BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Wolfram von Eschenbach

1170/75 - nach 1220

 

Titurel

 

Fragment I

 

__________________________________________________________________________________

 

 

132

Sus lâgen si unlange:     do gehôrten sie schiere,

in heller süezer stimme     ûf rôtvarwer vert nâch wundem tiere

ein bracke kom hôchlûtes zuo zin jagende.

der wart ein wîle gehalden ûf:     des bin ich durh friunde noch die klagende.

 

133

Dô si den walt alsus     mit krache hôrten erhellen,

Schîonatulander     ûz kintlîchem leben für die snellen

was bekant; wan Trefrezent der reine

der lief und spranc allen den     vor, die des phlâgn ûf rîters gebeine.

 

134

Nu dâhter «obe den hunt     iemen mac erloufen,

rîterlîchiu bein die trage.»     er wil . . . fröude verkoufen

unde ein stætez trûren dran enphâhen.

ûf spranc er gein der stimme,     als er wolte den bracken ergâhen.

 

135

Sît in den wîten walt     niht mohte gekêren

daz flühtege wilt, wan her     für den talfîn, daz wil sîn arbeit gemêren:

künftec trûren brâhtez im ze teile.

nu dacter sich in einer dicken     strut: sus kom jagende an dem seile

 

136

Des fürsten bracke, dem     er enphuor ûz der hende

nider ûf diu strâlsnitec mâl.     daz si nimmer hunt mêre gesende,

diu in dâ dem grôz gemuoten sande,

von dem er jagte unze ûf den [stolzen Grahardeiz],     daz dem vil hôher fröuden sît erwande.

 

137

Dô er dur die dicke     alsus brach ûf der verte,

sîn halse was arâbensch     ein borte geslagen mit der drîhen [vil] herte,

dar ûfe kôs man tiure und lieht gesteine:

die glesten [durh den walt] sam diu sunne.     aldâ vienc er den bracken niht eine.

 

138

Waz er mit dem bracken     begreif, lât ez iu nennen.

gefurrierten kumber mit arbeit     er muose unverzagetlîche erkennen,

und immer mêr grôz kriegen et nâch strîte.

daz bracken seil was rehte im     ein urhap fröuden flustbærer zîte.

 

139

Er truoc den hunt ame arme     Sigûnen der clâren.

daz seil was wol zwelf klâfter lanc,     die von vier varwe bortesîden wâren,

gel, grüene, rôt, brûn diu vierde,

immer swâ diu spanne erwant     an ein ander geworht mit gezierde.

 

140

Dar über lâgen ringe     mit berlen verblenket;

immer zwischenn ringen     wol spanne lanc, niht mit stein verkrenket,

vier blat, viervar wol vingers breit die mâze.

gevâhe ich immer hunt an sölch     seil, ez blîbt bî mir, swenn ih in lâze.

 

141

Sô manz von ein ander     vielt, zwischenn ringen

ûze und innen kôs man dran     schrift wol mit kosteclîchen dingen.

aventiure hœrt, obe ir gebietet.

mit guldîn nagelen wâren     die steine vaste an die strange genietet.

 

142

Smârâde wârn die buochstabe,     mit rubîn verbundet:

adamant, krisolte,     grânât dâ stuonden. nie seil baz gehundet

wart, ouch was der hunt vil wol geseilet:

ir muget wol râten, welhez ich     dâ næme, op wære der hunt dergegene geteilet.

 

143

Uf einem samît grüene     als in meigeschem walde

was diu halse ein borte     genæt, vil stein von arde manecvalde

drûf geslagen: die schrift ein frouwe lêrte.

Gardevîaz hiez der hunt:     daz kiut tiuschen Hüete der verte.

 

144

Diu hezogîn Sigûne     las anvanc der mære.

«swie ditze sî ein bracken name,     daz wort is den werden gebære.

man und wîp, die hüeten verte schône,

die varent hie in der werlde gunst,     und wirt in dort sælde ze lône.»

