Clara Hätzlerin
um 1430 - 1476/77
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Das Liederbuch
Bl. 264v-265v (I, 15)
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Ain tagweis
Gůt wachter, ich bin chomenVf dein genade her,Das du mir tüest deiner hilffe scheinMit deiner weisen ler. – | |
5 | Das hab ich wol vernomen,Was ler sol ich dir geben? –Du solt gar frölich singen,Vnd halt dein frölich leben.Nun schweig ich geren stille, |
10 | Mein fraw die ist mir lieb,So sorg ich nur, die lüteSy beschreyen mich für ain dieb.Des schambt ich mich gar sere,Ich bins ain knäblin Jung.
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15 | Nun her an die zynnenVnd clopff mit aine reys,Ob du sy mügest erwecken,Sy schlavffet also leys –Gůt wachter mit heller stymme, |
20 | Got müsz dein ymmer pflegen,Das du mich nit vermeldest,Es gilt vnser baider leben. –Das halt vf mein trïueWol one sorgn. |
25 | Wann ich nun sich des tages scheinHer gen dem liechten morgen,So will ich dich uff weckenMit ainem tage lied.
Der knab begund zertretten |
30 | Vnder ninen rosengartn,Da er der liebsten frawenWol in der hůt solt warten.Da hett die fraw verslauffn,Das er von dannen schied; |
35 | Er liesz den Wächter singenAin frölich tage lied.Das acht die fraw gar claine,Er hůb selbs an vnd sang,Das es der liebsten frawen sein |
40 | Wol durch ir hertz ein drang.Da erwacht die frawe,Der stymm was sy gar fro.
Sy begund dem Wächter rüffen;Gůt wachter, nun tritt her, |
45 | Nun sag dem knaben Junge,Das er widerker,Vnd das das in der stille.Gib deiner weiszhait Im ler.Des will ich dir wol lonen, |
50 | Das du wachst nymmermer.Vnd haisz die hund ein schliessen,Das sy nicht pellen,Wann In hielten die lüteVnd sprächen, er wölt stelen, |
55 | So kam es an den tage,Was er ze schaffen het.
Der wachter begund Im rüffenVnd halff Im triulich ein,Das er seiner liebsten frawn |
60 | Kam an ir ärmlein.Bis got will komm, mein geselle,Trautt hertzenlieb das mein,Ich hab dein lang gewartet,Wir wollen frölich sein. |
65 | Nun danck dir got, mein frawe,Meins hertzn gepietterein,Mich hat so ser belangetNach deiner edeln mynn.Des solt du mich ergetzn, |
70 | Ich bins dein vndertavn.
Da lagens by ainander,Es dauchts ain claine weil,Mit weissen armen vmbfangenDie nacht des merern tail. |
75 | Sy pflagen der edeln mynneLieplich nach allem lust,Mit weissen armen vmbfangenTruckt sy In an ir prust.Es nachent gen dem morgen; |
80 | Got hatz beschaffn.Nun weck mich, fraw, zu rechter zeittVnd lasz mich nit verschlauffen;Ich můsz mich von dir schaiden,Der tag chommt vns ze schwär.
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85 | Der wachter begund ze singenVon edler mynn so wol:Das tůn ich ze dienst dem gaste,Der sich nun schaiden sol.Das erhort die frawe. |
90 | Gar lieplich sy da sprach:Nun rů mein trautt geselle,Wann es ist noch nit tag.Nun růet ich also gerne.Mich zwinget iammers pein, |
95 | Nun will ich alle die preissn,Die lieb ainander sein.Der tag hat mich verdrungenVon der liebsten frawen mein. |