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 S a k i    N a m e h.   

 D a s    S c h e n k e n b u c h.   
 

 
 
     

09,1
 
     
   

   Ja, in der Schenke hab' ich auch gesessen,
Mir ward wie andern zugemessen,
Sie schwatzten, schrieen, händelten von heut,
So froh und traurig wie's der Tag gebeut;
 5Ich aber saß, im Innersten erfreut,
An meine Liebste dacht' ich - wie sie liebt?
Das weiß ich nicht; was aber mich bedrängt!
Ich liebe sie wie es ein Busen giebt
Der treu sich Einer gab und knechtisch hängt.
10Wo war das Pergament, der Griffel wo?
Die alles faßten! - doch so wars! ja so!
 

     
09,1

09,2
 
     
   

Sitz' ich allein,
Wo kann ich besser seyn?
Meinen Wein
Trink' ich allein,
 5Niemand setzt mir Schranken,
Ich hab' so meine eigne Gedanken.

So weit bracht' es Muley, der Dieb,
Daß er trunken schöne Lettern schrieb.
 

     
09,2

09,3
 
     
   

   Ob der Koran von Ewigkeit sey?
Darnach frag' ich nicht!
Ob der Koran geschaffen sey?
Das weiß ich nicht!
 5Daß er das Buch der Bücher sey
Glaub' ich aus Mosleminen-Pflicht.
Daß aber der Wein von Ewigkeit sey
Daran zweifl' ich nicht.
Oder daß er vor den Engeln geschaffen sey
10Ist vielleicht auch kein Gedicht.
Der Trinkende, wie es auch immer sey,
Blickt Gott frischer ins Angesicht.
 

     
09,3

09,4
 
     
   

   Trunken müssen wir alle seyn!
Jugend ist Trunkenheit ohne Wein;
Trinkt sich das Alter wieder zu Jugend,
So ist es wundervolle Tugend.
 5Für Sorgen sorgt das liebe Leben
Und Sorgenbrecher sind die Reben.

   Da wird nicht mehr nachgefragt!
Wein ist ernstlich untersagt.
Soll denn doch getrunken seyn,
Trinke nur vom besten Wein:
 5Doppelt wärest du ein Ketzer
In Verdammniß um den Krätzer.
 

     
09,4

09,5
 
     
   

   So lang' man nüchtern ist
Gefällt das Schlechte,
Wie man getrunken hat
Weiß man das Rechte,
 5Nur ist das Uebermaaß
Auch gleich zu handen;
Hafis! o lehre mich
Wie du's verstanden.
 
   Denn meine Meinung ist
10Nicht übertrieben:
Wenn man nicht trinken kann
Soll man nicht lieben;
Doch sollt ihr Trinker euch
Nicht besser dünken,
15Wenn man nicht lieben kann
Soll man nicht trinken.
 

     
09,5

09,6
Suleika.
 
     
  S  u  l  e  i  k  a.   

 H a t e m.     
 
   Du weißt daß der Leib ein Kerker ist,
Die Seele hat man hinein betrogen,
Da hat sie nicht freye Ellebogen.
 5Will sie sich da- und dorthin retten:
Schnürt man den Kerker selbst in Ketten,
Da ist das Liebchen doppelt gefährdet,
Deßhalb sie sich oft so seltsam gebärdet.
 

     
09,6
Suleika.

09,7
Warum du nur oft so unhold bist?
 
     
 W a r u m    d u    n u r    o f t    s o    u n h o l d    b i s t ?   

   Wenn der Körper ein Kerker ist,
Warum nur der Kerker so durstig ist?
Seele befindet sich wohl darinnen
Und bliebe gern vergnügt bey Sinnen;
 5Nun aber soll eine Flasche Wein
Frisch eine nach der andern herein.
Seele will's nicht länger tragen,
Sie an der Thüre in Stücke schlagen.
 

     
09,7
Warum du nur oft so unhold bist?

09,8
Dem Kellner
 
     
 D e m    K e l l n e r   

   Setze mir nicht, du Grobian,
Mir den Krug so derb vor die Nase!
Wer mir Wein bringt sehe mich freundlich an,
Sonst trübt sich der Eilfer im Glase.

