BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Zedlers Universal-Lexicon

1732 - 1754

 

Grosses vollständiges Universallexikon

aller Wissenschaften und Künste

 

Band I (A - Am)

1732

 

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[1]

 

 

 

Vorrede

über das

Universal-Lexicon.

 

§. 1.

 

 

Dieses Universal-Lexicon hat seines gleichen nicht.

 

 

 

 

 

 

Der Anfang schwerer, als

das Ende.

 

ES unternimmet der Verleger dieses Universal-Lexici ein Werck/ daran noch kein anderer/ weder in Teutschland, noch ausserhalb in andern Reichen und Staaten, sich wagen dürfen. Dahero ihme, als Anfänger und Urheber desselben/ die Ehre und der Vorzug davon auch billig gebühret. Und wie er den Anfang in dem ersten Folianten/ innerhalb Jahres Frist/ nach überwundenen unsäglichen Hindernissen/ die abgönstige und eigennützige Leute ihme gemachet/ ans Licht gestellet: so hat man um soviel weniger zu zweiffeln/ daß nun/ unter dessen unermüdetem Fleiß und milder Aufwendung aller Kosten/ er mit Fortsetzung und Endigung desselben/ um so viel leichter zum Stande und einem gesegnetem Ende kommen werde. Dann nunmehro das gantze Werck/ zur Ehre und Nutzen der Teutschen, mit Kayserl. und Königl. allergnädigstem Schutz/ als einer vesten Burg, bewahret; daß sich niemand weiter unterfangen mag/ weder die Arbeit, noch den Druck, noch auch den Verkauff davon/ aus irgend einem Vorwand/ zu hindern. Benebenst hat der Verleger nun alle Mitarbeiter/ an diesem grossem und weitläufftigem Bau/ zusammen gebracht und in seinem Sold stehen; deren ieder sein Werckzeug/ an Büchern und Schrifften, darnach dergestalt eingerichtet; daß ihme nunmehro die Fortsetzung leichter und geläuffiger werden muß/ als der Anfang desselben gewesen.

 

Der Nahme LEXIKON ist nach der heutigen Weise genommen.

 

 

 

Dahingegen

kleinere Bücher grössere Titul

führen.

 

§. 2.   Das gantze Werck führet den Nahmen eines Universal-Lexicons; den man/ mehr dem heutigen Gebrauch zu gefallen/ der Sache gegeben; da hingegen die Wichtigkeit und Weitläufftigkeit derselben ein bessers Wort billig verdienete. Dann andere Bücher, welche/ nach dem Alphabet/ jedoch nur eine Art, von so vielerley Artickeln, die alhier beysammen, ausmachen/ prangen mit weit mächtigern Nahmen; die man/ zu solchem Ende/ theils von den Griechen, oder den Lateinern erborgen müssen/ um denselben ein besonderes Ansehen in dem Titel zu machen. Sie heissen theatra, thesauri [2] poliantheae; bibliothecae; mvsea; armamentaria; fora; archiva; palatia; promtvaria; pandectae; specvla; polymathiae; aristarchi; critici; adversaria; und so weiter. Welche also von Schauplätzen; Schaubühnen; Schatzkammern; Rüst-und Bücherkammern; Zeughäusern; Gärten; Märckten; Messen; Archiven; Pallästen; Speisekammern; Alles in allem; Spiegeln; Vielaugen; Säälen u. s. w. genommen/ und folglich mehr Aufsehen erwecken/ als das schlechte Wörtgen lexicon oder Wörterbuch.

 

Denn LEXICON oder LEXICVS heisset ein Wörterbuch.

 

 

 

Aber die heutige LEXICA handeln von unzählichen Sachen.

 

§. 3.   Dann in der That kommet λεξικον von λεξισ oder Wort, und heisset nur ein VOCABVLARIVUM; DICTIONARIUM oder Wörterbuch. Und sollte man sich fast wundern; wie dieses an sich schlechte Wort/ in dem Gehör der heutigen Gelehrten/ so viel Platz und Annehmlichkeit finden mögen; daß jetzund fast alles/ was nach alphabetischer Ordnung eingerichtet/ diesen Namen LEXICON vor an führet. Man findet in den Buchläden 1) ausser denen vielen Historischen Lexiconen/ oder/ wie sie die Frantzosen in ihrer Sprache genennet/ Dictionairen/ 2) Biblische 3) Theologische 4) Juristische 5) Medicinische 6) Philosophische 7) Mathematische 8) Staats- 9) Zeitungs- 10) Antiquitäten- 11) Heiligen- 12) Schul- 13) Adels- 14) Kunst- oder Handwercks- 15) Natur- 16) Gelehrte 17) Geographische 18) Haußhaltungs- 19) Frauenzimmer- und endlich auch 20) Diebs- und Spitzbuben-Lexica. Daraus dann ieder den Brauch und Mißbrauch dieses Worts leichtlich erkennen/ und/ wann es also fortwähren sollte/ zum Voraus sehen wird; daß endlich die gantze Gelahrtheit sich in die Lexica verstecken werde.

 

LEXICON ist kein gutes Wort.

 

 

 

Sondern in den neuen Zeiten gemachet.

 

§. 4.    Inzwischen ist denen Alten dieser Nahme LEXICON sowol/ als auch diese Art/ zu schreiben/ fast unbekant gewesen. Dann selbsten Henricus stephanus, da er sein mächtig grosses Griechisches Wörter-Buch verfertigen lassen/ in keinen Griechischen alten Schrifften/ die er doch meistens alle/ zu diesem Behuf/ durchlesen und ausziehen lassen/ das Wort LEXICON finden können. Dahero er auch lieber solches thesarum lingvae graecae heissen/ als mit dem so neuem Wort LEXICON benennen wollen. Ohngeachtet er in seinem Lateinischem Wörter-Buch den Nahmen dictionarivm behalten; welches Wort aber gleichwol auch bey den alten und reinen Lateinern nicht anzutreffen. Weßwegen das Frantzösische Wort Dictionaire des morery; bayle; menage u. a. dem jüngern Mönchs-Latein gleichfalls zuzuschreiben. Welche diese Wörter bald in masculino, bald in neutro gebrauchet/ und dictionarivs (liber) oder dictionarivm (uerbum) auch/ aus eben dem Verstande/ vocabularivs und vocabularivm geschrieben haben. Da nun weder die Griechische noch die Lateinische reine alte Sprache ein Wort gehabt/ welches ein Wörterbuch mit eins ausdrücken mögen; so haben die folgende Zeiten/ diese Armuth zu ersetzen/ eine billige Ursache genommen/ und die Wörter lexicon, dictionarivm u. s. w. eingeführet. Welches auch die vernünftigen Römer sich nicht entgegen seyn lassen/ ihre Sprache dadurch wortreicher zu machen.

 

Wann das Wort LEXICON aufgekommen?

 

§. 5.   Doch der Einwurf/ in der Neuigkeit des Wortes lexikon, ist noch zu beantworten. Weil der bekannte Auszugmacher von Griechischen Büchern/ so im IX. Jahrhundert nach Christi Geburt gelebet/ photius; uns zwölf Griechische/ [3] von ihm so genannte/ lexica anzeiget. Und zwar von verschiedenen Gattungen: deren einige nur die Wörter, andere aber auch die Sachen selbsten erkläret. Mithin daraus zur Gnüge erhellet/ daß der Nahme lexikon so wohl/ als dergleichen Bücher selbsten nicht ungebräuchlich gewesen. Nur es gehören alle diese Lexiconschreiber in das 11. und folgende Jahrhundert, da die Griechische Sprach nicht mehr in ihrer Lauterkeit geredet worden/ mithin derjenige/ wer diese lernen wollen/ der alten Griechischen Historienschreiber; Poeten; Redner; Weltweisen; u. a. d. Bücher nöthig gehabt/ darzu dann dergleichen lexica graeca den Weg bahnen müssen.

 

Warum in den alten Zeiten keine LEXICA vorhanden?

