptet, daßdie Weite des Sirii von der Erden um 43780 mahl grösser sey, als die Weite der Sonnen von der Erden. Ist nun in Ansehung dieser der Diameter der Erden als ein Punct zu achten; wie vielmehr wird man solches bejahen müssen, wenn man sie mit der Weite der Sterne von ihr vergleichet. Wir, die wir auf der Erden wohnen, bilden uns dieselbe überaus groß ein; Wir müssen aber hier erstaunen, wenn wir sehen, daß dieselbe so was geringes ausmache. Es wird Oerter in dem Welt-Gebäude geben, da die vielleicht daselbst befindlichen Creaturen Theils unsere Erde nur als ein kleines Sterngen, Theils gar nicht erblicken werden; und es wird ihnen, so wenig von unserer Erden bewust seyn, wie wenig uns etwas von denenjenigen Sternen bekannt ist, die wir nicht einmahl durch die Fern-Gläser erkennen können. von denen doch zu verläßig zu schlüssen, daß deren welche vorhanden. Ein Einwohner im Monde wird den Diameter unserer Erden ungefehr unter einem Winckel von 2. Graden sehen, und folglich derselbe bey nahe viermahl grösser erscheinen als uns der Diameter des Mondens auf der Erden vorkommt. Unsere von der Sonnen erleuchtete Erde wird beynahe 16. mahl mehr Licht in den Mond werffen und denselben dadurch erleuchten, als wir von dem Monde zu genüssen haben; ja wir sehen dieses reflectirte Licht der Erden augenscheinlich in dem Mond, wenn derfelbe kurtz nach-dem Neu-Monde uns wieder sichtbar wird, da wir ihn gantz sehen können, ungeachtet nur ein geringer von der Sonnen erleuchteter Theil an ihm uns zugekehret ist. Ein solcher Einwohner im Monde wird ferner unsere Erde als einen runden Cörper am Himmel sehen, der bald wenig, bald halb, bald gantz erleuchtet erscheinet, eben wie wir die Phasen des Monds wahr nehmen; er wird auch auf dem Disco der Erden die Berge, Thäler, Meere, Insuln, Vorgebürge etc. als Flecken erblicken, nicht anders, als wie uns diese Dinge in dem Disco des Mondens erscheinen. Eine solche Gestalt wird die Erde haben, wenn sie in einer solchen Weite, in welcher der Mond von uns abstehet betrachtet würde. Es wird aber noch weniger einem Observatori etwas davon bekannt werden, der viel weiter davon entfernet ist. So jemand aus der Sonne die Erde betrachten sollte, so würde derselbe ihren Diametrum unter einem Winckel von 12. Secunden wahrnehmen, und folglich ihme die Erde so groß als uns der Mercurius erscheinen. Ein Einwohner in dem Saturno wird wenig oder gar nichts davon zu sehen bekommen; [1540] und noch weniger derjenige so weiter, als der Saturnus von ihr entfernet wäre. Ob nun zwar in dieser Betrachtung die Erde was sehr geringes, so kommt sie doch wieder in einige Hochachtung und wird mercklicher wenn man selbige mit denen Cörpern derer übrigen Planeten unseres Systematis Planetarii vergleichet. Nach des Hugenii Rechnung verhält sich der Diameter der Erden zu dem Diametrum des Saturni wie 1 zu 15; des Jovis wie 1. zu 20; des Martis, wie 3. zu 2; der Sonne wie 1. zu 111; der Veneris wie 3. zu 4; des Mercurii wie 23. zu 5; hingegen der Cörperliche Innhalt der Erden verhält sich gegen dem Cörperlichen des Saturni, wie 1. zu 3375; des Jovis, wie 1. zu 8000; des Martis wie 27. zu 8; der Sonne, wie 1. zu 1397631; der Veneris, wie 27. zu 64; des Mercurii, wie 2197. zu 125. und ist folglich dem Cörperlichen Innhalt nach Saturnus 3375, Jupiter 8000, die Sonne 1367631, die