BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Karl Simrock

1802 - 1876

 

Das Nibelungenlied

 

Einundzwanzigstes Abenteuer

 

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Wie Kriemhild zu den Heunen fuhr.

 

1339

Die Boten laßt reiten, | so thun wir euch bekannt,

Wie die Königstochter | fuhr durch das Land,

Und wo von ihr Geiselher | schied mit Gernot;

Sie hatten ihr gedienet, | wie ihre Treue gebot.

1340

Sie kamen an die Donau | gen Bergen nun geritten.

Da begannen sie um Urlaub | die Königin zu bitten,

Weil sie wieder wollten | reiten an den Rhein.

Da mocht es ohne Weinen | von guten Freunden nicht sein.

1341

Geiselher der schnelle | sprach zu der Schwester sein:

«Schwester, wenn du jemals | bedürfen solltest mein,

Was immer dich gefährde, | so mach es mir bekannt,

Dann reit ich dir zu dienen | hin in König Etzels Land.»

1342

Die Verwandten alle küsste sie auf den Mund.

Minniglich sich scheiden | sah man da zur Stund

Die schnellen Burgunden | von Rüdigers Geleit.

Da zog mit der Königin | manche wohlgethane Maid,

1343

Hundert und viere; | sie trugen schön Gewand

Von buntgewebten Zeugen; | manch breiten Schildesrand

Führte man der Königin | nach auf ihren Wegen.

Da bat auch um Urlaub | Volker der zierliche Degen.

1344

Ueber die Donau kamen | sie jetzt gen Baierland:

Da sagte man die Märe, | es kämen angerannt

Viel unkunder Gäste. | Wo noch ein Kloster steht

Und der Innfluß mündend | in die Donau niedergeht,

1345

In der Stadt zu Paßau | saß ein Bischof.

Herbergen leerten sich | und auch des Fürsten Hof:

Den Gästen entgegen | giengs auf durch Baierland,

Wo der Bischof Pilgerin | die schöne Kriemhild fand.

1346

Den Recken in dem Lande | war es nicht zu leid,

Als sie ihr folgen sahen | so manche schöne Maid.

Da kos'ten sie mit Augen | manch edeln Ritters Kind.

Gute Herberge | wies man den Gästen geschwind.

1347

Dort zu Pledelingen | schuf man ihnen Ruh;

Das Volk allenthalben | ritt auf sie zu.

Man gab, was sie bedurften, | williglich und froh:

Sie nahmen es mit Ehren; | so that man bald auch anderswo.

1348

Der Bischof mit der Nichte | ritt auf Paßau an.

Als es da den Bürgern | der Stadt ward kund gethan,

Das Schwesterkind des Fürsten, | Kriemhild wolle kommen,

Da ward sie wohl mit Ehren | von den Kaufherrn aufgenommen.

1349

Als der Bischof wähnte, | sie blieben nachts ihm da,

Sprach Eckewart der Markgraf: | «Unmöglich ist das ja:

Wir müßen abwärts reiten | in Rüdigers Land:

Viel Degen harren unser: | ihnen allen ist es bekannt.»

1350

Nun wust auch wohl die Märe | die schöne Gotelind:

Sie rüstete sich fleißig | und auch ihr edel Kind.

Ihr hatt entboten Rüdiger, | ihn bedünk es gut,

Wenn sie der Königstochter | damit tröstete den Muth

1351

Und ihr entgegenritte | mit seiner Mannen Schar

Hinauf bis zur Ense. | Als das im Werke war,

Da sah man allenthalben | erfüllt die Straßen stehn:

Sie wollten ihren Gästen | entgegen reiten und gehn.

1352

Nun war gen Everdingen | die Königin gekommen.

Man hatt im Baierlande | von Schächern wohl vernommen,

Die auf den Straßen raubten, | wie es ihr Gebrauch:

So hätten sie die Gäste | mögen schädigen auch.

1353

Das hatte wohl verhütet | der edle Rüdiger:

Er führte tausend Ritter | oder wohl noch mehr.

Da kam auch Gotelinde, | Rüdigers Gemahl,

Mit ihr in stolzem Zuge | kühner Recken große Zahl.

1354

Ueber die Traune kamen sie | bei Ense auf das Feld;

Da sah man aufgeschlagen | Hütten und Gezelt,

Daß gute Ruhe fänden | die Gäste bei der Nacht.

