BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Rudolf Diesel

1858 - 1913

 

Solidarismus:

Natürliche wirtschaftliche

Erlösung des Menschen

 

Zweites Buch.

Die solidaristischen Verträge

 

______________________________________________________________________________

 

 

[107]

III. Arbeitsvertrag der Bienenstöcke.

 

――――

 

1. Teil.

Grundlagen und Zweck der Bienenstöcke.

 

§ 1. Grundlagen.

Auf der Grundlage des Solidarismus werden Bienenstöcke nach den Bestimmungen des Volksvertrags durch die Volkskasse errichtet, welche auch Eigentümerin derselben bleibt, deren Nutznießung aber der Gesamtheit der in denselben jeweils beschäftigten Bienen auf Grund des gegenwärtigen Arbeitsvertrags der Bienenstöcke überläßt. Die Mitglieder des Bienenstocks heißen Bienen.

 

§ 2. Zweck.

Bienenstöcke sind Betriebe, welche unter Ausschluß der Erzielung eines Gewinns folgende Zwecke haben:

a. Ihre gesamten Erträgnisse den Bienen als Gegenwert ihrer Arbeit auszuzahlen und durch richtige Organisation der Arbeit und der Güterverteilung die Einnahmen der Bienen zu erhöhen, deren Ausgaben zu vermindern und ihre materiellen Bedürfnisse vollständig und in möglichst vollkommener Weise zu befriedigen.

b. Durch soziale Einrichtungen auch für die Befriedigung der körperlichen, geistigen und sittlichen Bedürfnisse der Bienen und ihrer Angehörigen, wozu auch ein ausreichendes Maß von Lebensannehmlichkeit gehört, möglichst vollständig zu sorgen.

c. Durch vorsorgliche Maßnahmen die Bienen und ihre Angehörigen von der Geburt bis zum Tode vor den Folgen der natürlichen Ungleichheiten (Gesundheit, physische und geistige Fähigkeiten, Lebensdauer) und sozialen Schädlichkeiten (Unfälle, Arbeitslosigkeit) zu schützen.

d. Nicht zum Bienenstock gehörende Brüder in möglichst großem Umfang in den Mitgenuß der aufgezählten Vorteile zu setzen. [108]

Zur Erreichung dieser Zwecke hat jeder Bienenstock in seinem Betrieb folgende Abteilungen:

1. Einen Produktivbetrieb für Herstellung von Arbeitsprodukten oder für bestimmte Arbeitsleistungen;

2. ein Tauschlager für Austausch und Verteilung der Güter;

3. die sozialen Einrichtungen;

4. die vorsorglichen Kassen, deren Führung und Kontrolle vertragsmäßig der Volkskasse zusteht, bzw. für welche dieselbe haftet.

 

 

2. Teil.

Finanzen der Bienenstöcke.

 

§ 3. Kapital.

Das Anlage- und Betriebskapital eines Bienenstocks wird beschafft durch Aufnahme einer verzinslichen Anleihe gegen Ausgabe von Schuldscheinen, für deren Kapital und Zins die Volkskasse gegen eine zu vereinbarende Jahresprämie mit ihrem ganzen Stammfonds die Haftung übernimmt.

Solche Schuldscheine können ausgegeben werden sowohl gegen Überlassung von barem Geld als von vorhandenen Betrieben, Immobilien, Mobilien und sonstigen Werten.

Der Bienenstock ist verpflichtet, alljährlich den 50. Teil der Anleihe aus seinen Bruttoeinnahmen zurückzuzahlen. Die Volkskasse hat das Recht, die Schuldscheine jederzeit zum Nennwerte plus den aufgelaufenen Jahreszinsen einzulösen.

 

§ 4. Rechnungsmodus.

Die Abrechnung des Geschäftsjahrs der Bienenstöcke hat, wie folgt, stattzufinden:

Von den jährlichen Bruttoeinnahmen des Bienenstocks werden folgende Ausgaben abgezogen:

a. Die Verwaltungs- und Geschäftsunkosten aller Art, zu welchen die an die Bienen als Gegenwert ihrer Arbeit ausbezahlten Beträge nicht zählen;

b. die fälligen Zinsen für das noch nicht heimbezahlte Anleihekapital;

c. der alljährlich zur Rückzahlung gelangende 50. Teil des Anleihekapitals;

d. genügende Sicherstellungen für zweifelhafte Debitoren;

e. die in der Errichtungsurkunde des Bienenstocks vorgeschriebenen Abschreibungen; [109]

f. die ebenda bezeichneten oder durch außergewöhnliche Umstände erforderlichen Rücklagen.

Die nunmehr verbleibende Summe ist das Erträgnis des Bienenstocks, welches der Gesamtheit der Bienen als Gegenwert für ihre Arbeit gehört und, wie folgt, verwendet wird:

1. Zur Auszahlung der den Bienen garantierten Normaleinkommen; dieselben dürfen in zu vereinbarenden Raten während des Rechnungsjahrs im voraus aus laufenden Mitteln entnommen werden;

2. zur Auszahlung der Krankheits- und Unfallzuschüsse an die Bienen; zu letzteren gehören auch die Anteile für Invalidität infolge von Unfällen im Dienste; diese Auszahlungen dürfen nach Bedarf während des Rechnungsjahrs im voraus aus laufenden Mitteln entnommen werden;

3. zur Dotierung eines Stipendienfonds in Höhe von 5% der nunmehr verbleibenden Summe solange, bis derselbe 1% des Kapitals der Bienenstöcke beträgt, auf welche Höhe er stets wieder zu ergänzen ist.

Die nunmehr verbleibende Summe heißt Resterträgnis und wird verwendet:

1. Die Hälfte zur Auszahlung eines Ergänzungseinkommens an die Bienen im Verhältnis ihrer Normaleinkommen;

2. die andere Hälfte als Beitrag des Bienenstocks zum Anteilfonds der Volkskasse zwecks Auszahlung von Senioren- 1), Invaliditäts-, Witwen- und Waisenanteilen.

Reichen die Bruttoeinnahmen für die Ausgaben ad a, b und c nicht aus, so leistet die Volkskasse unter allen Umständen die Differenz.

Reicht das Erträgnis zu den Leistungen ad 1, garantierte Normaleinkommen, und 2, Krankheits- und Unfallszuschüsse, nicht aus, so leistet die Volkskasse unter allen Umständen, ausgenommen bei Arbeitseinstellungen infolge von Kriegen, Revolutionen und Streiken die Differenz.

Diese Deckungen werden aus den etwaigen Resterträgnissen des Bienenstocks in späteren Jahren an die Volkskasse zurückbezahlt.