 5   Du zierlicher Knabe, du komm herein,
Was stehst du denn da auf der Schwelle?
Du sollst mir künftig der Schenke seyn,
Jeder Wein ist schmackhaft und helle.
 

     
09,8
Dem Kellner

09,9
Dem Schenken.
 
     
 D e m    S c h e n k e n.   

Schenke spricht.
 
   Du, mit deinen braunen Locken,
Geh' mir weg verschmitzte Dirne!
Schenk' ich meinem Herrn zu Danke,
Nun so küßt er mir die Stirne.
 
 5   Aber du, ich wollte wetten,
Bist mir nicht damit zufrieden,
Deine Wangen, deine Brüste
Werden meinen Freund ermüden.
 
   Glaubst du wohl mich zu betrügen
10Daß du jetzt verschämt entweichest?
Auf der Schwelle will ich liegen
Und erwachen wenn du schleichest.
 

     
09,9
Dem Schenken.

09,10
 
     
   

   Sie haben wegen der Trunkenheit
Vielfältig uns verklagt,
Und haben von der Trunkenheit
Lange nicht genug gesagt.
 5Gewöhnlich die Betrunkenheit
Verschwindet so wie es tagt;
Doch hat mich meine Betrunkenheit
In der Nacht umher gejagt.
Es ist die Liebestrunkenheit
10Die mich erbärmlich plagt,
Von Tag zu Nacht, von Nacht zu Tag
In meinem Herzen zagt.
Dem Herzen das in Trunkenheit
Der Lieder schwillt und ragt,
15Daß keine nüchterne Trunkenheit
Sich gleich zu heben wagt.
Lieb', Lied und Weines Trunkenheit,
Ob's nachtet oder tagt,
Die göttlichste Betrunkenheit
20Die mich entzückt und plagt.
 

     
09,10

09,13
Schenke.
 
     
  S  c  h  e  n  k  e.   

 
   Welch ein Zustand! Herr, so späte
Schleichst du heut aus deiner Kammer;
Perser nennen's Bidamag buden,
Deutsche sagen Katzenjammer.
 D i c h t e r.     
 5   Laß mich jetzt, geliebter Knabe,
Mir will nicht die Welt gefallen,
Nicht der Schein, der Duft der Rose,
Nicht der Sang der Nachtigallen.
 S c h e n k e.     
   Eben das will ich behandeln,
10Und ich denk', es soll mir klecken,
Hier! genieß die frischen Mandeln
Und der Wein wird wieder schmecken.
 
   Dann will ich auf der Terrasse
Dich mit frischen Lüften tränken,
15Wie ich dich in's Auge fasse
Giebst du einen Kuß dem Schenken.
 
   Schau! die Welt ist keine Höhle,
Immer reich an Brut und Nestern,
Rosenduft und Rosenöle!
20Bulbul auch, sie singt wie gestern.
 

     
09,13
Schenke.

09,14
 
     
   

   Jene garstige Vettel,
Die buhlerische,
Welt heißt man sie,
Mich hat sie betrogen
Wie die übrigen alle.
Glaube nahm sie mir weg,
Dann die Hoffnung,
Nun wollte sie
An die Liebe,
Da riß ich aus.
Den geretteten Schatz
Für ewig zu sichern
Theilt' ich ihn weislich
Zwischen Suleika und Saki.
Jedes der beyden
Beeifert sich um die Wette
Höhere Zinsen zu entrichten.
Und ich bin reicher als je.
Den Glauben hab' ich wieder!
An ihre Liebe den Glauben.
Er im Becher gewährt mir
Herrliches Gefühl der Gegenwart;
Was will da die Hoffnung!
 

     
09,14

09,15
Schenke.
 
     
  S  c  h  e  n  k  e.   

 
   Heute hast du gut gegessen,
Doch du hast noch mehr getrunken;
Was du bey dem Mahl vergessen
Ist in diesen Napf gesunken.
 
 5   Sieh, das nennen wir ein Schwächen
Wie's dem satten Gast gelüstet,
Dieses bring' ich meinem Schwane
Der sich auf den Wellen brüstet.
 
   Doch vom Singschwan will man wissen
10Daß er sich zu Grabe läutet;
Laß mich jedes Lied vermissen,
Wenn es auf dein Ende deutet.
 