Venus 2 10/27; oder bey nahe 2⅓, mahl grösser als die Erde; hingegen der Mars 3⅗, der Mercurius 17 7/10 mahl kleiner als dieselbe. Wenn wir aber unsere Erde wiederum mit der Grösse derer Fix-Sterne vergleichen, wird sie wieder unmercklich und fast zu nichts. Cassini schätzet den Diametrum Sirii 100. mahl grösser, als den Diametrum der Sonne, und ist folglich derselbe den cörperlichen Innhalt nach, 1000000. mahl grösser als die Sonne; so wir derowegen die Sonne nur 1000000. mahl grösser als unsere Erde annehmen (wie sie denn nach angeführter Rechnung des Hugenii noch grösser ist); so wird der Sirius dem cörperlichen Innhalte nach 1000000000000. mahl grösser als unsere Erde seyn. Memoires de l' Acad. Royale des Sciences an. 1717. p. 345. Es siehet aber dieser ungeheure Cörper des Sirii, uns, wenn wir ihn durch die besten Fern-Gläser betrachten, nur wie ein Punct aus; dahero kan man leicht schlüssen, daß wenn ein Einwohner in dem Sirio wäre, derselbe von unserer Erden gar nichts würde zu sehen bekommen. Wir müssen endlich diese Astronomische Betrachtung der Erde und ihre Kleinheit verlassen, um keine Verachtung gegen sie zu erwecken; und hingegen die Geographische Betrachtung derselben vornehmen, wie wir uns, die wir auf der Erden wohnen, dieselbe vorstellen. Hier kommt nun vor allererst die Frage vor was die Erde vor eine Figur habe? wollten wir dem Urtheil des Pöbels folgen, der eine Sache nur dergestalt zu concipiren pfleget, wie sie sich seinen Sinnen vorstellet; so müsten wir die Erde als eine grosse Ebene betrachten, die sich allenthalben ausdehnete, und an ihrem äussern Circel mit dem Himmel verbunden wäre; weilen einem solchen Menschen, wenn er auf einer Ebene sich befindet, alles solcher gestallt vorkommt, und ihme der Himmel auf der Erden aufzuliegen scheinet. Keplerus in Epitom. Astron. Copern. I. erzehlet dergleichen Meynungen des Pöbels folgender massen: Huic videtur terra latissima planitie circulariter excurrere in omnes plagas circa spectatorem, undiquaque aquis circumdata, quae parte coeli inferiori tarnquara vase contineantur. Alii vero alium extra Oceanum concipiunt terrae limbum, Oceanum, ne effluat, continentem, iidemque substernunt ei terram, eadem de caussa. Tertii hic quoque accedunt, quibus cum Oceanus videatur esse altior terris, si quis illum inspiciat ex littoribus, ideo illi existimant terram quasi demissam inter aqua fundari, & custodiri a [1541] Dei omnipotentia supernaturaliter, ne imminentes ex alto aqua revertantur illamque operiant. So urtheilet nicht nur der Pöbel, sondern einige alte Philosophen haben selbst dergleichen Meynungen geheget, wiewohl sie nach ihren besondern Einfällen, und daraus formirten Gründen, der Erden verschiedene Figuren gegeben. Empedocles und Anaximenes haben sich die Erde als einen platten Tisch; Leucippus als eine Trommel; Heraclitus, wie einen hohlen Kahn; Anaximander wie eine Säule; Cleanthes als einen Kegel; Democritus rund und hohl, damit das Wasser nicht heraus fliessen könne; Plato als einen Cubum vorgestellet; welche verschiedene Meynungen Petrus Gassendus in Animadvers. in Lib X. Diogen. Laërt. T. I. p. 347. Ricciolus in Almag. nouo L. II. c. 1. §. 