Max Herrmann-Neiße
1886 - 1941
Empörung, Andacht, Ewigkeit
1918
Acht Gedichte aus der NachfolgeJakob Böhmes
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Ich nahm den sehr verhaßten Pfad – –
Ich nahm den sehr verhaßten Pfad, wo zwischenmodernden Teichen dich ein Hohlweg fängt;wo Dunst von Unrat und verwesten Fischenals Wolke über deinem Atem hängt; | |
5 | wo immer Nacht ist; wo sich die Gedankenwie Kröten ducken in das düstre Moorund deine Wünsche sich mit widrig kranken,geifernden Gliedern klammern an das Rohr.Dort suchte ich das Letzte zu erschleichen, |
10 | ob es mir irgend noch beschieden sei,in deiner frechsten Fratze zu erbleichen,Mißton zu spein aus deinem Eulenschrei.Ich suche dich in deiner letzten Öde,in deiner Scham, in der dich keiner liebt, |
15 | ich aber suche noch die glücklos blödeGrimasse, die dein Angesicht verschiebt,und ich will lieben deine scheelste Schande,der ich in deinem Stolz nicht leuchten darf,und den sein Schicksal aus dem Morgenlande |
20 | erträumter Heimat als Enterbten warf.Leicht ist es, dich im lichten Laub zu finden, –ich will dich, wo du heillos häßlich bist,feindselig und entstellt, mit gierig blinden,tappenden Gesten abgefeimter List |
25 | Nachstellungen ersinnst und Hinterhälteund nicht das eigne Königtum mehr kennst,wo eine künstlich hingehaltne Kältedie Flamme leugnet, drin du qualvoll brennst.Ich suche dich in deinem schlimmsten Flecken, |
30 | dort, wo du wertlos und voll Ekel sinkst,will ich für meine Demut dich entdecken,daß du mit mir aus einem Scherben trinkst,die schale Fäulnis trinkst, und doch derselbenlechzenden Durstbegierde einverleibt |
35 | dein Mund und meiner, und in schmutzig gelbenLehmfurchen meine Spur an deiner bleibt;mit dir ein Schade sein und ein Gebrechen,die letzte Gnade, die ich mir erbat,mit dir die lästerlichsten Zoten sprechen, |
40 | mit dir der Helfer widerlichster Tat:doch irgendwie in deine Schlucht zu schlüpfenund teilzuhaben, sei es, wo zuletztdu dich verlierst, mich innig zu verknüpfendem Netz, in das der gleiche Haß uns hetzt, |
45 | ist Gnade vor der einsam blauen Lichtung,wo Reinheit Rache wird am fernen Mond,und noch mit dir Verrat und Selbstvernichtungist mehr als Ewigkeit, die einsam thront. |