Da die gesamten Erträgnisse des Bienenstocks an die Bienen als Gegenwert ihrer Arbeit ausbezahlt werden, so sind Gewinne oder Überschüsse nicht vorhanden, daher nicht an die Volkskasse abführbar.

 

§ 5. Jahresabrechnung.

Die Finanzlage des Bienenstocks wird innerhalb dreier Monate nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahrs durch den Vorstandsausschuß desselben festgestellt; in dem darauffolgenden Monat findet die Abrechnung mit der [110] Volkskasse statt. Der Bienenstock ist verpflichtet, Finanzangelegenheiten durch die Volkskasse erledigen zu lassen und seine Gelder der Volkskasse zur Verwaltung zu übergeben, wogegen letztere den vollen sich daraus ergebenden Zinsertrag, abzüglich Spesen, an den Bienenstock vergütet.

 

 

3. Teil.

Verwaltung und Leitung der Bienenstöcke.

 

A. Vorstand des Bienenstocks.

 

§ 6. Bestellung des Vorstands.

Der Vorstand des Bienenstocks im Sinne des Handelsgesetzbuchs besteht aus einer oder mehreren Personen, welche von dem Direktorium der Volkskasse nach den Beschlüssen des Volksrats ernannt werden. Das Direktorium der Volkskasse verpflichtet die Vorstände auf den Volksvertrag und den Arbeitsvertrag der Bienenstöcke und schließt mit ihnen die Errichtungsurkunde des Bienenstocks und den Dienstvertrag ab.

Das Direktorium der Volkskasse kann auch die Anstellung, unbeschadet vertragsmäßiger Ansprüche, jederzeit widerrufen und neue Vorstandsmitglieder ernennen. Dasselbe bestimmt die Anzahl der Vorstandsmitglieder und der Prokuristen, die Art der Firmenzeichnung und die Stellvertretung der Vorstandsmitglieder in Verhinderungsfällen und bei Vakanzen.

 

§ 7. Kompetenzen des Vorstands.

Dem Vorstande obliegt der Betrieb des Geschäfts nach Maßgabe des Volksvertrags, des Arbeitsvertrags der Bienenstöcke, der Errichtungsurkunde des Bienenstocks und seines Dienstvertrags, sowie nach Maßgabe der Beschlüsse des Vorstandsausschusses (3. Teil B) des Bienenstocks, welche er zu vollziehen hat.

 

§ 8. Geschäftsordnung des Vorstands.

Der Vorstand, dessen Stellvertreter und Prokuristen legitimieren sich durch notarielles Protokoll oder durch Auszüge aus dem Firmenregister.

Der Vorstand hat innerhalb dreier Monate nach Schluß des Geschäftsjahrs dem Vorstandsausschuß die Jahresabrechnung nebst Bericht über die Lage des Geschäfts und die wichtigsten Begebenheiten zur Prüfung und Bestätigung vorzulegen.

Der Vorstand ist verpflichtet, den geschäftlichen Verkehr in Volkskassen- und Bienenstockangelegenheiten in den einfachsten Formen, unter Weglassung von Titulaturen und nicht sachlichen Formeln und Formalitäten durchzuführen. 2) [111]

Der Vorstand hat die Verpflichtung, in seine sämtlichen Verträge, Vereinbarungen, Abmachungen etc. über Käufe, Verkäufe, Lieferungen etc. seines Bienenstocks folgende, einen integrierenden Bestandteil derselben bildende Bestimmung aufzunehmen:

„Der Bienenstock hat das Recht, diesen Vertrag (Vereinbarung etc.) aufzuheben, wenn sich herausstellt, daß derselbe durch Versprechen von Provisionen, Geschenken oder irgendwelchen Sondervorteilen auf Kosten der Gesamtheit beeinflußt wurde, auch wenn die Ausführung des Versprechens nicht erfolgte.“

 

B. Vorstandsausschuß des Bienenstocks.

 

§ 9. Bestellung des Vorstandsausschusses.

Der Vorstandsausschuß besteht:

a. aus den sämtlichen Vorstandsmitgliedern, unter welchen das Direktorium der Volkskasse den Vorsitzenden des Vorstandsausschusses und dessen Stellvertreter bestimmt;

b. aus sämtlichen Prokuristen;

c. aus einer durch das Direktorium der Volkskasse zu bestimmenden Anzahl von Beamten, Meistern und Arbeitern des Bienenstocks, welche in der Jahresversammlung durch die sämtlichen Bienen des Bienenstocks für die Dauer bis zur nächsten ordentlichen Jahresversammlung gewählt werden. Austretende Mitglieder können wiedergewählt werden;

d. aus dem Bienenstockarzt bzw. Chefarzt, wenn mehrere Ärzte vorhanden sind.

Zu jeder Sitzung des Vorstandsausschusses ist der Delegierte der Volkskasse bei dem betreffenden Bienenstock rechtzeitig einzuladen.

 

§ 10. Kompetenzen des Vorstandsausschusses.

Zur Zuständigkeit des Vorstandsausschusses gehören:

Die Verfassung der Arbeitsordnung und die Vorlage derselben, sowie etwaiger Abänderungen, an die Volkskasse zur Genehmigung.

Die Anstellung von Bienen und der Abschluß von Dienstverträgen mit denselben, wobei für die Anzahl von Bienen jeder Kategorie und die Höhe ihrer Normaleinkommen vorher die Genehmigung der Volkskasse einzuholen ist. [112]

Die Erklärung von Brüdern zu Bienen nach vollbrachter halbjähriger Probezeit im Bienenstock.

Die Entscheidung über alle Geschäfts- und Verwaltungsangelegenheiten ihres Bienenstocks und die Kontrolle über die richtige Ausführung derselben.

Die Entgegennahme der Jahresbilanzen und des Berichtes des Vorstandes, Prüfung und Bestätigung derselben.

Der Vorstandsausschuß entscheidet durch Schiedsspruch in erster und letzter Instanz kostenlos unter Ausschluß der Gerichte über die an ihn gelangenden Rekurse von Brüdern und Bienen betreffend Einziehung von Brüder- und Bienenscheinen. Schiedsspruchsitzungen sind für Brüder und Bienen öffentlich. Er vermittelt kostenlos auf Verlangen der Volkskasse in Streitigkeiten zwischen Brüdern, Bienen oder Bienenstöcken mit dem Direktorium, den Delegierten oder den Beamten der Volkskasse sowie in Differenzen zwischen Bienenstöcken und berichtet an die Volkskasse über das Ergebnis.

 

§ 11. Geschäftsordnung des Vorstandsausschusses.