Für ihre Kost zu sorgen | war der Markgraf bedacht.

1355

Von den Herbergen | ritt ihrer Frau entgegen

Gotelind die schöne. | Da zogen auf den Wegen

Mit klingenden Zäumen | viel Pferde wohlgethan.

Sie wurde wohl empfangen; | lieb that man Rüdigern daran.

1356

Die sie zu beiden Seiten | begrüßten auf dem Feld

Mit kunstvollem Reiten, | das war mancher Held.

Sie übten Ritterspiele; | das sah manch schöne Maid.

Auch war der Dienst der Helden | den schönen Frauen nicht leid.

1357

Als zu den Gästen kamen | Die in Rüdigers Lehn,

Viel Schaftsplitter sah man | in die Lüfte gehn

Von der Recken Händen | nach ritterlichen Sitten.

Da wurde wohl zu Danke | vor den Frauen geritten.

1358

Sie ließen es bewenden. | Da grüßte mancher Mann

Freundlich den andern. | Nun führten sie heran

Die schöne Gotelinde, | wo sie Kriemhild sah.

Die Frauen dienen konnten, | hatten selten Muße da.

1359

Der Vogt von Bechelaren | ritt zu Gotlinden hin.

Wenig Kummer schuf es | der edeln Markgräfin,

Daß sie wohl geborgen | ihn sah vom Rheine kommen.

Ihr war die meiste Sorge | mit großer Freude benommen.

1360

Als sie ihn hatt empfangen, | hieß er sie auf das Feld

Mit den Frauen steigen, | die er ihr sah gestellt.

Da zeigte sich geschäftig | mancher edle Mann:

Den Frauen wurden Dienste | mit großem Fleiße gethan.

1361

Da ersah Frau Kriemhild | die Markgräfin stehn

Mit ihrem Ingesinde: | sie ließ nicht näher gehn:

Sie zog mit dem Zaume | das Ross an, das sie trug,

Und ließ sich aus dem Sattel | heben schleunig genug.

1362

Den Bischof sah man führen | seiner Schwester Kind,

Ihn und Eckewarten, | hin zu Frau Gotelind.

Es muste vor ihr weichen, | wer im Wege stund.

Da küsste die Fremde | die Markgräfin auf den Mund.

1363

Da sprach mit holden Worten | die edle Markgräfin:

«Nun wohl mir, liebe Herrin, | daß ich so glücklich bin,

Hier in diesem Lande | mit Augen euch zu sehn:

Mir könnt in diesen Zeiten | nimmer lieber geschehn.»

1364

«Nun lohn euch Gott,» sprach Kriemhild, | «viel edle Gotelind.

So ich gesund verbleibe | mit Botlungens Kind,

Mag euch zu Gute kommen, | daß ihr mich habt gesehn.»

Noch ahnten nicht die Beiden, | was später muste geschehn.

1365

Mit Züchten zu einander | gieng da manche Maid;

Zu Diensten waren ihnen | die Recken gern bereit.

Sie setzten nach dem Gruße | sich nieder auf den Klee:

Da lernten sich kennen, | die sich fremd gewesen eh.

1366

Man ließ den Frauen schenken. | Es war am hohen Tag;

Das edle Ingesinde | der Ruh nicht länger pflag.

Sie ritten, bis sie fanden | viel breiter Hütten stehn:

Da konnten große Dienste | den edeln Gästen geschehn.

1367

Ueber Nacht da pflegen | sollten sie der Ruh.

Die von Bechelaren | schickten sich dazu,

Nach Würden zu bewirthen | so manchen werthen Mann.

So hatte Rüdiger gesorgt, | es gebrach nicht viel daran.

1368

Die Fenster an den Mauern | sah man offen stehn;

Man mochte Bechelaren | weit erschloßen sehn.

Da ritten ein die Gäste, | die man gerne sah;

Gut Gemach schuf ihnen | der edle Rüdiger da.

1369

Des Markgrafen Tochter | mit dem Gesinde gieng

Dahin, wo sie die Königin | minniglich empfieng.

Da war auch ihre Mutter, | Rüdigers Gemahl:

Liebreich empfangen wurden | die Jungfrauen allzumal.