     
09,15
Schenke.

09,16
Schenke.
 
     
  S  c  h  e  n  k  e.   

 
   Nennen dich den großen Dichter,
Wenn dich auf dem Markte zeigest;
Gerne hör' ich wenn du singest
Und ich horche wenn du schweigest.
 
 5   Doch ich liebe dich noch lieber,
Wenn du küssest zum Erinnern;
Denn die Worte gehn vorüber
Und der Kuß der bleibt im Innern.
 
   Reim auf Reim will was bedeuten,
10Besser ist es viel zu denken.
Singe du den andern Leuten
Und verstumme mit dem Schenken.
 

     
09,16
Schenke.

09,17
Dichter.
 
     
  D  i  c  h  t  e  r.   

 S c h e n k e.     
 
Herr, du hast genug getrunken,
Nennen dich den wilden Zecher!
 D i c h t e r.     
Sahst du je daß ich gesunken?
 S c h e n k e.     
 5Mohamed verbietets.
 D i c h t e r.     
Liebchen!
Hört es niemand, will dir's sagen.
 S c h e n k e.     
Wenn du einmal gerne redest,
Brauch' ich gar nicht viel zu fragen.
 D i c h t e r.     
Horch! wir andre Muselmannen
10Nüchtern sollen wir gebückt seyn,
Er in seinem heil'gen Eifer
Möchte gern allein verrückt seyn.
 D i c h t e r.     
 

     
09,17
Dichter.

09,19
Schenke komm! Noch einen Becher!
 
     
 S c h e n k e    k o m m !    N o c h    e i n e n    B e c h e r !   
 S o m m e r n a c h t.   

   Niedergangen ist die Sonne,
Doch im Westen glänzt es immer,
Wissen möcht' ich wohl, wie lange
Dauert noch der goldne Schimmer?
 S c h e n k e.     
 5   Willst du, Herr, so will ich bleiben,
Warten außer diesen Zelten,
Ist die Nacht des Schimmers Herrinn,
Komm' ich gleich es dir zu melden.
 
   Denn ich weiß du liebst das Droben,
10Das Unendliche zu schauen,
Wenn sie sich einander loben
Jene Feuer in dem Blauen.
 
   Und das hellste will nur sagen:
Jetzo glänz' ich meiner Stelle,
15Wollte Gott euch mehr betagen,
Glänztet ihr wie ich so helle.
 
   Denn vor Gott ist alles herrlich,
Eben weil er ist der beste,
Und so schläft nun aller Vogel
20In dem groß und kleinen Neste.
 
   Einer sitzt auch wohl gestängelt
Auf den Aesten der Cypresse,
Wo der laue Wind ihn gängelt
Bis zu Thaues luft'ger Nässe.
 
25   Solches hast du mich gelehret,
Oder etwas auch dergleichen,
Was ich je dir abgehöret
Wird dem Herzen nicht entweichen.
 
   Eule will ich, deinetwegen,
30Kauzen hier auf der Terrasse,
Bis ich erst des Nordgestirnes
Zwillings-Wendung wohl erpasse.
 
   Und da wird es Mitternacht seyn,
Wo du oft zu früh ermunterst,
35Und dann wird es eine Pracht seyn,
Wenn das All mit mir bewunderst.
 D i c h t e r.     
   Zwar in diesem Duft und Garten
Tönet Bulbul ganze Nächte,
Doch du könntest lange warten
40Bis die Nacht so viel vermöchte.
 
   Denn in dieser Zeit der Flora,
Wie das Griechen-Volk sie nennet,
Die Strohwittwe, die Aurora
Ist in Hesperus entbrennet.
 
45   Sieh dich um! sie kommt! wie schnelle!
Ueber Blumenfelds Gelänge! -
Hüben hell und drüben helle,
Ja die Nacht kommt ins Gedränge.
 
   Und auf rothen leichten Solen
50Ihn, der mit der Sonn' entlaufen,
Eilt sie irrig einzohohlen;
Fühlst du nicht ein Liebe-Schnaufen?
 
   Geh nur, lieblichster der Söhne,
Tief in's Innre schließ die Thüren;
55Denn sie möchte deine Schöne
Als den Hesperus entführen.
 

     
09,19
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