Rosa Luxemburg
1871 - 1919
Briefe aus dem Gefängnis
1917Aus Wronke (Posen)
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Wronke, 6. Mai 1917.
Sonitschka,
ich schickte Ihnen Le feu“ 1), vergaß es aber einschreiben zu lassen, geben Sie mir bitte Nachricht, wenn Sie's erhalten. Was Ihr Wiedersehn mit Ihrer Mutter betrifft, so scheint mir die Sache gar nicht so aussichtslos. Es ist doch sicher, daß der Abreise Ihrer Mutter ins Ausland von russischer Seite nunmehr keine Hindernisse bereitet werden. Sie könnte dann nach Schweden oder nach der Schweiz kommen, und ich zweifle nicht, daß auch Sie einen Paß kriegen würden, um nach einem neutralen Lande zu Ihrer Mutter zu fahren. Versuchen Sie doch vor allem, Ihre Mutter zu dieser Reise zu bewegen. Wie es mit ihrer Gesundheit steht, ob sie sich einer solchen Strapaze aussetzen darf, weiß ich allerdings nicht; schreiben Sie mir bitte darüber. Seit dem 1. Mai haben wir hier viel Sonne, nur heute, am Sonntag, war es sehr stürmisch und kühl.
Ich umarme Sie herzlichIhre R.
―――――――― 1) Rosa Luxemburg meint wahrscheinlich den Roman Le feu. Journal d'une esconade“ (Das Feuer. Tagebuch einer Korporalschaft) von Henri Barbusse, der 1917 in Paris erschien, 1918 dann in deutscher Sprache im Verlag Max Rascher, Zürich. |