1. Joh. Praetorius in Diss. de Terrae facies figura Sect. 1. David. Christiani in System. geograph. general. I. 4. Albert. Christian. Dünhaupt. in Dissert. tertia & postrema de sphaerica telluris figura Wittenberg 1715. und andere erzählen. Doch haben nicht alle unter denen alten Philosophen solchergestalt raisonniret, sondern verschiedene davon haben der Erde eine sphaerische oder Kugel-runde Figur zugeeignet. Nach dem Zeugniß des Diogenes Laërtii IX. 21. soll Parmenides Eleates zu erst diese Meynung geheget haben; und eben derselbe bezeuget l. c. L. II. 3. dieses von dem Anaximandro Milesio. Plutarchus de Placit. Philos. III. 10. hingegen spricht solche dem Anaximandro ab, und legt solche dem Thaleti Milesio, als dem Lehr-Meister des Anaximandri bey; und eben dieser Plutarchus bezeuget, daß die Stoici diese Meynung von der Rundung der Erden gehabt. Die Peripatetici sind den Aristotelem de Coelo II 14. gefolget, welcher die Erde Kugelrund machet; und die Cosmographi haben die Meynung des Ptolemai annehmen müssen, da er im Almag. l. 4. ihre sphaerische Figur erwiesen. Ob nun zwar diese Meynung von der Figur der Erde der Wahrheit gemäß, wie wir bald darthun werden, auch nach der Zeit von denen Peripatetischen Philosophen, die darinnen ihrem Aristoteli gefolget, starck ist vertheidiget worden; so haben doch einige alte Kirchen-Lehrer solche als der Religion gefährlich verworffen, zumahlen, da man alsdenn zu geben müste, daß Antipodes wären; wie solches vor andern Lactantius Divin. Instit. III. 24. und Augustinus de Ciuit. Dei XVI. 6. gethan. Gleicher Meynung mit diesen sind die meisten Christen mittler Zeiten gewesen, und in dem 8ten Seculo hat der Bischoff zu Mayntz Bonifacius, den Bischoff zu Saltzburg Vergilium, so wohl in der Mathematic versiret war, deswegen Ketzerey beschuldiget, daß derselbe Antipodes statuiret, in dem er davor hielte, daß man solcher gestallt unter der Erden andere Menschen, eine andere Welt, eine andere Sonne, einen andern Mond zu geben müsse; wie er denn auch durch den Papist Zachariam zu wege gebracht, daß Vergilius das wegen seines Bischoffthums ist beraubet worden; wie solches Auentinus Annal. Bojorum III. p. 172. und aus ihm Daniel Erasm. ab Huldeberg in Diss. de rotunditate ac magnitudine terrae 2. §. 2. Joh. Christ. Beckmann in Histor. Orbis Terrarum I. §. 9. erzählen. Nachdem die Mathematischen Wissenschafften mehr und mehr sind excoliret worden; ist auch die Meynung von der Rundung der Erde mehr in Schwang gekommen; und durch eine Erfahrungen [1542] dergestalt bekräfftiget worden, daß heut zu Tage, ausser den Pöbel, solche niemand mehr in Zweiffel ziehet. Der letztere unter denen Philosophen, der dieser Meynung wiedersprochen, ist Franciscus Patritius Pancosmiae XXV.XXVI. gewesen, als welcher noch die Ebene der Erden vertheidiget; dessen Irthum aber Ricciolus in Almag. novo II. 1. Schol. 3. & 4. zur Gnüge gezeiget. Es sind die Beweiß-Gründe, welche die sphärische Figur der Erden bekräfftigen, Theils aus denen Astronomischen Observationen, Theils aus einigen auf der Erden selbst angewerckten Erfahrungen herzuhohlen. Nach der ersten Art wissen wir aus denen Mond-Finsternissen, daß der Schatten der Erden sich allezeit Circel-rund in dem Monde darstelle; die Finsterniß mag, zu welcher Zeit und an welchen Orte des Himmels sie will, geschehen. Hieraus ist klar, daß weil die Erde, sie mag von einer Seiten von der Sonnen erleuchtet werden, von welcher sie will, allezeit einen Circul-runden Schatten