BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johans, der Jansen Enikel

um 1230/40 - nach 1300

 

Weltchronik

 

Geschichte Mesopotamiens,

Daniel und Susanna

Verse 16933 - 18922

 

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[A. 11-13. 16.]

Ditz ist daz vierd alter:

von Davides zîten biz her nâch ebraischem reht

vier hundert jâr und vier und sibenzic jâr.

 

[9.]

Hye hebt sich an das vierd alter.

das hat gehabt vom David hinczt uenczt

transmigrationem Babilonis nach der juden sag

vier hundert und fünf und sibenczk jar,

aber nach zwaier und sibenczk maister sag

so ist gewesen vier hundert und siben und achczk jar.

 

Nû sag ich iu von einem man,

der nâch Troyen rîchsen began

16935

in Babiloni, daz ist wâr.

er was ouch ein herr gar

über Babiloni di grôzen stat.

er hêt ouch sie gestiftet drât

und gie gekrœnet dar inne;

16940

sîn witz und sîn sinne

rieten im vil schône,

daz er dâ truoc die krône.

Nabuchodonosor sîn nam hiez,

an gewalt er nieman für sich liez.

16945

er was ein gewaltic man,

als ich von im gehœret hân.

er hêt starken, rîchen solt,

beidiu silber unde golt

hêt er gemeine.

16950

von edelm gesteine

hêt er vil guot trinkvaz rîch.

er reit vil gewalticlîch

und betwanc under sich diu lant,

der herr mit ellenthafter hant.

16955

eines nahtes dô der herr slief,

ein troum im in sîn herz lief,

wie er sæch ein bild stân;

daz bild kom für in gegân.

in dûht mit grôzer swære,

16960

wie des bildes houbt wære

gar klâr als ez solde:

von lûterm golde

was daz houbt mit grôzem schîn.

in dûht, wie arm und bûch sîn

16965

wær lûter silber gar.

des nam er in dem troum war.

von der gürtel ûf diu knie

was ez, dô ez für in gie,

zwâr allez êrîn;

16970

ir sült des gewis sîn,

von dem knie hin ze tal

was ez îsnîn über al.

alsô was ez gemachet.

sîn lîp vor forhten krachet,

16975

daz er ez in dem troum sach.

sîn herz alsô gên im jach:

«herr, waz ist ditz dinc?

ez ist ein eislîch jungelinc.»

 

Dô der troum ein ende nam –

16980

wie sêr der künic dô erkam! –

und er dâ von entwachte,

sîn lîp vor angst krachte.

dâ von sô sant er drâte

nâch sînem næhsten râte,

16985

nâch frumen und nâch bœsen.

den troum bat er im zerlœsen,

disen engstlîchen troum.

di wîsen nâmen all goum

wie si den troum erlœsten gar.

16990

ir dheiner was sô wîser zwâr,

der in kund zerlœsen;

di biderben noch di bœsen

kunden der wârheit niht gesagen,

dâ von si muosten still dagen,

16995

swie witzic si dô wâren.

die wol bî sehzic jâren

wârn, di muosten komen dar,

etlîcher hêt wol hundert jâr, –

wan ir was vil komen an di tür.

17000

den troum leit er in allen für.

da was under in nie dhein man,

der sich torst genemen an,

der disen troum tiutet ze reht.

weder herr noch der kneht

17005

mahten sich daz genemen an,

wie der troum solt ergân,

wan der künic hêt zwâr

des troumes vergezzen gar,

des moht er niht bediuten

17010

den troum sînen liuten.

er wart zorn und missevar.

er sprach ûz grôzem zorn gar

zuo sînem hofgesinde:

«bindet mir die alten swinde

17015

und slacht in diu houbt ab!»

dô kom ritter unde knab

unde viengen di alten zehant;

vil eislîch man si bant

und enthoubt si all an der stat,

17020

des wolt der künic niht haben rât.

 

Dar nâch hiez er gâhen

die alten alle vâhen

unde leit in für den troum.

dheiner maht des nemen goum,

17025

daz er maht bescheiden

den troum dem gewaltigen heiden.

si jâhen alle gelîche,

arm unde rîche:

«herr, gip uns lôn,

17030

sagt uns iuwern troum schôn,

sô müg wir iu bediuten wol

den troum, als er ergên sol,

des well wir uns vermezzen.»

er sprach: «ich hân vergezzen

17035

des troumes sicherlîche.»

er sprach: «ich mach in rîche

der mir den troum erlegen sol

den mach ich aller freuden vol,

wan ich gib im guotes alsô vil,

17040

daz er freude unde spil

gewinnet an der selben zeît,

der mir den troum erleit.»

dô sprach ein alter heiden:

«wer mac dir in bescheiden?

17045

ich wæn, daz nieman lebentic sî

oder wandels sô frî,

der dir in erlegen kunne,

dû wellest im dann gunnen,

daz er den troum hœr von dir.»

17050

der künic sprach: «wær mîn vier,

ich kund in niht gemezzen,

wan ich hân sîn vergezzen.»

der alt heiden aber sprach:

«herr, swelhen ungemach

17055

wir süln von dînen handen doln,

des mügen wir uns niht verholn,

wan in der werlt wart nie dhein man,

der sich des möht genemen an.

 

Ein jud ouch gesezzen was,

17060

als ich an dem buoch las,

der was geheizen Daniel,

der was zuo guoten dingen snel.

der wart dâ gevangen schier,

mit im drî juden und niht vier;

17065

der ein jud hiez Sydrach,

Abdenago und Mysach.

dô diu selben judenkint

erhôrten, daz der heiden blint

si wolt gemein tœten

17070

mit angsten und mit nœten,

si bâten an der selben stat

den der si gevangen hât,

daz er in seit die mære,

umb wiu ir vancnüs wære.

17075

dô seit er in die wârheit,

als im der künic hêt geseit.

di mær er kund wol verstân.

er sprach: «in zühten lât mich gân

für den künic Nabuchodonosôr.

17080

swie gar ich sî ein kint, ein tôr,

ich wil im sagen wie er ergêt,

wie er im engegen stêt.»

zehant Daniel was niht swær.

in wîset der schaffær

17085

für den künic dâ er saz;

Daniel sîner züht niht vergaz.

der schaffer sprach: «herr mîn,

mac ez in dînen hulden sîn,

sô hœr disen guoten kneht,

17090

der wil dir bediuten reht

den troum ân alle missetât.»

Daniel sprach: «ich hân sîn rât,

alsô ob ich, künic, schier

hân drî tag oder vier.»

17095

der künic sprach: «di wil ich dir lân;

dû solt bald von mir gân.

tuost dû ez niht in disen tagen,

ich heiz dîn houbt von dir slahen.»

 

Dâ mit er von dem künig gie.

17100

dhein wîl er dô niht lie,

er bat got den rîchen

vil andæhticlîchen.

er sprach: «vil reiner, süezer got,

lâ dînen willen, dîn gebot

17105

erschînen an mir armen man

und lâz dîn genâd für sich gân.

erzeig dem heiden dînen gewalt,

der dâ ist grôz und manicvalt.

erzeig dîn tugent gemeine,

17110

alsô daz dû aleine

gewalt hâst êwiclîche

über himel und ertrîche.

wider dînen gewalt nieman mac,

dîn gewalt wert naht und tac.»

17115

dar nâch er alsô trahte,

got im daz bild machte,

daz Nabuchodonosor sach stân

und in dem troum für in gân;

daz stuont vor im bescheidenlîch,

17120

als ez sach der künic rîch.

dar nâch ez begunde tagen,

dem schaffær er wolt sagen –

er sprach: «füer mich sicherlîch

hin für den künic rîch.

17125

brinc mich zuo im drâte

hin für sîn kemnâte.

ich wil im schôn ân allen list

den troum der im getroumt ist

erloesen sicherlîche,

17130

dem edeln künig rîche.»

 

Zehant man in dô für in brâht.

der künic sprach: «wes hêst dû gedâht?»

er sprach: «ich wil dir drâte

von diser kemnâte

17135

erlœsen disen starken troum,

dâ von dû treist den swæren soum.

wil dû, herr, daz tuon ich.»

der künic sprach: «Daniel, nû sprich!»

er sprach: «dû sæhe vor dir stân

17140

einen wunderlîchen man.

daz houbt was im guldîn,

arm und bûch silbrîn,

von dem diech zem knie êrîn,

von dem knie ze tal îsnîn:

17145

er was geworht von sölhem werc;

ûf dem ruck lac im ein berc.»

der künic sprach: «die wârheit

hâst dû mir vil reht geseit.

nû sag mir, jud junge,

17150

des troumes meinunge.»