 

§. 6.   Und bey dieser Gelegenheit kan man die Ursachen leichtlich finden/ warum zu den Zeiten/ da die Sprachen lebendig, das ist/ in mündlichem Gebrauch seyn/ man keine stumme Lehrer oder lexicon nöthig gehabt habe. So/ daß deswegen alle die Griechische lexica, die photivs gelesen und in eine Anzeige oder Auszug bringen wollen/ in Ansehung der reinen Griechischen Bücher, gantz neu seyn/ und in das 11. Jahrhundert auch weiter herunter fallen. Dahero auch bey den Römern kein Lateinisches Wörter-Buch zu den Zeiten anzutreffen/ als die Lateinische Sprache in der vollkommenen Reinlichkeit im Reden und Schreiben gestanden. Denn was varro; Verrius flaccus; festus; nonivs u. a. in den ersten und alten Zeiten des guten Lateins/ geschrieben/ solches kommet auf etymologien oder Wörter-Quellen/ oder auch den Gebrauch der veralteten Nahmen an/ welches hieher nicht gehörig. Dahingegen uns sehr damit gedienet wäre; wann/ an statt des heutigen brauchbaren nizolii/ zu Tullii Zeiten/ sich ein Römer die Mühe genommen hätte/ ein Lateinisches Wörter-Buch, oder von Lateinischen Redens-Arten zu schreiben. Gleichwie aber die Menschen nur auf ihre Zeiten insgemein zu sehen pflegen; auf die künftige aber gar wenige oder wol gar keine Absicht zu nehmen/ sich die Mühe geben: also läßt sich die Ursache/ daß sie solches unterlassen/ gar leichtlich errathen. Dann sie vermeinten/ die Lateinische Sprache und Redens-Arten würde man lieber von geübten Zungen hören; als durch mühsames Schreiben und Lesen sich bekannt machen. Sie glaubten nimmer/ daß eine Zeit kommen würde/ in welcher das gute Latein aussterben/ und nirgends mehr/ als in geschriebenen Büchern/ übrig bleiben würde. Welcher letzteren man gleichwol erst/ bey dem Abgang der ersteren/ vonnöthen. Und deswegen fehlet es an alten Lateinischen Wörter-Büchern sowol/ als auch an alten Lateinischen Sprach-Büchern und Grammaticis.

 

Warum wir noch jetzo kein Teutsches Wörterbuch haben? oder achten?

 

§. 7.   Und man kan die Ursachen nicht weniger/ aus dem Zustand unserer Zeiten/ erreichen. Wir reden, lehren und schreiben in unserer Teutschen Mutter-Sprache. Wir erheben denjenigen absonderlich/ der rein, wohl und deutlich schreibet. Wir wollen/ daß diejenige/ so uns lieb seyn/ sich zeitlich darran gewehnen. Wir geben den Preußischen und Chur-Sächsischen Cantzeleyen vornemlich den Vorzug; daß selbige/ für andern in Teutschland/ eine gute/ reine und beschnittene Feder haben. Wir bewundern/ daß auch/ in den heutigen Zeiten/ an andern hohen Orten/ da die Schreibarth, vordem/ etwas rauher ausgesehen/ solche nunmehro viel artiger und angenehmer werde. Und gleichwol haben wir noch kein vollständiges Teutsches Wörterbuch, keine wohl eingerichtete Teutsche Sprachkunst. Und diejenige, die wir etwa noch haben/ sind in wenigem [4] Gebrauch. schottelii seine Teutsche Gesetze, die doch sehr irrig und mager/ sind endlich einmal wieder aufgeleget: aber seine Teutsche Grammatica und Wörterbuch bleiben liegen. Und der Verleger des so genannten Spathen hat darüber geklaget/ daß dessen Teutsches Wörterbuch, daran dieser Mann gleichwohl viele Arbeit gewendet/ zum Ladenhüter worden. Auch was/ ausser diesem/ andere in solcher Kunst gethan/ solche sehen diejenigen/ die sich von der Teutschen Sprach/ in der Kirchen und in den Cantzeleyen, ernähren/ fast mit Verachtung an. Und dieses alles aus dem Vorurtheil; daß der tägliche Gebrauch allein der beste und eigene Meister seyn solle.

 

Dahingegen hierunter den Frantzosen und Italiänern der Vorzug zu lassen.

 

§ 8.   Die Frantzosen und Italiäner sind allein diejenigen/ welche anders Sinnes worden. Denn diese haben gantze Sprach-Gesellschafften zu dem Ende angestellet/ um in ihrer Muttersprache vollständige und geschickte Wörterbücher zu haben/ dadurch auch diese Völcker den Vorzug erlanget; daß diese Sprachen von auswärtigen häuffiger erlernet und höher gehalten werden. Da doch beyde Sprachen an sich in der grössesten Barbarey und einem Mischmasch und Gemenge aus den Lateinischen und alt-teutschen Zungen- und Mund-Arten bestehen/ und wenig geschicktes haben/ lauter und rein zu werden. Im Gegegentheil aber das Teutsche seine eigene Namen und Wörter hat/ welche durch die Sprachkunst, viel leichter in die grösseste Vollkommenheit und Wohllaut zu setzen. Wann sich nur die Teutschen so viel Mühe/ als jene Fremde geben wollten/ durch Wörterbücher/ und andere Hülfsmittel/ ihre Reden in ein vernünftiges und beständiges Geschicke zu setzen/ und was selbige aus Unverstand/ übler Gewohnheit und Ubermuth/ von fremden Sprachen/ ohne Noth/ angenommen und eingemenget/ auszumustern.

 

Alle Wissenschaften in LEXICA zu bringen.

 

 

Weise der Griechen.

 

 

Römer.

 

§. 9.   Dem sey aber/ wie ihm wolle/ so sind doch auch die ältesten lexica in der Griechischen Sprache sowol/ als in der Lateinischen/ vor keine blosse Wörterbücher zu halten/ weil selbige allerhand Lebens-Beschreibungen und andere zur Gelehrsamkeit dienliche Sachen mit einmengen/ welche denen heutigen so genannten reallexicis, in gewisser Maaß/ gleich seyn. Von dieser Gattung benennet uns nicht allein photivs einige/ die er selbsten gelesen: sondern es mögen uns auch hesychius; harpocration; svidas; pollux und andere/ die noch jetzo im öffentlichem Druck sind/ zum Muster dienen. Und in der Lateinischen Sprache haben varro; festvs; flaccvs; marcellvs; isidorus, die unser fleißiger dionysivs gothofredvs zusammen drucken lassen/ es gleichfalls nicht allein bey denen Wörtern bewenden lassen; sondern/ aus dem Alterthum und fast allen Wissenschaften/ hier und dar etwas mit angebracht/ welches den Wehrt derselben noch jetzo vermehret.

 

LEXICA verkehren sich in GLOSSAS.

 

§. 10.   Und weil diese Weise einmal unter denen Gelehrten aufgekommen; bey Erklärung der Wörter/ auch in die Erklärung der Sachen auszulaufen: so hat man endlich das Wort lexicon fahren lassen/ und dafür ein anderes Wort glossa oder glossator gebrauchet; gleich als wenn solches von mehrerern und reichern Bedeutungen seyn solte. Und alle diese/ welche nur jemahls dergleichen Glossaria entweder in Griechischer oder Lateinischer Sprache geschrieben/ hat der belesene und gelehrte du fresne benennet/ und nach solcher [5] Weise/ sich dieses Namens in seinen glossariis medii aeui Graecitatis & Latinitatis gleichfalls bedienet. Obschon das Wort an sich nicht eben das Geschicke hat/ die Sache selbsten auszudrucken. Dann glossa heisset eigentlich nur eine besondere Mund-Art in einer Sprache. So wie in der Griechischen die Athenienser eine andere Ausrede/ als die Ionier/ und beyde anderst/ als die Aeolier und Doriser gehabt haben. Und wie das Niederteutsche von dem Hochteutschen unterschieden. Wer nun diese glossas oder Mund-Arten erklärete; der hiesse Glossator oder Glossographus ein Glossenmacher. Nur/ von den verschiedenen Mundarten der Völcker/ sind endlich dergleichen Ausleger auch so gar auf die Wörter einzeler Schreiber gefallen. Weil doch auch unter diesen/ wie jedweder seine eigene Hand; also auch seine eigene Redens- und Schreib-Art hält/ derer ihre Erläuterung die Glossatores auch über sich genommen. Und wie diese über die alten Griechen den homerum; hesiodum; hippocratem u. a. aufkommen: so haben sich nachhero dergleichen glossatores auch über die H. Schrift und das Römische Gesetz-Buch gemachet/ und jeder sein Heyl in der Dolmetschung ihrer Redens-Arten versuchen wollen. Dahero dann viererley Glossenmacher entstanden. Die erstere/ welche bey Erklärung der besondern Mund-Arten geblieben; die andere/ welche die Wörter selbsten und deren Bedeutung gewiesen; und dieses entweder überhaupt oder über einen besondern Schriftsteller; die dritte die zugleich in Sachen ausgelauffen/ und vieles von Wissenschafften unter das Alphabet gezogen; und die vierde/ welche sich um die Worte gar nicht; sondern vielmehr um die Erklärung der Schrifften und Sätze bekümmert/ und ihre Einfälle dabey überschwänglich groß gemachet/ und in eine ungeheure Weitläufftigkeit aufgeschwellet haben. So daß endlich aus der nützlichen Bedeutung des Wortes glossa; glossema; glossator; glossographus, ein schimpflicher Verstand und Gebrauch der Sprichwörter entstanden: es sind Glossen, d. i. Träume, Gewäsche, verkehrte Deutungen und Auslegungen.

