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Kapitel 4.
Gesamtorganisation.
Brüder! Die Güterproduktion eines Volkes besteht aus zwei Teilen: der gewerblich-industriellen und der landwirtschaftlichen; eure Bienenstöcke sind daher nach diesen beiden Hauptrichtungen zu entwickeln.
Das Wesen eines industriellen Bienenstocks ist euch schon klar; derselbe kann durch Übernahme vorhandener Betriebe oder Errichtung neuer Anlagen entstehen. Außer dem eigentlichen industriellen Betrieb, welcher sich äußerlich wenig von andern Betriebsarten unterscheidet, besteht er aber unter allen Umständen noch aus den obligatorischen sozialen Einrichtungen und dem Tauschlager; erstere sorgen für gute Ernährung, gesunde Wohnung, Hygiene, ärztliche Pflege; ferner für Erziehung, Unterricht und Fortbildung eurer Kinder, Geselligkeit und Erholung; letzteres gibt euch die Möglichkeit des Bezuges aller eurer Lebensbedürfnisse in bester Qualität und zu den niedrigsten erreichbaren Preisen, den Bienenpreisen. Da der Bienenstock somit eure sämtlichen [22] Bedürfnisse für alle Lebensalter und Lebenslagen am Orte seines Bestehens befriedigt, so ist er nicht auf bestimmte Orte angewiesen; ihr werdet ihn vorwiegend außerhalb der Städte anlegen, um die Schädlichkeiten derselben zu meiden und um des Genusses von Luft, Licht und freier Natur teilhaftig zu werden.
Was den landwirtschaftlichen Bienenstock betrifft, so gestaltet sich derselbe wie folgt:
Eine größere Zahl von Landwirten, deren Güter beisammen liegen, beschließen, dieselben zusammenzulegen und gemeinschaftlich zu bebauen; sie beantragen bei der Volkskasse die Errichtung eines Bienenstocks unter gleichzeitiger Bezeichnung derjenigen, welche als Vorstände desselben sich eignen. Die Volkskasse untersucht den Antrag, macht eingehende Erhebungen, findet alle Bedingungen günstig, gewinnt auch die Überzeugung, daß die vorgeschlagenen Vorstände tüchtige, bewährte Landwirte sind, unter deren Führung der Betrieb gedeihen wird; sie schließt mit denselben die Errichtungsurkunde und ermächtigt sie zur Aufnahme des nötigen Kapitals. Infolge der bedingungslosen, unter allen Umständen giltigen Haftung der Volkskasse für Kapital und Zins und infolge des etwas höheren Zinsfußes, welcher geboten wird, ist dieses Kapital bald beschafft und es beginnt die Tätigkeit.
Für die Abtretung des Landes an den Bienenstock wird den früheren Besitzern je nach Wunsch baar Geld bezahlt oder ein Schuldschein des Bienenstockes ausgestellt; letzteres wird wegen des höheren Zinsfußes und der größeren Sicherheit im allgemeinen vorgezogen werden; um so mehr, als der Schuldschein selbst, nach Art einer Banknote, als Zahlmittel für die Verpflichtungen seines Besitzers dienen kann.
Die so zusammengelegten Landbesitze werden nunmehr unter gemeinsamer Verwaltung des unter den früheren Besitzern und Mitarbeitern selbst gewählten Vorstandsausschusses bebaut, wobei dieselben Kräfte und Personen verwendet werden wie früher, jetzt aber als vollbeteiligte Bienen. Die Bebauung geschieht in weit systematischerer und rationellerer Weise wie früher; infolge der Einheitlichkeit der Leitung muß nicht mehr jeder einzelne von euch sich in allen möglichen Tätigkeiten zersplittern, kann sich vielmehr der seinen Fähigkeiten am meisten zusagenden Arbeit widmen; das Resultat eurer Arbeit wird hierdurch vermehrt, verbessert und verbilligt.