«daz wil ich dir sagen,

der wârheit niht verdagen:

daz houbt allez guldîn,

daz sît ir selb, herr mîn,

17155

und habt di werlt under iuch gezogen;

dâ von sît ir unbetrogen.

nieman sô vil gewaltes hât,

iur gewalt verr über in gât.

sô ist der bûch, der arm wîz,

17160

geworht mit silber wol mit flîz:

daz ist ein bediutunge,

daz ein künic junge

wirt nâch dir herr gênant

und sô gewaltic niht bekant

17165

als dû bist, lieber herr mîn.

dû solt des vil gewis sîn,

daz von dem bûch unz an diu knie

niwer êrîn vor dir gie:

daz bediutt daz nâch im ein man

17170

dheinen gewalt haben kan

zwâr in disem lande;

er muoz hie sîn mit schande.

daz vierd ich iu bediuten muoz:

von dem knie unz an den fuoz

17175

was daz bild îsnîn gar.

di bediutung sag ich iu für wâr:

daz bediutt daz dann kumt ein man,

der grôzen gewalt haben kan

und daz im in der werlt wît

17180

nieman mac gewinnen nît;

im muoz gar sunder wân

diu werlt werden undertân.

so bediutt der berc den er truoc» –

diu bediutung wart starc genuoc –,

17185

«daz bediutet, daz [im] sunder wân

diu werlt muoz an im ein stân.

er twingt sie vil lîse

unz an daz paradîse;

daz ist der berc der ûf im lît,

17190

die wîl er lebt, ze aller zît;

er wirt im gar swær.

sîn nam heizt Alexander.»

 

Dô der künic vernam ze stet

die sag, die er hêt geret,

17195

dô sprach er: «Daniel, nû sprich,

sol ich mich des lâzen an dich,

daz nâch mir kom ein swær,

der künic Alexander,

und sol der gewaltes haben mêr

17200

wan ich künic hêr?

daz ist mir ân mâzen zorn.

wirt er von künigs art geborn?

daz solt dû, friunt, lân wizzen mich;

sî im alsô, Daniel, sô sprich.»

17205

Daniel sprach: «waz sol ich mêr

sagen? er wirt ein künic hêr

und wirt gewaltic sicherlîch

zwâr über alliu künicrîch.

als ich iu nû gesaget hân,

17210

reht alsô muoz ez ergân.»

 

Dô wart trûric des küniges muot.

«ich muoz ein abgot alsô guot

mit guot, mit liuten êren

daz ez müg gar verkêren

17215

des selben küniges gewalt.

ich wil gezier manicvalt

an ez legen ze aller zît.

ein siul lanc unde wît

wil ich im heizen machen

17220

von seltsænen sachen.

diu sol von gold werden

von oben zuo der erden

fünfzic dûmellen hôch;

mîn muot, mîn herz dar nâch zôch,

17225

daz si werd ze der selben zît

sehs dûmellen wît.»

 

Zehant hiez der künic gâhen,

die stat der siulen vâhen,

unde hiez îlen drât.

17230

zwâr an der siulen stat

wart golt gefüeret und getragen.

vil mangem meister muost man sagen,

die alle goltsmid wâren.

bî den selben jâren

17235

wart diu siul schôn bereit,

vil schôn, als man uns hât geseit.

ez muost ouch dâ ein ieslîch man

an die selben stat gân

mit golde, als er maht gedingen,

17240

und muost daz dar bringen,

dâ man di siul bereiten wolt

an di stat dâ si stên solt.

 

Dô si schôn bereitet wart,

dem künig wart si zart.

17245

si wart fünfzic ellen hôch.

daz volc zuo der siulen zôch,

wan in der künic dô gebôt,

daz si von gold di siul rôt

an betten ze aller zît.

17250

des wart under in ein strît

von grôzem gedrange.

swer dô niht mit gesange

die siul wolt êren,

des leit muost sich dâ mêren:

17255

swer der siulen niht êren tet,

den hiez man tœten ze stet.

er hiez manic spil bringen dar,

orgel, rotten, daz ist wâr,

herpfen unde gîgen vil,

17260

vetach, manger hand spil.

er hiez dô slahen sumber.

was ieman dâ sô tumber,

der zuo der siulen niht enkam,

als er diu seitenspil vernam,

17265

den hiez er tœten zehant.

er jach: «ir sült den heilant

an biten» – der dâ stuont von golt –

«und an rüefen» – als er solt –.

swer in swacher wæt

17270

kom und hêt sich niht genæt

an sînem brîs den ermel zuo,

des spottet man spât und fruo.

man hiez in ûf einer rinderhût

werfen ûf, daz er schrê lût.

 

17275

Dô daz volc daz vernam,

ein michel her ir dar quam

und betten an die siul rîch,

diu dâ stuont sô wunniclîch.

swer des niht tet, den macht er blint.

17280

dâ wârn ouch driu judenkint;

daz ein kint hiez Sydrach,

diu zwei Abdenago und Mysach,

diu wolden zuo der siul niht gân,

wan in der werde, frum man

17285

hêt verboten her Daniel,

daz si zuo der siul iht wæren snel.

er sprach, ez wær ein abgot

unde zwâr des tiufels spot.

dô des der künic wart gewar,

17290

dô sant er bald nâch in dar.

er wolt niht lenger beiten,

einen ofen hiez er eiten

und hiez des bald gâhen,

diu kindel alliu [driu] vâhen,

17295

und hiez si werfen dar in,

daz dûht in ein guot sin.

der ofen was heiz genuoc,

diu flamme verr dar ûz sluoc;

vor hitz was er in der gebær,

17300

sam er guldîn wær.

vil jæmerlîch diu kint sâhen,

dô si der ofen muost enpfâhen.

swie heiz er innen wære,

doch heten diu kint niht swære

17305

in dem grimmigen fiur.

der guot unde der gehiur

sant einen engel mit in dar,

der fuor in der kinde schar

und liez in dâ gewerren niht,

17310

wan got hêt mit in dâ pfliht.

 

Diu flamm hêt einen sweif.

swen si vor dem ofen begreif

under den heidenischen man,

der muost sîn leben dô lân,

17315

wan ir kraft was dâ sô starc –

und hiet ein man tûsent marc

gehabt, er hiet si ân wân

gegeben, daz er wær von dan.

diu flamm sluoc über den ofen zwâr

17320

vierzehen dûmellen gar

und dar zuo niun ân allen wân,

also vant ich ez geschriben stân.

da von wurden all die verbrant,

di diu flamm vor dem ofen vant.

17325

den kindelîn geschach niht leit,

als uns diu geschrift von in seit.

si sâzen dar in lîse

als in dem paradîse.

da von sungen si ze lône

17330

dem obristen trône

und got, der si beschaffen het,

in dem ofen an der stet:

«heilic und heilic bist dû wol,

aller genâden bist dû vol.

17335

dâ von muost dû gelobt sîn

in dem himelrîch dîn

unde ûf dem ertrîch.

dîner genâden ist niht gelîch.

dîn engel lobent dich stæte

17340

in ir wîzen wæte

und dîn heiligen wærlîch

lobent dich immer êwiclîch.

dîn güet ist himel und erd bekant,

und swaz dar inne ist genant,

17345

daz lobt dich êwiclîch

in himel und ûf ertrîch.»

 

Dar nach sprach Nabuchodonosor,

dô er sach der flammen tor

und den umbesweif genant –

17350

zwên boten er dô sant.

er sprach: «besehet, friunt mîn,

ob diu kint noch lebentic sîn,

ob si den tôt haben genomen!»

under des wârn drî heiden komen,

17355

die sprâchen: «wir haben genomen war,

den kinden wirt niht umb ein hâr.

si sint gesunt unde ganz,

in dem ofen habent si einen tanz,

wan in ist niht wan freude bî.

17360

ich enweiz, wer der vierd sî:

den sach ich bî in sitzen schôn

in dem ofen ûf einem trôn.

si sungen alle gelîche

ein lop wunniclîche.»

17365

dô im daz mær wart bekant,

wie schier er für den ofen rant

und sach selp die wârheit!

er sprach: «mir ist von herzen leit,

daz ez mir ist alsô ergân,

17370

ich hân unbild an in getân.»

zehant dô hiez er springen,

im Danielen bringen.

dô er Danieln dô an sach,

mit zühten er wider in sprach:

17375

«Daniel, lieber friunt mîn,

sag mir, waz mac ditz sîn,

daz diu kint sint genesen?»

er sprach: «got ist bî in gewesen.

der hât si dar zuo geêret

17380

und in ir leben gemêret.»

der künic sprach: «sag mir mêr,

sô volg ich dîner lêr,

wer der vierd müg gesîn,

der dâ sitzt in des fiures schîn,

17385

da si iren sanc singent

und mit freuden springent?»

er sprach: «daz ist ein engel hêr,

der hüett der kinde sêr,

daz in iht leides werd bekant,

17390

daz hât geschaft der heilant.»

 

Der künic sprach an der stat:

«dîn got vil gewaltes hât

und ist daz wunder von im geschehen;

daz mac ich an dem ofen sehen.

17395

daz red ich gar ân allen spot,

er ist gewaltiger dann mîn abgot;

der möht ez nimmer hân getân.»

do sprach Daniel der frum man:

«dîn abgot hât niht sinne,

17400

dâ ist der tiufel inne.

wil dû mir, künic, erlouben,

ich wil dir ez berouben,

daz ez di siul rûmen muoz

und nimmer mêr sînen fuoz

17405

setz zuo der siul wider;

ez muoz zwâr vallen nider.»

der künic sprach an der stat:

«sît dîn got sô vil gewaltes hât,

sô wil ich die wârheit sehen,

17410

ob ich dir des müg verjehen,

ob dû die siul guldîn

brechest mit den kreften dîn.»

diu kinder hiez er ûf stên

und ûz dem ofen für in gên.

17415

dô giengen si an der stat

mit im gegen der siul drât,

dâ der tiufel inne was

und den liuten ûz der siul las

mit sînem mund vil frî

17420

die lûter ketzerî.

