B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Georg Wickram
um 1505 - vor 1562
     
   



D a s   R o l l w a g e n b ü c h l i n .

X L V I .

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[87]

      Ein voller Pfaff wolt zû
      einem Königreich gon / falt in
      ein Wolffsgrûben / als er
      vermeint ein Enten zû fahen.


      ES ligt ein Dorff in Luttringen / darinn wonet ein doller ungeschickter Pfaff / wie man dann derselbigen nit wenig in Lottringen findet / er hatt sein brauch an im / das er von einem Dorff zûm andern lüff wo er ein gût mal wußt / da lûgt er das im sein teil auch darvon ward. Hab auch von glaubwirdigen lüten gehört das er zûm oftermal an einem tag an zweyen orten Meß gelesen hab / als in seiner Pfarr und demnach in ein ander Dorff geloffen / da er ein gût mal gewißt hatt / auch Meß gelesen. Es begab sich an einem Heiligen Drykünig abent das er von Wych in ein ander Dorff lauffen wolt / und mit den Bauren Künig machen / er hatt aber sich zû Wych ettwas lang gesaumpt / dann er mit seinen Bauren vor Künig gemacht hat / derhalben ward es ettwas spat. Nun hatten die Bauren in dem Dorff / in wöllichs er gon wolt / erst am selbigen tag ein tieffe Wolffsgrûben nit weit vom Dorff aufgeworffen / und wie man pflegt zû thûn in mitte der grûben hatten sy ein höwstangen auff gericht/ und ein Endt in einem korb darauff gebunden / damit wann die Wölff oder Füchs die Endt horten das sy dem geschrey zûlouffen solten / und in die ‹Fijr› grûben fallen. Als nun der gût Herr nahend zûm Dorff kumpt so hört er die Endt im feld ettwas vom Dorff schreyen. Er dacht in im selbs / «dise Endt ist von dem Dorff kummen es möcht sy ein Fuchs ankummen und fressen / weger ist / ich fahe und erwürg sy so mag ich sy behalten an einem heimlichen end / wann ich dann nach dem nachtessen heim gang so trag ich sy mit / so hab ich morgen zûnacht auch einen gûten braten.» In solchen gedancken kam der Pfaff als je neher zû der Enten / und so neher er zû ir kam so mer und fester sy schreyen ward. Nun was die grûb allenthalben mit kleinem gereyß und strow überdecket / das der gût Pfaff nichts anders meinet dann es wer ein ebner boden / eylet [88] bald auf die schreyend Endt / damit sy im nit entlauffen möcht / in solchem eylenden lauff falt er gar ungestúmlich in die Wolffsgrûben. Die Endt aber je mer anhûb zû schreyen / das erhört auch ein hungriger Wolff / loufft dem Endtengeschrey zû / und falt auch zû dem Pfaffen in die grûben. Der Wolff als er vernam das er gefangen was / hatt er sich gantz züchtiklichen in der grûben gehalten / und dem Pfaffen kein leid begeren zû thûn. Dem Pfaffen aber was gar angst by dem Wolff in der grûben / unnd hatt sich allen augenblick seines lebens verwegen. Es stûnd nit gar ein stunde do kam ein Fuchs der meint auch ein gûten bissen zû erlangen / dem gieng es gleich wie den vorigen zweien. Der Fuchs aber so bald er in die grûben kam / fieng er an den Pfaffen zû stupfen und zû rupffen an seinem Rock darvon den Pfaffen ein grosse angst ankam / dann er wußt seins lebens ‹Fijv› unnd sterbens kein mittel. Nun was er so nach bey dem Dorff / wann die Bauren anhûben zû schreien / «Der Künig drinckt» / das macht erst den gûten Domine so gar unlustig / dann er was gewont zû sein wo man schlempt und dempt / unnd nit übemacht in der Wolffsgrûben zû ligen. Als nun deß morgens die Bauren lûgen wolten / was sy die nacht gefangen hetten / kamend sy mit Seilern unnd Leitern / Spiessen und Kolben zû der grûben / runden also den Pfaffen / Wolff und Fuchs bey einandern / deß sy sich dann gar größlichen verwundren thetten. Der Pfaff bat sy gar früntlich / sy wolten ires fragens abston / und zûm fordristen trachten wie sy in auß der grossen angst und not brechten / als dann wolt er inn alle ding nach der leng erzelen. Sy liessen im ein seil in die grûben / der Pfaff band sich selbs daran / also zugen sy in herauff. Der Pfaff bat die Bauren durch aller Heiligen willen / sy solten den Wolff seines lebens verschonen / den Fuchs aber solten sy umbbringen. Darumb so wolt er inn einen Schnaphanen schencken. Die bauren fragten die ursach an den Pfaffen warumb er doch dem Wolff sein leben also erkauffen wolt / so doch kein thier in der gantzen welt wer dem all welt so find weer als einem Wolf. Der Pfaff sagt / «O lieben fründ der gût frumb Wolf ist [89] die gantz nacht so züchtig und still bey mir in der grûben gesessen und hatt mir gar kein leidt begert zûzûfúgen. Aber der schantlich lasterlich Fuchs / so bald er in die grûben kam / fieng er an nach mir zû springen / meinen Rock zerreissen / unnd hatt mich ‹Fiijr› gantz angsthaft gemacht / darumb beger ich im sein leben nit zû fristen. Die Bauren namen den Schnaphanen von dem Pfaffen / schlûgen aber nüt desterweniger den Wolff und den Fuchs zû todt. Ich glaub auch solten sy gewißt haben daß der Pfaff der meinung gwesen wer die Endten zû stelen / sy hetten in auch zû todt geschlagen als wol als den Wolff und Fuchs.