 

Neue Auslegernahmen von den Juristen,

 

Theologen,

 

Philosophen

 

Neue Bedeutung der glossarien.

 

§. 11.   Und es scheinet/ daß die Rechtsgelehrte deswegen/ an statt des nunmehro den Juristen verächtlichen Wortes glossa andere Namen/ von Paratitlis oder Commentariis gesuchet; die H. Schriftgelehrte dafür eine besondere Wissenschaft aufgebracht/ die Sie ἐξήγεσιν oder Exegesin nennen. Die Weltweise und Wörtergelehrte ihre Erklärungen scholien und sich selbsten Scholiasten oder auch criticos geheissen und das Wort glossa damit so wie zu Grabe getragen. Jedoch weil auch dieses ein Stück der Gelehrsamkeit worden; die Schriften der Halbgelehrten in den mittlern Zeiten zu verstehen: so sind die glossaria dergestalt wiederum aufgekommen/ daß man dieselbe vor die Erklärung der unbeholfenen Wörter Mittler Halbgelehrter Zeiten hält; obgleich die Verfasser an sich/ noch so gelehrte und geschickte Männer gewesen.

 

Warum es ein Universal-Lexicon heisse?

 

§ 12.   Gleichwie nun aus dem/ was bishero erwiesen/ zur Gnüge erhellet/ warum der Urheber dieses Werck lexicon genennet: so ist nunmehro auch die Ursache anzuzeigen/ warum dasselbe/ durch das Beywort vniversal sich von andern bisherigen lexicis unterscheide und ausnehme. Man hat auch dieses Wort nicht so wohl dem reinen Latein zu gefallen; sondern gleichfalls deßwegen erwählet, weil der heutige Gebrauch desselben üblicher ist/ als andere [6] dergleichen Wörter/ die gleiche Bedeutung haben. Die theologi bedienen sich dessen/ indem sie aus denen Universalisten und Particularisten besondere Hauffen machen. Die theilen ihre Wissenschaft in Iurisprudentiam uniuersalem, die der Natur nach/ allen Menschen gemein und particularem, welche in diesem oder jenem Staat ins besondere eingeführet. Die medici haben über der Panacea oder Universal-Medicin einen mächtigen Streit. Da nun solches Wort gäng und gäbe; so hatt man solches lieber/ als andere nehmen wollen/ die gleiches heissen. Als General-lexicon oder Griechisch lexicon catholicvm/ ein allgemeines lexicon, welchen letztern Beynahmen aber man deßwegen vor unfüglich gehalten; damit nicht Teutsch und Latein in einem Buch-Titel zusammen kommen mögten.

 

Gehet über der Universitäten ihre Wissenschafften.

 

§ 13.   Die hohe Schulen, da allerhand Wissenschaften gelehret und getrieben werden/ nennet man deswegen vniversitaeten und ihre Lehren heissen studium vniversale. Und gleichwol mag man von unserm vniversal-lexicon sagen: daß dessen Gräntzen viel weiter/ als die Academische Wissenschaften/ so viel derer auch nur seyn mögen/ reichen. Der Leser findet alhier/ nach alphabetischer Ordnung/ nicht allein was zur theologie; iurisprudenz; medicin; philosophie; historie; mathesi u. a. Dingen/ welche auf hohen Schulen getrieben werden/ gehörig: sondern auch viele Hof- Cantzeley- Jagd- Forst- Kriegs- und Friedens-Sachen; wie nicht minder dasjenige/ was die Künstler und Handwercker, auch Hauswirthe und Kaufleute im Gebrauch/ woran insgemein auf hohen Schulen nicht gedacht zu werden pfleget.

 

Zu unterschiedener Arbeit gehören unterschiedliche Leute.

 

§. 14.   Gleichwie aber zu Ausführung und Endigung eines so grossen und weitläufftigen Baues vielerley Werckleute gehören/ und derjenige/ so alles allein thun oder eines in das andere mengen wolte/ weder eine allenthalben tüchtige Arbeit machen/ noch auch damit jemals zu Ende kommen dürffte/ indem der Menschen Kräfften und Leben hierzu nicht anreichen wollen: so hat auch der Verleger solches wohl begriffen/ und deßwegen einen andern Weg gesuchet/ der/ vor Jhme/ ungebahnet gewesen ist. Er hat/ nach Anzahl der IX. Musen, neunerley gelehrte Leute/ auf seine Kosten/ ausgesuchet und gedinget/ an diesem Gebäude Hand anzulegen. Und zwar ein iedweder davon in denen Artickeln, welche in diejenige Wissenschaft gehören/ worinnen er sich vor einen Meister ausgegeben. Der theologvus hat die Theologische Artickel; der ivreconsvltvs die Juristische; die Medicinische der medicvs; und so der mathematicvs die Mathematische, und so fort hin. Dahero ieder in einer besondern Sache seinen Mann stehet; keiner dem andern ins Amt greiffet; so viele Hände täglich so viele Artickel fördern/ und das gesamte Werck/ mit leichter Mühe/ zu einem erwünschten Ende bringen. Ein gelehrter Mann muß zwar alles überhaupt wissen/ weil alle Wissenschafften mit einander verschwestert/ und eine immer der andern die Hand biethet und Hülffe giebet: nur ein anders ist es/ einen Begriff von allem zu haben; wieder ein anders/ in allem Meister zu seyn/ und wieder ein anders/ hinlängliche Zeit zu haben/ allem allein abzuwarten. Die erstere machen einen gelehrten Mann oder so genannten pansophvm und polyhistorem aus; die zwey letztere Stücke aber sind schlechterdinges unmöglich. Es heißt/ wer überall seyn will/ kommet nirgends hin/ und neunerley Handwercker/ [7] zehenerley Unglück. Die Natur hat einem ieden sein Pfund anvertrauet/ und es gehören mehr Arbeiter in einen Weinberg, wenn er zu rechter Zeit beschicket werden solle.

 

Schaden in LEXICIS, da

a) das Alphabet verschiedenen zugetheilet.

 

§. 15.   Und man kann die Lehre am bestem aus der Erfahrung bewähren. Das bekannte historische Lexicon hatte der verstorbene Verleger dem sel. bvddeo verhandelt/ und dieser/ aus Ubereilung und Geld zu Büchern zu verdienen/ solches alles zu der Zeit übernommen/ als er noch nicht viel zu thun gehabt. Allein der selige Mann hat bald die Ohnmöglichkeit gefunden/ und deßwegen zehenerley Leute angespannet/ deren jedem er einen oder mehrere Buchstaben in dem alphabetischem lexico, zugetheilet. So daß wohl der zwantzigste Theil nicht einmal durch seine Hände gegangen/ und gleichwol dem Verleger damit vieler Verdruß gemachet/ und dem Wercke mächtig geschadet worden ist. Dann einer hatte im letztern Buchstaben einen andern Einfall/ als der andere schon in dem erstern gehabt. Nachgehends schlichen gar viele Artickel und Sachen doppelt und mehrmahlen sich unter verschiedenen Buchstaben ein. Wie die Arbeiter am Babylonischen Thurm einander nicht verstanden/ und dahero alles kreutz und quehre gegangen/ weil die letztern nicht wusten/ was die erstern gethan oder gelassen. Ferner war es auf solche Weise auch nicht zu verhüten/ daß nicht vielerley Köpfe vielerley Sinnen und Meynungen in ein Buch brachten/ und hundert Schrifftstellen einander entgegen lieffen. Uberdem folgte der eine dieser Zeitrechnung, der andere wieder einer andern. Ein Arbeiter war fleißig; der andere sudelte alles hin/ was ihm vorkam/ und was dergleichen Gebrechen mehr seyn/ welche daraus entstehen/ wenn viele an einerley Sachen arbeiten. Nur dieses wird sodann verhütet; wann ieder Arbeiter sein metier, oder Art der Wissenschafft/ das gantze Buch hindurch/ allein behält/ oder zwey einander die Arbeit/ auch nur in einer Sache/ zuschicken/ und selbige zusammen überlegen. Durch welchen guten Rath der ietzige Verleger sein Werck vor vielem Gemenge/ Gegensprüchen/ Unordnungen und Abentheuren bewahret.

 

b) da einer

alles allein thun will. Weil

1) nicht alle alles können.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jede Blutarth auch ihr eigenes Geschicke.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jedes Volck hat seine Blutarth.