 

Do der künic zuo der siul quam,

di grôzen sumber er vernam

gellen berc unde tal,

wan von den sumbern was ein schal,

17425

daz man sölhes nie vernam.

ein michel her zuo der siul quam.

dô sprach der künic an der stat:

«hœrt mîn red, daz ist mîn rât.

Daniel der guot,

17430

der getriu, der wol gemuot,

der wil mit red, mit sprechen

mîn abgot mir zerbrechen,

daz ich mit kost gemachet hân;

ich wæn, des müg hie niht ergân

17435

und ist mir ân mâzen swær.»

si sprâchen, ez wær ein trugnær,

die heiden all gemeine

grôz unde kleine.

dâ mit der künic sant

17440

nâch Danieln zehant,

daz er zuo der siul quæm

und des küniges red vernæm.

zehant Daniel kom gegân

hin für die siul stân.

17445

der künic sprach: «Daniel, nû sprich,

wes hâst dû vermezzen dich?

daz lâ dâ daz volc vernemen,

daz mac dînen êrn wol zemen.»

zehant Daniel zuo dem künig sprach:

17450

«ich gich des ich ê jach:

die siul wil ich zerbrechen.

wil ieman dâ wider sprechen,

ez sî im liep oder leit,

ich lâz in sehen die wârheit.»

 

17455

Dô der künic daz vernam,

sîn zorn was freissam.

dem volk er allen gebôt,

daz ez kæm zuo der siul drât.

die pusûn bliez man zehant,

17460

di grôzen sumber die man vant,

die sluoc man dâ wider strît,

daz man ê noch sît

sölches schalles nie vernam.

daz volc alz zuo der siul quam:

17465

dô si erhôrten die sumber,

dô was nieman sô tumber,

weder arm noch rîche,

er kæm dar sicherlîche,

wan si vorhten des küniges zorn;

17470

der dar niht kom, der wart verlorn.

 

Dô des volkes vil und genuoc

ir muot zuo der siul truoc,

wan si des küniges zorn betwanc,

daz si kômen zuo der siulen lanc,

17475

der künic begund in verjehen,

war umb der schal was geschehen.

er sprach: «vernemt mîn wort gelîch,

beidiu arm unde rîch.

ez hât gemacht Daniel:

17480

er giht, sîn got sî alsô snel,

der müg getuon unde lân –

swann er well, sô müez zergân

diu werlt elliu gemeine,

des geloub ich im kleine.

17485

er giht, er hab grôzen gewalt,

sîn gewalt sî manicvalt,

und swaz wir haben abgot,

dar über gê sîn gebot,

so gewaltic sî der got sîn.

17490

er giht, er well daz abgot mîn

allez samt zerbrechen.

dâ wider wil ich sprechen,

mîn abgot müg niht zergân.

dar umb ich gesant hân

17495

nâch iu gemeiniclîch,

daz ir sehet sicherlîch,

ob er ditz abgot

zerbrech mit sînes gotes gebot,

wan sîn gewalt mac niht ergân:

17500

er muoz zwâr gelogen hân.

er giht, er well erzeigen hie,

nû wil ich gern sehen wie

er unserm abgot an gesig.

er giht, daz ich siglôs gelig

17505

von sînes gotes kraft;

nû wil ich sehen sîn meisterschaft.»

 

Zehant Daniel sprach:

«sîn kraft ist starc;» er jach:

«der dâ himel und erden

17510

von nihtiu liez werden,

dem selben got getrou ich wol,

daz er mich niht verlâzen sol.

welt ir ez lâzen âne zorn,

iur abgot muoz sîn verlorn,

17515

wan ich wil ez zerbrechen

und welt ir ez niht rechen.»

zehant der künic aber sprach,

dem wîssagen er verjach:

«ich wil ez lâzen âne zorn

17520

und ist dîn got sô wol geborn,

daz er mîn abgot brechen sol,

daz wil ich von im hân für vol,

wan ez nimmer mac geschehen;

dâ von muoz ich sîn kraft sehen.

17525

dir geschiht dar umb niht leit,

des setz ich dir mîn wârheit.

daz selb geloub ouch gemein

daz volc grôz unde klein.»

 

Daz geloubt im dô her Daniel.

17530

er huop sich zuo der siul snel.

er sprach: «von himel rîcher got,

hilf mir, daz ich daz abgot

mit dîner kraft zerbreche.

swer dâ wider spreche,

17535

dem erzeig dîn meisterschaft,

daz nieman ist sô tugenthaft:

dîn gewalt vor in allen gât

an einer ieslîchen stat.

ez stêt, herr, von dir geschriben,

17540

daz dîn vînt müezen ligen

vor dînen füezen ze aller stunt,

daz ist mir, herr, von dir kunt.

dâ von erzeig, herr, dînn gewalt

disen heiden manicvalt,

17545

daz nieman ist sô reine

sô dû, herr, aleine.»

er sprach: «ich beswer dich, abgot,

bî allem dem daz got ie gebôt,

wan vor im niht verborgen ist:

17550

nû zerbrist in kurzer frist,

dû und dîn bethûs guot,

und lâ den künic sînen muot

sehen, wie er sî gestalt.

zeig des reinen gotes gewalt,

17555

alsô daz der heiden schar

sech, daz mîn red sî wâr.

erzeig, daz gotes gewalt

ist grôz und manicvalt,

daz dû sîst got und nieman mêr

17560

und daz von dir diu reht lêr

kom in ir herz und gedanc.»

zehant seic diu siul lanc,

diu dâ von gold was bereit.

daz was den heiden leit,

17565

des abgotes stœrung.

die alten unde niht die jung

begunden gên dem künig jehen,

in wær trugenlîch geschehen.

 

Dô macht got ein slihte:

17570

ze ir aller gesihte

fuor der tiufel sînen wec

als ein ungenæmer, stinkender flec.

dô daz die heiden ersâhen,

do begundens zuo im gâhen.

17575

si seiten all: «unsælic man,

waz wunders hâst dû getân,

daz zerbrochen ist unser abgot?

dar umb muost dû ligen tôt.»

«künic, dû solt in vâhen

17580

und solt des balde gâhen»

sprach ein alter heiden;

«von sînem leben scheiden

sol man in an diser stunt.

uns ist ein hol nâhen kunt,

17585

daz ist lewen alsô vol,

dar în man in werfen sol,

daz in die lewen vrezzen

und sîn fleisch ab im ezzen.»

der rât begund in allen

17590

vil reht wol gevallen.

diu red was dem künig leit,

«ich gap im mîn sicherheit,

daz im iht leides solt geschehen,

des müezt ir mir alle jehen.»

17595

der alt heiden aber sprach:

«er muoz lîden ungemach.

swie des an im niht geschiht,

sô solt dû unser künic niht

wesen einen ganzen tac.»

17600

diu red dem künig was ein slac,

wan er vorht der heiden drô.

zuo Danieln sant er dô,

und hiez des balde gâhen,

Danieln dâ vâhen.

17605

er hiez in werfen in daz hol,

daz dâ was lewen vol.

dô in die lewen sâhen,

do begundens von im gâhen,

als ez got selber wolde

17610

und als ez wesen solde.

si muosten im wesen undertân,

wan er was ein heilic man.

 

Dô lac er nâch des buoches sag

völliclîchen drî tag,

17615

daz er weder az noch tranc;

dâ von dûht in diu wîl lanc.

doch sült ir mir die wârheit

gelouben, im was vil leit,

wan er vorht der lewen zorn,

17620

er wânt, sîn lîp wær verlorn.

dô sant got von himelrîch

zuo Danieln sicherlîch

einen engel, der was kluoc,

daz er im spîs gap genuoc.

17625

der engel einen man dâ vant,

der truoc spîs in der hant,

einen haven vol fleisch und krût,

den solden ezzen in die hût

des guoten mannes snitær;

17630

aller bôsheit was er lær.

die spîs wolt er in bringen dar,

des nam der engel vil wol war.

er truoc ouch über die ahsel sîn

brôt, kæs unde wîn.

17635

den engel er dô erblicte,

vor vorhten er erschricte.

der engel in bî dem schopf vie.

mit im er vlouc unde gie,

wan er fuort in bî dem hâr

17640

vil reht lis und gewar,

und sazt in in daz hol hin.

daz dûht Danieln ein gewin,

wan er hêt zwâr

drî tag und drî naht gar

17645

gevastet, daz er niht enbeiz.

des bout er einen bœsen kreiz.

 

Der engel sazt den guoten man,

den er gefüert hêt dan

für Danieln den wîssagen.

17650

ich wil ouch niht verdagen,

Daniel wart herzenvrô,

dô für in quam der hafen sô,

der dâ voller fleisch was;

vor hunger er kûm gênas.

17655

daz brôt er in die hant nam,

daz fleisch er az, als im gezam.

dô wundert den guoten man,

daz er gefüert was dan

bî sînem schopf vil gewar

17660

und bî sînem swarzen hâr.

den juden nenn ich iu genuoc:

er was geheizen Abacûc.

der selb sprach: «vil reiner got,

west ich, ob ez von dînem gebot

17665

wær, daz ich bin her komen,

daz hiet ich williclîch vernomen.

ich bin sanft gefüeret dan

in ditz hol sam ein man,

der niht enwest war er solt,

17670

und hiet ich tûsent marc golt,

dar umb gæb ich si iesâ,

daz ich wær in Judâ» –

wan er was gefüeret zwâr

völliclîch hundert mîl gar.

