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- A n t h o l o g i e
a u f d a s J a h r 1 7 8 2
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- [187]
- Lied eines abwesenden
Bräutigams.
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Verfliegen noch zwey Jahre, dann
Nenn' ich mein Mädchen mein!
Und gieng es noch so schlimm, es kann
Kein ganzes drüber seyn!
- 5
- Und die verfliegen wie der Wind –
Zwar eine hübsche Zeit!
Doch die zwey längsten Jahre sind
Lang keine Ewigkeit!
Und ist nicht diese ganze Zeit
- 10
- Auch schon mein Mädchen mein?
Sie wirds gewiß nicht mehr als heut
In zehen Jahren seyn!
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- Zwar dann in meinen Armen mein,
Und das ist freilich viel!
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- Doch sich im Voraus drauf zu freun,
Ist auch kein Kinderspiel.
Der Freude wird die Zeit nicht lang
Und mir ist bis dahin
Deswegen nicht für Freuden bang
- 20
- Weil ich nicht bey ihr bin:
Dann bin ichs nur, so giebt sie mir
Solch einen Vorrath mit,
Der mich mit guter Laune schier
Ein Vierteljahr versieht.
- 25
- Ein Kuß in einem Vierteljahr!
Das macht das Jahr durch vier!
Das sind nur wenig – denkt ihr zwar
Doch schmek ich die dafür
Die ich bekomme, mehr als ihr!
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- Bey euch ist's bloses Spiel,
Und erst vier Wochen drauf wird mir
Die Wange wieder kühl!
- [189]
- Zwey hab ich noch für heuer gut,
Zwey hab ich schon geschmekt,
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- Das fühlt ihr nie, wies einem thut
Die ihr euch ewig lekt!
Zwey hab' ich jezt noch gut – die zwey
Nicht einen gäb ich euch
Um tausend andre, meiner Treu!
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- Nicht um ein Königreich.
Den dritten hol' ich bald bey ihr!
Wie fliegt die Zeit vorbey?
O Mädchen! Mädchen! bleibe mir
Nur noch zwey Jahre treu.
- 45
- Zwar die verfliegen wie der Wind,
Doch zur Beständigkeit
Du lieber Gott! – zwey Jahre sind
Gar eine lange Zeit!
G.
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