hinter sich wirfft, nach denen Optischen Principiis nothwendig eine Kugel seyn müsse; weil sonst, wenn ein solcher Cörper nicht rund wäre, bey einer andern Lage desselben in Ansehung des erleuchteten Cörpers auch eine andere Figur seines Schattens erfolgen müste. Wir wissen aus Astronomischen Observationen ferner, daß einem jeden Orte in einerley parallelo die Sonne bey Tage und die Sterne bey Nacht just eben so viel eher aufgehen, so viel er weiter gegen Morgen lieget; woraus folget, daß die Erde von Abend gegen Morgen zu rund seyn müsse; indem wenn sie eben wäre, die Sonne allen zu gleicher Zeit aufgehen würde; wäre sie aber hohl, würden die so weiter gegen Abend wohnen, die Sonne zeitiger aufgehen sehen, als die gegen Morgen. Eben so ist auch die Erde vom Mittag genen Mitternacht rund; welches klärlich daraus erhellet, daß je weiter man von Mittag gegen Mitternacht unter einerley Meridiano fortgehet, je höher man in eben solcher Proportion den Polar-Stern über dem Horizont erhaben siehet, welches nicht erfolgen könnte, worferne die Erde nicht nach solcher Direction rund wäre. Wir könten noch mehre Beweiß-Gründe aus der Astronomie anführen; sie erfodern aber schon eine weitere Erkäntniß derselbigen. Diejenigen Erfahrungen, so man auf der Erden selbst wahrgenommen hat, und uns von der sphärischen Figur derselben überzeugen, sind: daß der sichtbahre Horizont der Erden sich allenthalben circulariter terminire, wenn man solchen von einem erhabenen Orte besonders an der See betrachtet; daß, wenn man an denen Ufern des Meers die ankommenden Schiffe in Augenschein nimmt, das oberste von denen Mast-Bäumen, hernachmahls immer mehr, je näher das Schiff kommet, und endlich dasselbe gantz dem Auge entdecket werde, welches wir sonst auf einmahl gantz sehen würden, woferne die Fläche des Meers eben wäre. Man muß sich hier aber nicht die fallaciam opticam verführen lassen, daß das Meer in der Mitten höher sey, als an denen Ufern; denn aus der Optic wissen wir, daß weit entlegene Sachen dem Auge vorkomen, als wenn sie höher liegen. Es ist dahero kein Wunder, daß man die Erde zur See schon etliche mahl umschiffet hat. Ferdinandus Megellanus hat an. 1519. innerhalb 1124. Tagen die Erde das erstemahl umschiffet; nach ihm haben Franciscus Draco, ein Engländer, anno 1577. innerhalb 1056; Thomas [1543] Candisch, ein Engländer an. 1586. innerhalb 777. Simon Cordes aus Rotterdam ann. 1590. und Olicier Noort gleichfalls ein Holländer, an. 1598. innerhalb 1077; Wilhelm Cornelius Schouten an. 1615. innerhalb 749. und Jacob Heremiten und Johann Hugen an. 1623. innerhalb 802. Tagen, dergleichen Reise gethan. Man erkennet hieraus, daß die Erde ein runder Cörper seyn müsse; die obigen Gründe hingegen zeigen, daß er eine sphaerische Figut habe. Diese Beweiß-Gründe und noch mehrere dergleichen findet man weiter ausgeführet, in Riccioli Geograph. I. 1. Varonii Geograph. general. Lib. I. Sect. 2. cap. 3. Liebknecht Elem. Geograph. general. P. II. c. 2. Praetorius in diss. cit. Dünnehaupt in denen beyden erstern dissertationibus de sphaerica telluris figura, davon er die erstere unter Schrödern zu Wittenberg an. 1715. gehalten, Christoph Langhausen diss. de Figura Telluris ad sensum sphaerica Königsberg 1724. und andern Schrifften, wie auch in denen gewöhnlichen Compendiis Geographicis, so Mathematisch