BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Albrecht Dürer

1471 - 1528

 

Tagebuch der Reise

in die Niederlande

 

1520/21

 

Reise nach Brügge und Gent

 

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Item ich bin am samstag nach ostern [6. April] mit dem Hanns Lüber [Augsburger Patrizier] und mit maister Jan Prost [Jan Provost], ein guter mahler von Prüg [Brügge] bürtig, von Antorff gen Prüg gefahren über die Schelt [Schelde] und kam gen Pefer [Beveren], ein groß dorff. Von dannen gen Prasten [Vracene], auch ein groß dorff, darnach fuhrn wir durch etliche dörffer und kamen in das schön groß dorff, da die reichen bauren sizen, do aßen wir zu morgens. Von dannen fuhr wir für Pol [St. Paul], die reiche abtey. Von dannen fuhren wir durch Kaltprunnen [Caudenborn], ein schön dorff. Von dann durch das groß lang dorff Kahlb [Kalve], von dannen gen Erfehlt [Ertvelde], do lag wir übernacht, und warn frühe am sontag auf und fuhren gen Herfehlt [Ertvelde, fehlerhafte Wiederholung], ein klein stättlein. Von dannen fuhren wir gen Keolo [Ecloo], das ist ein mächtig groß dorff, ist pflastert, hat ein plaz, do aßen wir zu morgens.

 

Brügge um 1600

 

Von dannen fuhren wir gen Maldig [Maldegem], darnoch noch andre dörffer und kamen gen Prüg [Brügge], das ist ein herrlich schön statt. Und hab verzehrt und verfahren 20 stüber und 1. Und do ich gen Prüg kam, do nam mich Jan Prost in sein hauß zu herberg und richte dieselbe nacht ein köstlich mahl zu und lud mir viel leuth zu lieb. Am andern tag lud mich Marx [Marc de Glasere], goldtschmiedt, und gab mir ein köstlich mahl und lud mir viel leuth zu lieb. Darnach führten sie mich ins kaisershauß [ehemalige burgundische Residenz], das ist groß und köstlich. Do sahe ich Rudigers [Roger von der Weyden] gemahlt cappeln und gemähl von ein großen alten meister, do gab ich dem knecht ein stüber, der auffspert.

 

Roger von der Weyden Miraflores-Altar

 

Darnach kauff ich 3 helffenbaine kam [elfenbeinerne Kämme] umb 30 stüber. Darnach führten sie mich gen S. Jacob und ließen mich sehen die köstlichen gemähle von Rudiger [Roger von der Weyden] und Hugo [Hugo van der Goes], die sind beede groß maister gewest. Darnach sahe ich das alawaser [Alabaster] Marienbildt zu unser frauen, das Michael Angelo von Rohm gemacht hat.

 

Michelangelo Brügger Madonna

 

Darnach führeten sie mich in viel kirchen und ließen mich alle gute gemähl sehen, dessen ein überschwahl do ist, und do ich Johannes und der andern ding [Gemälde von Dirk Bouts und Hans Memling] alles gesehen hab, do kammen wir zu lez in die mahlercapeln [Kapelle der Malergilde], do ist gut ding innen. Darnach richten sie mir ein pancket [Bankett] zu. Und von dannen ging ich mit ihnen auf die stuben [Versammlungsraum der Gilden], do hetten sich viel ehrlicher leuth zusammen than, von goldschmieden, mahlern und kauffleuth, must mit ihnen zu nacht eßen, schenckten mir und machten kuntschafft und thetten mir groß ehr. Und die zwey brüder Jacob und Peter Mostaert, die rathsherren, schenckten mir 12 kannen wein, und beleiten mich die ganz gesellschafft, mehr dan 60 personen, mit viel windlichtern heim. Auch hab ich in ihren schießhoff [Schützenhof] gesehen den großen fischküfel [Fischbecken] darauff man ißet, der ist lang 19 schuh, 7 schuh hoch und 7 schuh braid.

Also am erigtag [Dienstag, 9. April] frühe fahren wir weg. Aber Jan Profoß [Brügger Maler] hab ich vor mit den stefft conterfet und seiner frauen 10 stüber zu lez [Trinkgeld] geben. Also fuhren wir gen Orscheln [Ursel], do aßen wir zu morgens, und unterwegen sind drey dörffer.

 

Gent um 1600

 

Also fuhren wir gen Gent, noch durch 3 dörffer und gab zu fuhrlohn 4 stüber und hett 4 stüber verzehrt. Und do ich gen Gent kam, do kam zu mir der dechant [Vorsteher] von den mahlern und bracht mit ihm die fordersten [Vorstandsmitglieder] mit in die mahlerey, erboten mir groß ehr, empfingen mich gar herrlich, boden mir an ihren guten willen und dienst und aßen mit mir zu nacht. Am mittwoch frühe führten sie mich auf S. Johannesthurn [Turm von St. Bavo], do übersahe ich die groß wunderbarlich statt, darin ich gleich vor groß ansehen ward.

 

Genter Altar

 

Darnach sahe ich des Johannes taffel [Genter Altar der Brüder van Eyck], das ist ein überköstlich, hochverständig gemähl und sonderlich die Eva, Maria und Gott der vatter sind fast [sehr] gut.

 

Die Löwen

 

Darnach sahe ich die löben [Löwen] und conterfeyt einen mit den stefft. Auch sahe ich auff der brucken, do man die leuth köpfft, die zwey ehrenbilder, die zu einem zaichen gemacht sind, das ein sun sein vatter köpfft hat. Gent ist hübsch und eine wunderliche statt; 4 große wasser fließen dardurch. Ich hab zu trinckgeld geben dem meßner und löwenknechten 3 stüber. Und sonst hab ich viel selzam ding gesehen zu Gent, und die mahler mit ihren dechent [Vorsteher] haben mich nit verlassen, haben zu morgens und nachts mit mir geßen und alleding bezahlt und ganz freundlich mit mir gewest. Aber ich hab im würzhauß [Wirtshaus] 5 stüber zu lez [Trinkgeld] geben.

Also fuhr ich am pfingstag [Dienstag, 11. April] frühe von Gent auß und kam durch etliche dörffer biß zu der herberg, haist der schwan, do aßen wir zu morgens. Darnach fuhren wir aber durch ein schön dorff und kamen gen Antorff [Antwerpen], do hett ich verfahren 8 stüber.