B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Georg Wickram
um 1505 - vor 1562
     
   



D a s   R o l l w a g e n b ü c h l i n .

X L I V .

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[82]

      Einer vertreib seinem
      alten Weib das Hauptwee.


      IN einer Statt am Rheinstrom glegen wonet ein seer reiche und karge alte Wittfraw / deren stalten vil alter reicher Wittweling nach und vermeinten sy zû erwerben / ir aber was gar kein sattel gerecht. Dann sy gab allwegen die antwurt sy wolt selber über ir hab und gût meister sein / und keinem mann mer das under‹E6v›würfflich machen. Es begab sich überlang das ein Landsknecht in die statt kam / gar ein schöner gerader freidiger Junger kärle / der hort von diser Wittfrauwen sovil sagen / das er im entlich fürnam er wolt sein heil versûchen / er was wol außgebutzt mit kleidung. Tratt der gûten alten frauwen für das hauß begegnet ir zû Kirchen unnd strassen / sprach sy gantz tugentlich und früntlich an. Die gût alt frauw / so über ir sechtzig jar was / meinet der Jung hett ein solchen gunst zû ir / nam auch je lenger je meer acht auff in / fieng im auch an gar früntlich zûzûsprechen. Der gût schlucker meinet die glock wer jetzund schon halb gegossen / er kaufft einen schönen schlöyer / und fúgt sich mit flyß an ein ort da er meint die Wittfraw allein zû betretten / es geschach nach seinem willen unnd wunsch / dann sy kam im gleich zû gesicht. «Zarte liebe fraw» sagt er / «es hatt mich eüwer früntlich unnd tugentlichs ansprechen dermassen in freundschant unnd liebe gegen eüch bewegt / wo ich in eüwerm verstand vermögen und wesen wer / und ir meine Jugent nit scheuhen dörften / wißt ich in aller statt / kein Weibsbild mitt deren ich lieber haußhalten wolt / diß hab ich eüch nit können verhalten / wiewol ich weiß das ir meines gunstes ein klein acht haben / aber von wegen meiner freflen wort / so ich jetz so onverschampt mit eüch geredt hab / wöllend dise kleine gab von mir zûr straff nemmen / bitt euch darby mir zû vergeben.» Die gût alt Vettel wölche zûvor der Narr gegen dem Jungen stach / meint im aller werten ‹E7r› ernst sein. «Junger» / sagt sy / [83] «wann ich deinen worten getreüwen dörft / wolt ich mich der sach nit lang nemmen zû bedencken / wiewol nit on ist / es werben vil alter eerlicher reicher mann umb mich / so mir am alter gleich sind / was wolt ich mich aber zeihen / das ich ein alten mann nemmen wolt / übernacht so legen wir beidsammen da unnd wißt keins dem andren zû helffen / weren beidsammen kranck und schwach / darumb ich mir langest fürgenummen hab ein gûten frummen gesellen zû nemmen ob er gleichwol nit so gar reich ist / wann er mir nur gûts thût / an gût und gelt sol im nit manglen.» In summa kurtz darvon geredt / sy wurden der Sachen eins / sy versprach im die Ee. Als nun der kirchgang beschehen was / fieng der gût Jung mann an gar haußlich zû sein / versach alle Sachen noch dem basten / dann er befand daß im die fraw ir barschafft und kleinot noch nitt gar offenbart hatt. Als er sy aber mit Fuchßlisten hindergieng / das sy im jetz alles geeigt unnd gezeigt / hatt er von tag zû tag angefangen abspinnen / sûcht im kurtzweil und fröud bey seines gleichen / wann er dann zûhauß gieng kam er selten allein er bracht allweg ein gûten gesellen zwen mitt im / die sassen dann zûsammen biß mittnacht spilen / schlemmen und temmen / und wann dann die gût Fraw etwas zûr sach redt / tribend sy nur ir spey unnd fatzwerck mit ir. Darvon die gût fraw in grossen widerwillen kam. So dorft sy es iren fründen auch nit klagen / diewil sy ires Radts nit gepflegen hatt. Was ist zûletst geschehen / eins mals kam er heim ‹E7v› mit einer vollen rott. Sein fraw hatt sy von weiten ersehen / vermeint sy wolt ein andre kunst versûchen / damit sy doch einmal semlicher gest abkummen möcht. Sy nam eylentz ein handzwehlen wand die umb den kopff und legt sich auf die gautschen. Der mann mit seiner Burß kam in die Stuben / findt sein fraw also so ligen / er gieng zû ir und sagt: «Mein liebe Haußfrauw was gebricht dir / liebe biß gûter ding kumm loß uns leichtsinnig sein.» «Laß mich zûfriden» / sagt sy / «du trewloser mann / hast du mir das zûgsagt unnd versprochen?» «Liebe fraw» / sprach er / «ich weiß doch keinen mangel so du hast / bistu nit [84] versehen genûg mit megten / so ding dir noch ein par / schmackt dir ein Wein nit / so stich ein ander faß an / und kauff darneben was dich lustet / was wilt du doch mer haben?» «Waß solt ich haben wöllen» sagt sy / «ich wolt du blibest daheim versehest dein hauß / so gaast du tag und nacht zû deinen gesellen von wölchen du nichts gûts thûst lernen / und laßt dargegen mich arme frauw ligen / in angst und schmertzen. Dann mir thût mein kopff so wee / das ich nit weiß wo ich bleiben soll / wie wilt du doch sömliche untrew verantworten?» «Wie» / sagt er / «solt ich ein so liebe alte fraw haben und solt leiden von einem liederlichen kopf / das er sy beleidiget daß soll ein mal nit sein» / semlichs geredt / riß er ir die handzwehel vom kopf und mit beiden feisten fieng er an zû schlagen und sagt: «Hey kopf woltest dich der meisterschaft annemmen und meiner frawen von deren ich gût und ehr hab wee thûn? ich wolt dich ee zertrimmern.» Die gût ‹E8r› alt mûter wußt nit wie sy es verston solt / dann sy marckt das kein auffhörens da was. Darumb mûst sy sich der nechsten freyheit behelffen. «O lieber mann» sagt sy «laß dein zorn ab gegen meinen kopff / er thût mir nimmer wee.» «Daß vergelt im» sagt er «ein spitzhöltzlin. Nun stand auff mein liebe Haußfraw / und loß dich keinen solchen bösen kopff mer anfechten / ich bin gûter hoffnung er soll dirs nit meer thûn.» Also mûßt die gût alt mûter von irem angenummenen siechtagen aufston / zû ires mannes gesten sitzen und ein gûten mût haben / es wer ir lieb oder leid. Als sy nun zeletst von irem kiflen abließ / und den mann nicht mer also frettet / stûnd er selbs von seiner weyß eins theils ab.