Karl Simrock
1802 - 1876
Das Nibelungenlied
Zweiundzwanzigstes Abenteuer
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Wie Kriemhild bei den Heunen empfangen ward.
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1386 | Sie blieb zu Traisenmauer | bis an den vierten Tag.Der Staub in den Straßen | derweil nicht stille lag:Aufstob er allenthalben | wie in hellem Brand.Da ritten Etzels Leute | durch das Oesterreicherland. |
1387 | Es war dem König Etzel | gemeldet in der Zeit,Daß ihm vor Gedanken | schwand sein altes Leid,Wie herrlich Frau Kriemhild | zöge durch das Land.Da eilte hin der König, | wo er die Minnigliche fand. |
1388 | Von gar manchen Sprachen | sah man auf den WegenVor König Etzeln reiten | viel der kühnen Degen,Von Christen und von Heiden | manches breite Heer.Als sie die Herrin fanden, | sie zogen fröhlich einher. |
1389 | Von Reußen und von Griechen | ritt da mancher Mann;Die Polen und Walachen | zogen geschwind heranAuf den guten Rossen, | die sie herrlich ritten.Da zeigte sich ein Jeder | in seinen heimischen Sitten. |
1390 | Aus dem Land zu Kiew | ritt da mancher MannUnd die wilden Peschenegen. | Mit Bogen hub man anZu schießen nach den Vögeln, | die in den Lüften flogen;Mit Kräften sie die Pfeile | bis zu des Bogens Ende zogen. |
1391 | Eine Stadt liegt an der Donau | im Oesterreicherland,Die ist geheißen Tulna. | Da ward ihr bekanntManche fremde Sitte, | die sie noch niemals sah.Da empfiengen sie gar Viele, | denen noch Leid von ihr geschah. |
1392 | Es ritt dem König Etzel | ein Ingesind voran,Fröhlich und prächtig, | höfisch und wohlgethan,Wohl vierundzwanzig Fürsten, | mächtig und hehr:Ihre Königin zu schauen, | sie begehrten sonst nichts mehr. |
1393 | Ramung, der Herzog | aus Walachenland,Mit siebenhundert Mannen | kam er vor sie gerannt.Wie fliegende Vögel | sah man sie alle fahren.Da kam der Fürst Gibeke | mit viel herrlichen Scharen. |
1394 | Hornbog der schnelle | ritt mit tausend MannVon des Königs Seite | zu seiner Fraun heran.Sie prangten und stolzierten | nach ihres Landes Sitten.Von den Heunenfürsten | ward auch da herrlich geritten. |
1395 | Da kam vom Dänenlande | der kühne HawartUnd Iring der schnelle, | vor allem Falsch bewahrt;Von Thüringen Irnfried, | ein waidlicher Mann:Sie empfiengen Kriemhilden, | daß sie viel Ehre gewann, |
1396 | Mit zwölfhundert Mannen, | die zählte ihre Schar.Da kam der Degen Blödel | mit dreitausend gar,König Etzels Bruder | aus dem Heunenland:Der ritt in stolzem Zuge, | bis er die Königin fand. |
1397 | Da kam der König Etzel | und Herr DieterichMit seinen Helden allen. | Da sah man ritterlichManchen edeln Ritter | bieder und auch gut.Davon ward Kriemhilden | gar wohl erhoben der Muth. |
1398 | Da sprach zu der Königin | der edle Rüdiger:«Frau, euch will empfangen | hier der König hehr.Wen ich euch küssen heiße, | dem sei der Kuss gegönnt:Wißt, daß ihr Etzels Recken | nicht alle gleich empfangen könnt.» |
1399 | Da hob man von der Mähre | die Königin hehr.Etzel der reiche | nicht säumt' er länger mehr:Er schwang sich von dem Rosse | mit manchem kühnen Mann;Voller Freuden kam er | zu Frau Kriemhilden heran. |
1400 | Zwei mächtige Fürsten, | das ist uns wohlbekannt,Giengen bei der Frauen | und trugen ihr Gewand,Als der König Etzel | ihr entgegen giengUnd sie den edlen Fürsten | mit Küssen gütlich empfieng. |
1401 | Sie schob hinauf die Binden: | ihre Farbe wohlgethanErglänzt' aus dem Golde. | Da sagte mancher Mann,Frau Helke könne schöner | nicht gewesen sein.Da stand in der Nähe | des Königs Bruder Blödelein. |
