Georg Heym
1887 - 1912
Der ewige Tag
1911
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Dolores
Die Professoren
Zu vieren sitzen sie am grünen Tische,Verschanzt in seines Daches hohe Kanten.Kahlköpfig hocken sie in den Folianten,Wie auf dem Aas die alten Tintenfische.
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5 | Manchmal erscheinen Hände, die bedrecktenMit Tintenschwärze. Ihre Lippen fliegenOft lautlos auf. Und ihre Zungen wiegenWie rote Rüssel über den Pandekten.
Sie scheinen manchmal ferne zu verschwimmen, |
10 | Wie Schatten in der weißgetünchten Wand.Dann klingen wie von weitem ihre Stimmen.
Doch plötzlich wächst ihr Maul. Ein weißer SturmVon Geifer. Stille dann. Und auf dem RandWiegt sich der Paragraph, ein grüner Wurm.
Das Fieberspital
IDie bleiche Leinwand in den vielen BettenVerschwimmt in kahler Wand im Krankensaal.Die Krankheiten alle, dünne Marionetten,Spazieren in den Gängen. Eine Zahl
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5 | Hat jeder Kranke. Und mit weißer KreideSind seine Qualen sauber aufnotiert.Das Fieber donnert. Ihre EingeweideBrennen wie Berge. Und ihr Auge stiert
Zur Decke auf, wo ein paar große Spinnen |
10 | Aus ihrem Bauche lange Fäden ziehn.Sie sitzen auf in ihrem kalten LinnenUnd ihrem Schweiß mit hochgezognen Knien.
Sie beißen auf die Nägel ihrer Hand.Die Falten ihrer Stirn, die rötlich glüht, |
15 | Sind wie ein graugefurchtes Ackerland,Auf dem des Todes großes Frührot blüht.
Sie strecken ihre weißen Arme vor,Vor Kälte zitternd und vor Grauen stumm.Schon wälzt ihr Hirn sich schwarz von Ohr zu Ohr |
20 | In ungeheurem Wirbel schnell herum.
Dann gähnt in ihrem Rücken schwarz ein Spalt,Und aus der weißgetünchten MauerwandStreckt sich ein Arm. Um ihre Kehle balltSich langsam eine harte Knochenhand.
IIDes Abends Trauer sinkt. Sie hocken stumpfIn ihrer Kissen Schatten. Und hereinKriecht Wassernebel kalt. Sie hören dumpfDurch ihren Saal der Qualen Litanein.
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5 | Das Fieber kriecht in ihren Lagern um,Langsam, ein großer, gelblicher Polyp.Sie schaun ihm zu, von dem Entsetzen stumm.Und ihre Augen werden weiß und trüb.
Die Sonne quält sich auf dem Rand der Nacht. |
10 | Sie blähn die Nasen. Es wird furchtbar heiß.Ein großes Feuer hat sie angefacht,Wie eine Blase schwankt ihr roter Kreis.
Auf ihrem Dache sitzt ein Mann im StuhlUnd droht den Kranken mit dem Eisenstab. |
15 | Darunter schaufeln in dem heißen PfuhlDie Nigger schon ihr tiefes, weißes Grab.
Die Leichenträger gehen durch die ReihenUnd reißen schnell die Toten aus dem Bett.Die andern drehn sich nach der Wand mit Schreien |
20 | Der Angst, der Toten gräßlichem Valet.
Moskitos summen. Und die Luft beginntVor Glut zu schmelzen. Wie ein roter KropfSchwillt auf ihr Hals, darinnen Lava rinnt.Und wie ein Ball von Feuer dröhnt ihr Kopf.
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25 | Sie machen sich von ihren Hemden losUnd ihren Decken, die sie naß umziehn.Ihr magrer Leib, bis auf den Nabel bloß,Wiegt hin und her im Takt der Phantasien.
Das Floß des Todes steuert durch die Nacht |
30 | Heran durch Meere Schlamms und dunkles Moor.Sie hören bang, wie seine Stange krachtLauthallend unten am Barackentor.
Zu einem Bette kommt das Sakrament.Der Priester salbt dem Kranken Stirn und Mund. |
35 | Der Gaumen, der wie rotes Feuer brennt,Würgt mühsam die Oblate in den Schlund.
Die Kranken horchen auf der LagerstattWie Kröten, von dem Lichte rot gefleckt.Die Betten sind wie eine große Stadt, |
40 | Die eines schwarzen Himmels Rätsel deckt.
Der Priester singt. In grauser ParodieKrähn sie die Worte nach in dem Gebet.Sie lachen laut, die Freude schüttelt sie.Sie halten sich den Bauch, den Lachen bläht.
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45 | Der Priester kniet sich an der Bettstatt Rand.In das Brevier taucht er die Schultern ein.Der Kranke setzt sich auf. In seiner HandDreht er im Kreise einen spitzen Stein.
Er schwingt ihn hoch, haut zu. Ein breiter Riß |
50 | Klafft auf des Priesters Kopf, der rückwärts fällt.Und es erfriert sein Schrei auf dem Gebiß,Das er im Tode weit noch offen hält.
Die Schläfer
Jakob van Hoddis gewidmet
Es schattet dunkler noch des Wassers Schoß,Tief unten brennt ein Licht, ein rotes MalAm schwarzen Leib der Nacht, wo bodenlosDie Tiefe sinkt. Und auf dem dunklen Tal,
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5 | Mit grünem Fittich auf der dunklen FlutFlattert der Schlaf, der Schnabel dunkelrot,Drin eine Lilie welkt, der Nacht Salut,Den Kopf von einem Greise gelb und tot.
Er schüttelt seine Federn wie ein Pfau. |
10 | Die Träume wandern wie ein lila HauchUm seine Schwinge, wie ein blasser Tau.In ihre Wolke taucht er, in den Rauch.
Die großen Bäume wandern durch die NachtMit langem Schatten, der hinüber läuft |
15 | Ins weiße Herz der Schläfer, die bewachtDer kalte Mond, der seine Gifte träuft
Wie ein erfahrner Arzt tief in ihr Blut.Sie liegen fremd einander, stumm, im HaßDer dunklen Träume, in verborgner Wut. |
20 | Und ihre Stirn wird von den Giften blaß.
Der Baum von Schatten klammert um ihr HerzUnd senkt die Wurzeln ein. Er steigt emporUnd saugt sie aus. Sie stöhnen auf vor Schmerz.Er ragt herauf, am Turm der Nacht, am Tor
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25 | Der blinden Stille. In die Zweige fliegtDer Schlaf. Und seine kalte Schwinge streiftDie schwere Nacht, die auf den Schläfern liegtUnd ihre Stirn mit Qualen weiß bereift.
Er singt. Ein Ton von krankem Violett |
30 | Stößt an den Raum. Der Tod geht. Manches HaarStreicht er zurück. Ein Kreuz, Asche und Fett,So malt er seine Frucht im welken Jahr. |