1370

Sie fügten ihre Hände | in Eins und giengen dann

Zu einem weiten Saale, | der war gar wohlgethan,

Vor dem die Donau unten | die Flut vorübergoß.

Da saßen sie im Freien | und hatten Kurzweile groß.

1371

Ich kann euch nicht bescheiden, | was weiter noch geschah.

Daß sie so eilen müsten, | darüber klagten da

Die Recken Kriemhildens; | wohl war es ihnen leid.

Was ihnen guter Degen | aus Bechlarn gaben Geleit!

1372

Viel minnigliche Dienste | der Markgraf ihnen bot.

Da gab die Königstochter | zwölf Armspangen roth

Der Tochter Gotlindens | und also gut Gewand,

Daß sie kein beßres brachte | hin in König Etzels Land.

1373

Obwohl ihr war benommen | der Nibelungen Gold,

Alle, die sie sahen, | machte sie sich hold

Noch mit dem kleinen Gute, | das ihr verblieben war.

Dem Ingesind des Wirthes | bot sie große Gaben dar.

1374

Dafür erwies Frau Gotlind | den Gästen von dem Rhein

Auch so hohe Ehre | mit Gaben groß und klein,

Daß man da der Fremden | wohl selten einen fand,

Der nicht von ihr Gesteine | trug oder herrlich Gewand.

1375

Als man nach dem Imbiß | fahren sollt hindann,

Ihre treuen Dienste | trug die Hausfrau an

Mit minniglichen Worten | Etzels Gemahl.

Die liebkos'te scheidend | der schönen Jungfrau zumal.

1376

Da sprach sie zu der Königin: | «Dünkt es euch nun gut, |

So weiß ich, wie gern es | mein lieber Vater thut,

Daß er mich zu euch sendet | in der Heunen Land.»

Daß sie ihr treu gesinnt war, | wie wohl Frau Kriemhild das fand!

1377

Die Rosse kamen aufgezäumt | vor Bechelaren an.

Als die edle Königin | Urlaub hatt empfahn

Von Rüdigers Weibe | und von der Tochter sein,

Da schieden auch mit Grüßen | viel der schönen Mägdelein.

1378

Sie sahn einander selten | mehr nach diesen Tagen.

Aus Medelick auf Händen | brachte man getragen

Manch schönes Goldgefäße | angefüllt mit Wein

Den Gästen auf die Straße | und hieß sie willkommen sein.

1379

Ein Wirth war da geseßen, | Astold genannt,

Der wies sie die Straße | ins Oesterreicherland

Gegen Mautaren | an der Donau nieder:

Da ward viel Dienst erboten | der reichen Königin wieder.

1380

Der Bischof mit Liebe | von seiner Nichte schied.

Daß sie sich wohl gehabe, | wie sehr er ihr das rieth,

Und sich Ehr erwerbe, | wie Helke einst gethan.

Hei! was sie großer Ehren | bald bei den Heunen gewann!

1381

An die Traisem kamen | die Gäst in kurzer Zeit.

Sie zu pflegen fliß sich | Rüdigers Geleit,

Bis daß man die Heunen | sah reiten über Land:

Da ward der Königstochter | erst große Ehre bekannt.

1382

Bei der Traisem hatte | der Fürst von Heunenland

Eine reiche Veste, | im Lande wohl bekannt,

Mit Namen Traisenmauer: | einst wohnte Helke da

Und pflag so hoher Milde, | als wohl nicht wieder geschah,

1383

Es sei denn von Kriemhilden; | die mochte gerne geben.

Sie durfte wohl die Freude | nach ihrem Leid erleben,

Daß ihre Güte priesen, | die Etzeln unterthan.

Das Lob sie bei den Helden | in der Fülle bald gewann.

1384

König Etzels Herrschaft | war so weit erkannt,

Daß man zu allen Zeiten | an seinem Hofe fand

Die allerkühnsten Recken, | davon man je vernommen

Bei Christen oder Heiden; | die waren all mit ihm gekommen.

1385

Bei ihm war allerwegen, | so sieht mans nimmermehr,

So christlicher Glaube | als heidnischer Verkehr.

Wozu nach seiner Sitte | sich auch ein Jeder schlug,

Das schuf des Königs Milde, | man gab doch Allen genug.