Heinrich Mann
1871 - 1950
Lidice
1943
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Der Burghof. Außerhalb seines Tores wird laut gezimmert. Die Beleuchtung beschränkt sich in der Hauptsache auf den Mondschein: man erkennt nicht, was die Arbeiter machen.Sie ermutigen einander durch Zurufe. Endlich steigt der Gegenstand, den sie handhaben, steil in die Höhe. Es ist ein Galgen.Oberst Schalk: Donnerwetter. Wirklich ein Galgen.“Er und seine Freunde, die Geheimräte Rumfutsch und Blumentopf, die Präsidenten Labyrinth und Meyer, werden im Innern des Hofes von der Truppe des Sturmbannführers Jellinek bewacht und aufs Korn genommen.Geheimrat Rumfutsch: Einer? bis es fünfzig Galgen sind, bricht der Tag an, noch ein Tag, noch eine Nacht brechen an. Etwas Menschliches kann jedem zustoßen, auch – ihm.“Präsident Labyrinth: Wenn der Führer ihn nur ansieht, erkennt er die Nachahmung.“Präsident Meyer: Und hängt nicht uns, sondern ihn.“Der Sturmbannführer: Ich höre immer, die Herren wollen den Führer hängen. Das fehlte Ihnen gerade noch zum Hoch- und Landesverrat.“Oberst Schalk: Sturmbannführer Jellinek, Sie sind als brauchbarer Offizier vornotiert. Sparen Sie Ihren Übereifer!“Geheimrat Rumfutsch: Er könnte Ihnen falsch ausgelegt werden.“Präsident Labyrinth: Merken Sie sich, junger Mann, daß sogleich der Führer eintrifft.“Der Sturmbannführer, erschrocken: Persönlich?“Präsident Meyer: So persönlich wie möglich.“Oberst Schalk: Ich hatte die Ehre, ihm vorgestellt zu werden. Sie wohl auch?“Der Sturmbannführer lacht schallend: So was kommt höchstens im Märchen vor. Sein persönliches Erscheinen – desgleichen. Der Führer befindet sich bei seinen Soldaten, ich hörte es von seiner eigenen Stimme.“Geheimrat Rumfutsch: Wir hörten seine Stimme deutlich sagen, daß er hier sein wird.“Der Sturmbannführer: Dann hat er sich mit Ihnen einen Scherz erlaubt.“ Er hält sich den Mund zu. Pardon die Entgleisung, der Führer scherzt niemals. Sie aber, meine Herren, haben Humor. So nah dem Galgen, und noch Witze. Da regt sich mein rheinisches Blut.“Er lacht aus vollem Halse. Er macht um den Hof die Runde.Der Posten vor dem Haupteingang: Melde gehorsamst, der Protektor sind oben.“Der Sturmbannführer: Wird auf den Führer warten.“ Er lacht.Präsident Labyrinth: Der Sturmbannführer scheint uns nicht zu glauben.“Präsident Meyer: Er hat nicht gehört, was wir hörten.“Geheimrat Blumentopf, sein erstes Wort: In dem stockdunklen Theater.“Oberst Schalk: Soll das Zweifel andeuten? Wenn jemand die Stimme des Führers kennt –.“Geheimrat Rumfutsch: Bin ich's. Meine Kanzlei hatte ihn telefonisch mit dem Protektor verbunden, als er ihn seinen Freund nannte.“Oberst Schalk: Den echten Protektor. Nicht den anderen, der uns hängen will.“Geheimrat Blumentopf: Meine Herren! Den falschen Protektor kennen Sie nur in der einen seiner Glanzrollen. Wer sagt Ihnen, daß er nicht auch den Führer täuschend nachahmt – in einem verdunkelten Theater.“Präsident Labyrinth: War es wieder nur der Schwindler, wozu sind wir denn hergekommen?“Präsident Meyer: Wenn unsere Hinrichtung abgesagt ist?“Geheimrat Blumentopf: Wohin sonst mit uns? Er oder wir, so weit ist es. Mir sagt mein Polizeiinstinkt: er.“Stimmen erheben sich auf der anderen Seite des Hofes.Geheimrat Rumfutsch, streckt den Finger nach dem entgegengesetzten Winkel: Die Tschechen werden übermütig. Das kommt davon, wenn eine Hinrichtung ohne amtliche Kontrolle abgesetzt wird. Für den Stundenplan des Protektors bin ich verantwortlich.“Präsident Labyrinth: Dem Höchsten.“Präsident Meyer: Ihm. Ich kann mir nicht helfen, ich glaube an seine sichtliche Offenbarung, und sie ist nahe.“Oberst Schalk: Ich vermisse die militärische Pünktlichkeit. Der Protektor ist nicht da, aber wir selbst haben uns verspätet. Die Schuld trägt Herr Blumentopf.“Geheimrat Blumentopf: Nein, Sie.“Oberst Schalk: Bei nicht weniger als fünf Lokalen haben Sie halten lassen. Überall mußten Sie sich stärken.“Geheimrat Blumentopf: Sie auch. Wenigstens nahm ich tschechische Gäste mit – nur wer einen Wagen hatte, um uns zu begleiten. Dieser 30. Juni darf nicht an Deutschen allein vollstreckt werden.“ |