Durch die gemeinsamen Maschinen und die großen zusammenhängenden Ländereien wird euer Betrieb ökonomischer, eure Tierzucht wird durch die gemeinsamen Maßnahmen eine bessere; alle Rohmaterialien, Saaten, Dünge- und Futtermittel, Maschinen, Tiere etc. werden im großen bezogen, und zwar in Bienenstöcken, also weit billiger als bisher; eure Produkte gehen ohne Bemühung eurerseits ohne weiteres in die Tauschlager der andern Bienenstöcke und werden dort mit Preisen bezahlt, die nicht geringer sind, als ihr sie sonst im Großverkauf erzielt. Nirgends wird sich der Vorteil gemeinsamer Arbeit so sehr in höheren Erträgnissen ausdrücken wie in der Landwirtschaft; in keinem Betriebe ist der Wert der Haftung der Gesamtheit für den einzelnen Betrieb so augenfällig, wird doch dadurch die schlimmste Sorge, die Unsicherheit über den Ausfall [23] der Ernte, beseitigt und dieses Risiko auf alle Schultern verteilt, wodurch es verschwindet.
Derjenige unter euch, welcher sein Gut an den Bienenstock abtrat, verdient durch die höhere Verzinsung seines Kapitals allein schon so viel wie früher durch seine ganze Arbeit; er bezieht aber, wenn er im Bienenstock in irgend einer Stellung mitarbeitet, außerdem sein garantiertes Normaleinkommen und sein Ergänzungseinkommen und ist an den Senioren-, Invaliditäts- und Witwenanteilen sowie an allen sozialen Einrichtungen beteiligt.
Und welche Umwandlung auch für euch einfache landwirtschaftliche Arbeiter! Ihr seid nun Mitbesitzer eures Gutes, euer Normaleinkommen ist so hoch bemessen wie das eines städtischen Arbeiters und ist euch nebst Krankheits-, Alters-, Witwen- und Waisenanteilen etc. ein für allemal gesichert.
Auch der landwirtschaftliche Bienenstock hat die obligatorischen sozialen Einrichtungen nach den Vorschriften des Arbeitsvertrags zu treffen; er hat sein Krankenhaus mit den Ärzten, seine Schulen mit den Lehrern, seine Speisehallen, seine Bäder und hygienische Einrichtungen usw. zu halten; auch er bietet seinen Bienen die Vorteile des gesunden Essens, der guten Wohnung, der ärztlichen Pflege, der Erziehung der Kinder; auch er stellt denselben in seinem Tauschlager alle Lebensbedürfnisse an Ort und Stelle zu weit billigeren Preisen als bisher zur Verfügung.
Welch ein Unterschied zwischen einer solchen Brüdergemeinde und einer gewöhnlichen Gemeinde, wo jeder allein und einsam mit ungenügenden Mitteln und Kenntnissen für die vielerlei Tätigkeiten eine meist durch die Konkurrenz verbitterte Existenz führt und oft nach seiner Jahresmühe sich durch ein Unwetter um den Lohn seiner Arbeit betrogen sieht! Errichtet erst einmal einige solcher Bienenstöcke, und nur zu bald werden die Nichtbeteiligten den Unterschied ihres Betriebes gegenüber dem euren an dem Stand der Kulturen, am Erträgnis derselben, an der Haltung, dem körperlichen Befinden und dem geistigen Fortschritt der Bienen erkennen und nach kurzer Zeit die dargebotene Bruderhand ergreifen und sich aufnehmen lassen in den allein richtigen Bund der Interessengemeinschaft. 1)
Entsprechend den Mitteln der Volkskasse legt ihr eure industriellen und landwirtschaftlichen Bienenstöcke über das ganze Land, möglichst gleichmäßig verteilt und für die verschiedenartigsten Produkte an, so daß die Gesamtheit derselben alle eure Lebensbedürfnisse, oder wenigstens die wichtigsten derselben, zu befriedigen imstande ist. Betriebe für Waren, die an Ort und Stelle verbraucht werden oder leicht verderblich sind (Brot u. dgl.), werden in kleinerem Maßstab und an vielen Orten angelegt, die andern dagegen konzentriert und in großem Maßstab, um alle Vorteile des Großbetriebes zu sichern; eine Anzahl industrieller Bienenstöcke wird jeweils mit entsprechenden landwirtschaftlichen gruppiert.
Diese Bienenstöcke liefern sich vertragsmäßig gegenseitig ihre Waren; auf diese Weise erhaltet ihr alle eure Lebensbedürfnisse bei jedem euch [24] zunächst liegenden Bienenstock zu Bienenpreisen, frei von einer Unsumme überflüssiger Kosten und von umständlichen Verwaltungsmaßregeln.