 

§. 16.   So ungestalt nun ein lexicon heraus kommet/ wann viele über vielerley Buchstaben oder Theile im Alphabet arbeiten: so mißlich ist es auch/ besonders in einem vniversal-lexico, wenn einer allein darinnen alles thun will. Wo ist irgend ein Bau zu finden/ der von einer Hand allein herrühret? Der Steinmetz ist deßwegen kein Mäurer oder Bildhauer/ weil er/ wie dieser/ mit Steinen umgehet. Wer das Holtz hauet und füget; der wird mit Steinen und Werckstücken deßwegen nicht zurechte kommen. Selbsten wo ein vollkommenes Gemählde vollbracht werden solle: da führet der eine in den Gesichtern der Menschen den Pinsel; der andere mahlet die Thiere; der dritte machet den Baumschlag; der vierde die Felder, Thäler, Gefilde, Klippen, Felsen u. s. w. Ja/ welches noch eigentlicher herauskommet/ so gibt es insonderheit eigene Pferde-Mahler, eigene Künstler in Küchen-Stücken; geflügelten und gefiederten auch schwimmenden und kriechenden Thieren. Obgleich alle diese auch die Zeichnung und Farben/ Licht und Schatten in allen andern Dingen überhaupt innen haben. Eine iede Hand hat etwas besonders/ und bey dem Gelehrten kommet es auf das Gemüth und [8] Geblüth an/ ob er sich zu dieser oder iener Wissenschafft schicke! Ein viel- oder besser zu sagen/ flüchtigblütiger Mensch wird so wenig ein scharffsinniger Metaphysicus werden/ als einer mit steiffen oder geschwollenen Beinen tantzen lernen. Er ist nicht vermögend/ drey Bogen im svarez oder vasqvez zu lesen/ und die Stränge seiner Sinnen und Gedancken zusammen zu halten/ bis er das Geheimniß einer tiefsinnigen Einsicht erreichet. Ehe er mit einer Seiten von Abstraktionen fertig/ so schweiffen seine Gedancken zehenmahl hin und her und er verliehret die ersten Sätze/ mit welchen die andere verbunden und gefolgert werden sollen. Dahero dieser Wissenschaft kein anderer/ als schwerblutiger Melancholicus sich wiedmen muß. Dieser setzt zehen Gedancken über einander/ er hält die erstere/ mittlere und letztere/ mit grosser Beständigkeit zusammen/ um einen neuen Vernunft-Schluß oder Einbildung heraus zu bringen. So wie er vermögend ist/ viele Stunden in einen Winckel zu sehen/ ohne einmahl mit den Augen zu blicken/ oder sich zu bewegen. Und aus diesem Grund erhebet azpilcveta einen Spanischen König/ wo die Melancholie ihr Reich hat; daß er bey dem Vortrag eines fremden Gesandten/ gantze Stunden/ wie ein Götze steiff/ sträcklich/ und unbeweglich gestanden; daß er niemahls mit den Augen gezwitzert; niemahls sich geräuspert; niemahls Mund/ Hand/ oder Fuß beweget/ sondern vielmehr eine starre Leibes-Gestalt, wie starre Sinnen/ und Gedancken/ behalten habe. Und dieses rechnet ihm der Spanische Schrifftsteller/ als eine Tugend an. Da hingegen ein Flüchtigblütiger Frantzose dergleichen Zwangstand/ wie er es nimmet/ vor etwas pedantisches/ abgeschmacktes und unartiges halten wird. Dann dieser drehet und wendet alle augenblick den Leib; er rücket und schrencket die Beine; er schweiffet mit den Augen hin u. her; er wirfft den Kopf bald unter sich/ bald über sich/ bald seitwerts; ihme ist unmöglich in einer Stellung sich beständig zu halten. Und so gehet es auch in seinem Gehirn/ mit seinen Gedancken. Er hat und machet sich in der Geschwindigkeit hunderterley Einfälle/ seine Sinnbildungen/ die in den Lebens-Geistern im Gehirne/ als Gemählde/ liegen/ gehen und wallen immer durcheinander, wie das Quecksilber; sie sind wie ein ungestümmes Meer/ das nimmer ruhen kan: eine Welle treibet die andere und ziehet die andere nach sich. Welcher Wissenschaft solle dann ein solches Blut und Gemüth sich ergeben und wiedmen? In der Dingerlehre/ ontologie oder metaphysic oder andern tiefsinnigen Lehren/ wird dergleichen Mensch sich ehender überstudiren und im Kopf irre werden/ als etwas tüchtiges und tieff gesuchtes begreifen. Er thut demnach wohl/ wenn er sich auf die Rede-Kunst; die Poesie; die Historie; die Physic; Medicin oder Juristerey leget/ welche Wissenschafften lustig/ veränderlich/ angenehm/ deutlich/ einträglich und nützlich seyn/ die ein flüchtiges Blut immer mit neuen Sinnbildungen aufmundern und in Ubung erhalten. Wir könnten nun/ auf eben diese Weise/ die übrige passiones/ oder Leidenschaften/ oder vielmehr temperamenten und Blutarten in dem menschlichen Cörper und denen damit verknüpften Gemüths-Bewegungen und Gemüths-Kräften/ durchgehen/ um die Wahrheit zu bevestigen; daß sich die Menschen Gewalt thun/ wenn sie sich zu andern Wissenschaften zwingen oder zwingen lassen/ als welche ihrer Blutart gemäß seyn. Ich erinnere mich/ daß ein nicht ungelehrter Frantzose des Pufendorffs Historie deswegen getadelt/ weil [9] sie in Groß-Folio gedrucket; indem er in seinem Gewissen verschworen/ keinen Folianten zu lesen. Daher auch die grösten Wercke in Franckreich/ alle/ der Nation zugefallen/ in kleinen 8ct. oder 12d. Formen/ gedrucket gewesen. Welches des thvani; natalis Alexandri; deß flevry; tilemonts u.a. großmächtige Bücher so wohl/ als die Frantzösische memoires, lettres, negociations, reflexions, instructions, relations, remarques, recueils, iournals, traitez, mercures, bibliotheques, oeuures, u. d. beweisen/ welche Sachen/ ob sie gleich in fast unzehlige kleine Bände auslauffen/ dannoch dergestalt zerschnitten und fricaßiret bleiben/ weil die Frantzosen einmal einen Eckel vor Folianten haben. Gleich als wann man ihnen und ihrer Blutart nicht anmuthen dürffte/ über dem Lesen eines Buches Wochen oder Monathe zuzubringen/ als an welche lange Weile sie nicht gewohnet; sondern vielmehr selbige/ fast alle Tage und Stunden/ etwas frisches oder neues/ veränderliches/ in kleinen Bändgen haben müsten/ die sie vorm Camin/ ohne Mühe/ in die Hände nehmen/ und wieder weglegen könten. Dahingegen die schwehrblütigen Völcker/ die Spanier, gantz anderst gesinnet. Bey ihnen wird selten ein Buch anderst/ als in folio, gedrucket. Ehe man sich versiehet; so brütet ein eintziger Mann/ und zwar öffters in einer Wissenschaft/ eine gantze Heerde von lauter Folianten aus/ mit einer unsäglichen Menge von angeführten gelesenen andern Büchern/ die zwar öffters/ dem blosen Nahmen nach/ zusammen geborget/ gleichwol aber ein vollblütiger Mensch kaum mit Sinnen erreichen kan/ wie dergleichen Cameel- und Elephanten-Last ein eintziger Mann auf seinen Schultern ertragen könne. Und hielte die scharfe Bücher-Censur die Leute nicht vom Vielschreiben zurücke: so wäre zu besorgen/ daß die Spanier alle andere Völcker auf dem Erdcreyß mit der Bücher Last und Zahl verdrücken und überschlemmen würden. Die wenigste kommen uns zu Gesichte/ wenn sie nicht etwa zu lyon oder geneve wieder aufgeleget seyn. Allein der einige Nicolaus ANTONIVS in seinen tomis bibliothecae Hispaniae und de franckenav in seiner themide Hispaniae haben von Theologis, ICtis et Philosophis eine so unsägliche Menge von ungeheuren Spaniern; daß niemand an dieser Wahrheit zweiffeln kan/ es liebe diese melancholische Nation mächtig grosse Bücher/ und halte dagegen der Frantzosen ihre Duodezbändgen den Marionetten oder Pigmeen gleich/ mit welchen wenig oder nichts auszurichten. Dahero der Schluß billig dieser verbleibet: Die Arten und Kräfften der Wissenschafften seyn nach der Blutart der Menschen beschaffen; so daß einer allein zu allerley Dingen ohnmöglich ein gleiches Geschicke haben möge. Folglich der Verleger in unserm Universal-Lexicon wohl gethan habe; einem jeden sein Pfund/ wozu er von Natur und Fleiß geschicket/ insbesondere anzuvertrauen.

 

2) die Lebenszeit nicht zu allem anreichet.