 

145

Si las mêr an der halsen,     noch niht an dem seile.

«swer wol verte hüeten kan,     des prîs wirt getragen nimmer veile:

der wonet in lûterem herzen sô gestarket,

daz in nimmer ouge ersiht     ûf dem unstæten wenkenden market.»

 

146

Der bracke unde daz seil     einem fürsten durch minne

wart gesant: daz was von art     under krône ein jungiu küneginne.

Sigûn las an des seiles underscheide,

wer was diu künginne unde ouch der fürste:     diu stuonden bekantlîch dâ beide.

 

147

Si was von Kanadic erboren,     ir swester, Flôrîen,

diu Ilinôte dem Britûn     ir herze, [ir] gedanc und [ir] lîp gap ze âmîen,

gar swaz si hete, wan bî ligende minne:

si zôch [von kinde] unze an schiltlîch vart     und kôs in für alle gewinne.

 

148

Der holt ouch nâch ir minne     under helm sîn ende.

obe ich niht bræche mîne zuht,     ich solte noch fluochen der hende

diu die tjost ûf sînen tôt dar brâhte.

Flôrî starp ouch der selben tjost,     doch ir lîp nie speres orte genâhte.

 

149

Diu liez eine swester,     diu erbet ir krône.

Clauditte hiez diu selbe maget:     der gap kiusche unde ir güet ze lône

des vrömden lop und ouch der si bekande.

des wart ir prîs beruofen     in mangiu lant, daz den dâ niemen wande.

 

150

Diu herzoginne las     von der magt an dem seile.

die fürsten ûz ir rîche     eins hêrren an si gerten mit urteile.

sie sprach in einen hof ze Beuframunde.

dar kômen rîche und arme     [ungezalt]: man erteilte ir wale an der stunde.

 

151

Duc Ehkunahten     de Salvâsch flôrîen,

den truoc si in ir herzen     dâ vor, ouch kôs si in benamen ze âmîen.

des stuont sîn herze hôher danne ir krône:

Ehkunaht gerte [aller] fürsten zil:     wan er phlac sîner verte vil schône.

 

152

Si twanc sîn jugent unde ouch     daz reht von ir rîche:

sît daz ir wart erteilt diu wal,     nu welt ouch diu maget werdeclîche.

welt ir tiutsche ir friundes namen erkennen?

der herzoge Ehcunaver     von Bluome diu wilde, alsus hôrt ich in nennen.

 

153

Sît er von der wilde     hiez, gegen der wilde

si sante in disen wiltlîchen     brief, den bracken, der walt und gevilde

phlac der verte als er von arte solte.

ouch jach des seiles schrift daz sie     selb wîplîcher verte hüeten wolte.

 

154

Schîonatulander     mit einem vederangel

vienc äschen unde vörhen,     die wîl si las, und der fröude den mangel,

daz er sît wart vil selten der geile.

die herzogîn lôst ûf den stric,     durch die schrift ûz ze lesenne an dem seile.

 

155

Der was an die zeltstange     vaste gebunden.

mich müet ir ûf lœsen     daz si tet: hei wan wær sis erwunden!

Gardevîaz stracte sich mit strebenne,

ê diu herzoginne spræche nâch sîner spîse:     ir wille im was ze ezzen ze gebenne.

 

156

Zwuo juncfrouwen sprungen     her ûz für die snüere.

ich klage der herzoginne     blanc hende: op daz seil die zerfüere,

waz mag ich des? ez was von steinen herte.

Gardevîaz zucte     und spranc durch gâhen nâch huntwildes verte.

 

157

Er was ouch Ehcunahte     des tages alsô entrunnen.

si rief die juncfrouwen ane:     die heten des bracken spîse gewunnen,

si gâhten wider in daz gezelt vil balde.

nu was er ûz gesloffen     durh die winden; man hôrt in dô schiere im walde.