 

17675

Nû lâz wir die red stân

und grîfen Danielen an.

der az daz fleisch und daz krût,

swaz sîn moht komen in die hût.

dô daz der engel ersach,

17680

wider sich selben er dô sprach:

«her Daniel hât genuoc.

nû wil ich füeren Abacûc

von Babiloni unz Judâ,

unde wil in lâzen dâ.»

17685

von dem engel daz geschach,

als er wider sich selb jach.

 

Dar nâch der künic hôchzît wolt hân,

daz wart wîten kunt getân.

er hiez den spilliuten sagen,

17690

er wolt niu kleider tragen

und wolt diu alten hin geben.

si begunden all dar streben

di der alten kleider wolden gern

di begund man all gewern.

17695

dar zuo hiez er den herren sagen,

swer niu kleider wolt tragen,

der solt sîn geselle sîn;

dem tet er all triu schîn.

dô kom ir dar ein michel teil,

17700

daz was der spilliut heil.

dâ fuoren si in der freuden schar,

wan in wart dâ gegeben gar,

wan der herren was dâ vil.

si hêten freud unde spil

17705

dem künig dâ ze êren.

sîn lop si wolden mêren.

dâ wart ein grôz wirtschaft,

spîs und wîn was diu kraft,

daz sîn der arm gelîch

17710

hêt envollen sam der rîch.

in dem palast si dâ sâzen.

mit freuden si dâ âzen

und mit grôzem schalle

gemeinclîch alle.

17715

der künic hêt ein gesedel,

daz was rîch unde edel,

mit baldekîn gezieret wol,

als man eim rîchen künig sol.

dar ûf sâzens wunniclîch;

17720

er was der hôchzît freudenrîch.

 

Dar nâch wart dem volk bekant,

ez sach, daz ein schœniu hant

in dem palast ob dem künig was.

diu selb hant schreip, daz man las

17725

drî namen hart wunniclîch –

di schreip si dâ vil sicherlîch –:

Phares Rachel Mannes.

dar an kunt nieman wizzen, wes

diu hant dâ mit hêt gedâht,

17730

oder ob si hiet des küniges aht

gedâht mit der geschrift gemein,

wan nieman was sô rein,

der ez bediuten kunde,

wan in sîn got niht gunde.

17735

man sach niht wan die hant,

anders wart dâ niht bekant.

dem künig dâ vil hôchgeborn

wart beidiu leit unde zorn,

daz nieman moht bediuten in

17740

noch nieman hêt sô wîsen sin,

der ditz kund bediuten reht,

weder di ritter noch di kneht.

 

Er liez sich niht betrâgen,

er hiez die liut frâgen,

17745

ob ieman wær in sîner schar,

der im seit die wârheit gar.

dô was dar komen ein jüdelîn,

daz sprach: «lieber herr mîn,

wolt ez iu niht wesen leit,

17750

ich wolt iu sagen die wârheit.»

dô lobt im der künic stæt,

daz er im dar umb niht tæt.

er sprach: «herr, wellet ir

ein wârheit gelouben mir,

17755

sô sag ich iu in kurzer frist,

daz ir mügt vinden disen list,

und hiett ir lân hern Daniel,

der hiet iu dis namen snel

bediutet sicherlîche.»

17760

dô daz der künic rîche

erhôrt von dem jüdelîn,

dô kund im niht leidere gesîn.

er gie mit grôzer klag

zwâr nâch der bibel sag

17765

klagent für daz grôz hol,

daz der lewen was vol.

er sprach: «ôwê! her Daniel!»

die klag erhôrt der wîssag snel,

die der künic dâ umb in tet.

17770

er klagt sêr dâ ze stet:

er sprach: «ich unsælic man,

ich hân vil übel getân,

daz ich gevolget hân sô schier

mîner râtgeben vier,

17775

daz ich den man ertœtet hân.»

die klag hôrt her Daniel an.

er sprach: «edler künic rîch,

jâ leb ich noch sicherlîch,

wan mir hât got geben daz heil.»

17780

dô hiez er eimer unde seil

bringen dar vil sicherlîch.

sîn lîp was dô freudenrîch,

daz er in funden hêt zwâr;

des was er frô unmâzen gar.

17785

er hiez in ziehen ûz dem hol,

daz der lewen was sô vol.

 

Zehant frâgt er in mær.

er sprach: «ringer mir mîn swær.

sag mir, wer hât dich erneret?»

17790

er sprach: «der dâ mir hât bescheret

lîp und sêl gemeine:

der süez got vil reine

hât mich erneret sicherlîch,

daz wizz, edler künic rîch.»

17795

dâ mit der künic aber sprach:

«ich klag dir mînen ungemach:

dô ich hôchzît solt hân

und vor mir als manic man,

dô kom ein hant sicherlîch

17800

über mich und die künigin rîch.

diu hât geschriben driu wort,

diu stênt in dem palast dort;

dâ enkund [mir] lanc noch schier

nieman diu wort bediuten mir.»

17805

dô sprach her Daniel:

«zeigt mir si, ich bediut si snel.»

bî der hant er in vie,

in den palast er dô gie.

 

Zehant dô er diu wort ersach,

17810

wider den künic er dô sprach:

«wil dir, herr, niht zorn sîn,

ich sag dirz ûf di triu mîn.»

der künic lobt im staete,

er wolt sîner ræte

17815

volgen unz an daz ende sîn,

daz er im liez wâr sîn.

her Daniel dô aber sprach:

«ich fürht, ich gewinn ungemach

und sag ich iu die wârheit.»

17820

dâ für swuor er im einen eit.

er sprach: «sô wil ich iu ez sagen,

sît ich iu niht sol verdagen:

diu hant bediutet zwâr,

ir sült werden ân sinn gar;

17825

sô bediutent di drî namen,

daz ir iuch niht sült schamen,

ir loufet ze walde als ein tier,

daz sült ir wol gelouben mir.

vierdhalp jâr ist iuwer zil,

17830

vor iu ich daz niht helen wil;

daz ergêt an iu in drîn tagen,

daz wil ich iu für wâr sagen.

mir ist daz vil wol kunt,

ir wert gênt als ein hunt,

17835

an allen viern als ein wilt,

dâ von iurs sunes herze spilt.

als diu jâr ein ende habent genomen,

sô sint iur sinn wider komen,

und vart gewalticlîche

17840

in iuwer künicrîche.

daz sült ir wol gelouben mir,

ez ergêt in drîn tagen schier.»

der künic wart trûric und unfrô,

daz ez ergên solt alsô.

 

17845

Dar nâch nâch Danieles sag

zwâr an dem dritten tag

lief er gar âne sin.

er sprach: «ich nû verlorn bin.»

gegen wald er dô kêrte,

17850

als in der wîssag lêrte.

dâ lief er vierdhalp jâr,

daz sagt uns daz buoch zwâr.

sîn hâr wuohs im dô vil lanc:

swenn er ez über die ahsel swanc,

17855

sô gie ez ûf der erd nâch;

ez was sîn wât und sîn dach.

sîn negel wuohsen im als eim tier,

sîn hend, sîn bein wurden vier.

dar ûf gienc er als ein hunt,

17860

daz ist den juden, den pfaffen kunt.

die boum steic er als ein tier.

er was ûf mangen boum schier,

der hundert ellen hôch was.

wunder was, daz er genas!

 

17865

Dô der künic ze walde kêrt,

des küniges sun ein heiden lêrt,

daz er sînes vater rîche

besæz gewalticlîche,

daz solt im werden undertân

17870

und vil manic dienstman;

des wær nieman sô wol wert.

er sprach: «ir sült hundert swert

geben und sült ritter machen.»

des begund der jung künic lachen

17875

und volgt dem alten heiden dô

und was sînes rates frô.

des landes er sich underwant

mit gewaltiger hant.

dô wart er herr dar inne.

17880

dô lêrten in sîn sinne,

daz er den herren brach ir reht.

dô sprâchen ritter unde kneht,

den ez was an mâzen zorn:

«ôwê! wie hab wir verlorn

17885

unsern herrn Nabuchodonosôr!

diser herr ist ein tôr

und wil uns brechen unsriu reht.

dienstman, ritter unde kneht

süllen des vil vlîzic sîn,

17890

ob wir den alten herren mîn

indert möhten vinden,

daz wær guot unsern kinden

und uns selber ze aller stunt.

diser limmet als ein hunt

17895

und wil uns verderben gar.

wir süln in in der narren schar

schaffen schier mit sînem muot,

wan er uns michel leit tuot.»

 

Dar nâch dô diu vierdhalp jâr

17900

genomen heten ein ende gar,

dô begund er umb sich sehen.

er sprach: «wie ist mir geschehen?

bin ich Nabuchodonosôr?

nein ich! zwâr ich bin ein tôr.

17905

wer hiet mich dann her brâht?»

er gedâht geswind in sîner aht:

sîn sinn begunden sich mêren,

von wald begund er kêren.

sîn leit daz was im swær.

17910

er sach einen wildnær

stên vor sînem hiuslîn.

er sprach: «ich wil hînt bî im sîn,

hie bî dem wildenære.»

daz was dem jeger swære,

17915

wan er vorht im sêre.

er hêt ouch niht mêre

gesehen einen sölichen man;

dâ von er in den walt entran.

