BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Heinrich Mann

1871 - 1950

 

Lidice

 

1943

 

____________________________________________________________

 

 

 

16

 

Jaroslav und Pavel Ondracek verfolgen auf der dunklen Dorfstraße ihren Knecht Eger, der sich häufig umwendet. Sie nehmen Deckung, bis er weitergeht. Zeitweise läuft er. „Diesmal hat er Eile“, sagt Pavel. Der Vater meint: „Er hat uns gesehen.“ – „Telephonieren darf er trotzdem nicht“, sagt der Sohn. Er erklärt: „Das ist sein zweites Gespräch, seit der Protektor hier war. Einmal hat er nach Prag gemeldet, wie das zuging, mit Heydrich in Lidice.“

Jaroslav: „Wem hat er es gemeldet?“

Pavel: „Dem alten Protektor Neurath. Das ist nicht schlimm. Der glaubt, mit uns wäre friedlich auszukommen; wir könnten seine tschechischen Engelchen sein, und er der deutsche Herrgott, vorn und hinten die Gestapo.“

Jaroslav trabt schneller: „Mit dem Heydrich darf er nicht sprechen. Ihm erzählen, was für Gesichter du schneiden kannst, das fehlte noch. Ich wollte schon längst den Eger fortschicken.“

Pavel: „Nein, ich, und ich hatte unrecht.“

Jaroslav: „Jetzt kann ich ihm nur den Kragen umdrehen.“

Pavel: „Das täte schon die Lyda, wenn er zu Haus den Apparat benutzt. Aber er geht nicht auf den Hof; kommt wohl nie wieder.“

Franticek Eger lenkt in den Feldweg nach dem Bergwerk. Langer Aufenthalt des Verfolgten in einem Graben, zur Täuschung der Verfolger.

Sie umgehen den Graben, sie sind früher als der Verräter beim Eingang des Bergwerks: sie verständigen sich unhörbar mit dem Aufseher, der tiefes Schweigen verspricht. Wer ein Tscheche und Patriot ist, kann schweigen.

Als Eger kommt, wird er abgefangen und an einen Stuhl gefesselt. Er soll eingestehen, wen und was er den Deutschen schon angegeben hat. Eger behauptet, daß er die Deutschen für ihr Geld betrügt, mit Fabeln von englischen Flugzeugen und Attentätern, die im Fallschirm niedergehen. Die Fremden sollen sich fürchten.

Jaroslav hat Pavel nach dem Wagen geschickt. Er versucht aus dem Deutschböhmen herauszubringen, daß er von Pavel und seinen Fratzen telephonisch Meldung erstatten wollte.

Franticek Eger: „Ich war betrunken, da sieht man überall den Heydrich.“

Der Aufseher: „Hör, Franticek, auch wir könnten melden, wir wissen wohin, und noch heute nacht wirst du verschwunden sein, wird niemand wissen, wo.“

Pavel tritt ein, mit Gesicht und Stimme des neuen Protektors. Eger schreit auf und verliert das Bewußtsein.

Die drei anderen kommen überein, daß der Mensch nicht gesund ist; man soll ihn nicht anzeigen, sondern verwahren.

Die beiden Ondracek bringen ihn in ihrem Marktwagen nach dem Hof.

Der Aufseher, beim Abschied, zu Pavel: „Da kannst du etwas Schönes. Geh als Grimassenschneider mit einem Wanderzirkus – nach Jugoslawien, dort führst du deine Glanznummer vor.“