 

§. 17.   Doch gesetzt/ es fünden sich dergleichen Menschen/ die in alle Sättel gerecht wären/ und in allen Wissenschafften Ubung und Erfahrung hätten/ welche man solchergestallt pansophos oder polyhistores mit Recht und in der That nennen möchte; dahingegen ietzo dieses Wort/ in verderblichem Mißbrauch den Sprachgelehrten allein beygeleget zu werden/ pfleget: was würde doch auch damit unserm Universal-Lexicon gedienet seyn? Wann würde ein Mensch mit dem gantzen Werck zu Ende kommen? Wie unzählige Exempel haben wir; da die gelehrten Leute, wenn sie auch nur in einer Wissenschafft etwas allzuweitläufftig [10] angefangen/ in den ersten Linien oder dem ersten Buchstaben vom Alphabet stecken geblieben und vom Tod oder andern Zufällen überraschet und aus dieser Zeitlichkeit genommen worden. Man erzehlet von einem Theologo, welcher eine Auslegung über die gantze Bibel angefangen/ und/ da er über dem ersten Wort בְּרֵאשִ֖ית‎, im Anfange, schon etliche Alphabete in einem gantzem Jahre verschrieben/ der gedungene Verleger/ unter der Entschuldigung/ zurücke gegangen; weil er mit demselben nicht auf das Alter metvsalems; sondern auf den XC. Psalm v. ii. gehandelt. Da der Schrifftsteller hingegen/ in der Weitläufftigkeit und langsamen Schreibarth/ auf das erste sich Rechnung gemacht haben könnte. Und bey den Juristen kan Dauid doeringks Bibliotheca iureconsultorum dienen. Denn dieser/ seiner Zeit nach/ nicht ungeschickte Rechtsgelehrte/ sich vorgesetzet die gantze Rechtsgelahrtheit nach alphabetischer Ordnung weitläufftig und vollständig zu schreiben. Weil er aber in dem Buchstaben A biß alumnus schon einen mächtigen Folianten von 18 Alphabeten angefüllet und damit zu Franckfurth 1631 auf die Messe kommen ist: so hat er/ bey solchen Umständen/ keine Abnehmer gefunden. Weil ieder Käuffer sich die Rechnung gemachet; daß er das Ende davon nicht erleben würde. Gleiches Schicksahl hat den belesenen Christoph hendreichen, Churfürstl. Brandenburgischen Bibliothecarium mit seinen pandectis Brandenburgicis, aller gelehrten Bücher/ die iemahls an das Licht kommen/ betroffen/ welcher damit gleichfalls nach dem andern Buchstaben B sitzen blieben und verstorben ist. Ohngeachtet das gantze Werck in der Bücherkenntniß es allen andern zuvor gethan haben würde. Und wie viel andere Arbeit ist/ über dem Zaudern/ und daß der Schrifftsteller alles allein thun wollen/ gar unterblieben. Der Hochsel. König in Engelland wilhelmvs hatte graevio zu Utrecht/ unter der Aufsicht des Grafen von Portlands/ sein Leben im Latein zu schreiben übergeben. Nach sechs Jahren und unzehligem Erinnern/ waren kaum so viel Bogen fertig/ als Jahre verflossen. Darum man ihme die Arbeit wiederum abgenommen. Es sey nun/ daß dieser Mann allzulange an seiner Feder geschnitten/ weil einige lauter Livianisch Latein haben wollen/ oder/ wie im Jahr 1698. bey vielem Umgang mit demselben ich nicht undeutlich gemercket/ daß er in Besorgung gestanden/ die Staaten in Holland möchten an den Geschichten der Statthalterlichen Regierung vieles auszusetzen finden, oder/ daß er dem König in Franckreich/ der ihn mit einer Kette von 500 Louis d'or beschencket und jährliches Gnadengeld gereichet/ nicht zunahe treten wollen: so ist es doch zu bedauren/ daß manches gute Werck die kurtze Lebens-Zeit des Menschen zu nichte machet. Herr schvrzfleisch war auf die Lebens-Beschreibung des grossen Fürsten und Generals zu Waldeck gedungen/ und weil ihme hundert Ducaten bey dem ersten Bogen verheissen und bezahlet worden/ so hat er solchen bald fertig gemachet. Aber damit ist er auch stecken geblieben und verstorben. Wie ungedultig das Chur und Fürstliche Hauß Braunschweig über des verstorbenen grossen leibnitii seiner historia Brunsuicensi worden/ ist deswegen leichtlich zu erachten/ weil er darauf lange Zeit einen grossen Sold gezogen/ und/ an statt dessen/ sich mit andern flüchtigen und tiefsinnigen Gedancken getragen/ darzu er zwar nicht geruffen/ aber mehr Vergnügen daran gefunden; den Hof aber immer in der Hoffnung gehalten hat. Und da er sein Alter an das Ziel des XC. Psalms gebracht; es fast lächerlich herauskommet/ [11] daß er oder andere darüber den Tod anklagen/ oder diesem schuld geben wollen/ als wenn er ihn übereilet.

 

Exempel grosser Wercke durch Hülfe vieler Gefährden.

 

§. 18.   Wer demnach etwas weitläuftiges oder auch ein/ in verschiedene Wissenschaften lauffendes Werck/ zum Stand gebracht wissen will; der muß Gehülfen und Mitarbeiter haben und die Last nicht alleine über sich nehmen. Unser theurer lvthervs dürfte wol/ in Ubersetzung der Heil. Schrift/ in das Teutsche entweder gar nicht oder doch nicht sobald oder auch nicht so wohl und geschickt zu Ende kommen seyn: wenn er nicht seine Zunftgenossen und Collegen zu Mitarbeitern gehabt hätte. Einer war unter denselben im Hebräischem wohl geübet; ein anderer im Griechischem der LXX Dolmetscher; oder auch den Redens-Arten des neuen Testaments; ein anderer redete reines Hochteutsch; ein anderer diese oder iene Mundart. Da denn lvthervs eine halbe Arbeit hatte/ und es ihm leicht war; aus vielen Köpfen das Beste/ seinem Gutdüncken nach/ zu erwählen. Und dieses erhält lvtheri Ubersetzung den Preiß nicht allein vor denen altteutschen Dolmetschungen der Bibel; sondern auch für bezae; piscatoris u. a. ihrer Arbeit/ die sie vor sich bewerckstelliget haben. In der Rechtsgelarthheit hat ivstinianvs zu Verfertigung seines Gesetzbuches der pandecten XVIII. Arbeiter in diese Werckstätte gestellet; andern falls es Ihme wie seinen Vorfahren/ gegangen seyn möchte/ welche über diesem Vornehmen verstorben. Und so ist es auch dem Cardinal tuschen und andern nicht schwer worden/ viele ungeheure Folianten von Rechts-Sachen/ nach alphabetischer Ordnung/ sammlen und eintragen zu lassen/ weil sie der Leute viele gehabt/ die ihnen verschiedene Auszüge von verschiedenen Büchern machen müssen. Und selbsten die hier gedruckte Hebräische Bibel/ unter der Aufsicht/ des Subsenioris hiesiger Theologischen Facultät/ Ioan. Henr. michaelis wäre wohl nimmer also zum Stand kommen/ wann sich nicht zwölf Jünger gefunden/ deren ieder eine alte Pergament-Rolle/ nach welcher Art die Juden zu schreiben pflegen/ vorgenommen/ solche mit dem gemeinem Text zusammen gehalten/ und/ was darinnen in Worten/ Sylben/ Buchstaben/ Puncten und Accenten unterschieden/ angemercket. Daraus denn der unvergleichliche Schatz variantium lectionum oder unterschiedener Schriftstellen genommen werden können. Die oben belobte stephani, Henricus und Robertus, haben auf gleiche Weise ihre beyde Thesauros oder LEXICA der Griechischen und Lateinischen Sprachen durch Gehülfen herausgebracht/ deren der eine diesen/ der andere einen andern Schreiber oder Schriftsteller durchlesen und ausgezogen/ bis endlich alles zusammen getragen und gefüget worden. Heut zu Tage/ da die Bücher in usum delphini mit so reichen Wörterregistern versehen/ ist diese Arbeit leichter gemachet. Darum auch der einige fleißige Mann und hiesiger Professor Christoph. cellarivs mit dem thesavro ervditionis scholasticae fertig werden können: dazu er/ ausser seinen damahligen beyden gelehrten Söhnen/ niemand weiter zu Hülfe genommen hat. Noch zu unserer Zeit hat Augustin calmet seine acht Bände über das alte und neue Testament mit vielen angefangen/ und ist damit glücklich zum Stand kommen. Wiewol demselben eben diejenige Gebrechen dabey vorgeworfen werden/ die allen dergleichen Wercken nothwendig ankleben/ daß nicht alles aus einem Stücke gehe und verschiedenes einander widerspreche. [12]

 

Ob vieler Arbeit nicht die Sache verderbe?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dem Einwurf wird begegnet. Weil

 

 

a) die Lexica von einem Manne auch grosse Fehler.