 

Dô daz der arm künic ersach,

17920

er gedâht: ich hân nû guoten gemach

in sînem hûs und in dem hol,

dâ sol mir hînaht werden wol.

in daz hiusel er dô gie.

diu frou in mit vorht enpfie.

17925

er sprach: «fürhtet iu niht sêre,

vil reiniu frou hêre;

gebt mir hînt iuwer brôt.

ich hân erliten grôz nôt

ze wald vierdhalp jâr,

17930

daz sag ich iu für wâr.»

diu frou sich gên im kêrte,

als sie ir tugent lêrte.

si gap im ein blahen drum,

des was er vrô und was sîn frum.

17935

vil gern er ez von ir nam,

wan er bedaht dâ mit sîn scham.

brôtes gap si im genuoc

und wazzer rein in einem kruoc;

dâ mit labt sich der künic guot,

17940

des brôtes wart er wol gemuot.

 

Dô kom der wildenære

an sîn tür mit swære.

des wolt er niht vergezzen,

er gedâht: der man hât gezzen

17945

mîn wîp und mîn kint,

mîn schâf unde rint.

er was ouch dô sô kluoc,

daz er durch ein neigers luoc

sach, waz der man tæte,

17950

den er forht sô stæte.

dô sach er, daz er az ein brôt,

daz im gie für hungers nôt.

er sach mêr mit witzen

sîniu kindlîn vor im sitzen,

17955

daz er in niht übel tet.

der wildnær durch di tür ret,

er sprach: «frou, lâz mich în.

mac ich von im ân angst sîn?

ich fürht in als ein fiuwer.»

17960

er sprach: «ist er gehiuwer?»

zehant entslôz si im die tür,

dâ was kein ridel für.

der künic gruozt in schône.

er sprach: «ich truoc die krône

17965

zwâr in disem lande;

swie ich nû dulde schande

und muoz der sinn sîn ein tôr,

ich binz Nabuchodonosôr,

der künic in disem rîche.

17970

dû brinc mich sicherlîche

zuo dem wîssagen Daniel,

ich wil mich niht haben hel.»

 

Dô der wildenære

erhôrt disiu mære,

17975

dô wîst er in balt

durch den grôzen walt

dâ er Danieln vant;

zehant er Danieln kant.

er hiez im bereiten ein bat,

17980

wan er gefuor nâch sînem rât.

dar nâch daht er im sîn scham,

als einem künig wol zam.

der künic sprach: «Daniel, sag mir –

und îl baldiclîchen schier –,

17985

wie mîn sun Evilmerodach

gelebt hab mit gemach

vil schôn in mînem rîch

mit dem volc gemeinclîch.»

er sprach: «herr, daz sag ich dir,

17990

wil dû ez gelouben mir,

daz dîn werd dienstman

und swaz daz lant geleisten kan,

arm unde rîche –

die sint im sicherlîche

17995

alle vînt und niht holt,

daz hât er wol umb si versolt.»

 

Dô der künic erhôrt

des wîssagen wort,

dô hiez er senden zehant

18000

über al sîniu lant

nâch den werden dienstman,

die ich niht alle genennen kan,

und hiez in sagen, er wær komen.

dô si daz heten vernomen,

18005

dô kômen si alle gelîch,

beidiu arm unde rîch,

wan si wârn sîner künfte vrô.

si enpfiengen in mit schall dô.

dâ bliez man grôz pusoun.

18010

si nâmen all des küniges goum.

si tanzten unde sungen,

si reiten unde sprungen.

si wârn ân mâzen gefuoc.

ir ieslîcher ein kleinôt truoc,

18015

dâ mit er in enpfie schôn.

man truoc im für sîn krôn;

die sazt er ûf sicherlîch,

wan si was unmâzen rîch.

dô er sie ûf sîn houbt genam,

18020

der künic, als im wol gezam,

dô frâgt er sîn volc der mær,

wie in sîn sun wær.

dô klagten im kleglîch

beidiu arm unde rîch,

18025

er hiet in übel getân.

«daz sol nû wærlîch niht ergân,»

sprach der künic rîche,

«iu sol doch sicherlîche

von mir niur lieb widervarn

18030

hinnen für bî mînen jârn.»

alsô lebt er mit freuden dâ

in dem land und anderswâ

nâch sînen unsinnen zwâr

völliclîch fünfzehen jâr.

18035

dar nâch er ze reht starp.

sîn sun umb daz rîch warp,

sîn sun Evilmerodach;

daz was den liuten ungemach.

Nabuchodonosor rîchset für wâr

18040

in Babilonje vier und vierzic jâr.

 

Evilmerodach ze künig wart,

daz künicrîch wart niht ûf gespart.

daz wart den liuten leit genuoc,

daz er des vater krôn truoc.

18045

da von wil ich iu besunder

sagen michel wunder.

daz kan ich niht verdagen,

er hiez sîn vater für sich tragen

dô er alsô tôter lac –

18050

für wâr ich iu daz sagen mac –:

«diser tôt ist mir swær.»

er sant nâch einem fleischhackær

und die vogel viengen,

daz di all für in giengen.

18055

er sprach: «ir vogelære

komt mir fruo niht lære!

vâhet mir zwei hundert gîr grôz,

raben vil und ir genôz;

und ist daz ir des niht entuot,

18060

sô wurd man sehent iuwer bluot

von iuwerm hals schiezen;

niemans mügt ir geniezen,

ir müezt den tôt doln,

welt ir der vogel niht enholn.»

 

18065

Dô die vogelære

erhôrten die mære,

dô begundens gâhen,

die vogel all vâhen,

und rihten âne swære,

18070

die selben vogelære,

ûf daz velt über al,

dâ von si viengen âne zal

der gîr und der raben vil;

daz was zwâr irs herzen spil.

18075

dô si ir vil geviengen,

für den künic si dô giengen.

si sprâchen: «herr, wir haben brâht,

als dû dir hetest gedâht.»

des nam mangen wunder:

18080

die vogel hiez er besunder

lâzen in ein stuben grôz.

die vogel dâ vil sêr verdrôz,

wan er sich hêt vermezzen,

er liez si niht ezzen

18085

nâch des buoches sag

biz an den dritten tac.

dem fleischhacker er gebôt,

ob er niht wolt ligen tôt,

daz er dem tôten vater sîn

18090

tæt mit der hacken schîn,

daz er des meister wære.

daz dûht in vil swære,

wan er hiez den tôten rücken.

er sprach: «slach in ze stücken,

18095

disen lîchnamen!»

des begund sich schamen

diser fleischhackære,

wan ez was im ein swære,

daz er einen tôten man

18100

solt mit der hacken bestân.

der künic aber wider in sprach,

der dâ hiez Evilmerodach:

«slach in zuo drîn hundert stücken.

dû solt in ûf rücken

18105

nâch dînem willen, swâ dû wil,

wan diser lîchnam hât mir vil

leides hie getân,

dô er kom von wald gegân;

dâ wânt ich in hân verlorn –

18110

dô kom er schier, daz tet mir zorn.

also hân ich noch gên im wân,

ich fürht, er well ûf stân.

dâ von mach mich des wânes frî,

zerstück in, als lieb ich dir sî.»

 

18115

Dô der fleischhackære

erhôrt disiu mære,

do zerworht er in dâ ze stet,

als der künic gên im ret;

ze drîn hundert stücken man in sluoc,

18120

diu stück man dô für in truoc.

dô hiez der künic gâhen,

die raben ûz der stuben vâhen

und die gîr alsô grôz.

den künic dô niht verdrôz,

18125

er hiez den vogeln gemein

diu stück werfen niht ze sein.

die vogel nâch des buoches sag

wârn völliclîch drî tag

allsamt ungâz beliben,

18130

vor hunger wârn si nâch zerkliben.

dô wurden si vil freudenrîch,

dô man in gap stück gelîch.

ir ieslîcher ez mit freuden nam

und flugen hin, als in wol zam,

18135

und âzen gemeine,

die vogel grôz und kleine.

 

Dô daz der künic von in ersach,

ûz grôzen freuden er dô sprach:

«ich sich mînen vater frezzen

18140

und in die vogel ezzen:

dâ von bin ich freudenrîch;

im wirt niemêr mîn rîch.

die vogel habent von im gewin,

ieglîcher hât sîn stück hin.»

18145

dô sprach der künic wol getân:

«mîn rîch mac mir wol bestân.

wie hêt er mich verdrungen

und mir an gewunnen

ditz künicrîch gemeine!

18150

ich fürht in nû vil kleine,

sît in die vogel hânt von mir brâht.

ich hêt mich sîn wol verdâht:

er mac zwâr nû niht ûf stân,

die vogel hânt in gefüeret dan.

18155

wie lief er als ein tôr,

mîn vater Nabuchodonosôr!

er muoz mir nû daz rîch lân,

wan ich hân ez understân,

daz er mich von dem rîche

18160

niht trîbt gewalticlîche.

dâ von mac ich ân angst sîn,

wan er ist gâz der vater mîn.»

dar nâch lebt er unlange zeît,

daz in der tôt nider leit.

