BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Max Herrmann-Neiße

1886 - 1941

 

Empörung, Andacht, Ewigkeit

 

1918

 

Acht Gedichte aus der Nachfolge

Jakob Böhmes

 

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Herr, kannst du nicht die Dinge strafen

 

Herr, kannst du nicht die Dinge strafen,

sie widerstreben deinem Sohn:

der Kissen Eigensinn läßt ihn nicht schlafen

und in Verzweiflung treibt das Telephon.

 

5

Die Lampe macht sich launenhaft zum Feinde,

mit dem ein ungewisser Krieg beginnt,

und eine ganze drohende Gemeinde

hat Hinterhälte, wo sie Aufruhr sinnt.

 

Die Dunkelheit ist stumm im Bunde

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mit jeder Ecke, jeder Wand,

es höhnt die Uhr mit falscher Stunde

und Rundes rinnt aus meiner Hand.

 

Und viel ist störrisch in Verstecken,

die Riegel geben mir nicht nach –

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Herr, soll mich noch ein Stein beflecken,

ein hohles Holz mit solcher Schmach?

 

Oder: sind dir die Dinge näher

und mehr dein Sohn, als ich es bin,

und stelltest du sie mir als Späher

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um meine Leidenschaften hin?

 

Damit sie mich vor dir erproben

und Spiegel meiner Schwachheit sind –

wie wird mein Bitten, wird mein Toben

an ihnen ein vertaner Wind!

 

25

Daß ich an ihnen Demut lerne

und die Geduld, die bei dir thront,

damit ein Hauch von deinem Sterne

mit mir im gleichen Raume wohnt.

 

Damit ich ohne Überheben

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behüte, was mir Nachbar bleibt,

und weiß: der Dinge Dämmern und mein Leben

sind deiner Einsamkeit gleich einverleibt.