B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Georg Wickram
um 1505 - vor 1562
     
   



D a s   R o l l w a g e n b ü c h l i n .

L V I .

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[114]

      Wie zwen dieb einem Pfaffen
      das Podegram vertriben.


      ZWen dieb hatten lange zeit inn gemein mit einander gestolen / unnd allweg tugentlich / waß sy überkamen / mit einander getheilt. Auff ein zeit kamen sy in ein kleines Stettlin / konten darin irer gattung nicht bekummen. Zû letst wurden sy zû radt / giengen hinauß auff ein groß Dorff / bewurben sich umb ir kauffmanschatz / damit sy sich mit ehren auß möchten bringen. Sy erkunten sich so wol das der ein einen hauffen nüß auff einer hurden ersehen / zû denen er nachts wol kummen mocht. Der ander fand einen schaffstall im dorff darinn waren vil gûter feister schaff / und Hemmel / under denen wolt er einen stelen / des morgens wolten sy nüß und Hammel in dem Stettlin verkauften. Sy wußten aber kein sicher ort im dorff dahin sy iren kram so sy nächtlicher weilen überkamen / tragen möchten. Zum letsten besanen sy sich an den Gerner oder Beinhauß / da selbst solt der / so am ersten sein diebstal überkäm / des andern ‹G7r› warten. Nun waß ein seer reicher Pfaff im Dorff / der lag gar hartt an dem Podegram / unnd hat zwen starcker junger knecht / die seiner warten mûßten / und in hin und wider heben und tragen. Es begab sich als es gantz finster worden waß / das die zwen Dieb yeder nach seiner wahr gieng. Der mit den nüssen was mit ersten fertig / trûg einen grossen sack voll auff die todtenbein. Der ander aber weiß nicht was in verhindert / kondt nit zû genist kommen. Sein gesell aber damit im die zeyt vergieng / saß auff den todtenbeinen / und aß nüß / warff die schalen hin unnd wider im Gerner. Nun begab es sich / das dem Pfaffen in der nacht das liecht außlöschet. Er wardt zornig über seine knecht / dann sy waren beidsam entschlaffen / hatten die ampel nicht geschieret. Als sy aber kein liecht schlagen kundten / sagt der Pfaff zu dem einen / Er solt ins beinhauß gon und ein liecht auff zünden. Der gût gesell was [115] geschwindt auff den fússen / lieff dem beinhauß zû / und als er yetzundt die stiegen hinnab kumpt / so hört er den Dieb nüß krachen und die schalen hin unnd wider werffen / davon im ein grosser schrecken zûstundt. Er lieff eylens wider zû hauß on ein liecht. Der Pfaff ward zornig / als aber der knecht die Ursach anzeyget / schickt er die beyden knecht mitt einander. Als sy aber auch nahendt hinzû kamen / hörten sy beid den Dieb auff den beinen. Sie lieffen behends widerumb zû hauß. Als sy aber kein liecht brachten / ward der Pfaff über die maß zornig / ‹G7v› und befalh seinen knechten gûte weiche küssen auf ein mistberren zû legen / unnd in darauff in den Gerner zû tragen. Das geschach alles nach seinem befelch / sy kamen zû dem Gerner. Der Dieb auff den Todten beinen meint / sein gesell kem mit dem Hammel / und schrey von den beinen herab: «Thû gmach / thû gmach / ich will dir in helffen heben.» Die knecht meinten es wer der Teüffel / liessen den Pfaffen fallen und lieffen darvon. Der Dieb rumplet über die Todtenbein herab / und sagt mit lyser stimm / meint sein gsell wer da und hett den Hammel / er fragt / «Ist er auch feißt.» Dem Pfaffen ward so angst das er des Podograms vergaß / lief dahin als wer er unsinnig / der Dieb hinach meint sein gsell wolt den Hammell allein behalten / und schrey hinach / «Hab ich kein theil daran?» «Nein» sagt der Pfaff «du böser Geist dir soll kein teil werden» / «so solt du auch kein theil an den nussen haben.» Der Pfaff sagt: «O ich will mich gern aller nussen in Ewigkeit entzihen.» Deß morgens schickt er nach allen Bauren und gab inn all die nussen wider so im zû zehenden worden waren / und vergieng im also sein Podogram.