B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Friedrich Gottlieb Klopstock
1724 - 1803
     
   



O d e n   u n d   E l e g i e n .

A b s c h i e d s o d e   a n   G i e s e k e .
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Geh! Ich reise mich los, obgleich der männlichen Tugend
      Thränen zu weiblich nicht sind.
Geh! Ich weine nicht, Freund; ich müste mein Leben durchweinen,
      Weint' ich dir, Gieseke, nach.
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Denn so werden sie alle dahingehn, ein jeder den andern
      Einsam verlassen, und fliehn.
So zertrennet der Tod zween göttliche Gatten; der Mann kam
      Weinend im Ocean um;
Sie am öden Gestade, wo von dem gebeinvollen Meersand
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      Sturmwind ihr Grabmal erhöhn.
So liegt Miltons Gebein, entfernt vom Gebein Homerus,
      Und kein Cypressenbaum rauscht
Von dem Grabe des einen zum Grabe des andern hinüber,
      Noch ein beweinender Laut.
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Also schrieb unser aller Verhängnis auf eiserne Tafeln
      Der im Olympus, und schwieg.
Was der in dem Olympus geschrieben, verehr' ich im Staube;
      Weine gen Himmel nicht auf.
Geh, mein zärtlichster Freund, die segnen deine Getreuen
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      Auch vielleicht thränenfrey nach;
Wenn die Seele nicht Zähren, den freundschaftslosen unweinbar,
      Bang und erbebend vergiest.
Eile zu Hagedorn hin, und wenn du genug ihn umarmt hast,
      Wenn euch die erste Begier,
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Euch zu sehen, gestilt ist, wenn alle Thränen der Freude,
      Redlich verweint sind, und fliehn;
Gieseke, sag ihm alsdann nach drey genossenen Tagen,
      Daß ich ihn liebe, wie du!