BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clara Hätzlerin

um 1430 - 1476/77

 

 

Das Liederbuch

 

Bl. 265v-266v (I, 16)

 

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Tagweis

 

Die nacht die will verpergen sich,

Chain trauren krenckt mein hertz, die weil ich sy an sich,

Die liebsten frawen gemaidt.

Ich hab durch irn willen

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Gelitten lieb vnd laidt,

Das macht ir stättikait.

 

Gut wachter, nun rüff nicht ze frů,

Bis ich mein hertz gen der aller liebsten frawen vff tů,

Vnd sy vernymmbt mein pein,

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Die ich von ir můsz tragen.

Verschweig des tages schein,

Die weil es mag gesein.

 

O schöne fraw, ob es sich füg,

Vnd ob dein hertz ain kummer auch mit mire trüg;

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Das war meines hertzen spil.

Man mag mir wol gelauben.

Ich tůn nur was sy wil,

Vnd nichtz ist mir ze vil.

 

Nun sey es got von himel clagt,

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Das mir die liebste frawe mir hat abgesagt;

Mein trost ist gansz dahin.

Viel lieber wolt ich sterbn.

Dann ich so ellend bin:

Sy tregt nit rechten syn.

 

25

Wurd mir von ir ain vmbefang,

Weret es ain Jar, es deücht mich nit ainer nachte lang,

Mein mund ir gůts vergicht.

Ich mag nit abgelassen,

Mein hertz nach ir zerpricht,

30

Wie mir darumb geschicht.

 

Das fräwlin zu dem knaben sprach:

Vnd ist es wavr, das dein hertz hat grosz vngemach

So gar nach meinem leib,

Den will ich mit dir tailen.

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Sprach da das raine weib,

Doch das verschwigen beleib.

 

Hab danck, du edle weibes güt,

Durch dise red so will ich tragen ain freys gemüt,

Vnd was dein hertz begert,

40

Des bis du edle frawe

Allzeit von mir gewert.

Mein hertz das was versert!

 

Das fräwlin sprach dem wachter zu:

Gůt wachter, wilt du dann den meinen willen tůn,

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Vnd ob ich läg ze lang,

Das vns der tag wölt schennden,

So weck vns mit gesang,

Das mein schimpff wol ergang.

 

Ach liebe fraw, schlaufft on sorg.

50

Ich hoff, das vns nit überdring der liechte morg,

Ich gewynn von Im gelaitt.

Da sprach die fraw mit züchten:

Des gib ich dir ain claidt;

Nun behütt vns got vor laidt!

 

55

Da lagen sy die langen nacht,

Bis das der wachter die stern an dem himel sach,

Wann er hůb vff vnd sang: Wer nun by liebe schlauffet,

Der savm sich nit ze lang,

Der tag ist in dem lannd!

 

60

Gesegen dich got, mein schönes lieb.

Ich far dahin vnd můsz dich laider lassen hie.

Sy gabn ainander die hennd,

Er mocht nit mer beleibn,

Der tag schyn durch die wennd.

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Des můst er weichen behennd.