Minnereden
1300 - 1500
Minnereden
Quelle:Cod. Pal. germ. 355(Die Blattangaben führen jeweils zu denOriginalseiten der Heidelberger Handschrift)
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15. Die Nacht in der Feldscheune
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[121r] | Eins zytes nach sant Michels tag,da der sumer endes pflagund die feld berobet sintund das lob der kalte wind |
5 | zerfueret und zerstroewetund man och nit me hoeretin dem wald der fogel geschrey,als sie dann hoeren tuot der mey,reit ich durch spatzieren uß |
10 | und kam so fer von minem hußund von der gegne do ich sas,das ich nit wúst wa ich was.dartzuo hett ich verlorn die wegund reit durch alle hurst und heg, |
15 | biß ich uff einen anger kam,da ich ein lant sträß vernam,der ich ward von hertzen frö. |
[121v] | ich gedacht: lieber gott, wooder uff welich hand wilt ryten? |
20 | zelest wolt ich nit lenger bittenund schlueg uff die lincken hand.des ich grosse unruow enpfand,wann ich reit irr den langen tag,untz das mich die finster nacht |
25 | begreiff, das mir min froed entran;wann ich da weder wib noch manfand der mir kúnd sagen merwär ich ryt ald wa ich wer.die strassen waren mir ferborgen. |
30 | Alsus und in den grossen sorgenfand ich vor einem grossen waldein schúr, was öd und dartzuo alt,und was da weder hoew noch strö.ydoch ward ich der herberg fröw, |
35 | do ich nit boesers mochte hän(wonn ich wölt ye nit durch den tän)und stuond ab dem pferdlin minund zoch es zuo der schúr hin in;da irt mich weder schlos noch rigel. |
40 | ich band min pferd und let mich nider |
[122r] | und schlieff als wer ich wol gelegen.so kompt ein grosser schlag regen,das ich darvon erwacht zuo hand.in dem gtusch kam dort her gerant |
45 | ein fryer geselle, und was och frödas er die schúr fand als eben do,und band das pferdlin neben das minund lett sich nider, das er nie innward das ich da by im was. |
50 | der gesel was von regen nasund múst doch nieman die pfulwen fer guotdie dotzuomäl mir och gaben muot.und kam mir indie sinne min:ich solt schwigen, das er nit min |
55 | inen wúrd, so vernem ich schier,wannen er wer oder was er hierso nachtes affter wegen far.Also unlangen dar nach zwarward mir der aubentúr gelingen. |
60 | der gesell hueb an zuo singenund macht im selb ein guoten muot,als mir och etwan wesen tuot.das hat dann sicher bald ein ende.unlang dar nach wand er sin hende |
[122v] | und sprach fillut: «ach starcker gott,wie kumt es das din fröwe hatirn zwifelichen argwangeleit an iren dienstmanund spricht also: ich sy nit stet, |
70 | und sie fúr wär doch nie hetkein untrúw an dir enpfunden,und hat doch uff gebundenin zorn gen mir ovn alle schulde?ach richer Crist, was ich duld |
75 | durch die mich hat so gebundenund mir min hertz tuot ferwúndenmit gewalt zuo aller stuond!ach Venus kúngin, tuo ir kuntdie warheit von der trúwe min |
80 | und bitt sie das sie laß sinirn zwifel, der doch min unschuld sye,so wird ich aller sorgen fry,und hettend bed ovn alles leidhundert tusent feltig froed |
85 | und wúrd geringert min groeste not.ich wolt doch lieber, mich hett der tödinder wiegen gefueret hinwann das ich solt dem froewlin fin |
[123r] | untrúw tuon, die doch allein |
90 | mit nieman anders hat gemeinund sich mir ein ergeben hät.ach liebste fröw, da von nit latund glob nit falschen klaffen,laß die hund das ir schaffen. |
95 | warumb sölt ich dir untrúw sin?din edel hertz ist doch min,und was du mir mit eren machtgetuon, es sy tag oder nacht,des bin ich als von dir gewert. |
100 | ach liebste fröw, biß nit so hertmir, und glob och nit da bydas ich so unverstanden sydas ich nit kenn die wird din,und och da by wer ich múg sin. |
105 | das ich bin heimlich worden dir,das soltú nit verwissen mir.ferwiß mim hertzen, des ist die schuld.das hat, weiß got, fil jamers dultdurch dich mit súfftzen menig stuond, |
110 | das werd dinem hertzen küntmin not, und tuo begnaden michmit eren, nit anders beger ich; |
[123v] | und sich nit an von dinen gnadendas mit unwird ist úber laden |
115 | alles das da heisset ich.wann ich allein woelt haben dich,und du, zart frow, min trúw wilt hän,so laß och allen zwiffel stön,und laß min trúw in armuot |
120 | fröwen dich als ob ich guothett als fil als tusent wagendir ze huß moechtent tragen.wann sich min hertz hat geselletzuo dir und im usserwellet. |
125 | ach lieb, so laß mich fröwen dichals ob ich wer ein kúng rich,und glob nit des claffers list,wann ich hút und zuo aller fristdin aigen bin und niemands da mit. |
130 | ach liebste fröw, so ich ein zytmuos von dinen gnaden sin,so glob das es der wile minnit sy und ichs im besten tuo,wann ich die claffer spät und frü |
135 | entzsitzen muoß sicherlich.ach Venus, edle kúngin rich, |
[124r] | ich bitt din gnad, du woellest sinein bott zuo der vil liebsten minund woellest ir sagen minen muot. |