 

158

Er brach halt der winden     ein teil ûz der phæle.

do er wider kom ûf die niuwe     rôten vart, des nam in niht hæle,

vil offenlîche er jagte und niht verholne.

dâ von geschach des werden     Gurzgrîen sun vil nœte sît ze dolne.

 

159

Schîonatulander     die grôzen und die kleinen

vische mit dem angel vienc,     dâ er stuont ûf blôzen blanken beinen

durh die küele in lûtersnellem bache.

nu erhôrt er Gardevîazes     stimme: diu erhal im ze ungemache.

 

160

Er warf den angel ûz der hant,     mit snelheit er gâhte.

über ronen und ouch durch brâmen;     dâ mit er doch dem bracken niene genâhte:

den het im ungeverte alsô gevirret,

daz er ninder spürte wilt noch hunt,     und wart ouch von dem winde der hôre verirret.

 

161

Im wurden diu blôzen bein     zerkratzet von den brâmen:

die sînen blanken füeze an dem loufe     ouch von stiften ein teil wunden nâmen.

man kôs in baz, dann ê daz [erschozen] tier, wunde:

er hiez si twahen, ê er kom     underz zelt. sus vant er Sigûn dort unde,

 

162

Innerhalp ir hende     als si wærn berîfet

grâ, als eins tjostiures hant,     dem der schaft von der gegenhurte slîfet,

der ziuschet über blôzez vel gerüeret.

rehte alsô was daz seil     durch der herzoginne hant gefüeret.

 

163

Si kôs im vil wunden     an beinen unde an füezen:

si klagt in, er klaget ouch sie.     nu wil sich diz mære geunsüezen,

dô diu herzogîn begunde sprechen

hinze im nâch der schrifte     am seil: diu flust muoz nu vil sper zerbrechen.

 

164

Er sprach «ich vriesch ie wênec     der seile überschribene.

brievebuoch en franzoys     ich weiz wol: solch kunst ist mir niht diu blibene:

dâ læse ich an swaz dâ geschriben wære.

Sigûne, süeziu maget, lâ dir     [sin] die schrift an dem seile gar unmære.»

 

165

Si sprach «dâ stuont âventiur     geschriben an der strangen:

sol ich die niht zende ûz lesen,     mir ist unmær mîn lant ze Katelangen.

swaz mir iemen rîcheit möhte gebieten,

und obe ich wirdec wær ze nemen,     dâ für wolt ich mich der schrifte nieten.

 

166

Daz spriche ich, werder friunt, dir     noch niemen ze vâre.

ob wir beidiu junc solten leben     zuo der zît unser künftigen jâre,

sô daz dîn dienst doch gerte mîner minne,

du muost mir daz seil ê erwerben,     dâ Gardevîaz ane gebunden stuont hinne.»

 

167

Er sprach «sô wil ich gerne     umb daz seil alsô werben.

sol man daz mit strîte erholen,     dâ muoz ich an lîbe an prîse verderben,

oder ich bringe ez wider dir ze handen.

wis genædec, süeziu maget, [unde] halt     niht mîn herze sô lange in dînen banden.»

 

168

«Genâde und al daz immer     maget sol verenden

gein [ir] werdem clâren friunde, daz     leist ich, und mac mich des nie man erwenden,

op dîn wille krieget nâch der strangen,

die der bracke zôch ûf der verte, den du mir bræhte gevangen.»

 

169

«Dar nâch sol mîn dienst imêr     stæteclîchen ringen.

du biutest rîchen solt: wie lebe     ich die zît, daz ez mîn hant müeze bringen

dar zuo daz ich die hulde dîn behalte?

daz wirt versuochet nâhen     und verre: [gelücke und] dîn minne mîn walte,»

 

170

Sus heten si mit worten     ein ander ergetzet,

und ouch mit guotem willen.     anevanc vil kumbers, wie wart der geletzet!

daz freischet wol der tumbe und ouch der grîse,

von dem unverzageten sicherboten,     obe der swebe od sinke an dem prîse.