Die Berufung des Vorstandsausschusses erfolgt nach Bedarf durch den Vorsitzenden oder in dessen Verhinderung durch dessen Stellvertreter. Sie muß innerhalb dreier Tage erfolgen, wenn der Delegierte der Volkskasse oder wenigstens drei Mitglieder des Vorstandsausschusses es beantragen.

Zwecks Arbeitsteilung kann sich der Vorstandsausschuß in Teile trennen, welchen unter dem Vorsitz je eines Vorstandsmitglieds oder dessen Stellvertreters bestimmte Geschäftssparten zugewiesen werden, jedoch ist die Einberufung der Teilsitzungen sämtlichen Mitgliedern des Vorstandsausschusses mit der Tagesordnung bekanntzugeben, und sämtliche Mitglieder haben das Recht, denselben beizuwohnen und mitzustimmen.

Alle Beschlüsse der Teilsitzungen sind sofort dem Delegierten und dem Vorsitzenden des Vorstandsausschusses mitzuteilen und von der nächsten Vollsitzung bestätigen zu lassen. Ohne diese Bestätigung sind sie ungültig.

Die Vollsitzungen sind nur beschlußfähig wenn mindestens 3/4 der vertragsmäßigen Anzahl Mitglieder anwesend sind. Die Beschlüsse selbst erfolgen mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit muß derselbe Gegenstand in der nächsten Vollsitzung nochmals zur Abstimmung kommen. In dieser Sitzung entscheidet bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden.

Der Delegierte der Volkskasse bei dem Bienenstock hat das Recht, den Sitzungen des Vorstandsausschusses mit beratender Stimme beizuwohnen, Anträge zu stellen, gegen ihm unberechtigt erscheinende Beschlüsse ein Veto einzulegen, und deren nochmalige Beratung in einer späteren Sitzung zu verlangen.

Über die Verhandlungen des Vorstandsausschusses, sowohl der Teil- als der Vollsitzungen, sind Protokolle zu führen, welche von sämtlichen Anwesenden zu unterzeichnen und von den nicht anwesenden Mitgliedern durch Unterschrift zur Kenntnis zu nehmen sind.

[113]

Die Mitglieder des Vorstandsausschusses sind über die Verhandlungen und Beschlüsse zu Stillschweigen verpflichtet.

Sie haben das Recht und die Pflicht der Einsichtnahme in die Kasse, Bücher, Korrespondenzen und Akten.

 

§ 12. Einkommen der Mitglieder des Vorstandsausschusses.

Diejenigen Mitglieder des Vorstandsausschusses, welche nach § 9 c ihr Amt durch Wahl erhalten, beziehen für ihre Mühewaltung während ihrer Amtsdauer ein um 10% erhöhtes Normaleinkommen.

Sämtliche Mitglieder haben Anspruch auf Ersatz ihrer in Amtshandlungen entstehenden Barauslagen.

C. Jahresversammlung des Bienenstocks.

 

§ 13. Zusammensetzung der Jahresversammlung.

In jedem Jahre findet eine ordentliche Jahresversammlung aller Bienen des Bienenstocks statt.

Jede Biene des Bienenstocks, ob aktiv oder inaktiv, welche sich durch ihren Bienenschein legitimiert, hat Zutritt zur Jahresversammlung und besitzt dortselbst eine Stimme.

 

§ 14. Geschäftsordnung der Jahresversammlung.

Die ordentliche Jahresversammlung findet im 4. Monat nach Ablauf des Geschäftsjahres statt. Die Jahresversammlung wird durch den Vorstand durch einmaliges Ausschreiben in den dazu bestimmten Blättern unter Angabe der Tagesordnung, mit einer Frist von zwei Wochen und gleichzeitigem Anschlag am schwarzen Brett des Bienenstocks berufen.

Bei außergewöhnlichen Ereignissen kann auch eine außerordentliche Jahresversammlung stattfinden. Sie muß einberufen werden, wenn der Delegierte oder der Vorstand oder mindestens drei Mitglieder des Vorstandsausschusses, welche nicht dem Vorstand angehören, es verlangen.

Den Vorsitz in der Jahresversammlung führt der Delegierte der Volkskasse oder ein in dessen Verhinderung durch die Volkskasse ernannter Stellvertreter.

Der Vorsitzende bestimmt die Reihenfolge der Gegenstände der Tagesordnung.

Die Beschlüsse und Wahlen der Jahresversammlung erfolgen mit einfacher Stimmenmehrheit und können, wenn sich kein Widerspruch erhebt, durch Zuruf erfolgen. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt.

Über alle Beschlüsse und Wahlen der Jahresversammlung ist ein Protokoll aufzunehmen, das vom Vorsitzenden und von sämtlichen anwesenden Mitgliedern des Vorstandsausschusses zu unterzeichnen ist. [114]

 

§ 15. Kompetenzen der Jahresversammlung.

Zur Zuständigkeit der Jahresversammlung gehört:

a. Die Entgegennahme des Jahresberichts, der Jahresabrechnung sowie der Abrechnung mit der Volkskasse; Entgegennahme des Berichts über die Höhe der Ergänzungseinkommen. Jede Biene hat das Recht, hierüber Fragen zu stellen und Aufschlüsse zu verlangen. Eine Beschlußfassung darüber findet nicht statt.

b. Die Beschlußfassung über Anträge des Vorstandsausschusses betreffend die Verwendung eines Teiles der Ergänzungseinkommen für die allgemeinen Zwecke und sozialen Einrichtungen des Bienenstocks.

c. Die Wahl der Mitglieder des Vorstandsausschusses für das kommende Jahr, und zwar für jedes Mitglied einzeln.

d. Die freie Diskussion aller aus den Kreisen der Bienen kommenden Anträge über Angelegenheiten der Volkskasse und der Bienenstöcke. Auf Wunsch kann über solche Anträge eine Probeabstimmung stattfinden um festzustellen, ob die Mehrheit für oder gegen einen solchen Antrag ist. Ein Beschluß kann jedoch nicht gefaßt werden. Die auf diese Weise zutage getretenen Wünsche dienen dem Vorstandsausschuß sowie der Volkskasse als Anregungen zur Förderung des Gesamtinteresses.

Diskussionen über Fragen der Politik und Religion sind verboten.

 

 

4. Teil.

Pflichten und Rechte der Bienen.

 

§ 16. Pflichten der Bienen.

Solche Brüder, welche in Bienenstöcken angestellt werden, heißen Bienen. Sie werden solange als Bienen ihres Bienenstocks betrachtet, als sie von demselben Einkommen oder Anteile beziehen, gleichgültig ob aktiv oder inaktiv.

Die Pflichten der Bienen sind grundsätzlich dieselben wie die der Brüder, sie sind jedoch infolge ihres besonderen Verhältnisses zum Bienenstock wesentlich erweitert.

