Kurt Tucholsky
1890 - 1935
Mit 5 PS
Seite 366-368 der Erstausgabe
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Rote Melodie
Für Erich Ludendorff Gesungen von Rosa Valetti
Die Frau singt:
Ich bin allein.Es sollt nicht sein.Mein Sohn stand bei den Russen.Da fuhr man sie,wies liebe Vieh,zur Front – in Omnibussen.Und da – da blieb die Feldpost weg –Haho! Er lag im Dreck.Die Jahre, die Jahre,sie gingen träg und stumm.Die Haare, die Haaresind grau vom Baltikum . . .General! General!Wag es nur nicht noch einmal!Es schrein die Toten!Denk an die Roten!Sieh dich vor! Sieh dich vor!Hör den brausend dumpfen Chor!Wir rücken näher ran – Kanonenmann!Vom Grab – Schieb ab –!
Ich sah durchs Landim Weltenbrand –da weinten tausend Frauen.Der Mäher schnitt.Sie litten mitmit hunderttausend Grauen.Und wozu Todesangst und Schreck?Haho! Für einen Dreck!Die Leiber – die Leiber –sie liegen in der Erd.Wir Weiber – wir Weiber –wir sind nun nichts mehr wert . . .General! General.Wag es nur nicht noch einmal!Es schrein die Toten!Denk an die Roten!Sieh dich vor! Sieh dich vor!Hör den brausend dumpfen Chor!Wir rücken näher ran, Kanonenmann,zum Grab! – Schieb ab –!
In dunkler Nacht,wenn keiner wacht –:dann steigen aus dem Grabender Füselier,der Musketier,die keine Ruhe haben.Das Totenbataillon entschwebt –Haho! zu dem, der lebt.Verschwommen, verschwommenhörst dus im Windgebraus.Sie kommen! Sie kommen!und wehen um sein Haus . . .General! General!Wag es nur nicht noch einmal!Es schrein die Toten!Denk an die Roten!Sieh dich vor! Sieh dich vor!Hör den unterirdischen Chor!Wir rücken näher ran – du Knochenmann! –im Schritt! Komm mit –!
Zuerst erschienen in: Die Weltbühne, 03.08.1922, Nr. 31, S. 122, unter dem Pseudonym Theobald Tiger |