18165

Dar nâch rîchsen began

in Babylonia ein man,

der was geheizen Balthasar;

mit grôzem gwalt lebt er gar.

er hiez ein bethûs machen

18170

mit seltsænen sachen.

ein abgot er dar inn êrt,

daz volc er allez dar zuo kêrt.

er hiez mit sînen sinnen

zwelf meister gewinnen

18175

und macht daz bethûs schône,

daz nie dhein künic sîn krône

mit gestein sô wol gezieret,

also der palast was gefurrieret;

von gold hêt ez ein michel schar.

18180

dô sprach der künic Balthasar:

«vil meisterscheft muoz hie geschehen!

mîn abgot lâz ich nieman sehen

wan di zwelif di sîn süllen pflegen.

di andern lâz ich under wegen,

18185

si wellen dann opfer bringen,

sô lâz ich si wol dingen

und lâz si in den palast guot,

sô wirt mîn abgot wol gemuot.

ein schœniu siul mermelîn

18190

muoz ze reht dar inne sîn

mitten in dem palast,»

der dâ sô schôn was verglast

dem abgot dâ ze êren,

sîn lop dar inne mêren.

18195

si was gezieret schône.

von gold, von stein ein krône

muost oben ûf der siul sîn,

ûf der siul mermelîn.

diu krôn was vier ellen breit.

18200

zwâr an der selben zeît

was ir hœch gemezzen,

des kan ich niht vergezzen,

si was fünfzehen ellen hôch.

vil tiufel zuo der siulen zôch

18205

und sazten daz abgot schôn in.

daz dûht si ein guot sin,

daz ez gewalticlîche

redet mit dem künig rîche.

swann er ez frâgen begund,

18210

ze einer ieslîchen stund

antwurt ez aller wörticlîch

nieman dann dem künig rîch

und den die sîn pflâgen.

nieman mêr wolt ez sagen

18215

dhein red noch botschaft;

daz geschach von des tiufels kraft,

der künic wider di zwelf sprach:

«mîn abgot hât guoten gemach

für all diu ich hân gesehen,

18220

des muoz ich von der wârheit jehen.

nû trahtet, lieber meister mîn,

ob ez müg ân schaden sîn,

umb einen wunderlîchen sit,

der im var ân schanden mit,

18225

daz chein abgot tuo;

daz trahtet spât und fruo.

dar umb wil ich iuch rîchen,

daz wizzet sicherlîchen.»

 

Dô ieslîch meister dâ erhôrt

18230

des küniges red und sîniu wort,

do gedâht er ân widerstrît

einer wunderlîchen hôchzît.

si hiezen bereiten zwelf tisch,

dar ûf hüener unde visch

18235

und dar zuo manig frömd spîs,

sprach under in ein man grîs.

«heizt die spîs sieden und brâten,

sô mac daz abgot uns berâten.»

si wârn vrô und wol gemuot.

18240

si hiezen in den palast guot

die tisch setzen alsô rîch.

daz sag ich iu sicherlîch,

die tisch wârn von gold

geworht, als der künic wold;

18245

diu tischgestell alsam,

wan ez dem rîchen künig zam.

ez wârn die tisch mit flîz

gedecket schôn mit pfellen wîz:

di wârn mit lîsten gezieret,

18250

mit gold, mit gestein gefurrieret.

also wârn verdaht die tische.

hüener, hasen, vische,

rephüener gesoten und gebrâten,

dâ mit wârn die tisch berâten.

18255

semel wîz sam diu sunne

lâgen ûf dem tisch ze wunne,

dar zuo met unde wîn

muost ûf dem tisch sîn.

 

Dô ez allez wart bereit,

18260

dô trahten si mit kündicheit,

wie si den künic betrugen

und im daz guot ab erlugen.

si funden einen kluogen sin:

ein luoc under dem palast hin

18265

hiezens graben sicherlîch;

do betrugen si den künic rîch.

si gruoben ein luoc unz an ein eck.

einen stein als drî weck

nâmen si in dem eck ûz.

18270

daz meil merkt nieman umb ein grûz;

alsô kündic was ir lîp,

wan ez maht man noch wîp

daz luoc niht erkiesen

noch in ir kunst verliesen.

18275

des wârn si dô âne swær.

di zwelf meister êrbær

begunden daz wol helen

und ûz dem palast stelen

die spîs alle bî der naht,

18280

als si vor heten gedâht,

hüener, wîn und vische.

si sazten ûf die tische

diu vaz alsô lære,

dâ von si hêten swære.

18285

si sprâchen dem künig zuo

beidiu spât unde fruo,

in wær daz wol bekant,

daz abgot næm ez in die hant

und æz ez sicherlîche.

18290

dô sprach der künic rîche:

«daz hân ich gehœret nie.

wol mich daz ich den palast ie

gezieret mit dem abgot!»

ez was zwâr der zwelfer spot,

18295

die in betrugen ze der zît

in dem palast wît.

 

Dô sprach der künic unverzeit:

«ich muoz besehen die wârheit,

daz si mich iht betriegen

18300

noch daz abgot an liegen.

zwar ez muoz mir sîn bekant.

ich wil selp mit mîner hant

sperren den palast und pflegen,

mîn insigel dar an legen,

18305

sô mac man mich betriegen niht;

der zwelfer wârheit man dâ siht.»

nieman west dô daz luoc,

dâ man di spîs ûz truoc

unde dâ man gap her für.

18310

der künic huot selp der tür.

dô er zuo dem slozze sach,

wider sich selb er dô sprach:

«ich sich selp die wârheit.

swem ez sî liep oder leit,

18315

mîn abgot ist genâden vol,

daz weiz ich von der wârheit wol.»

zuo dem tisch nam er goum.

er sprach: «ez ist niht ein troum.

slaht mir die grôzen sumber!

18320

ist ieman dâ sô tumber,

der zuo mîner hôchzît niht

kümt, ich sag waz im geschiht:

zwâr er muoz mir lân den lîp.

dar kom man unde wîp

18325

und dar zuo kleiniu kint!»

er sprach: «alliu diu mir sint

hie zwâr undertân,

diu süllen zuo der siulen gân

und süllen dâ ir opfer legen,

18330

wellen si mîns abgots pflegen.

swer des selben niht entuot,

der muoz sehen sîn eigen bluot

wærlîch mit grôzer nôt,

er muoz hie ligen tôt

18335

in Babyloni, daz ist wâr.»

dar kom geriten manic schar

und sümlîch gegangen.

swelich niht wolt hangen,

der muost sîn opfer schôn

18340

legen zuo der guldînn krôn,

dâ daz abgot inne saz;

ze êren tet man im daz.

 

Dar nâch der künic an der zît

hiez sagen in diu lant wît,

18345

swer guot von im wolt enpfâhen,

der solt zuo sînem abgot gâhen.

dô kom geriten und gegân

ûz frômden landen manic man

in sînen palast guot;

18350

des wart der künic wol gemuot.

er gap in edliu kleider guot,

des wurden si mit freuden fruot.

mit spîs hiez er ir pflegen

er macht dâ mangen swertdegen

18355

dem abgot ze êren,

sîn lop dar inne mêren.

daz wart geseit in ein lant

einem hôhen künig bekant,

daz was geheizen Persyâ,

18360

zwâr dem rîchen künig dâ:

der selb künic hiez Cyrus,

die pfaffen nennent in alsus.

er hêt vernomen daz mær,

daz in Babyloni wær

18365

ein abgot, dem dient manic schar,

daz hiet ein künic hiez Balthasar

gemachet sicherlîche;

ez was unmâzen rîche.

er sprach: «ich muoz dar,

18370

muoz sehen des küniges schar,

ob sîn abgot müg sîn pflegen

und sîn hüeten vor den slegen.»

 

Dô wart niht lenger gespart,

er hiez rüefen hervart

18375

unde huop sich alsô schôn

hin ze Babylôn

und reit zuo dem palast,

daz dâ schôn was verglast.

dâ vant er mit sinne

18380

den rîchen künic inne,

wan er hêt schôn hôchzît

in dem palast wît.

zuo im dranc her Zirus.

er sprach: «ich muoz hie alsus

18385

iuren abgot êren,

sîn lop wil ich mêren.

ich wil daz rîchest opfer legen

und wil des abgots selber pflegen.»

mit im dranc manic schar.

18390

er sprach: «got weiz, her Balthasar,

iur houbt wil ich opfern hie.»

bî dem hâr er in vie

und sluoc im ab alsô schôn

den kopf mit der krôn,

18395

daz er fuor sam ein schîb

dâ von sînem lîb.

er hiez balde gâhen,

die liut alle vâhen,

und zerfüert Babiloni gar,

18400

daz sagt uns daz buoch zwâr.

die siul hiez er zerbrechen;

daz abgot wolt niht sprechen.

die tiufel fuoren iren wec

über strâz und über stec.

18405

Cyrus der künic rîch

der fuor gewalticlîch

ze Persyâ in daz lant.

dâ wart manigem dô bekant,

daz er Babylonja zwâr

18410

bræch und zerstœret gar.

 

Er hêt ein wunderlîchen sit,

der volget im ze allen zîten mit:

swan er hêt ein schœn wîp,

diu im liep was sam der lîp

18415

und diu ein kint bî im truoc,

daz im liep was genuoc,

dô wânt er ân widerstrît,

ez möht ze dheiner zît

zuo ir komen dhein man tougenlîch,

18420

der mit ir wurd freudenrîch:

ich mein zuo dem bettespil.

ich muoz hœrn, ich red ze vil,

wan ieslîch wîp unde man

der red sich wol kan verstân.

