BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Albrecht Dürer

1471 - 1528

 

Tagebuch der Reise

in die Niederlande

 

1520/21

 

Reise nach Seeland

 

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Ich bin an S. Barbaraabend [3. 12. 1520] ausgeritten von Antorff gen Perng [Bergen op Zoon], hab von pferd geben 12 stüber und hab do verzehrt 1 gulden 6 stüber. Item hab zu Pergn meinem weib gekaufft ein niederländisch dün duch [Tuch] auff den kopff, kost 1 gulden 7 stüber. Mehr 6 stüber für 3 par schuh. Ein stüber für augengläßer, mehr 6 stüber für ein helffenbeinen knopff. Ich hab 2 stüber zu trinckgeldt geben. Ich hab den Jan de Has [Dürers Wirt zu Bergen op Zoon], sein weib und sein zwo töchter mit dem kohln conterfet und die magdt und die alt frau mit dem stefft in mein büchlein.

 

Die Magd und die alte Frau

 

An unser frauen abendt [7. 12.] bin ich gezoIch hab gesehen des von Bergen hauß, ist fast [sehr] groß und schön gebauet. Pergn [Bergen op Zoon] ist ein lustig ort im sommer, und sind des jahrs zween groß merckt [Märkte].

 

Bergen op Zoon

 

Der im Bau befindliche Chor der Groote Kerk in Bergen op Zoon

 

An unser frauen abendt [7. 12.] bin ich gezogen mit den gesellen in Seeland, und Bastian Imhoff [Nürnberger Patrizier, Freund Dürers] lieh mir 5 gulden. Und lag die erste nacht am ancker in der see, es war fast kalt und hetten weder speiß noch tranck. Den samstag kam wir zu der Güs [Goes], da conterfet ich ein dirn ihrer manir. Von dannen fuhren wir gen Erma [Arnemuiden] und ich leget zu zehrung 15 stüber. Wir fuhren für die untergangene flecken, da wir die spik von dächern bey dem waßer sahen außragen. Und fuhren für das insulein Wohlfärtig [Wolfersdijk] und für das stättlein Gunge [Kortgene] in einer andern noch beyliegenden insuln.

Selant hat 7 insuln und zu Ernig [Arnemuiden], da ich übernacht lag, ist die grost. Von dann fuhr ich gen Mitelburg [Middelburg], do hat in der abtey Johann de Abus [Jan Gossart] eine große taffel gemacht, nit so gut im hauptstreichen [Kopfzeichnen], als im gemähl. Darnach fuhr ich zu der Fahr [Veere op Walcheren], da aus allen landen die schiff anlenden, ist ein fast [sehr] feines stätlein.

 

 

Aber zu Armuyd [Arnemuiden], do ich anfuhr, do geschah mir ein großer unrath [Unglück]. Do wir am lande stissen und unser saihl anwurffen, do trüng ein großer schiff neben uns so kräfftig, und was eben in aussteigen, das ich im gedräng jederman für mir ließ aussteigen, alß das niemand dan ich, Görg Közler [Nürnberger Bürger], zwey alte weiber und der schiffmann mit einen klainen buben in schiff blieben. Als sich nun das ander schiff mit uns trung, und ich noch also mit den genanden uf dem schiff war und nit auß konnten weichen, do zerriß das starcke saihl und so kam in selben ein starcker sturm wind, der trieb unser schiff mit gewahlt hinter sich; do schrien wir alle umb hülff, aber niemand wolt sich wagen, da schlug uns der wind wieder in die see, da raufft sich der schiffmann und schriehe, dan seine knecht weren al auß getretten, und war das schiff ungeladen. Do war angst und noth, dan der wind war groß und nit mehr dan 6 personen inn schiff, do sprach ich zum schiffmann, er solt ein herz fahen und hoffnung zu gott fahen und nachdächt, was zu than were, sagte er, wan er den klein segel kunt auffziehen, so wohlt wir . . . versuchen, ob er wieder möcht anfahrn. Also halff wir schwerlich aneinander und brachten lechst halb auff und fuhren wieder an. Und do die am landt sahen, die sich unser verwegen [uns aufgegeben] hetten, wie wir uns behulffen, do kamen sie uns zu hülff und kamen zu land.

 

Dürer hat den Augsburger Kaufmann Marx Ulstat auf der Reise nach Seeland porträtiert.

Beischrift: Marx Ulstat, den hab jch awff der se conterfet.

 

Aber Mittelburg ist eine gute statt, hat ein überschön rathauß mit einen köstlichen thurn [Turm], do ist an allen dingen viel kunst an, do ist ein überköstlich schön gestul in der abtey und ein köstlich porkirch [Emporkirche oder Empore, Bezeichnung der Galerien über den Nebenschiffen der Kirche] von stain und hübsch pfaarkirch; und sonst war die statt köstlich zu konterfeyen. Seland ist hübsch und wunderlich zu sehen, des wassers halben, dann es ist höher als das erdreich. Ich hab conterfet mein wirth zu Ernüg [Arnemuiden]. Meister Hugo [Hugo van der Goes] und Alexander Imhoff [Nürnberger Patrizier] und der Hirschvogel [Nürnberger Kaufmann] diener, Friederich [sein Faktor], hat mir ein jeglicher ein indianisch nuß [Kokosnuß] geschenckt, die sie mit spiel gewunnen haben. Und der wirth hat mir der außwachsenden zwibel [Meerzwiebel] eine geschenckt. Und am mondag frühe fuhren wir zu schiff wieder aus und fuhren für die Fahr [Veere op Walcheren] und für Zürchse [Zierikzee]. Wolt den großen fisch gesehen haben, da hett ihn die Fortuna wieder weggeführt. Und hab 2 gulden verfahren und verzehrt und hab 2 gulden für ein kozen [grobe Wolldecke] geben, hab 4 stüber für ein feugenkäß [Feigenmus] geben und hab 3 stüber zu tragen geben und hab 6 stüber verspielt. Und sind wieder gen Perg [Bergen op Zoon] kommen. Ich hab 10 stüber für ein helffenbainen kam [Kamm] geben. Ich hab den Schnabhannen [Wegelagerer] conterfet. Ich hab des wirths aiden [Schwiegersohn], den Clausen, auch conterfet. Ich hab 2 gulden münder [weniger] 5 stüber geben für ein stuck zihn [Zinn]. Mehr [Dazu] 2 gulden für ein schlechtes stuck zihn [Zinn]. Item hab conterfet den klain Bernhart von Breßlen, Georg Közler und den Franzosen von Kamrich [Cambrai], der jeglicher hat mir zu Pergen [Bergen op Zoon] 1 gulden geben. Jan de Has eiden hat mir 1 hornißgulden [Gulden der Grafen von Horn] geben für sein conterfet, desgleichen der Kerpen von Kohln [Nassauischer Hofmeister] hat mir auch 1 gulden geben. Mehr hab ich geben umb zwo zichen [Bettbezüge] 4 gulden minder 10 stüber. Ich hab conterfet den Niclas, Soilir [Juwelier]. Das sind die mahl, die ich jez zu Pergen [Bergen op Zoon] gessen hab, sither ich auß Selant kommen bin 9. Und einmal 4 stüber.