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- A n t h o l o g i e
a u f d a s J a h r 1 7 8 2
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- [184]
- Morgenfantasie.
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Frisch athmet des Morgens lebendiger Hauch,
Purpurisch zukt durch düstre Tannenrizen
Das junge Licht, und äugelt aus dem Strauch,
In goldnen Flammen blizen
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- Der Berge Wolkenspizen,
Mit freudig melodisch gewirbeltem Lied
Begrüßen erwachende Lerchen die Sonne,
Die schon in lachender Wonne
Jugendlichschön in Auroras Umarmungen glüht.
- 10
- Sei Licht mir gesegnet!
Dein Stralenguß regnet
Erwärmend hernieder auf Anger und Au.
Wie silberfarb flittern
Die Wiesen, wie zittern
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- Tausend Sonnen im perlenden Tau!
- [185]
- In säuselnder Kühle
Beginnen die Spiele
Der jungen Natur,
Die Zephyre kosen
- 20
- Und schmeicheln um Rosen,
Und Düfte beströmen die lachende Flur.
Wie hoch aus den Städten die Rauchwolken dampfen,
Laut wiehern, und schnauben und knirschen und strampfen
Die Rosse, die Farren,
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- Die Wagen erknarren
Ins ächzende Thal.
Die Waldungen leben
Und Adler, und Falken und Habichte schweben,
Und wiegen die Flügel im blendenden Stral.
- [186]
- Den Frieden zu finden,
Wohin soll ich wenden
Am elenden Stab?
Die lachende Erde
Mit Jünglingsgebärde
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- Für mich nur ein Grab!
Steig empor, o Morgenroth, und röthe
Mit purpurnem Kusse Hain und Feld,
Säusle nieder Abendroth und flöte
Sanft in Schlummer die erstorbne Welt.
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- Morgen – ach! du röthest
Eine Todenflur,
Ach! und du o Abendroth umflötest
Meinen langen Schlummer nur.
Y.
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