Die allgemeinsten und vornehmsten Pflichten der Bienen sind das Wirken des einzelnen für die Gesamtheit im Sinne des Solidarismus sowie unantastbare Ehrenhaftigkeit und Wahrhaftigkeit.

Im besonderen haben die Bienen folgende Pflichten:

1. Zahlung eines Bienenbeitrags an die Volkskasse in Höhe von 1% sämtlicher ihnen von den Bienenstöcken als Gegenwert ihrer Arbeit ausbezahlten Beträge.

2. Beziehen ihrer Lebensbedürfnisse und sonstigen Leistungen aus Bienenstöcken, soweit dieselben hierzu ausreichen. [115]

3. Anerkennung des Volksvertrags, des Arbeitsvertrags der Bienenstöcke und der Arbeitsordnung des Bienenstocks, in welchem sie tätig sind, sowie Befolgung der im Interesse des Gesamtwohls vom Vorstandsausschuß ihres Bienenstocks getroffenen Anordnungen und Disziplinarvorschriften.

4. Streitigkeiten in Sachen des Volksvertrags und der Bienenstöcke den Organen der Volkskasse oder der Bienenstöcke unter Ausschluß der Gerichte vorzulegen und sich deren Schiedsspruch zu unterwerfen.

5. Alle Handlungen zu unterlassen, welche der Volkskasse, den Bienenstöcken, den Brüdern oder Bienen Nachteile bringen, und beizutragen mit voller Kraft und ganzem Können zur Förderung der Interessen und Zwecke der Volkskasse sowie zur Erreichung der größten Leistung des Bienenstocks bei geringstem Aufwande, und zur geordneten sachgemäßen Abwicklung seiner Geschäfte.

6. Auf Wunsch der Volkskasse oder des Vorstandsausschusses ihres Bienenstocks kostenlose Übernahme kleiner Ämter, welche zur Pflege des Solidarismus oder im Interesse der Organisation der Volkskasse, der Bienenstöcke oder gemeinnütziger Zwecke notwendig erscheinen, sofern sie dadurch ihren Berufspflichten nicht entzogen werden.

7. Keinerlei Provisionen, Geschenke oder Sondervorteile für ihre Mitwirkung in den Angelegenheiten der Volkskasse und Bienenstöcke anzunehmen oder zu geben.

 

§ 17. Die Bienenbeiträge.

Bienen können an einem bestimmten Zeitpunkt solche volljährige Brüder sein, welche ihren Brüderbeitrag (§ 27 des Volksvertrags) wenigstens 60 Monate lang ohne Einziehung des Brüderscheins geleistet haben, und welche nach einer halbjährigen Probezeit in einem Bienenstock von dem Vorstandsausschuß desselben zu Bienen erklärt wurden. Männer können vor Erledigung ihrer Hauptmilitärpflicht nicht zu Bienen ernannt werden.

Die Einzahlung der Bienenbeiträge an die Volkskasse geschieht durch den Vorstand des Bienenstocks, der zu diesem Zweck 1% aller an die Bienen als Gegenwert ihrer Arbeit zur Auszahlung gelangenden Beträge zurückbehält.

Geleistete Bienenbeiträge werden niemals zurückvergütet.

 

§ 18. Bienenschein. Bienenakten.

Der Bienenstock stellt jeder seiner Bienen eine Karte, Bienenschein genannt, aus, welcher bei jeder Ausübung eines Bienenrechts als Legitimation vorzulegen ist.

Der Bienenschein ist persönlich und darf unter keinen Umständen abgetreten werden.

Der Bienenstock legt für jede seiner Bienen einen Bienenakt an, welchem die Personalien, alle geleisteten Beiträge und erworbenen Rechte, [116] sowie die Unterbrechungen der Beitragsleistungen und etwaige Einziehungen der Bienenscheine und deren Gründe eingetragen werden. Bemerkungen über das politische oder religiöse Bekenntnis der Bienen dürfen diese Akten nicht enthalten.

Beim Austritt aus dem Bienenstock erhält die Biene gegen Auslieferung ihres Bienenscheins einen neuen Brüderschein, welcher einen vollständigen Auszug aus dem betreffenden Akt mit Ausnahme der Gründe für etwaige Einziehungen enthält, und welcher ihr als Legitimation gegenüber der Volkskasse und andern Bienenstöcken dient. Die alten Brüder- und Bienenscheine werden zu den Akten gelegt. Auf Grund dieser Akten tauscht der Bienenstock verlorne, eingezogene oder schadhaft gewordene Scheine gegen neue um. Wechselt eine Biene ihren Bienenstock, so wird deren Bienenakt dem neuen Bienenstock übergeben.

 

§ 19. Rechte der Bienen.

Die Rechte der Bienen sind grundsätzlich dieselben wie die der Brüder, sind jedoch infolge ihres besonderen Verhältnisses zum Bienenstock wesentlich erweitert.

Das allgemeinste und vornehmste Recht der Bienen ist das Eintreten der Gesamtheit für jeden einzelnen im Sinne des Solidarismus.

Im besonderen haben die Bienen folgende Rechte:

1. Volksräte auf Grund des Volksvertrags zu wählen und selbst zu Volksräten gewählt zu werden, und während ihrer Tätigkeit als Volksräte im vollen Bezuge ihrer Einkommen und Rechte aus ihrem Bienenstock zu bleiben.

2. Neue Bienenstöcke auf Grund des Volksvertrags und des Arbeitsvertrags der Bienenstöcke zu errichten, soweit der Stammfonds der Volkskasse jeweils für die entsprechenden Haftungen ausreicht.

3. In vorhandenen Bienenstöcken, soweit es die Verhältnisse jeweils gestatten, als Bienen angestellt zu werden.

Angestellte Bienen können nur infolge Einziehung ihres Bienenscheins (§ 20) entlassen werden. Krankheit, Invalidität oder allgemeine Verhältnisse, wie Schwankungen der Konjunktur, Überproduktion u. dgl. können niemals Entlassungen von Bienen begründen, letztere werden vielmehr durch allgemeine Änderung der Arbeitszeit für alle Bienen eines Bienenstocks oder gleichartiger Bienenstöcke eines Bezirks oder des ganzen Landes nach den Beschlüssen des Volksrats unter Aufrechterhaltung der Normaleinkommen ausgeglichen. Dagegen können Bienen, wenn es die geschäftlichen Verhältnisse erfordern, in andere Bienenstöcke versetzt werden. Bienen, deren Bienenstöcke durch Feuersbrünste, Überschwemmungen oder Naturereignisse ganz oder teilweise außer Betrieb kommen, werden bis zur Wiederaufnahme des Betriebs von der Volkskasse andern Bienenstöcken zugeteilt.

