Kurt Tucholsky
1890 - 1935
Das Lächeln der Mona Lisa
Seite 383 der Erstausgabe
|
|
____________________________________________________
| |
Beschluß und Erinnerung
Am 3. Dezember 1928 jährt sich zum zweiten Mal der Todestag Siegfried Jacobsohns
Bei allem, was ich tu und treibe,denk ich an eine starke Hand;die lenkt mich heut noch, wenn ich schreibe,ob auch der Freund uns jäh entschwand.Der Freund – ich nannt ihn dann und wann:den kleinen Mann.
Er war uns viel. Der wollt nicht dämpfen,er packte wuchtig seine Zeit.In Lärm und Streit und lauten Kämpfen;ein Blick – wir wußten gleich Bescheid.Und kämpf ich heut – wie fehlt mir dannder kleine Mann!
Er hat uns vieles hinterlassen:den Dienst am Werk und Schuld und Pflicht.Ich will im Lieben und im Hassenso tun wie er – stets kann ichs nicht.Ich hab mich oft in Zweifeln still gefragt:«Was hätte wohl S. J. dazu gesagt –?»
In seinem Sinn will ich mir Mühe geben:die Wahrheit an das helle Taglicht heben –aus Liebe streiten – in der Stille leben . . .Das sieht von oben freundlich lächelndan der kleine Mann.
Zuerst erschienen in: Die Weltbühne, 04.12.1928, Nr. 49, S. 837 unter dem Pseudonym Theobald Tiger |