geschrieben sind. Man muß aber die sphaerische Figur der Erden nicht mit der geometrischen Notion einer Kugel vermischen, auf deren Fläche alle Puncte von ihrem Mittel-Punct gleichweit entfernet sind; denn die Ungleichheiten der Erde und die grossen und hohen Gebürge bezeugen augenscheinlich das Wiederspiel. Wir wissen auch daß alle Flüsse endlich in die See sich ergüssen, indem das Wasser von einem höhern Orte, in ihnen Vermöge seiner natürlichen Schwere flüsset; solches kan nicht geschehen wo der Grund derer Flüsse nicht abhängig ist, wie solches Erfahrungen des Wasser-Wägens und des Gefälles gar deutlich vor Augen legen; da nun dieses beständig an einem Flusse fortgehen muß, wenn anders das Wasser darinnen ordentlich fortlauffen soll; so muß der Ort, wo sich ein Fluß in die See ergüsset, folglich auch die Fläche des Meers selbst, sehr viel tieffer liegen, als der Ort, wo die Quelle des Flusses ist; woraus man abnehmen kan, daß das feste Land weiter von dem Mittel-Puncte der Erden weg sey als die Fläche des Meeres, daraus folglich wiederum die Ungleichheit auf der Fläche der Erd-Kugel, die aus Wasser und Land zusammen gesetzet ist, erhellet. Keplerus in Epitome Astronom. Copern. Lib. I. P. I. p. 20. 21. mercket aus denen Observationibus derer Schiffer an, daß ein solcher Fluß, welcher in einer weite von 200. Schritten, um einen Schritt tieff ein Gefälle habe, nicht ohne Gefahr könne beschiffet werden; und Erhardus Weigelius in Speculo terrae 6. p. 92. stimmet bey nahe damit überein. Es setzet der letztere, daß ein sehr langsamer Fluß in einer Stunde 2000. Schritte weit lauffe, und in einer weite von 1000. Schritten sich um einen Schritt sencke, ein langsamer Fluß 4000. Schritt in einer Stunde durchwandere, und in einer Weite von 1000. Schritten, 2. Schritte Gefälle habe; ein mittelmäßiger Fluß 6000. Schritt in einer Stunde absolvire, und in einer Entfernung von 1000. Schritten sich um 3. Schritt sencke; ein schneller Fluß eine Stunde von nöthen habe 8000. Schritt zu durchlauffen, der alsdenn innerhalb 1000. Schritten ein Gefälle von 4. Schritten habe; ein sehr schneller Fluß 10000. Schritte in einer Stunde vorbey flüsse, und sich um 5. Schritt innerhalb 1000. Schritten sencke; endlich ein gefährlicher Fluß in einer Stunde 12000. Schritt fortflüsse, und in einer Weite von 1000. Schritt ein Gefälle von 6. Schritten habe. [1544] Wir wissen indessen, daß die meisten grossen Flüsse auf der Erden schiffbar sind, und daher keiner wohl von solcher Beschaffenheit, daß er sich in 200. Schritten um einen, oder in einer Weite von 200. Meilen, um 1 Meile sencken sollte; dahero hat Keplerus mit Recht daraus geschlossen, daß nicht leichtlich Flüsse auf der Erden würden angetroffen, welche an dem Orte, wo sie sich in die See ergüssen, eine Meile tieffer liegen sollten, als der Ort ihrer Quellen, folglich, daß ein solches Land sehr selten um eine Meile über die Fläche des Meers erhabener wäre. Gleichergestalt wird man auf der Erden nicht leicht Berge antreffen, so im perpendicel eine Meile hoch seyn sollten, wie bereits unter dem Titel: Berg Tom. III. p. 1227. ist erinnert worden. Es beträget demnach der Unterscheid, welchen die Fläche eines Landes über der Fläche des Meers, oder die Spitze eines Berges über die Fläche des Landes in Ansehung der Höhe haben kan, kaum eine Teutsche