4. Von den Bienenstöcken Waren und Leistungen für ihren eigenen Bedarf und denjenigen ihrer unter 17 Jahre alten Angehörigen zu Bienenpreisen gegen Barzahlung zu erhalten, so [117]weit die vorhandenen Bienenstöcke solche zu liefern imstande sind, und zwar in der Reihenfolge der Anmeldung.

Bienenpreis einer Ware ist derjenige Preis, welcher entsteht aus der Verteilung der gesamten Betriebskosten des Bienenstocks auf die Arbeitsprodukte desselben, also der wirkliche Selbstkostenpreis.

5. Lieferungen und Leistungen für Bienenstöcke auszuführen, soweit solche zu vergeben sind.

6. Die Volkskasse zur Verwaltung ihrer Gelder und als Sparkasse für ihre Ersparnisse zu benutzen gegen Auszahlung des vollen sich hieraus ergebenden Zinsertrages.

7. In den Genuß aller Vorteile zu treten, welche durch das Bestehen des Volksvertrags und des Arbeitsvertrags der Bienenstöcke für Brüder und Bienen vorhanden sind oder sein werden.

8. Bei Streitigkeiten in Sachen des Volksvertrags und der Bienenstöcke kostenlosen Schiedsspruch durch die Organe der Volkskasse und der Bienenstöcke zu erlangen.

9. Eine bestimmte Anzahl von Beamten, Meistern und Arbeitern ihres Bienenstocks in den Vorstandsausschuß desselben zu wählen bzw. in diesen Vorstandsausschuß gewählt zu werden.

10. Auf richtige und rechtzeitige Auszahlung der mit ihren Bienenstöcken vereinbarten Normaleinkommen unter allen Umständen, ausgenommen bei Arbeitseinstellungen infolge von Kriegen, Revolutionen und Streiken. In diesen Ausnahmefällen beschließt der Volksrat darüber, ob eine gänzliche oder zeitweise Aufhebung, oder eine allgemeine, gleichmäßig verteilte Reduktion der Normaleinkommen stattfinden muß.

Die Normaleinkommen der Bienen werden zwischen diesen und dem Vorstand des Bienenstocks frei vereinbart und der Genehmigung des Vorstandsausschusses unterbreitet. Dabei sind die Fähigkeiten, das Verhalten und die Leistungen der Bienen, d. h. der Nutzen, den sie der Gesamtheit zu leisten imstande sind, ausschlaggebend.

Akkordarbeit ist dabei nicht ausgeschlossen, sie gibt der Biene im Gegenteil Gelegenheit zur Betätigung ihrer Talente und zur Erhöhung ihres Normaleinkommens und damit aller andern Bezüge, welche demselben proportional sind.

Mit der zunehmenden Gesamtzahl der Dienstjahre in Bienenstöcken soll (wenn nicht ausnahmsweise ganz besondere Gründe vorliegen) keine Abnahme der Normaleinkommen eintreten, da die Gesamtzahl der Dienstjahre als Biene als ein der Gesamtheit geleisteter Dienst anerkannt wird.

11. Auf einen jährlichen, bei der Anstellung der Biene zu vereinbarenden Erholungsurlaub bei Fortbezug der Normaleinkommen, zu einem von dem Vorstand zu bestimmenden Zeitpunkte.

12. Auf richtige und rechtzeitige Auszahlung nach der jeweiligen Jahresversammlung ihres Bienenstocks der Ergänzungseinkommen, soweit solche vorhanden, nach Maßgabe dieses Arbeitsvertrags. [118]

13. Während militärischer Übungen in Friedenszeiten, Krankheiten, Wochenbetten und Folgen von Unfällen auf einen Zuschuß in der Höhe der Hälfte ihrer Normaleinkommen, sowie freie ärztliche Behandlung zu Hause oder in den Krankenhäusern des Bienenstocks; ferner kostenlose Arzneien und Krankengeräte. Dieser Zuschuß beginnt mit dem Tage des Aufhörens des Normaleinkommens und endet mit der Erklärung des Chefarztes ihres Bienenstocks, daß die Krankheit zu Ende oder Invalidität eingetreten ist.

Die Krankheits- und Unfallszuschüsse, zu welchen auch die Anteile für Invalidität infolge von Unfällen im Dienste gehören, kommen ebenfalls unter allen Umständen, ausgenommen bei Arbeitseinstellungen infolge von Kriegen, Revolutionen und Streiken zur Auszahlung.

14. Im Falle der Invalidität und bei Erreichung des Seniorenalters auf einen jährlichen Invaliditäts- bzw. Seniorenanteil, dessen Höhe abhängt von der Anzahl der aktiven Dienstjahre als Biene in Bienenstöcken, und dessen Maximalhöhe, wie folgt, festgesetzt ist:

 

1. bis 5. Dienstjahr 0,4 des letzten Normaleinkommens

6. bis 10. Dienstjahr 0,5 des letzten Normaleinkommens

11. bis 15. Dienstjahr 0,6 des letzten Normaleinkommens

16. bis 20. Dienstjahr 0,7 des letzten Normaleinkommens

21. bis 30. Dienstjahr 0,8 des letzten Normaleinkommens

31. bis 44. Dienstjahr 0,9 des letzten Normaleinkommens

über 44 Dienstjahre 1,0 des letzten Normaleinkommens

 

15. Bei Berechnung der Dienstjahre kommen Unterbrechungen durch Urlaub, Krankheit und militärische Übungen im Frieden nicht in Abzug.

Diese Maximalsätze werden nur dann ausbezahlt, wenn der Anteilfonds der Volkskasse dazu ausreicht. Andernfalls werden die Sätze für alle Bienenstöcke gleichmäßig prozentual herabgesetzt. (§ 5 des Volksvertrags.)

Der Invaliditätsanteil beginnt mit dem Tage der Feststellung der Invalidität durch den Chefarzt des Bienenstocks und endet mit dem Aufhören der Invalidität ebenfalls nach der Erklärung desselben.

Der Seniorenanteil beginnt mit dem vollendeten 65. Lebensjahr (Seniorenalter) und endet mit dem Tode. Weist der Anteilfonds der Volkskasse dauernde und beträchtliche Überschüsse auf, so können dieselben verwendet werden zur langsamen, gleichmäßigen Herabsetzung des Seniorenalters.

16. Witwen von männlichen Bienen haben das Recht, bis zu ihrem Tode oder ihrer Wiederverehelichung auf einen Witwenanteil in der Höhe von 0,4 der Normaleinkommen ihrer Männer im Augenblicke ihres Todes, wenn sie aktiv waren, bzw. des Invaliditäts- oder Seniorenanteils, wenn sie im Genuß solcher waren. [119]

Jedes von einer männlichen Biene hinterlassene Kind hat das Recht, bis zur Großjährigkeit bzw. bei Töchtern bis zu ihrer Verheiratung auf 1/4 des Witwenanteils. Der Anteil für Witwen und Waisen zusammen darf 0,8 des Normalbezugs des verstorbenen Manns nicht überschreiten.

