Else Lasker-Schüler
1869 - 1945
Die Nächte Tino von Bagdads
1907
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Der Khedive
INDESSEN Tino, die Dichterin Arabiens, Einlass begehrte vor dem Tore des Palastes, sassen die Lieblingsfrauen des Khediven um den Springbrunn im Vorraum und freuten sich ihrer Ränke. Und als nach Jahren Mohamed Pascha der Weissbärtige zum Rosenfeste nach der Nilhauptstadt reiste, erzählte ihm seine Tochter Tino auf dem Wüstenwege, wie sie verspottet wurde von dem Torwächter des Khediven. Noch in derselben Nacht weckte Mohamed Pascha sein Gefolge. Auf seinem schweren Elephanten sitzt er und reitet über die ruhenden Leiber der Würdenträger und Sklaven und sie nicht vergessen sollen diese Stunde. Und sie mussten bis zur Mondneige immer sein Gebot sprechen und es drehte sich schon in ihrem Munde, ein heiliger Tanz. Und als die grosse Karawane in die grüne Stadt einzog und das Volk auf den Strassen befragte, wie die Prinzessin mit den schillernden Augen heisse, sprachen sie nach ihres Herrn Gebot. Aber die Lieblingsfrauen des Khediven hatten schon für ihren Gast ein Bad bereitet und es getränkt mit duftenden, giftigem Oel. Und als sie hörten: Tino ist tot und die fremde Prinzessin, des Paschas Bruders-Tochter, ihrer Freundschaft warte, schmückten sie ihre Schultern mit Ketten und Gehängen und legten sie auf ein Ruhebett von Seide; da träumte sie, ihr Name sei verklungen wie der Ruf des Wüstenvogels. Und als die funkelnde Goldhand am Morgen das blühende Kairo segnete, hatte sie ihren Namen vergessen und alle die wussten ihn nicht zu nennen, welche gezogen waren mit ihr und ihrem Vater nach Egypten. Aber die jungen Knospengärten unter ihrem Fenster füllten sich, wenn sie ihnen zur Märchenstunde von Farben singender Erden erzählte. Und die grossen Feste begannen, da die Frauen teilnahmen einmal im Jahre. Des Weissbärtigen Tochter sass neben dem Herzen des Khediven und ihre Lippen murmelten immer süsse Gesänge ... um seine Stirne zog sich ein leuchtendes Liebesband. Und am letzten Tage des Festes erhob der Khedive des Weissbärtigen Tochter zu seinem Gemahl über alle Frauen seiner Liebe und seines Palastes. Und immer wenn er sie fragte über ihrer Lippen süsses Gemurmel, verbarg sie ihr Angesicht in den Spitzenkelch ihres Schleiers. Und ihre Glieder glühten von den rauschenden Farben ihrer Gedanken. Ein Feuerberg war sie, der an seinem Feuer verdorrt, eine bunte Quelle, die nicht von ihrem Schäumen erzählen darf und in ihrem eigenen Gesprudel ertrinkt. Und den Khediven erfüllten die ruhlosen Schatten ihrer Seele mit Sorgen und er schenkte ihr um sie zu ermuntern, fünfhundert tanzende Zwerginnen zum Spielzeug – liess ihnen vor ihrem Fenster ein kleines Städtchen bauen. Und Gärtner sandte er in ihre Heimat, die Blumen von den Ufern des roten Meeres brachten. Schimmel und Esel aus den Ställen ihres Vaters, und den schweren Elefanten liess er kommen, der sie und Mohamed Pascha in sein Land getragen hatte. Und als die Prinzessin ihre Heimatfreuden nahen hörte, das Wiehern ihres Lieblings-Pferdes, die Rufe der mutwilligen kleinen Eseltreiber und das schwere Getrampel des Elefanten vernahm, eilte sie dem köstlichen Zuge entgegen. Und der Khedive gab ein grosses Fest; von Dudelsackpfeifern und Flötenspielern waren die Höfe um den Palast gefüllt. Nach ihrer Musik tanzten die Prinzen und Prinzessinnen und Alle im Palast tanzten bis zu den Ziegenknechten. Und die Mauern der Gärten begannen sich zu drehen und die ganze Stadt tanzte bis zum Ufer des Flusses. Und als der Khedive seine Herzallerliebste zum Tanze holen wollte, lag sie am Rücken des schweren Ele-fanten gelehnt – Tino ist tot! Und der Goldfinger der Sonne zeigte auf ihren eingeschnittenen Namen in der Haut des Riesentieres. Von den Gipfeln der Pyramiden sprechen Priester zu allen Rosenmonaten ihre Märchen und es ist bald Niemand mehr im Lande, der sie nicht kennt. Aber die lachenden Locken des Khediven hängen starr um sein Angesicht und wer ihn ansieht, stirbt an seinem Schmerz .......... |