Friedrich Gundolf
1880 - 1931
Jahrbuch für die geistige Bewegung
Jahrbuch 1910Vorbemerkung
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Schon vor jahren ist in kreisen der jüngeren die den Blättern für die Kunst nahestanden der gedanke eines beurteilenden jahrbuchs besprochen worden, das die vielfachen, zerspaltenen, verwirrten tendenzen der zeit auf ihre berechtigungen hin prüfte. Inzwischen ist die verwirklichung immer nötiger geworden: der wahllos zusammengetragene bildungsstoff hat sich derart angehäuft, dass er geist und kultur nicht mehr fördert, sondern zu ersticken droht. Mit der herausgabe dieses jahrbuchs haben also die verfasser die pflicht übernommen zu sichten. Sie wollen keine »eigenen«, keine »persönlichkeiten« sein, sie wollen sich mit bewusster einseitigkeit einem gesamtwillen – einer Idee – unterordnen.Überall wo sie angreifen, geschieht es wegen der sache, nicht wegen der person: um zu bejahen, nicht um zu verneinen. Überall wo leben sich unmittelbar, unabgeleitet zeigt, nahen sie sich mit andacht und glühender teilnahme: sie lehnen aber mit Verachtung ab, jede schillernde Spielerei, jedes oberflächen-geflunker als »das leben« anzuerkennen, Sie wollen nicht die fülle des interessanten, reizvollen, aufregenden vermehren, sondern in der jugend das gefühl für die gefährdeten grundkräfte wachrufen; für ernst, würde und ehrfurcht.
Die Herausgeber. |