Diese Anteile beginnen mit dem Tage, welcher auf den Tod des Mannes folgt. Sie werden nur an solche Witwen ausbezahlt, welche an diesem Tage Schwestern sind, und nur an solche Waisenkinder, welche an diesem Tage entweder noch nicht das 17. Lebensjahr erreicht haben, oder, falls sie es überschritten haben, Brüder sind.

17. Doppelwaisen von Bienen haben das Recht, auf Kosten des Bienenstocks bis zur ausreichenden Erwerbsfähigkeit, spätestens Großjährigkeit erzogen zu werden, wobei dieselben Bedingungen maßgebend sind wie für einfache Waisen.

18. Im Falle ihres Todes auf Kosten des Bienenstocks bestattet zu werden, und zwar für alle Bienen in gleichen Formen.

19. Sämtliche Auszahlungen an aktive und inaktive Bienen bzw. deren Witwen und Waisen erfolgen durch denjenigen Bienenstock, deren Mitglieder sie sind bzw. zuletzt waren.

 

§ 20. Unterbrechung der Bienenrechte. Einziehung des Bienenscheins.

Der Arbeitsvertrag der Bienenstöcke ist ein freier und seitens der Bienen freiwillig eingegangen. Die Nichterfüllung der in § 16 aufgezählten Bienenpflichten bedeutet demnach freiwilligen Austritt aus dem Arbeitsvertrag und Verzicht auf die Bienenrechte.

In diesem Fall hat derjenige Beamte der Volkskasse oder des Bienenstocks, bei welchem in Ausübung seines Amts und bei Ausübung eines Bienenrechts die Nichterfüllung der Bienenpflicht stattfindet, den Bienenschein der betreffenden Bienen einzuziehen.

Letztere können dagegen Einspruch bei dem Delegierten ihres Bienenstocks erheben. Dieser legt den Fall demjenigen unbeteiligten Bienenstock seines Bezirks vor, welcher darüber am besten zu urteilen in der Lage ist, und dessen Vorstandsausschuß in kürzester Frist in erster und letzter Instanz in einer Plenarsitzung darüber entscheidet, wobei die betroffenen Bienen auf ihren Wunsch gehört werden müssen. Zweifelhafte Fälle und solche, welche offensichtlich aus Unkenntnis, Irrtum und ohne Absicht stattfanden, sind stets zugunsten der betroffenen Bienen auszulegen. Bei Bestätigung der Einziehung wird der Grund derselben in die Bienenakten eingetragen, der Bienenschein eingezogen und durch Aufstemplung des Buchstaben E entwertet.

Die bis zum Tage der Einziehung des Bienenscheins erworbenen Rechte können unter keinen Umständen entzogen werden. Dagegen können die Bienen freiwillig darauf verzichten.

Nach Einziehung des Bienenscheins kann die Eigenschaft als Biene laut § 17 durch 60 Monate langes Einzahlen eines Brüderbeitrags an die Volkskasse ohne neuerliche Einziehung wieder erworben werden. Der [120] entscheidende Vorstandsausschuß hat jedoch das Recht, je nach dem Sachverhalt sofort beim Schiedsspruch oder später die Bienenrechte schon nach 20 oder 40, statt 60 Monaten wieder zuzulassen.

 

 

5. Teil.

Pflichten der Bienenstöcke zur Volkskasse und unter sich.

 

§ 21. Pflichten zur Volkskasse.

Jeder Bienenstock übernimmt bei seiner Errichtung die Pflichten einer Filiale der Volkskasse und hat die in seinem Wirkungskreis liegenden Geschäfte der Volkskasse auf seine Kosten aber unter Leitung des Delegierten der Volkskasse zu besorgen. Zu diesem Zwecke hat er dem Delegierten die erforderlichen Räume, Beamten und sonstigen Hilfsmittel unentgeltlich zu liefern. Wenn mehrere Bienenstöcke einen gemeinsamen Delegierten haben, so teilen sie die Kosten der Geschäftsführung der Delegierten pro rata ihrer Bienenzahl.

 

§ 22. Gegenseitige und gemeinsame Bezüge von Waren und Leistungen.

Ein Bienenstock darf Waren und Arbeiten grundsätzlich nur an Bienenstöcke, Bienen und Brüder liefern oder nur von solchen beziehen und zwar nur zu Bienenpreisen. Nur wenn die Zahl und Leistungsfähigkeit der Bienenstöcke, Bienen und Brüder hierzu nicht ausreicht, darf der Bienenstock mit andern Firmen und Personen abschließen, wobei die Bienenpreise nicht maßgebend sind.

Die Bienenstöcke dürfen für Arbeiten ihres laufenden Betriebes nur Bienen beschäftigen; die Zuziehung der Heimarbeit ist verboten.

Für die Beschaffung derjenigen Materialien, Rohstoffe und Leistungen, welche für mehrere Bienenstöcke dieselben sind, haben dieselben eine gemeinsame Geschäftsstelle zu halten oder einen der Bienenstöcke mit dem gemeinsamen Bezug zu beauftragen. Die Kosten werden pro rata der bezogenen Mengen auf die beteiligten Bienenstöcke verteilt.

 

§ 23. Gegenseitige Tauschlager.

Jeder Bienenstock hat ein Lager seiner eigenen Produkte und der laufenden Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände aus andern Bienenstöcken (mit der Beschränkung des § 21 auch aus andern Quellen) zu halten und den Bienen und Brüdern zu Bienenpreisen abzugeben. Durch diese Lager tauschen die Bienenstöcke ihre Arbeitsprodukte gegenseitig gegen Verrechnung zu Bienenpreisen aus, sie heißen daher Tauschlager.

Mehrere örtlich nicht zu weit voneinander entfernte Bienenstöcke können ein Tauschlager gemeinsam halten bzw. getrennte Warengattungen führen, die sich gegenseitig ergänzen. Die Volkskasse entscheidet im Einzelfall, ob dies zulässig ist. Solche Waren, welche nicht auf Lager ge [121]halten werden können, hat jeder Bienenstock auf Verlangen der Bienen oder Brüder zu Bienenpreisen zu besorgen.

Für solche Waren, deren Verkauf nicht durch unmittelbare Lieferung erfolgt, soll statt des Tauschlagers ein bloßes Musterlager gehalten werden, nach dessen Mustern die bestellten Waren in kürzester Lieferfrist geliefert werden.