140 | wann so ich zuo der reinen guotetwan küm, so sie úber michertzúrnert ist, so erschrick ichund weis nit was ich fahen an.so ich dan wen, ich sols umb fan, |
145 | so sitzt sie da und ist so hartdas ir edel múndlin zartein wort nit gesprechen mag.so sprich ich: liebstes ein, nuon sag:wie kanstuo dich also gehaben? |
150 | bin ich gen dinen gnaden fertragen?das tuo mir kunt, min aigen hertz!so spricht sie: ja, din schimpff und schertzund die wissen die du hastsind minß hertzen úberlast. |
155 | dartzuo muoß ich dir och sagen,ich tuon durch dinen willen wagenfrúnd, mag, lib und er.ach, und weist das ich untz hernie kein úbels hän getön. |
[124v] | ich fúrcht och kein lebenden man,der mit warheit múg schaden mir,als größ ald clein als umb ein bir.wil dir das nit zuo hertzen gen,so ist mir leid das ich ie kam. |
165 | do ich dich von erst erkant,ach, du huobt doch uff din handund schwúrt mir ein so herten eitund by der rechten warheit,du woltest sin alleinúg min |
170 | und lassen alle fröwen sinuntz an mich. das tuostuo nicht,wann man úber lut spricht,du habest me ze lieb wann mich.da soltu wissen sicherlich |
175 | das man es fúr war tuot sagen.ich wil dirs númer stünd fertragen,wann du mich hast gepfendetund din trúw geschendet.das tuot dir sicher númer guot. |
180 | so sprich ich: edle fröw fruot,tugentrich und hoch geborn,du solt lassen dinen zorn, |
[125r] | und sprich das es nit ensy.so spricht sie zuo mir: des geschwig, |
185 | du macht sin nit zuo unschuld komen.du hast dich untrúw an genomen,des kumstú gen mir númer ze buoß.so fal ich miner fröwen ze fuoßund bitt sie gnäd mir armen män, |
190 | das sie es da fúr wölle händas ich daran unschuldig sye,ach, und wird númer sorgen fryuntz mich min fröw tuot begnäden.so mag man ir aber bicht sagen |
195 | als clein als umb ein här,so ist sie aber ertzúrnet gärund das sie zornlich gen mir tuot.herumb, Fenus, kúngin guot,sid ich din diener worden bin |
200 | und ich hertz, muot und all min sinin din gnäd gesetzt hab,so hilff mir dises kumers abund sag miner liebsten fröwen,die min hertz hät ferhöwen, |
205 | das sie laß irn argwän sin! |
[125v] | das wil ich umb die gnäden dinimer me beschuldenund von dinen huldennúmer me gescheiden mich. |
210 | lib, sel, er und was ichhab, das ist dir undertän.in dinem gewalt muoß ich stön,Venus, die wil ich hän das leben,und wider din gnad númer streben |
215 | dann alltzyt leben indim gebott.ach edle kúngin, nuon tuos durch gottund sag der liebsten fröwen mindas sie irn argwän laß sinund mir wol getrüwen wel. |
220 | so ist min gröstes ungefelferschwunden, und bin ein selig man,wann ich sus nit ertrachten kandas ich múg haben werde froed.darumb hilff mir uß disem leid, |
225 | so ist min truren gar da hin.min froed muoß tusent feltig sinwann min fröw getrúwet mir.wann ich es nit tar sagen ir, |
[126r] | sie tet es och geloben nit |
230 | von mir, und schwúr ich tusent eide.nün wil ich dar von lassen nit,ich wil hút und zuo aller zytan miner fröwen stet belibenund min gedencken fertriben |
235 | min zitt und lassen fröwen michdas schoenste wib das ichye sach by allen minen tagen.tar sie durch minen willen tragenund fründ und mag ferschetzen, |
240 | sölt ich sie des nit ergetzenund bliben stet an ir begird?ja ich zwar, ir wiplich wirdhat mich gefangen und gebundenund schnint mim hertzen tieff wunden, |
245 | so ich irn anblick miden muoß.ach Venus, kúngin, nuon tuo mir buoßdes kumers so ich durch zwifel trag,ald ich furcht, min hertz vertzag,und tuo diß kunt der fröwen min, |
250 | ich wölle ir úmer trúwe sin!hab ich nit guot zegeben ir, |
[126v] | so wil ich ir trúw sin als sie mir.nit me sie begeren tuot.hie mit so nim ein guoten muot |
255 | und rieff ser fröw Venus an,wann sie mit recht dich nit kan lön,das sie tuo diner fröwen schindas sie irn argwän laß sin.»Als der gesell sin red volbracht, |
260 | da was vergangen wol die nachtund was das weter worden stil.der gesel sprang uff und sprach: «ich wilriten, es mag zyt sin.»zuo sinem pferd gieng er hin |
265 | und saß dar uff und reit hin dändurch den grossen, finstern tän.da mit so kam des tages glast.ich dacht: ach gott, wer mag der gastsin der by dir hie zuo herberg was? |
270 | uff min pferd ich ring sasund reit im nach hin in den tän,ob ich erkennen möcht den man,und wölt den tag sin geselle sinund im sagen das ich by im |
[127r] | und in der schúr in tet ferspehen.ich begund ser umb mich sehen,zelest ferlor ich schlag und fart.hie mit so ward min ylen gespartund gedacht an den gesellen fruot |
280 | und an die fröwen hoch gemuot,der er die nacht gewachet hät.in dem fand ich ein pfadzwischem holtz und einem hag,der truog mich hem, und was och tag. |
285 | und wúnsch dem gesellen gluck und heil,und siner fröwen den besten teil!Amen. |