 

§. 19.   Und eben dieser Einwurf ist es/ den wir itzo noch ins besondere zu erwegen haben. Bey den Teutschen ist es zum Sprichwort worden: viele Köche verderben das Gericht. Und es ist bekannt; was sich die Rechtsgelehrte vor Mühe geben/ in unserm Gesetzbuch diesen Flecken abzuwischen/ das ist/ die in demselben vorkommende Antinomien oder Gegensatzungen aufzuheben/ zu entschuldigen oder auch abzuläugnen. Weil XVIII Männer aus vielerley Büchern/ die Gesetze/ nach der Ordnung der pandecten zusammen getragen; deren jeder seinen eigenen Sinn gehabt und des andern Gedancken und Schriftstellen nicht errathen mögen. Dann/ wie bey denen LXX Dolmetschern des alten Testaments/ ein Göttliches Wunder auch hiebey vorzugeben; solches möchte allzu abergläubisch heraus kommen. Da nun des Verlegers seine neun Musen gleichfalls eintzeler Weise arbeiten/ so ist leichtlich zu erachten/ daß es auch hierinnen an gleichen Gebrechen nicht fehlen werde. Nur anfangs ist in einem so grossen/ durch alle Wissenschaften lauffendem/ Werck/ leichtlicher etwas/ als in kleinen versehen/ es mögen die darinnen vorkommende Sachen oder Artickel von einer oder mehrern Händen herrühren. Das so genannte bvddeische lexicon hatte deswegen nicht geringere Irrthümer/ weil die Besorgung desselben anfangs eine eintzige Person unternommen. Gleich der andere Buchstabe B hatte ein unglückliches Schicksahl/ so den Werth des gantzen Buchs fast mit eins niedergeschlagen. Die Historie davon ist diese. Der seel. bvddevs schrieb dieses Werck Se. Königl. Maj. in Preussen/ friderich dem Stifter dieses Königreiches zu. Seine Patronen und gute Freunde überreichten solches diesem weisen Könige. Se. Majest. nahmen dasselbe mit vollen Gnaden und Vergnügen/ als von einem gelehrten Mann an/ der in Ihren Diensten/ als Professor zu Halle/ gestanden. Verwunderten sich anbey über die Grösse und Weitläuftigkeit desselben. Sie sahen/ Ihrer Gewohnheit nach/ solches durch. Sagten aber gleich dabey/ ich will doch sehen/ was der Verfasser von Berlin, als meiner Residentz, schreibet. Als sie nun den Artickel aufgeschlagen/ funden Sie diese Worte darinnen; Berlin liegt in der ALTEN Marck Brandenburg. Da nun auch den geringsten von denen herumstehenden Bedienten bekannt; daß Berlin nicht in der alten/ sondern in der Mittelmarck gelegen; so verlohr sich bey Königl. Maj. die Achtung des Buches. Sie sagten darauf: grosse Bücher grosse Fehler. Ich sehe/ daß der Verfasser darauf weder Zeit noch Fleiß gewendet. Dann da er Mir das Buch zugeschrieben/ hätte ich glauben sollen/ daß er in meiner Residentz nicht oben hingefahren/ sondern diesen Artickel wenigstens mit Sorgfalt geschrieben haben würde. Und hieß darauf das Buch weglegen/ hielte auch dafür/ daß die gantze Arbeit schlecht gerathen wäre. Ich führe diese Geschicht zu dem Ende an/ daß wenn auch schon die Arbeit von einem Manne/ wie ja der Verfasser nicht schon in dem Bogen B die Hand abgezogen haben wird/ dieser dennoch so leicht fehlen könne/ als wann zehen und mehrere Personen an einem so grossen Buch zugleich arbeiten. Dann was das neuliche Basler Lexicon für Schnitzer gewiesen/ dessen haben wir nicht Ursache/ zu gedencken. Und es ist auch in der That/ bey dem schwachem Gedächtniß des Menschen gar nichts ungewöhnliches/ daß in einer so weitläuftigen Schrift ein Verfasser sich selbsten widerspreche und mit sich selbsten streite. Wir sind nicht allemahl gleich fleißig; nicht allemahl [13] gleich aufgereimt; nicht allemahl gleiches Sinnes. Und wann auch der einige tribonianvs, der ietzo gleich einem Sündenbock/ alle Schuld seiner Mitarbeiter tragen muß/ das gantze Gesetz-Buch allein geschrieben hätte: so würde es deswegen doch nicht unmöglich gewesen seyn/ daß er an einem Ort etwas bejahen und am anderm Ort wieder verwerfen sollen. tvllivs sagt wohl und redet aus der Erfahrung; daß unser Recht einem Schatten gleiche/ der sich/ nach denen Umständen der Sache/ und Personen/ die man vor sich/ richte und wende. Und ich selber habe in meiner Jugend ein Werckgen geschrieben: Cicero in Cicerone exul. das ist: dieser grosse Mann habe sich in seinen Schriften vielfältig vergessen/ und die Regeln/ die er in seinen Büchern von der Wohlredenheit gegeben/ in seinen Reden und Schriften selbsten nicht in Acht genommen. Und unser Wissen bleibet wohl/ auch in weltlichen Dingen/ ein blosses Stückwerck. Ein Tag lehret den andern und der letztere wird öfters zum Meister des erstern. Die unverständigen Neider des ivstiniani m. schänden und schmähen darauf/ daß dieser gelehrte und Gerechtigkeit liebende Kayser sich in seinen neuen Gesetzen so oftmahls geändert. Allein ist es wohl etwas neues/ daß noch jetzo ein Gesetzgeber/ was er und seine Vorfahren lang vor heilsam und billig gehalten/ solches nachhers/ als unbillig und unrathsam/ verwerfe. In denen Oesterreichischen Rechten hat man von vielen hundert Jahren her vor Recht erkannt: daß die Eltern ihre Kinder nicht erben sollten. Jetzige Kayserl. Maj. als ein in Rechten/ von der ersten Jugend an gelehrter und geübter Herr/ haben dieses aufgehoben/ und dem gemeinem Recht in solchen Erbfällen/ auch in denen Oesterreichischen Landen/ den Raum gelassen. Und wer verdencket es dem Heil. augustino daß er libros retractationum geschrieben/ und was er vorhero vor wahr gehalten/ nachgehends/ als einen Irrthum/ erkennet und zurücke genommen. Doch genug von den veränderlichen Meynungen eines einigen Mannes.

 

b) derselben weniger seyn/ wenn jeder bey einer Wissenschafft verbleibet.

 

§. 20.   Der Verleger dieses Universal Lexicons hat gleichwohl diesen menschlichen Fehler dadurch/ so viel möglich/ zu verhüten gesuchet: weil er eine jede Wissenschaft/ in denen dahin gehörigen Artickeln/ einem Manne allein anvertrauet. Im Falle nun diesem etwas menschliches begegnet; so gibet der Ausspruch des Kaysers ivstiniani m. die Entschuldigung: omnium memoriam habere, diuinitatis est magis, quam humanitatis GOtt allein irret nicht; GOtt allein vergisset sich nicht; GOtt allein ist die untrügliche Richt-Schnur vom Licht und Recht. Und es ist eben dieses das wahre Kennzeichen der Göttlichen Wahrheit in der Heil. Schrift/ daß sich in derselben kein Gegenspruch findet. Wenn also in diesem Universal-Lexicon dergleichen vorkommet: so ist die vernünftige Anstalt des Urhebers und Verlegers nicht daran schuld: sondern ein gleichgesinneter Leser muß und wird solches der menschlichen Unvollkommenheit zu Gute halten. Dann bey einer grossen Ausrichtung und wann verschiedenen Köchen verschiedene Speisen anbefohlen werden/ die Mahlzeit an ihrem Geschmack gar nichts verliehret. Inzwischen wird der Verleger demjenigen dancksagen/ der etwas bey diesem grossen Bau mit Vernunft und Recht zu tadeln und zu verbessern findet. Er wird deswegen denselben nicht umreissen und denen Käuffern ihr Geld zu Maculatur machen; sondern vielmehr auf ein Supplementum und Zugabe gedencken/ auch in demselbigen denenjenigen die Ehre thun/ ihre Nahmen beyzusetzen/ welche zu dergleichen Verbesserung etwas beygetragen haben.

 

Ob dieses Universal-Lexicon nur von andern ausgeschrieben?