1402 | Den rieth ihr zu küssen | Rüdiger der Markgraf reichUnd den König Gibeke, | Dietrichen auch zugleich:Zwölf der Recken küsste | Etzels Königin;Da blickte sie mit Grüßen | noch zu manchem Ritter hin. |
1403 | Während König Etzel | bei Kriemhilden stand,Thaten junge Degen | wie Sitte noch im Land:Waffenspiele wurden | schön vor ihr geritten;Das thaten Christenhelden | und Heiden nach ihren Sitten. |
1404 | Wie ritterlich die Degen | in Dietrichens LehnDie splitternden Schäfte | in die Lüfte ließen gehnHoch über Schilde | aus guter Ritter Hand!Vor den deutschen Gästen | brach da mancher Schildesrand. |
1405 | Von der Schäfte Krachen | vernahm man lauten Schall.Da waren aus dem Lande | die Recken kommen allUnd auch des Königs Gäste, | so mancher edle Mann:Da gieng der reiche König | mit der Königin hindann. |
1406 | Sie fanden in der Nähe | ein herrlich Gezelt.Erfüllt war von Hütten | rings das ganze Feld;Da war nach den Beschwerden | Rast für sie bereit.Da geleiteten die Helden | darunter manche schöne Maid |
1407 | Zu Kriemhild der Königin, | die dort darnieder saßAuf reichem Stuhlgewande; | der Markgraf hatte dasSo prächtig schaffen laßen, | sie fandens schön und gut.Da stand dem König Etzel | in hohen Freuden der Muth. |
1408 | Was sie zusammen redeten, | das ist mir unbekannt;In seiner Rechten ruhte | ihre weiße Hand.So saßen sie in Minne, | als Rüdiger der DegenDem König nicht gestattete, | Kriemhildens heimlich zu pflegen. |
1409 | Da ließ man unterbleiben | das Kampfspiel überall;Mit Ehren ward beendet | der laute Freudenschall.Da giengen zu den Hütten | Die Etzeln unterthan;Herberge wies man ihnen | ringsum allenthalben an. |
1410 | Den Abend und nachtüber | fanden sie Ruhe da,Bis man den lichten Morgen | wieder scheinen sah.Da kamen hoch zu Rosse | viel Helden ausersehn;Hei! was sah man Kurzweil | zu des Königs Ehren geschehn! |
1411 | Nach Würden es zu schaffen | der Fürst die Heunen bat.Da ritten sie von Tulna | gen Wien in die Stadt.In schönem Schmucke fand man | da Frauen ohne Zahl.Sie empfiengen wohl mit Ehren | König Etzels Gemahl. |
1412 | In Ueberfluß und Fülle | war da für sie bereit,Wes sie nur bedurften. | Viel Degen allbereitSahn froh dem Fest entgegen. | Herbergen wies man an;Die Hochzeit des Königs | mit hohen Freuden begann. |
1413 | Man mochte sie nicht alle | herbergen in der Stadt:Die nicht Gäste waren, | Rüdiger die bat,Daß sie Herberge | nahmen auf dem Land.Wohl weiß ich, daß man immer | den König bei Kriemhilden fand. |
1414 | Dietrich der Degen | und mancher andre HeldDie hatten ihre Muße | mit Arbeit eingestellt,Auf daß sie den Gästen | trösteten den Muth;Rüdger und seine Freunde | hatten Kurzweile gut. |
1415 | Die Hochzeit war gefallen | auf einen Pfingstentag,Wo der König Etzel | bei Kriemhilden lagIn der Stadt zu Wiene. | Fürwahr so manchen MannBei ihrem ersten Manne | sie nicht zu Diensten gewann. |
1416 | Durch Gabe ward sie Manchem, | der sie nicht kannte, kund.Darüber zu den Gästen | hub Mancher an zur Stund:«Wir wähnten, Kriemhilden | benommen wär ihr Gut,Die nun mit ihren Gaben | hier so große Wunder thut.» |
1417 | Diese Hochzeit währte | siebzehn Tage lang.Von keinem andern König | weiß der Heldensang,Der solche Hochzeit hielte: | es ist uns unbekannt.Alle, die da waren, | die trugen neues Gewand. |
1418 | Sie hatte nie geseßen | daheim in NiederlandVor so manchem Recken; | auch ist mir wohlbekannt,War Siegfried reich an Schätzen, | so hatte er doch nichtSo viel der edeln Recken, | als sie hier sah in Etzels Pflicht. |
1419 | Wohl gab auch nie ein König | bei seiner HochzeitSo manchen reichen Mantel, | lang, tief und weit,Noch so gute Kleider, | als man hier gewann,Die Kriemhildens willen | alle wurden vertan. |