18425

swie liep im kund ein wîp sîn,

diu dâ hêt sô liehten schîn,

diu bî im ein kint truoc,

der wart er vînt genuoc

und hiez sie tœten an der stet.

18430

mit sînem schaffer er daz ret,

daz er sie füeret balde

und sie tœtet in dem walde.

daz tet der schaffær zehant.

mit michelm jâmer er sie bant

18435

und tôt sie an der stunt;

der jâmer wart ir kunt.

 

Ze einen zîten daz geschach,

daz er zuo dem schaffer sprach:

«tœtt ditz wîbelîn,

18440

ez mac bî mir niht lenger sîn,

si hât ein kint bî mir getragen.»

dô wart ein jæmerlîchez klagen

von allem hofgesinde;

daz klagt daz wîp geswinde,

18445

wan si was schœn und tugenthaft

und hêt an tugent sölich kraft,

daz si sie klagten sêre.

doch muost der schaffær durch sîn êre

die frouwen gegen wald füeren

18450

an seilen und an snüeren.

im was der walt aller kunt.

mit im sô lief ein jagehunt.

er sprach: «frou wol getân,

ir müezt mir iuwer leben lân.»

18455

si sprach: «schaffer lieber, nu sprich,

waz hân getân ich,

dar umb ich hie gib den lîp?»

sô sprach daz tugentlîch wîp.

«ez ist mînes herren sit,

18460

der volgt im ze allen zîten mit;

doch welt ir mir genædic wesen,

ich wil iu helfen genesen.»

si sprach: «schaffær hêre,

tuot an mir iur êre.»

18465

zehant vie er den hunt

und sneit im ûz sînem munt

die zungen sicherlîche.

er sprach: «küniginne rîche,

sitzt dâ her in den boum.

18470

ich wil iuwer nemen goum

mit trinken und mit spîse,»

alsô sprach der grîse.

die zungen truoc er dem herren hin,

daz dûht in ein schœn gewin.

 

18475

Dar nâch stuont ez unlanc,

unz den künic diu minn twanc.

er hiez im gewinnen ein wîbelîn.

der schaffer sprach: «daz sol sîn.»

dô wîset er zuo sînem lîp

18480

frîlîch daz êrer wîp.

des morgens dô ez tagte,

den herren er dô frâgte,

wie im geviel des wîbes lîp.

er sprach: «si tuot reht als daz wîp,

18485

daz dû hâst ertœtet mir.

wær si niht tôt, ich swüer des schier,

daz si diu selb wære.»

dô seit er im daz mære.

er sprach: «swie ez mir süll ergân,

18490

ich muoz hie in schulden stân.

ez ist reht daz selb wîp

und ir flætiger lîp,

die ir mich hiezet tœten

mit angsten und mit nœten.»

18495

dô sprach der herr an der stat:

«mich nieman sô wol gehandelt hât

sô dû; des muost dû haben êr.

ich wil sie haben immer mêr.

si hât ein reineclîchen muot,

18500

ich wil sie haben in mîner huot.

ich wânt des ûf di triu mîn,

swie schœn ein wîp möht gesîn,

trüeg si ein kint, si wær enwiht:

nû sich ich wol, des ist niht.»

 

18505

Ez hêt ouch der schaffær

der küniginn geringt ir swær

an der selben zît.

er wîst si in ein kemnât wît –

daz muost geschehen bî der naht,

18510

als er im vor hêt gedâht –

und hiez ir bat dâ machen

mit seltsænen sachen;

mit wurzen und mit krût

hiez er ir strîchen ir hût,

18515

daz si dô wart minniclîch getân,

dô si gên bett solt gân,

dâ der künic an lac.

des gewan si lieben tac,

wan si im liep was âne wân,

18520

als ich iu vor gesaget hân.

 

Der künic hêt einen sit

dâ er sich leit den liuten mit:

swann im ein guot scherær

solt scheren âne alle swær,

18525

dem künig Cyrus,

sô hiez er in tœten sus,

sô er den bart hêt geschorn –

wan er hêt dick gesworn,

ez möht nieman die mær

18530

wizzen, von wiu ez wær,

daz er hiez mit nœten

di scherer alle tœten –:

des muost er ungeschorn sîn.

er sprach zuo sînem schaffer: «dû bist mîn,

18535

ich wil des niht enbern,

dû muost mir mînen bart schern.»

daz was dem schaffære

ein vil leidez mære.

er sprach: «herr, ich kan sîn niht.

18540

swaz halt mir dar umb geschiht,

daz muoz ich allez lîden:

daz schern wil ich vermîden.»

dô hiez der künic gâhen,

den schaffær vâhen.

18545

er sprach : «dû unsælic man,

dû muost mich tuon des bartes ân.»

 

Der schaffer dô gevangen lac

biz an den dritten tac.

dô gie diu frou schanden lær

18550

hin für den karkær.

«schaffer, bist dû dar inne?»

sô sprach diu küniginne.

er sprach: «liebiu frou mîn,

nû tuo mir dîn hilfe schîn

18555

und gedenket dar an,

daz ich iuch ernert hân,

küniginne rîche;

ich dienstes iu niht entswîche.

ringet mir mîn swære

18560

und frâgt den künic der mære,

wâ von daz an im müg sîn –

des bit ich – durch den willen mîn –,

daz ir mir ervart,

wâ von er umb sînen bart

18565

hab den tôt ûz erkorn,

sô im ein man hab geschorn,

daz er in dann mit nœten

zehant heizt tœten.

daz ervart mir, liebiu frou mîn,

18570

iur eigen wil ich immer sîn.»

zehant gelobt im diu frouwe daz.

si sprach: «gehab dich dester baz!

mir muoz ez sicherlîche

sagen der künic rîche.»

 

18575

Des nahtes dô si ze bett gie,

mit armen si in umbevie.

si sprach: «edel künic hêr,

woldest dû niht zürnen sêr,

ich wold dich biten einer bet,»

18580

alsô si gegen dem künig ret.

dô sprach der künic: «frou mîn,

lâz mich hœrn die bet dîn,

ich sag dir lieb und smerzen,

swaz ich weiz in dem herzen,»

18585

diu frou zühticlîchen sprach:

«ich west gern den ungemach,

den dû hâst umb den bart dîn,

daz dû vînt muost sîn

der dir den bart ab schirt,

18590

daz dîn zorn unsælic wirt.

dâ von west ich gern die mær,

von welhen sachen daz wær.»

der künic sprach: «daz wil ich dir sagen,

wan ich mac dir sîn niht verdagen:

18595

swenn man mir in halben geschirt,

daz er dann niht verbirt,

er heiz mich umb kêren.»

zehant begund [si] mit êren[,]

diu frou gegen im lachen,

18600

dem künig freude machen.

 

Des morgens dô ez tagte,

diu frou dem schaffer sagte,

als ir der künic hêt geseit.

si sprach: «lâ dir niht wesen leit:

18605

schir morgen sicherlîche

dem edeln künic rîche.

dîn triu wil ich dir gelten.

ich vergizz des selten,

daz ich von dir hân mînen lîp,»

18610

sô sprach daz tugenthaft wîp.

zehant der schaffær vrô wart.

si sprach: «sô dû im den bart

einhalp hâst geschorn,

sô lâ dir niht sîn sô zorn,

18615

daz dû in mit êren

heizest in hin umb kêren.

dû solt, schaffer wol geborn,

sprechen: «iu ist einhalp geschorn,»

und hab dîn hend für dich.

18620

di red schôn in zühten sprich,

sô mac dir gewerren niht,

wan diu sæld hât mit dir pfliht.»

des danct der schaffær sêre

der frouwen alsô hêre,

18625

wan er des morgens tet

als diu frou hêt geret.

dô daz der künic von im ersach,

gegen dem schaffer er dô sprach:

«dâ ist diu frou schuldic an,

18630

ez west ân sie nieman.

si hât ernert dînen lîp,

daz vil tugenthaft wîp.»

 

Dar nâch lebt er mangen tac,

als ich für wâr gesprechen mac.

18635

mit urliug und mit strît

fuor er nâhen unde wît

mangen tac unde jâr;

sîn herz was zornvar.

dar nâch Cyrus offenbâr

18640

in Babyloni, daz ist wâr,

saz ze geriht hêrlîchen,

er riht dem arm, dem rîchen.

daz wart mangem bekant,

daz man guot geriht bî im vant.

 

18645

Ze den zîten was ein man,

als ich von im gelesen hân,

er was Joachym genant;

für einen frumen man erkant

was er ze der selben zît.

18650

ein hûs michel unde wît

hêt er und ein gertelîn,

daz stiez an daz hûs sîn.

er hêt ouch ein schœn wîp,

zühtic und rein was ir lîp,

18655

diu was genant Sussannâ.

ez was ouch in dem hûs dâ

stæt der herren teidinc;

doch hêt ein altman sîn gerinc

geleit an die frouwen guot,

18660

dâ von truoc er ir holden muot.

eines tages sich ergienc

zwâr daz grôz burcteidinc.

dô was ouch der juden sit,

dâ si ir ê behielten mit:

18665

swâ geschach under in ein huor,

ir ieslîcher dar umb swuor,

er wurf ûf ez einen stein.

si jâhen, ez wær unrein,

ez wær wîp oder man;

18670

swer überhügen began,

daz wær dem andern unrein;

dâ von ir ieslîchz einen stein

warf ûf daz selb hin,

daz was ir will und ir sin.

