Heinrich Lautensack
1881 - 1919
Die Samländische Ode
1918
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Der Erste Gesang
Sanftere Hügel: sanftere Hügel sah ich noch keine.Anzuschauen: so hoch nur wie Brüste von Frauen sind.Wie Brüste von Frauen, die (an dieser Bernsteinküste) baden im Meer.Samland: ich fuhr durch dich. (Und ich erfuhr dich.)Zu Wagen. Im Scheinehorizontferner mattgoldner Gewitter rollend. Im Wind,der wie aus dem Ährengelb wuchs und von unterden sternlila Kornblumen her
Und immer wieder an wilden Rosen vorüber:Oh Heckenwie auf Papierservietten so kunstlos gemalt (die wir trafen);oder auf Fächern, altmodischen; oder in untersten Eckender Kabinett- und Visitkartons von Provinzphotographen!
. . . . von Euerm Hof- und Leibphotographen in Königsberg!Gutsbesitzersfrauen und Töchter! Landedelfrau'n!Dürft' ich in Eure vergoldeten rotsamt'nen Albums hineinschau'n.Schauen auf allen den Bildern den LichteffektEueres Haars: goldenstes Werg.
Schauen auf allen den Bildern den Lichteffekt Eueres Haars: goldenster Flachs.Gutsbesitzersfrauen und Töchter! Landes edelste Frau'n!Dürft' ich in Eure rotsamt'nen Familienalben hineinschau'n.Schauen auf allen den Bildern den LichteffektEueres Haars: goldenstes Wachs.
Frau'n, Euer Haar, Frau'n, scheint aus dem Samland-Boden gezogen.Scheint so der Erd' entwunden – ist der Vergleich erkühnt? –;scheint so reifgelb, als hätt's in Euerer Wiege gegrünt!Wie süß'ste Frucht vom Baum scheint's aus dem Boden gesogen.
. . . . Die Wellen, sobald sie der Sturm wiegt; die Wellen oft türmen Perückenvon solcher Griseldenfarb' auf wie – Frauen, Frau'n – Euer Haar.Und der Glanz Eures Haars liegt; Glanz Eures sonnigen Haars fliegt bis zu den Achselstückenhin Eurer Söhne im Feld, die aus der dunkleren Scharand'rer mitfechtender Deutscher leuchten: albinogleich.Manche Bernsteintränen auch fand ich ähnlich bleich-durch-scheinend.Und – hingelagert breit mit weiblichen Schoßes Wucht –die Holunderbucht; am Palmnickener Strand verwirr'nde Holunderbucht(mit den Kiefern darüber, so pinienhaft-weich):deren vieltausend Dolden, im Abblüh'n zumal, sie ahnendem weiß-goldenen Fluten Eurer duftenden Strähnen . . . .
Andere Frauen, die muß man erst träumen; sich fertig träumen;zu Heiligen, Märtyrerinnen; oder sonst einem Bilde aus Wahn.Ihr seid am schönsten wo immer: in Euerem Park unter Bäumenoder – im ewigen Schmuck Eures Haars – auf der Fahrt zur Bahn.
Andre Frau'n – aus der Großstadt – gewinnen sommers im Bade(mit welch' sinnlichen Mitteln freilich, das stehe dahin!);Ihr – in Matrosenstrohhüten – verliert höchstenfalls in Berlin.Aber hier seid Ihr alles: seid Schloß, Dorf, Kaul, Forst, Meer und Meeresgestade;unter der Wolke der Acker, seid über der Wiese das Blau;braucht kein entworf'nes Kostüm (gleich jenen) zu einer «Najade»;seid durch alles begnadet und allem Gnade;seid eine Frau dieses Landes – wie: dieses Land eine Frau! |