Meile; und wäre folglich die Proportion einer solchen Protuberante eines Berges, oder der tieffgesenckten Fläche des Meers wie I. 860. welche nicht mercklich ist, und daher unsere Erden gar wohl ungeacht dieser Ungleichheiten als eine runde Kugel könne angesehen werden. Die Erfahrung bekräfftiget dieses an den Schatten der Erden bey einer Mond-Finsterniß. Dieser praesentiret sich allezeit, wie ein Circel und läst keine Ungleichheiten spüren so etwan von dem Gebürgen unserer Erden herrühren könnte; welches eine Anzeige ist, daß ihre Höhe gegen den Diameter der Erde, der hierdurch den Diameter des Erd-Schattens repraesentiret wird, nicht mercklich sey. Wir sehen hiervon ein deutliches Exempel an dem Mond, von dem wir wissen, daß er gleichfalls eine Kugel und mit grossen Gebürgen besetzet sey (siehe: Berge im Monde Tom. III. p. 1251.) dessen ungeachtet sehen wir seinen äussern Rand, sowohl im Voll-Monde, als auch bey totalen Sonnen-Finsternissen, allezeit genau nach der Periphaerie eines Circels terminiret, und bemercken keine Ungleichheiten daran. Man pfleget daher die Erde mit einer Pomerantze zu vergleichen, deren Protuberantzen ihre Rundung so wenig unscheinbar machen können, als die grösten Berge der sphaerischen Figur unserer Erden etwas benehmen können. Es ist demnach die Erde in physicalischen, nicht mathematischen Verstande, eine Kugel. Allein auch diese Figur hat sie in denen neuern Zeiten nicht behalten können, sondern man hat ihr eine Oval oder ­sphaeroidische Figur zugeeignet. Es stimmen aber hierinnen auch die neuern Philosophen nicht mit einander überein, indem einige die Erde unter dem Aequatore erhabener, gegen die Polos zu aber gedruckt und niedriger setzen; andere hingegen umgekehrt dieses angeben und um die Polos die Erde höher, unter dem Aequatore aber niedriger machen. Jene gründen sich auf Vernunfft-Schlüsse, die durch die Erfahrung zugleich bekräfftiget werden; diese suchen ihrem Grund in einer Ausmessung eines Theils der Erden. Die erstere Meynung hat Newton in Princip. Philos. natural. Mathem. Lib. III. prop. 19. erwiesen. Die Sache kommt darauf an: die Bewegung der Erde, um ihre Axe kan heut zu Tage kein vernünfftiger Astronome leugnen; wo ferne aber diese Statt findet, so folget, daß die Erde nothwendig unter dem Aequatore höher als um die Polos seyn müsse. Dasjenige, was die Theile unserer Erden zusammen hält, daß sie eine [1545] physicalische runde Erde Kugel formiren, ist die Schwere derselbigen, oder der Nisus, den sie gegen den Mittel-Punct der Erden haben. Wenn die Erde um ihre Axe revolviret, so bekommen die Theile der Erden eine vim centrifugam, das ist, eine Krafft, sich von dem Mittel-Punct der Erden zu entfernen; und würden sie sich vermöge derselben würcklich von der Erden abreissen und darvon flügen, wenn ihre Schwere geringer als diese Vis contrifuga wäre; eben wie ein Stein aus der Schleuder heraus fähret, wenn man dieselbe in einen Creise herumgetrieben hat, und den einen Faden loß läst, da denn nichts mehr vorhanden, so dieser Krafft sich zu entfernen Einhalt täte. Allein da die Schwere derer Theile der Erden gegen den Mittel-Punct derselben weit grösser ist, als diese aus der Bewegung der Erden um ihre Axe entstehende Krafft sich zu entfernen; so findet auch würcklich keine Absonderung derer Theile der Erden von derselben Statt. Inzwischen