18675

si hêten zwên man dar zuo

gesazt spât unde fruo,

daz si des selben jâhen,

swâ si den huor sâhen

oder swâ ez in wart geseit,

18680

daz dem huorer von im leit

geschæch an der selben zît,

wan si truogen gên im nît.

 

Nû lâz wir die red stân

und grîfen zuo der frouwen an,

18685

diu dâ Sussannâ hiez.

ir reincheit des niht enliez,

si bereitet sich bî der zît,

daz si in iren boumgarten wît

gienc zuo einem ursprinc.

18690

vil rein was der frouwen dinc.

si twuoc ir hende, ir antlütz,

daz was ir zuo der reincheit nütz.

daz hêt der altman ersehen

unde kunt daz von ir spehen,

18695

daz si des morgens tougenlîch

gienc in den garten wunniclîch,

wan si hêt des guoten sit,

der volget ir ze allen zîten mit,

daz si ein gie

18700

und nieman mit ir lie.

der altman begund umb sie werben;

vor leid wolt er sterben,

sô er umb ir minne ret,

daz si des gegen im niht entet.

18705

er gedâht in sînem muote:

ich muoz ir legen huote,

sô si in den boumgarten gêt,

und als si dar inne stêt,

sô muoz ich sie behuoren.

18710

an ein ander si des swuoren,

die des rehten pflâgen –

die begund des niht betrâgen –:

«dô si des morgens zît

gie in den boumgarten wît,

18715

sô süll wir reht werden enein,

daz under uns zwein.

einer lig bî ir schôn

und er dem andern des lôn

mit einer semlîchen tât;»

18720

alsô was ir beider rât.

 

Eines morgens kom diu frou gegân

in den garten wol getân.

si gie schôn alsô balt

zuo dem brunnen, der was kalt.

18725

dô wârn die alten man

über des garten zûn gegân

und warten der schœnen frouwen dâ

und kômen gegangen zuo ir iesâ.

der ein sprach: «frou wolgetân,

18730

ir sült mich geniezen lân,

daz ich iu bin mit triuwen holt

und ir mir lieber dann golt.

ich muoz hiut bî iu ligen hie,

oder ich sag iu, wie

18735

iurem schœnen lîb geschiht.

zwâr des lâz ich niht,

ich sag vor dem teidinc,

daz zwâr ein jüngelinc

bî iu hie sî gewesen;

18740

zwâr sô mügt ir niht genesen.»

di frou zühticlîchen sprach:

«und sol ich lîden ungemach

vor disem teidinc

umb unschuldigiu dinc,

18745

sô wil ich doch got jehen,

daz ez umb unschuld ist geschehen.»

 

Dô der altman dâ erhôrt

der genæmen frouwen wort,

dô griffen si sie beid an.

18750

diu frou rüefen began.

si ruoften michel mêr.

doch was der frouwen herzensêr

grôz, und begund sich roufen.

dô kom daz volc geloufen

18755

unde sprâchen: «frou, ir tobt!

iuwer unzuht nieman lobt.»

diu frou sprach bermclîche:

«ich klag iu allen gelîche,

daz die zwên altman

18760

wolden iren willen mit mir hân.»

di alten jâhen: «wir sagen iu reht:

ez was zuo ir ein schœner kneht

komen ûf dise heide;

daz understuond wir beide,

18765

daz ir will niht ergie.»

die frouwen man dô vie.

alsô seit uns daz getiht,

daz man sie fuort für geriht.

die alten frâgt man mære,

18770

wie der froun geschehen wære.

dô jâhen si ûf ir eit,

ez wær diu reht wârheit,

ez wær ein junger man

von ir ûz dem garten gegân,

18775

der wær bî ir gelegen;

ez wær ein junger swertdegen.

dô ruoften die liut alle

mit einem grôzen schalle:

«man sol sie füeren für die stat

18780

und sol sie versteinen drât.»

 

Dô fuort man sie drât

her ûz für die stat;

dâ lief daz volc allez nâch.

ein brûner roc was ir dach,

18785

dar ûz sô lûht si als diu sunn;

ir reincheit was gotes wunn.

dô truoc man ein kindelîn

gên der frouwen liehten schîn,

daz hêt dannoch niht geret,

18790

dâ von got ein zeichen tet.

ez sprach: «ir sült mir sagen snel» – –

ez was genant Daniel

und wart ein wîssag sicherlîch;

daz wolt got von himelrîch,

18795

daz er dô wart bekant,

daz man in wîssagen nant,

wan er die wârheit seit

swem ez wær liep oder leit.

dô er die frouwen êrst sach,

18800

er frâgt, waz ir wær ungemach.

daz seit man im reht.

er sprach: «man tuot ir unreht.

daz bewaer ich swie ich sol,

wan si ist aller tugent vol.»

18805

dô wundert die liut gemein,

daz daz kindel alsô klein

in die wârheit hêt geseit

und die lug gar verdeit.

dar nâch sprach daz kindelîn:

18810

«ir herrn, welt ir mir volgent sîn,

sô füert die frouwen wider in,

zwâr daz ist an iu ein sin.

ich lâz iuch sehen wunder.

heizet mir die man besunder

18815

legen, ich lâz iuch nemen war,

daz si lugenlîchen gar

die frouwen habent an geseit,

wan ez ist lug und niht wârheit.»

 

Dô legt man si besunder.

18820

er sprach: «nû hœret wunder!

heizet mir einen für mich gân!»

daz wart vil schier getân.

er sprach: «wâ schuof der jüngelinc

mit der frouwen sîniu dinc?»

18825

er sprach: «under einem klêboum.»

er sprach: «ez ist dir ein troum.

heiz mir den andern her gân.»

er sprach: «waz hât diu frou getân,

daz sag bî dîner wârheit.»

18830

er sprach: «daz sî dir geseit

vor disen liuten lût:

si was eines jungen brût.

under einem pflûmboum,

dâ nam ich ir beider goum.»

18835

dô sprach Daniel daz kint:

«seht, wie si an den lugen sint!

nû sol an disen zwein ergân,

daz si erliten solt hân,

des sint si wærlîch wol wert.

18840

der frouwen lîp niht bôsheit gert,

wan si ist ein reinez wîp,

si hêt einen tugenthaften lîp.»

dô wart her Joachim vrô,

und lobten got von himel dô

18845

sîner êren manicvalt;

si wart bî im in freuden alt.

zehant wurdens beide

versteinet ûf der heide.

 

Dar nâch sag ich iu besunder,

18850

an im geschach ein wunder

von einer küniginne,

diu hêt wîs sinne

unde was ân mâzen frum.

in einem land Amazonum

18855

dar inne was diu frouwe zwâr,

die liut dienten ir vil gar.

mit herzen und mit sinne

was si dâ küniginne.

Zirus wolt si vertriben hân,

18860

daz wart der künigin kunt getân.

dô leit si sich an widerstrît

gegen im an daz velt wît

mit vil degenlîcher wer;

si hêt dâ ein grôzez her.

18865

Zirus hêt gegen ir brâht

manic schœn ros verdaht

und hêt ouch dâ ein grôz her;

ez was nâhen bî dem mer.

 

Des morgens dô ez tagte,

18870

der frouwen man dô sagte,

daz Cyrus wær mit sînem her

gestapft gên ir an daz mer.

diu frou gegen im kêrte,

als sie ir frümcheit lêrte.

18875

dâ wart vil degenlîch gestriten

nâch ritterlîchen siten.

diu küniginne den sic gewan.

Cyrus flôch von dan;

doch was ein ritter unverzeit,

18880

der selb den künic Cyrus jeit.

daz sach diu künigin wol getân.

si sprach: «her ritter lobesam,

lâ dir in niht entrinnen;»

also sprach diu küniginne:

18885

«ich wil dir lîhen unde geben.

slach in, dû junger swertdegen!

waz dir êren hie geschiht!

lâz in von dir niht!

dar umb wil ich dich rîchen,

18890

daz wizz sicherlîchen.»

 

Dô der jünglinc erhôrt

der werden küniginne wort,

dô sprach er gên dem künig sus:

«got weiz, her Cyrus,

18895

ir müezt mir lâzen iuwern lîp.

mich hât daz tugenthaft wîp

gemant an mîn werdicheit,

daz mir daz wær von herzen leit,

ob ir mir solt entrinnen.»

18900

er gap im sour minne

mit dem kolben an den nac,

daz er nimmer mêr den tac

gesach. do viel er zuo der erde nider.

ein wort sprach er niht sider,

18905

wan er leit grôz nôt.

er lac ûf der wal tôt

und hêt verlorn lîp und lant.

den helm er im ab bant.

daz houbt er im ab sluoc,

18910

für die frouwen er ez truoc.

er sprach: «liebiu frou mîn,

ir mügt nû wol ân angst sîn.

seht! hie ist her Cyrus!

erslagen hân ich in alsus.»

18915

dô wart diu frou vrô,

daz ir wol was gelungen dô.

die sînen wurden gevangen,

ez was in übel ergangen.

sumlîch wurden erslagen.

18920

waz sol ich mêr dâ von sagen?

vil lützel kom ir von dan,

er was sælic der dann entran.