BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clara Hätzlerin

um 1430 - 1476/77

 

 

Das Liederbuch

 

Bl. 255v-256r (I, 9)

 

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Tagweis

 

Es warb ain ritter frädenreich

Vmb ain zart frawen, was mynnecleich.

Des nam der wachter eben war

Vnd der Ins baidn mite gan,

5

Des liechten tags nem wir war.

 

Ach h're, liebster h're mein,

Ia du solt schlavffn, ich will wachen sein,

Die rechten zeit ich dir wol sag,

Es nachent gen dem tag.

 

10

Die fraw solt wachen vnd sy entschlieff,

Bis ir der wachter dreystund rüfft:

Ist yemantz hie verholen gelegen,

Dem ratt ich, das er sich der frucht verwege.

Da taget es aber mer.

 

15

Der wachter der rüfft aber dan:

Er dunckt mich nit ain weiser man,

Dem got seiner fünff synn nicht engan,

Er will nit merkn, was ich Im sing,

Es nachent gen dem tage.

 

20

Die fraw uff sach vnd ser erschrack:

Ach das mir ye chain gůt geschach,

Da wär grosz laid verporgen bey!

Nun ker herwider, trautt geselle mein,

Dein schaiden pringt mir sicher pein.

 

25

Der wachter rüffet aber me:

Von hertzen liebe schaiden, das tůt we!

Doch pesser war ain zuuersicht,

Dann das es nymer mer geschicht.

Da taget es wunneclich.

 

30

Da gab sy Im den morgen segen:

Der reiche Crist von himel müsz dein pflegen!

Vnd hett ich yemantz lieber dann got.

Dem befulch ich dich, mein höchster hordt,

Seid es nit anders mag gesein.

 

35

Seid vns der tag nun schaiden wil,

Gewan mein hertz ye fräden vil.

Das můsz ich hartt erarnen.

O h're gott von himelreich,

Behütt mein lieb vnd darzů mich.