concurriren alsdenn in dieser Sache zwey einander entgegen gesetzte Kräffte, nemlich die Schwere eines Cörpers, welche ihn gegen den Mittel-Punct der Erden zudruckt; und die Vis contrifuga desselben, so ihn von der Erden zu entfernen sich bemühet, und wird demnach ein Theil von der Schwere des Cörpers als die grössern Kraft, von der Vi centrifuga destruiret. Wäre nun diese Vis centrifuga an allen Orten der Erden gleich groß; so würde an allen Orten der Erden die Schwere derer Cörper gleich viel dadurch destruiret werden, und man würde hierinnen kein Merckmahl finden, ob die Theile der Erden an sich schwerer wären; allein, da wir aus der Mechanic wissen, daß einerley Cörper, wenn er mit einer gewissen Geschwindigkeit in einem grössern Circel beweget werde, eine grössere Vim centrifugam habe; als wenn er mit eben derselben Geschwindigkeit in einem kleinern Circel revolviret: so ist klar, daß da die Theile unserer Erden alle mit gleicher Geschwindigkeit innerhalb 24 Stunden einmahl herum gedrehet werden, die Circel aber, darinnen sie sich bewegen, unter dem Aequatore am grösten, gegen die Polos zu immer kleiner sind (indem die Erde bey nahe eine Kugel); auch die Vis centrifuga unter dem Aequatore grösser seyn müsse, als unter denen parallelis, die denen Polis näher liegen. Hierdurch wird ein grösserer Theil von der absoluten Schwere derer Cörper unter dem Aequatore destruiret, als von eben derselben absoluten Schwere unter einem parallelo näher nach dem Polo zu; das ist, die Cörper von einerley Art sind unter dem Aequatore leichter als in denjenigen Ländern, so weiter davon liegen. z. E. ein Stück Bley, so hier zu Lande ein Pfund wieget, wiegt unter dem Aequatore weniger. Hieraus ist klar, daß weil dieses von allen Cörpern gilt, auch das Wasser unter dem Aequatore leichter seyn müsse, als in denen Meeren gegen die Polos zu. Nun wissen wir, daß das Wasser in denen Meeren deswegen einerley Höhe behalte, weil solches von einerley schwere ist, und einerley Druck gegen einander exerciret; wie solches die Phaenomena derer Tuborum communicantium bekräfftigen; hingegen zwey Liquores, davon der eine specifice leichter ist als der andere, halten nicht mit einander in gleicher Höhe die Waage, sondern es stehet alsdenn der leichtere höher, als der schwerere; wie solches gleichfalls aus denen Phaenomenis derer Tuborum communicantium bekannt ist. Da nun das Wasser unter dem Aequatore leichter ist, als gegen die Polos zu, so muß [1546] das Wasser unter dem Aequatore nothwendig höher und von dar an gegen die Polos zu immer niedriger stehen, weil diese Gewässer mit einander eben so wohl wie in denen Tubis communicantibus, communiciren, und einen Druck gegen einander ausüben. Wäre nun die Erde gantz und gar mit Wasser überflossen, so wüsten wir gewiß, daß sie alsdenn eine Oval-Figur haben müste, vermöge deren sie unter dem Aequatore hoch, unter denen Polis niedrig wäre; und diese Figur muß sie wenigstens im Anfange der Welt gehabt haben, da sie mit Wasser umgeben, und ihr von GOtt die Bewegung dem die Axe ist mitgetheilet worden. Allein eben diese Figur wird sie auch noch jetzo haben, da Wasser und Land von einander separiret sind, denn da das Land Theils wegen der sonst zu erfolgenden Inundation, Theils wegen des schon oben angemerckten Ergüssens derer Flüsse in das Meer, nothwendig