Jeder Bienenstock hat somit den andern Bienenstöcken als kostenlose Absatzstelle ihrer Waren zu dienen.

 

§ 24. Allgemeine Gegenseitigkeitsverpflichtungen.

Die Gegenseitigkeit der Leistungen und Unterstützungen ist im weitesten Sinne aufzufassen, findet also auch statt für Vertretungen, Auskünfte, für die Auszahlung der Zinsen, Rückzahlung der Schuldscheine und sonstige Geldoperationen und geschäftliche Erledigungen aller Art, jeweils gegen Verrechnung der erwachsenden Selbstkosten. Im Zweifelsfalle entscheidet über den Umfang dieser Gegenseitigkeitspflichten die Volkskasse.

Die Bildung von Ringen, Syndikaten, Trusts zwischen mehreren Bienenstöcken oder Gruppen von Bienenstöcken ist untersagt.

 

 

6. Teil.

Die sozialen Einrichtungen der Bienenstöcke.

 

§ 25. Allgemeine Grundsätze.

Die Aufgabe des Bienenstocks gegen seine Bienen ist nicht erschöpft mit der Erhöhung des Einkommens durch Auszahlung des vollen Betriebserträgnisses, mit der Verminderung der Ausgaben durch die Verteilungslager zu Bienenpreisen und mit dem Schutze der Bienen gegen natürliche Ungleichheiten und soziale Schädlichkeiten durch seine vorsorglichen Bestimmungen. Der Bienenstock hat außerdem die Pflicht, alle diejenigen Einrichtungen zu treffen, welche das Familienleben heben, die Mühe und Sorge des Haushaltes sowie des Unterrichts und der Erziehung der Kinder erleichtern und im weitesten Sinne für das körperliche, geistige und sittliche Wohl der Bienen zu sorgen.

Die in diesem Arbeitsvertrag vorgeschriebenen, für alle Bienenstöcke obligatorischen Einrichtungen sind nur die wichtigsten zur Erreichung dieser Ziele; dieselben sollen mit den Fortschritten der Zeit vermehrt, verbessert und vervollständigt werden im Sinne des Solidarismus.

Diese Einrichtungen können je nach der Sachlage jeweils einem einzigen Bienenstock oder mehreren, örtlich nicht weit getrennten Bienenstöcken gemeinsam gehören, letzteres jedoch nur ausnahmsweise, bei kleinen Betrieben und mit Zustimmung des Direktoriums der Volkskasse.

Sämtliche hierher gehörende Einrichtungen der Bienenstöcke stehen den Bienen der betreffenden Bienenstöcke und ihren Familienmitgliedern zur Verfügung: letztere, falls über 17 Jahre alt, müssen sich jedoch durch [122] ihren Brüderschein legitimieren. Die Brüder haben gegen Vorzeigung ihres Brüderscheins ebenfalls das Recht der Benutzung, soweit die Verhältnisse es jeweils gestatten.

 

§ 26. Einrichtungen für das körperliche Wohl.

a. Ernährung. Jeder Bienenstock hat eine geräumige, helle, gut ventilierte und geheizte Speiseanstalt zu errichten, in welcher den Benutzern nahrhafte, wohlschmeckende, gut zubereitete Speisen zu Bienenpreisen verabfolgt werden, und in welchen Speisewärmer kostenlos für diejenigen vorhanden sind, welche ihre Speisen selbst mitbringen. Die Abgabe von Tee und Kaffee als Getränk hat darin unentgeltlich stattzufinden. Auch muß dort gesundes Trinkwasser beliebig zur Verfügung stehen.

b. Wohnung. Der Bienenstock hat für gesunde, helle, luftige und geräumige Wohnungen für seine Bienen, sei es in eigenen oder fremden Bauten zu sorgen und dieselben zu Bienenpreisen zu vermieten, aber niemals zu verkaufen; auf Versorgung mit gutem Wasser und guter Beleuchtung ist dabei hauptsächlich zu achten. Auch zur Beschaffung behaglicher und praktischer Wohnungseinrichtungen zu Bienenpreisen hat der Bienenstock mitzuwirken. Für ledige Bienen, sowohl Männer als Frauen, sind Logierhäuser oder Heime anzulegen, welche ebenfalls zu Bienenpreisen benutzbar sind.

c. Gesundheitspflege. Jeder Bienenstock hat ein vorzüglich eingerichtetes Krankenhaus zu errichten mit Instrumentarium, Apotheke, Krankenwagen oder Bahre, Medizinalbädern, Desinfektionsapparat etc. Dasselbe soll eine getrennte Abteilung für Wöchnerinnen in Verbindung mit einem Säuglingsheim haben, in welchen die Aufnahmen ohne Unterscheidung der Ehelichkeit oder Unehelichkeit stattfinden.

Da, wo dieses Krankenhaus nicht auf dem Grundstück des Bienenstockes steht oder sich nicht nahe genug befindet, ist im Bienenstock ein Verbandslokal anzulegen (Samariterstube), welches nur diesem Zwecke dient, mit den nötigen Betten, Instrumenten und Geräten.

Diese Anstalten stehen unter der Leitung eines oder mehrerer Ärzte, welche vom Bienenstock fest angestellt sind und zu demselben im Verhältnis der Bienen stehen müssen. Ein Arzt kann auch mehreren Bienenstöcken angehören. Diese Ärzte haben zu festgesetzten Zeiten, während der Arbeitszeit der Bienen, Sprechstunde am Sitz des Bienenstocks zu halten und die sich meldenden Kranken im Krankenhaus des Bienenstocks oder zu Hause zu pflegen. Keine Kategorie von Krankheiten ist hiervon ausgeschlossen. Sie haben ferner die Hygiene der Wohnung und der Ernährung der Bienen und die Gesundheit der Kinder derselben laufend zu überwachen, denselben mit Rat und Tat beizustehen und ihr Hauptaugenmerk auf das Verhüten der Krankheiten, insbesondere der Betriebskrankheiten, sowie auf die Unfallverhütung zu lenken. Sie haben als Hausfreunde aufklärend und erzieherisch zu wirken und das höchste Gut der Bienen, ihre Gesundheit, zu hüten. Sie haben ferner die Hygiene sämtlicher Betriebe des Bienenstocks sowie seiner Schulen und Erziehungsanstalten [123] laufend zu überwachen und eine Statistik der Hygiene ihres Bienenstocks zu führen.

Die Ärzte werden hierbei unterstützt durch fest angestellte Pflegeschwestern und Heilgehilfen sowie im Nebenamt durch eine Anzahl Bienen des Bienenstocks, welche im Samariterdienst ausgebildet sind.