1420 | Ihre Freunde wie die Gäste | hatten Einen Muth:Sie dachten nichts zu sparen, | und wärs das beste Gut.Was Einer wünschen mochte, | man war dazu bereit;Da Standen viel der Degen | vor Milde bloß und ohne Kleid. |
1421 | Wenn sie daran gedachte, | wie sie am Rheine saßBei ihrem edeln Manne, | ihre Augen wurden naß;Doch hehlte sie es immer, | daß es Niemand sah,Da ihr nach manchem Leide | so viel der Ehren geschah. |
1422 | Was Einer that aus Milde, | das war doch gar ein WindGegen Dietrichen: | was Botlungens KindIhm gegeben hatte, | das wurde gar verwandt.Da begieng auch große Wunder | des milden Rüdiger Hand. |
1423 | Auch aus Ungarlande | der Degen BlödeleinLieß da ledig machen | manchen ReiseschreinVon Silber und von Golde: | das ward dahin gegeben.Man sah des Königs Helden | so recht fröhlich alle leben. |
1424 | Des Königs Spielleute, | Werbel und Schwemmelein,Wohl an tausend Marken | nahm Jedweder einBei dem Hofgelage | (oder mehr als das),Als die schöne Kriemhild | bei Etzeln unter Krone saß. |
1425 | Am achtzehnten Morgen | von Wien die Helden ritten.In Ritterspielen wurden | der Schilde viel verschnittenVon Speren, so da führten | die Recken an der Hand:So kam der König Etzel | mit Freuden in der Heunen Land. |
1426 | In Heimburg der alten | verblieb man über Nacht.Da konnte Niemand wißen | recht des Volkes Macht,Mit welchen Heerkräften | sie ritten durch das Land.Hei! was schöner Frauen | man in seiner Heimat fand! |
1427 | In Misenburg der reichen | fieng man zu segeln an.Verdeckt ward das Wasser | von Ross und auch von Mann,Als ob es Erde wäre, | was man doch fließen sah.Die wegemüden Frauen | mochten sich wohl ruhen da. |
1428 | Zusammen war gebunden | manches Schifflein gut,Daß ihnen wenig schaden | Woge mocht und Flut;Darüber ausgebreitet | manch köstlich Geleit,Als ob sie noch immer | beides hatten, Land und Feld. |
1429 | Nun ward auch in Etzelnburg | die Märe kund gethan:Da freute sich darinnen | beides, Weib und Mann.Etzels Ingesinde, | des einst Frau Helke pflag,Erlebte bei Kriemhilden | noch manchen fröhlichen Tag. |
1430 | Da stand ihrer harrend | gar manche edle Maid,Die seit Helkens Tode | getragen Herzeleid.Sieben Königstöchter | Kriemhild noch da fand;Durch die so ward gezieret | König Etzels ganzes Land. |
1431 | Herrat die Jungfrau | noch des Gesindes pflag,Helkens Schwestertochter, | in der viel Tugend lag,Dietrichs Verlobte, | eines edeln Königs Sproß,Die Tochter Nentweinens, | die noch viel Ehren genoß. |
1432 | Auf der Gäste Kommen | freute sich ihr Muth;Auch war dazu verwendet | viel kostbares Gut.Wer könnt euch des bescheiden, | wie der König saß seitdem?Den Heunen ward nicht wieder | eine Königin so genehm. |
1433 | Als der Fürst mit seinem Weibe | geritten kam vom Strand,Wer eine Jede führte, | das ward da wohl benanntKriemhild der edeln: | sie grüßte desto mehr.Wie saß an Helkens Stelle | sie bald gewaltig und hehr! |
1434 | Getreulichen Dienstes | ward ihr viel bekannt.Die Königin vertheilte | Gold und Gewand,Silber und Gesteine: | was sie des überrheinZum Heunenlande brachte, | das muste gar vergeben sein. |
1435 | Auch wurden ihr mit Diensten | ergeben allzumalDie Freunde des Königs | und denen er befahl,Daß Helke nie die Königin | so gewaltiglich gebot,Als sie ihr dienen musten | bis an Kriemhildens Tod. |
1436 | Da stand in solchen Ehren | der Hof und auch das Land,Daß man zu allen Zeiten | die Kurzweile fand,Wonach einem Jeden | verlangte Herz und Muth;Das schuf des Königs Liebe, | dazu der Königin Gut. |