 

§. 21.   Der schwerste Stand/ den der Verleger/ bey diesem seinen Universal-Lexicon, gehabt/ ist dieser: daß diejenige/ die sich dawider geleget/ vorgegeben/ die Arbeit wäre ihnen geraubet/ die sie in ihren eintzelen lexicis gethan hätten. Nur hierauf ist aber auch leichte zu antworten. Denn erstlich hat Ludouicus Morery/ der in seinem XXV. Jahr das grosse Dictionaire, welchem alle Teutsche und andere Völcker das Ihrige abgeborget/ sich oder die Seinige nirgends beschweret; daß man ihn ausgeschrieben oder den Verleger dadurch bevortheilet/ und ihn um seinen Verlagsgewinn gebracht hätte. Vielmehr hat derselbe in seiner Vorrede frey heraus bekennet; daß er auch selbsten andern/ welche [14] dergleichen real-dictionaire vor ihm in allerhand Wissenschafften gemachet/ das meiste zu dancken habe. Er benennet deswegen alle solche lexica mit Nahmen; er führet dieselbe durch alle Nationen und Geschlechter/ mit grossem Fleiß an und erkennet/ daß solche vorgearbeitet/ welche er nunmehro in seinem Werck alle zusammen fasse/ um den halb Gelehrten zu Hülffe zu kommen/ auch andern die Kosten/ viele Bücher anzuschaffen/ zu erspahren. Eben dieses nun/ und nichts unrichtiges veranstaltet unser Verleger. Er wehlet sich in allen Wissenschafften einen besondern Mann; er vertrauet ihme die darein lauffende Artickel allein; er besoldet ihn darauf/ und lässet im übrigen ihn sorgen/ was vor Bücher und Schriften er zu solchem Behuf gebrauchen wolle. Wann nun/ in Dingen/ die zur Kaufmannschaft gehörig/ derselbe des fleißigen und erfahrnen Paul Jacob marpergers sein Handels-lexicon oder so genanntes Kaufmanns-Magazin vor sich nimmer/ solches lieset und nutzet: so hat er dessen keine Schuld. So wenig der verstorbene marperger ein Verbrechen dadurch begangen; daß er in seinem Werck/ die voran gesetzte und benamte Bücher ausgezogen und seine Artickel daraus verfertiget hat. Und da nach der Zeit Iacques und Louis savary dictionaire universel de Commerce zu Paris 1723 in zweyen Folianten herauskommen; sollte man es nicht dem Verfasser der Artickel von Handels-Sachen verdencken/ wenn er solches Buch nicht zu gleichem Ende zur Hand nähme und das gehörige daraus in das Universal-Lexicon ziehen solte. Aus dem irrigem Gewissen; er möchte hierdurch einen Diebstahl oder Raub begehen/ wenn er aus andern Büchern erwas lernete.

 

Einwurff von den stephanis.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Von dem freyen Bibel-Druck.

 

 

 

 

 

 

Der Cannsteinischen Erspahrung des Setzerlohns.

 

§. 22.   Doch der Einwurf von denen stephanis, die viele Kosten aufgewendet/ und Leute gehalten/ welche die Lateinische und Griechische Bücher meistens alle durchlesen und in ihre beyde Lexicons gebracht haben/ dürffte vielleicht von einiger Erheblichkeit seyn. Dann als diese zwey thesauri; einer in Lingua Latina in zweyen Folianten; der andere in Lingua Graeca in fünf Folianten heraus kommen und von solchen auf diese Bücher vieles Geld aufgenommen worden; so hätten die frobenii zu Basel und scapulae Verleger daselbst übel gehandelt/ daß iene den lateinischen thesaurum, unter dem ungewöhnlichen Nahmen forum Romanum, nachdrucken; den Griechischen aber in einen Auszug bringen lassen. Dardurch die stephani fast an den Bettelstab gerathen. Nur es hat diese Sache ihre besondere Umstände. Vom Henrico nichts zu sagen/ weil das Auszugmachen iedem frey stehet: so ist Robertus stephanus am meisten dabey zu kurz kommen. Dann Caelius Secundus curio hat nicht ohne Gefährde gehandelt/ daß er ienem sein kostbares Werck/ von Wort zu Worte nachgedrucket/ u. unter einem anderm Nahmen/ verkauffet/ weil zu Basel das Papier wohlfeiler/ als zu Paris ist und der Verleger auch über deme für die Arbeit nichts bezahlen dürfen. Aus welchem Grund Robert denselben billig belangen/ oder doch in Franckreich von seinem König, vermöge privilegii welches er gehabt/ suchen mögen; daß solcher Druck nicht in Franckreich eingeführet werden sollen. Denn ein ieder Herr/ in seinem Land/ Recht und Macht hat/ Handel und Wandel in Ordnung zu halten/ und/ nach Beschaffenheit der Sache/ die aus und eingehende Waaren zu verbieten. Und wäre dieses nicht/ wie reich hätte Wittenberg mit des Lutheri teutschen Bibel werden können; wann dieselbe an keinem andern Ort nachgedruckt werden dürfen. Meines Erachtens hätte/ wo nicht die gantze/ dennoch die halbe Stadt aus lauter Buchdruckereyen bestehen müssen: wann selbige den Abgang in so vielen Millionen Exemplaren allein fordern sollen. Und daß diesem letztern also sey/ solches weiset die Cannsteinische Bibel aus/ davon jährlich allein etliche tausend Exemplaren abgesetzet und vertrieben werden. Ohngeachtet dabey auch die andere Abdrücke an andern Orten nicht liegen bleiben. Welche letztere aber deßwegen keine Beschwernuß daraus zu machen; weil der seel. v. Cannstein mit eins für 20000 Rthlr. Schrifften in solcher Menge giessen lassen; daß alle Bogen stehen bleiben/ mithin das Setzerlohn dadurch erspahret und es hierdurch dahin gebracht wird: daß ieder Armer vor 6 Groschen sich GOttes Wort anschaffen kann. Solten nun fremde Herrschaften die Einführung solcher Cannsteinischen Exemplaren verbiethen; so würde dadurch das Armuth gestraffet und der Lauff Göttlichen [15] Wortes nicht wenig gehemmet. In GOtt oder der Vernunfft und Natur die Menschen gelehrter und weiser zu machen/ solle keine gleichgesinnete Obrigkeit hindern. Bey welcher Beschaffenheit auch bis dahin die Weise geblieben; daß die Bücher Zoll- und Accise-frey in allen Ländern ein und auszugehen pflegen. Wann einmal eine Wahrheit im öffentlichem Druck ist; so kann sich derselben ein ieder bedienen. Wer verdencket es den Mahlern, wenn sie die mühsamsten und kostbarsten Stücke so wohl nachmachen/ daß man ihre Copien vor Originalien kauffet. Der erste Erfinder muß sich mit der Ehre der Erfindung vergnügen/ und sich eine Freude daraus machen; daß andere ein Muster von ihme nehmen. Pulver und Bley haben die Teutsche, so wie auch die Buchdruckerey, erfunden. Aber deßwegen lässet sich das Geschütz nun auf dem gantzen Erdkreiß hören/ und die Ausländer gehen ietzo fast alle den Teutschen, im saubern drucken/ vor. Der Wucher, den man in Büchern zu suchen und zu hoffen/ solle darinnen bestehen: daß die Sachen und Wahrheiten vielen andern Menschen bekannt werden. Es dürfften sich wohl Neidhämmel oder gewinnsüchtige Leute finden/ die da wünschten; daß man die Weisheit in Säcken verkauffen könnte/ wie iener nach einem Handel mit den Sonnenstrahlen sich gesehnet. Allein Gott und Natur sind allen gleich gütig/ und ein vom Geitz nicht geblendeter Mensch wird sich freuen; wann er eine Mittels-Person seyn kann/ dardurch die Leute klüger und gelehrter zu machen. So bald ein Bildhauer zu Rom seine Arbeit fertig und solche ins freye stellet: so ist nicht zu verhüten/ daß solche abgerissen oder abgeformet und Gewinn damit getrieben werde/ ohne daß dem Erfinder davon etwas zufließet.

 

Unschuld des Universal-Lexicons.