Zu den obligatorischen Hygienemaßnahmen der Bienenstöcke gehören noch die vollkommensten Einrichtungen zur Verhütung von Unfällen und zur Verhütung der Betriebskrankheiten, gesonderte Umkleide- und Waschräume für die Bienen, sowie Dusche-, Wannen- und Schwimmbäder; endlich Spiel- und Turnplätze, möglichst in Verbindung mit den Schulen. Der Bienenstock hat alljährlich eine möglichst große Anzahl von Kindern in Ferienkolonien zu schicken. Ferner sollen die Bienenstöcke möglichst Genesungsheime für Rekonvaleszenten errichten.

Die Benutzung sämtlicher Hygieneeinrichtungen sub c. ist kostenlos, nur für die Ferienkolonien können die beteiligten Eltern, eventuell auch der Stipendienfonds, zu Beiträgen herangezogen werden.

 

§ 27. Einrichtungen für das geistige und sittliche Wohl.

a. Erziehung, Unterricht und Fortbildung.

Die Bienenstöcke haben zur kostenlosen Benutzung zu halten:

1. Kinderhorte und Kleinkinderschulen;

2. Elementarschulen, da wo die vorhandenen Volksschulen nicht ausreichen oder zu weit entfernt sind;

3. gesonderte Lehrlingswerkstätten mit bezahlten Lehrlingen in obligatorischer Verbindung mit Fortbildungsschulen, deren Kurse nur in den Tagesstunden stattfinden;

4. Haushaltungsschulen für nicht mehr schulpflichtige Mädchen in Verbindung mit den Heimen für ledige weibliche Bienen;

5. Schulen für weibliche Erwerbsarbeiten für nicht mehr schulpflichtige Mädchen, zugleich Näh- und Strickschule für schulpflichtige Mädchen, deren Kurse nur in den Tagesstunden stattfinden dürfen;

6. an den Abenden und eventuell Sonntags Vortragszyklen (möglichst mit Projektionen) oder sonstigen anschaulichen Vorführungen für Erwachsene über nützliche und bildende Themen, z. B. Samariterwesen und Krankenpflege, Literatur, Volkswirtschaft, Geschichte, Kunst und Kunstpflege etc., in erster Linie aber über das Wesen und den Nutzen des Solidarismus;

7. eine Bibliothek guter Bücher.

Sämtliche Schulen und Vorträge werden gehalten teils von hierzu speziell angestellten Bienen, teils von dem Personal der Bienenstöcke im Nebenamt.

b. Geselligkeit und Erholung.

Jeder Bienenstock hat zur Pflege des Gefühls der Zusammengehörigkeit und der Einigkeit einen Gesellschaftssaal oder ein Gesellschaftshaus [124] zu errichten mit Restaurant und möglichst mit Garten zur kostenlosen Benutzung entweder für einzelne oder für zwanglose Zusammenkünste geselliger Vereinigungen und zur Veranstaltung von bildenden Unterhaltungen, Theatervorstellungen, Musik- und Gesangsvorträgen, sowie von Spielen, Turn- und Sportübungen und Ausflügen. Es soll hiermit verbunden sein ein Lesezimmer mit guten Zeitschriften und Büchern.

Im Restaurant des Gesellschaftshauses werden Speisen und Getränke zu den Bedingungen des § 26 a verabreicht.

 

§ 28. Stipendienfonds.

Der Stipendienfonds des Bienenstocks dient für solche Zwecke, welche im Arbeitsvertrag nicht speziell vorgesehen sind, insbesondere für folgende:

Ermöglichung höherer Studien für besonders hervorragende Leute, Studienreisen und Ausstellungsreisen für Ausbildung in speziellen Fragen oder Branchen, Unterstützungen bei ungewöhnlich schweren Umständen, zur Erhöhung von Senioren-, Invaliditäts-, Witwen- und Waisenanteilen in den Übergangszeiten, solange die Dienstzeiten noch nicht lange genug sind, um zu genügend hohen Anteilen zu berechtigen, Unterstützung solcher Kranker oder Erholungsbedürftiger, welche besonders lange, kostspielige oder auswärtige Kuren gebrauchen, Beteiligung an Ferienkolonien, eventuell Beteiligung an gemeinnützigen Bestrebungen, welche nicht direkt mit der Volkskasse und den Bienenstöcken zusammenhängen.

Über die Verwendung des Stipendienfonds beschließt der Vorstandsausschuß des Bienenstocks. Entsprechend den rein wirtschaftlichen Zwecken des Bienenstocks dürfen hierbei niemals gesonderte konfessionelle oder politische Interessen unterstützt werden.

 

 

7. Teil.

Übergangsbestimmungen.

 

§ 29.

Da der gegenwärtige Text des Arbeitsvertrages voraussetzt, daß sowohl die Volkskasse als eine größere Anzahl von Bienenstöcken mit ihrer gesamten Organisation schon bestehen, so sind für den Anfang, solange das noch nicht der Fall ist, besondere Übergangsbestimmungen erforderlich, welche sich auf die ersten Maßnahmen zur Herbeiführung dieser Organisationen selbst bis zu ihrem völligen Funktionieren beziehen.

Diese Bestimmungen können hier nicht im einzelnen gegeben werden, da sie von den jeweiligen Verhältnissen abhängen. Sie werden sich u. a. beziehen auf den Anstellungsmodus der ersten Bienen, bevor die Beiträge während der vorgeschriebenen Anzahl Monate geleistet werden konnten u. dgl.

 

――――――――

 

1) Senioren sind diejenigen Bienen, welche durch die Zahl ihrer Dienstjahre das Recht erworben haben, ihr volles Normaleinkommen weiter zu beziehen ohne zu arbeiten. Es ist damit nicht notwendig der Begriff des Alters zu verbinden. Die Senioren sind infolge ihrer Dienste eine Art Ehrenmitglieder der Bienenstöcke. 

2) Um die verschiedenen Kategorien von Bienen in ihrem Verhältnis zum Bienenstock zu unterscheiden, genügt es, einfache Ordnungszahlen einzuführen, z. B. einen Anfänger oder Lehrling als Primus, einen ungelernten Gehilfen oder Handlanger als Sekundus, einen gelernten Handwerker als Tertius, einen Vorarbeiter als Quartus usw. zu bezeichnen, bis etwa hinauf zu dem höchsten leitenden Beamten, welcher ein Dezimus wäre. Dieselben Bezeichnungen wären in analoger Weise auf die Verwaltungsbeamten anzuwenden. Mehr als zehn Stufen sind nicht erforderlich. Diese oder ähnliche Worte bezeichnen genau das Verhältnis zur Gesamtverwaltung, ohne die Bedeutung eines Titels zu haben oder als solcher gebraucht werden zu können.