höher als die Fläche des Meers liegen muß; so folget: ist das Wasser unter dem Aequatore höher, als das Wasser unter denen parallelis gegen die Polos zu, so muß auch das Land dort höher, als in diesen Strichen der Erden liegen. Es hat demnach auch die Erde in dieser Verfassung, worinnen sie sich jetzo befindet, eine Oval-Figur, und ist gegen die Polos gedruckt, unter dem Aequatore hoch. Die Obseruationes bekräfftigen dieses auf das Beste. Als Richer, ein Frantzose, in der Insel Cayuenne, so bey America über 4. biß 5. Grad von dem Aequatore nicht ablieget, mit Astronomischen Obseruationen beschäfftiget war, befand er, daß er sein Pendulum um 1¼. Linie habe kürtzer machen müssen, um dessen Ubereinstimmung mit dem Himmel zu erhalten, daß solches praecise mit einer Vibration eine Secunde der Zeit abmesse, da solches zu Paris 3. Schuhe 8 7/9. Linie lang war, und genau eine Secunde schlug. Recueil d'Observations faites en plusieurs voyages par ordre de sa Majeste pour perfectionner l'Astronomie et la Geographie auec diuers Traites astronomiques par Messieurs de l'Academie Royale des Sciences; als worinnen diese Observationes des Richers die andere Stelle erhalten haben; Ingleichen Histoire de l'Academie Royale des Sciences an. 1700. p. 114. seqq. gleiche Observationes haben Varin und des Hayes, in denen Inseln Goree, Gadeloupe und Martinique angemercket, davon die erstere 14. Grad 40. Minuten, die andere 14. Grad, die dritte 14. Grad, 44. Minuten von dem Aequatore ablieget, und haben bey jeder die Länge des Penduli so eine Secunde schlägt, um 2. Linien kürtzer als zu Paris gefunden. Gleichergestalt hat Halley in der Insel St. Helena sein Pendulum um 1½ Linie kürtzer machen müssen, als es zu London gewesen. Nun wissen wir aus der Mechanic, daß wenn die Länge des Penduli und die Grösse des daran gebundenen Cörpers einerley verbleibet, hingegen die Schwere desselben verändert wird, sich die Zeiten derer Oscillationen reciprocé wie die Radices quadraticae die veränderten Schweren von dem angebundenen Cörper verhalten. Herrmann Phoron. I. §. 175. Aus diesem und der Zeit, um wie viel das Pendulum an einem dem Aequatori nahe gelegenem Orte weniger geschlagen, hat man die Verhältniß der Schwere unter dem Aequatore zu der Schwere zu Paris oder einem andern Orte der Erden ausfündig gemacht: Newton l. c. Prop. 20. hat hieraus dargethan, daß das Wachstum der Schwere einerley Cörpers von dem Aequatore gegen die Polos zu, bey nahe [1547] in der Proportion derer Quadrate des Sinus recti derer breiten derer Örter geschehe; hat auch eine Tabelle beygefüget, darinnen vor jede Pol-Höhe die Länge eines Penduli determiniret, so eine Secunde schlagen soll. Ist die Verhältniß der Schwere unter dem Aequatore gegen die Schwere an einem andern Orte der Erden bekannt, so kan man gar leicht die Höhe des Wassers, das ist, dessen Entfernung von dem Mittel-Puncte der Erden, in Ansehung der Höhe des Wassers unter einer gegebenen Pol-Höhe ausfündig machen; oder, welches einerley ist, man kan bestimmen, wie sich der Diameter der Erden unter dem Aequatore, zu dem Diameter der Erden, der von einem Polo zu dem andern reichet, verhalte. Newton setzet in der ersten Auflage seiner Principiorum diese Verhältniß, wie 692. zu 689; in der neuen hingegen bringet

 

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