 

§. 23.   Aber aller dieser Entschuldigung hat der Verleger dieses Universal-Lexicons gar nicht von nöthen. Er läßt keine lexica, wie ihme fälschlich schuld gegeben worden/ zusammen schreiben und anderer Leute ihre Arbeit drucken. Er hält und besoldet seine neun Musen oder Mitarbeiter darauf: daß jeder selbsten in seiner Art oder metier sein Heil versuchen möge. Er will aber und kan denselben den Weg und Mittel nicht verwehren oder verschliessen; daß Sie nicht hierzu dienliche Bücher brauchen/ und also die vorhero geschriebene lexica mit ansehen. Jeder kaufft die Bücher zu seinem Gebrauch und wann man von der fast unsäglichen Anzahl der neu gedruckten Bücher eine Untersuchung anstellen sollte; so bin ich der gewissen Meynung; daß unter hunderten sich kaum etliche finden/ die nicht ausgeschrieben und aus zwölf Büchern das dreyzehende gemachet. Allein wer will diesem ausgerissenem Damme Gräntzen setzen. Man lasse das Unkraut mit dem Weitzen wachsen und denen Gelehrten über/ was sie lesen oder gebrauchen wollen. Der Verleger läßt seine/ am Ende des Wercks zu benennende neun Musen sorgen/ auf welchen Felsen Sie ihre Arbeit gründen. Wann die Particularisten in den Lexicons ein Vorrecht hätten; daß bey ihnen allein die Wissenschaft/ so dieselbe ins Alphabet gebracht, verbleiben sollte/ so wäre dieser Zwanghandel vermögend/ viel gutes zu hindern und niederzuschlagen. Welche Pest in der gelehrten Welt nicht schädlicher und verderblicher seyn könnte.

 

Wird mit Exempeln beleget. lycosthenis. zwingeri.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

beyerlinki.

 

§ 24.   Dem Theodoro zwinger haben es viele Gelehrte verdacht/ daß er sich/ durch des Conradi lycosthenis Exempel-Buch zu dem so genannten theatro vitae humanae in IX Folianten verleiten lassen. Seine Freunde hatten gewünschet: daß er die Kräfte seines Gemüthes auf eine eintzige Sache gewendet/ weil doch ein Irrwisch kein beständiges Licht hat/ als daß er unsägliche Dinge zusammen raffen sollen/ welche nachgehends andere Gelehrte in eintzelen Wissenschaften viel eigentlicher suchen und herausbringen würden. Allein dieser geschickte Mann war von seinem Vorhaben nicht abzubringen/ die weitläuftige IX Folianten musten zu Basel 1589 heraus/ und wurden von den Gelehrten, der Weitläuftigkeit halben/ mehr bewundert/ als gelesen. Gleichwol weil die Closterleute diese Camelarbeit liebten/ solche aber weil sie ein Reformirter Ketzer geschrieben/ nicht wohl lesen mochten: so unternahm sich ein Antwerpischer theologus, Laur beyerlingk, dieses Buch gantz umzugiessen/ zu vermehren/ nach Catholischer Weise zu verbessern/ und in einer alphabetischen Ordnung vorzutragen. Welche Anstalten auch so wohl gelungen/ daß [16] die hvgvetans; als Verleger deß Wercks zu Lion, einen mächtigen Vertrieb und Reichthum dardurch erworben haben. Denn alle Catholische Clöster und Bücherschränke wurden mit diesem neuen Wunder-Werck angefüllet und des guten zwingeri; als eines Ketzers, dabey gäntzlich vergessen. Niemand hat sich auch in Basel darüber beschwehret; sondern iedermann dafür gehalten, daß Stein und Kalck zu suchen, auf gelehrtem Boden, eine erlaubte Sache wäre. Und wie zwinger in seiner Arbeit andere gebrauchet, er auch geschehen lassen müste, daß er wieder von andern gebrauchet würde. Am allerwenigsten aber finden diejenige Verleger die geringste Ursache zu einiger Beschwernüß; die ihren ersten Verlag schon vertrieben und sich der Kosten halber erhohlet haben. Aus welcher Absicht auch die Kayserl. Königl. und Landesfürstliche Freyheiten, wieder den Nachdruck, nur auf gewisse Jahre, fünf, zehen oder mehrere verliehen zu werden pflegen. Um von einer Sache, in der gelehrten Welt, kein monopolium oder Zwanghandel zu machen. Gleichwohl finden sich etliche Bücher von einigen Freyheiten, solche nicht nachzudrucken. Unter diesen mag man wohl fabri thesaurum eruditionis scholasticae setzen, welchem unser Christophorus cellarius die völlige Hülfe gegeben; Daß man ietzo an Lateinischen Lexicis in der Welt deßgleichen nicht findet. Aber dieses ist ein blosses Glück vor den Verleger. Denn vor wenig Jahren hatten die Holländer es schon unter der Presse, solches vermehrter und nach ihrer Sprach eingerichtet, heraus zu geben. Absonderlich da man von einem geringen Mann, dessen Gemüthe mit gantz anderen Bildern angefüllet gewesen, die letztere Auflage besorgen und verunzieren lassen. Ohne dem dieser Sachen Vollkommenem cellario die Gebühr vor die neue Ubersetung, zu gönnen. Mein Exemplar dieses fabri ist fast bey allen Worten mit einem philologischen und Sprach-gelehrten Zusatz, versehen. Dannenhero, im Falle ein anderer Verleger Lust zu dergleichen thesauro hätte, ihme damit gedienet werden könnte. Es wäre dann; daß sich iemand zur Auflegung des fori romani oder des Lexicons des Roberti stephani verstehen wollte. Welches der Einrichtung und beygefügten Redens-Arten halber, weit nützlicher, als der faber wäre. Absonderlich wenn nicht allein die abgehende Auctores Classici hinzukommen; sondern auch in demselben die Capita und Versicul angezeiget würden. Welches Buch durch die gantze Welt seine Abnahme finden müßte. Wie dann der alte und berühmte gleditsch unserm Christophoro cellario zwey tausend Gulden vor die Durcharbeitung solches fori romani schon ehemahls gebothen. Welches aber dessen Frau und Kinder deswegen nicht zulassen wollen: Weil sie besorgen müssen, ihr gelehrter Herr und Vater würde sich an diesem weitläufftigen Werck, seinem gewöhnlichen Fleiß nach, da er Sommers um 3 Uhr und Winters um 5 Uhr schon in der Werckstatt der Musen gestanden, vor der Zeit zu tode arbeiten. Dahero endlich der Vorschlag dieser Auflage des thesauri stephanini oder fori romani unterblieben.

 

Schluß der Vorrede.

 

§. 25.   Da aber, bey aller Sicherheit des Vertriebs, Papier, Drucker-Lohn und was man den Schrift-Stellern geben muß, in dergleichen grossen Wercken, einen unsäglichen Vorschuß von vielen tausenden erfordert: so haben endlich auch die Teutsche denen Engeländern den Vortheil abgelernet; daß sie zu dergleichen Haupt-Wercken sich zum Voraus bezahlen lassen, hingegen solchen die Exemplarien wohlfeiler angeschlagen werden. Dann hierdurch wird viel Gutes befördert. Der Verleger darf keinen Vorschuß aufnehmen und verzinsen; er bekommet keine Laden-Hüter, sondern hat so fort seine Abnehmer; er hat keines Tauschens von andern, öfters nichtswürdigem Zeug, nöthig; der Betrug der Laden-Diener wird verhindert; mit dem Werck aber selber von andern Buchführern kein übermäßiger Wucher getrieben; endlich dasselbe mit eines in die gantze gelehrte Welt herum vertheilet. Wie nun der Königl. Preußl. Commißions- und Commercien-Rath, Herr Johann Heinrich Zedler, dieses Mittel gleichfalls gebrauchet; davon er schon an denen gesammten Wercken des lvtheri eine heilsame Probe gemachet: so wollen wir von Hertzen wünschen; daß er in seinen besten Jahren, worinnen er stehet, Muth, Sinnen, Kräfte und Gesundheit behalten möge, auch von diesem Universal-Lexicon das erwünschte baldige Ende zu sehen. Wie dann derselbe das Werck mit solcher Macht nunmehro angreiffen wird: daß auf jede Messe, ein oder zwey Folianten zum Vorschein kommen werden. Wer in den ersten oder folgenden Theilen etwas anstößiges findet, der wird der Gelehrsamkeit den Vortheil gönnen, daß er solches dem Verleger melde, damit es in den supplementis oder in der Nachlese mit eingerücket werden möge. Dann er die theure Versicherung wiederholet; das Buch selber nicht vermehrter aufzulegen, und dadurch die Besitzer des erstern Druckes um ihr Geld zu bringen. Und wie Teutschland mit denen Merianischen Topographien; dem theatro und diario Europaeo; denen Londorpischen und andern Staats-Urkunden; dem Lünigischen Reichs-Archiv; der Europäischen Fama und andern mächtig grossen Wercken, in seiner Sprache, billig pranget und für den meisten andern Nationen den Vorzug behält; so ist nun kein Zweiffel, daß dieses Universal-Lexicon in Teutscher Zungen auch gleiche Hochachtung, Ehre und Nutzen erlangen, schaffen und unvergänglich behalten werde.

 

Halle, den 30 Sept. 1731.

Johann Peter von Ludewig.

Cantzler der Universität Halle.

 

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