Von besonderer Wichtigkeit ist der Umstand, daß alle Bienenstöcke zusammengenommen sich selbst genügen, sich gegenseitig ergänzen, ohne in den allgemeinen Konkurrenzkampf einzutreten und auch ohne sich gegenseitig Konkurrenz zu bieten; denn die Volkskasse untersucht bei Errichtung neuer Bienenstöcke in erster Linie die Bedürfnisfrage; sie wählt dafür diejenigen Orte, welche für das betreffende Produkt die günstigsten Verhältnisse vereinigen, als da sind: die geschultesten Arbeitskräfte, die billigste und leichteste Beschaffung der Materialien, die günstigsten Transportbedingungen und vor allem der gesicherte Konsum durch eine genügende Anzahl von Brüdern.
Durch diese Vorsicht ist die Gefahr des Mißlingens der Bienenstockbetriebe ausgeschlossen, eine Gefährdung des Kapitals wird nur bei ganz besonders ungünstigen Verhältnissen oder Unglücksfällen eintreten; kommt dieser seltene Fall einmal ausnahmsweise vor, dann tritt die Volkskasse für den einzelnen Bienenstock in die Schranken, indem sie etwaige Verluste deckt. Solche Verluste, auf Millionen und Abermillionen von Schultern verteilt, sind keine Verluste mehr; die Volkskasse fühlt dieselben so wenig, wie das Meer das Versiegen einiger Wasserzuflüsse fühlt. Wie die unaufhörlich fallenden Regentropfen, zu Flüssen und Strömen vereinigt, den unermeßlichen, grenzenlosen Ozean bilden, so bilden und erhalten die winzigen aber unaufhörlichen und millionenfachen Tagespfennige der Brüder das Kapital der Volkskasse; fast ließe sich berechnen, in welcher Zeit das letztere so groß sein wird, daß es die gesamte Produktion des Vaterlandes zu tragen imstande ist.
Doch Geduld! Die Geschichte der Menschheit macht ebensowenig plötzliche Sprünge wie die Natur! Nicht alle Brüder können sofort Bienen sein; aber je mehr Brüder ihr seid, je einheitlicher und entschlossener ihr auftretet, desto größer wird das Kapital der Volkskasse, desto rascher reiht sich Bienenstock an Bienenstock, und durch die enorm vermehrende Wirkung der Zeit schließt sich endlich der Kreis, in dessen Umspannung alle Brüder auch Bienen sind, das eigentliche Endziel des Volksvertrags und einer naturgemäßen Volkswirtschaft.
Die vor euren Augen entrollte Gesamtorganisation wird durch ein wunderbares Uhrwerk regiert, dessen Triebfeder die Interessengemeinschaft ist, und in welchem die Volkskasse das Wirken des einzelnen für die Gesamtheit, der Bienenstock dagegen das Eintreten der Gesamtheit für den einzelnen darstellt.
Während die vereinigten Tagespfennige aller Brüder die Machtstellung der Volkskasse begründen, sorgen die auf Grund dieser Macht errichteten Bienenstöcke dafür, den einzelnen Brüdern das Leben zu verbilligen, zu vereinfachen, zu verschönern und ihnen das für die Gesamtheit gebrachte Opfer hundertfach zu ersetzen; den Bienen aber sichert der Bienenstock die ganze Existenz sowie die seiner Angehörigen für alle Fälle des Lebens und macht dieselben hierdurch zu zufriedenen Gliedern der Gesellschaft. [25]
Es wird manchmal das Gleichnis gebraucht, daß die Erde einem durch die modernen Errungenschaften ungemein schön ausgestatteten Wohnhause gleiche, in welchem sich aber die Menschen um die Räume streiten, für welche die Parteien und Klassen die Lebensordnung für die richtige Benutzung noch nicht gefunden haben. 2)
Der Solidarismus erzieht das neue Geschlecht für das neue Wohnhaus und gibt ihm die richtige Benutzungsordnung für dasselbe und die Mittel, dieselbe gerecht zu handhaben“!
So ihr das eingesehen habt, Brüder, verliert es nicht mehr aus dem Sinn; euer Lebenszweck sei fortan, Bienenstöcke zu errichten, Bienen zu werden!
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1) Andere, weniger wichtige Formen von Bienenstöcken siehe Anhang 3, S. 74.
2) Schmoller.
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