Kurt Tucholsky
1890 - 1935
Das Lächeln der Mona Lisa
Seite 352-355 der Erstausgabe
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Duo, dreistimmig
Götz von Berlichingen und der General Cambronne (derselbe, der damals in der Schlacht von Waterloo nicht gesagt hat wie im Helden-gedicht:«Die Garde stirbt, doch sie ergibt sich nicht!»Sondern er sagte nur schlicht:«Merde!») –dieser General Cambronne und Götz von Berlichingentrafen sich neulich im Café und täten daselbst singen:
«Wir, die Nationalheiligen zweier Nationen,die man uns anruft, wo nur Franzosen und Deutsche wohnen,haben uns hier pro Nase einen Mokka Dubel bestelltund betrachten zur Abwechslung einmal den Lauf der Welt.»
Der Götz begann:«Was hältst du, Bruderherz, von den Demokraten,die noch in jeden Wein ihr Wasser abschlagen taten,vorsichtig,umsichtig,nachsichtig,kurzsichtig –und liegen immer unten. Was hältst du davon –?»«Merde –!» sagte Cambronne.
Und fuhr fort:«Was aber hältst du, Bruder, von den preußischen Richtern,diesen Vollzugsbeamten von Denkern und Dichtern?Wie sie nichts hören und nichts sehn – aber zuschlagenund um sich Jammer verbreiten und Klagen.Wie sie die Wehrlosen fangen in ihren Schlingen . . . ?»« . . . . . . !» sagte der Götz von Berlichingen.
Und fuhr fort:«Kennst du aber die uniformierten Burschen in allen Ländern,die in ihren bekleckerten Indianergewändernden nächsten Krieg vorbereiten? Mit dem Anspruch aufs Panthéon?»«Ah merde –!» sagte Cambronne.
Und fuhr fort:«Kennst du aber die Theaterdirektoren?Jedem ist gerade ein neues Genie geboren,und besiehst du dir näher die göttliche Ware,ists ein Genie vom vorigen Jahre.Haben einen Augenfehler: schielen auf die Kritikund sitzen in einer Konjunktur-Fabrik.Wär gar nicht übel. Nur:es ist immer die falsche Konjunktur.Wirr. Unzuverlässig. Ja, was können sie denn vor allen Dingen –?»Da sagte es der Götz von Berlichingen.
Und fuhr fort:«Was hältst du aber hingegen von den Parlamenten?Mit ihren Kommissionssitzungen und ihren Reund Korreferenten?Bruder, sag mir, ist es bei euch das gleichewie in unserm republikanischen Kaiserreiche?Das Ganze nennt man Demokratie –ist aber nur eine politische Schwerindustrie.Gut vor hundert Jahren. Heute: so alt, so alt –Kluge verlangen eine neue Staatengestalt.Dumme beharren bei ihrem kindlichen Eifer –Habt ihr auch sozialdemokratische Dudelsackpfeifer?Wir haben sie. Prost, lieber Bruder, du!Was sagen nur unsre respektiven Wähler dazu –?
Pfeift das nicht alles auf dem vorletzten Loche:Demokraten,Theater,Offiziere,Richter –Was sagen sie überhaupt zu dieser Epoche –?»Da standen beide auf: der Götz und der General Cambronneund zogen laut rufend die Konsequenz davon.Jeder sagte seinen Spruch. Die Tassen bebten. Und allen schien,als werde hier einem Weltenwunsch Ausdruck verliehn . . .«Merde –!» sagte Cambronne. Und der andre der beiden Recken:«Sag ihnen allen, sie könnten mich und so weiter beklecken!»
An der Wand, ganz heimlich, in guter Ruh,steht Theobald Tiger und gibt seinen Segen dazu.
Zuerst erschienen in: Die Weltbühne, 22.12.1925, Nr. 51, S. 956 unter dem Pseudonym Theobald Tiger |