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Kapitel 2.
Organisation der Volkskasse. Volksvertrag.
Vorhin wurde vorausgesetzt, eure Volkskasse sei bereits gegründet und fest gefügt; nunmehr ist deren Organisation zu erläutern.
Grundlagen und Zweck der Volkskasse.
Die Volkskasse beruht auf einem Vertrag, den die freiwillig Beitretenden unter sich abschließen; letztere werden im einzelnen, je nach ihrem Geschlecht, Brüder oder Schwestern, in ihrer Gesamtheit aber ohne Unterscheidung Brüder genannt; ihr Vertrag heißt kurzweg Volksvertrag. Die Brüder vereinbaren darin, unter sich die Errichtung von Bienenstöcken zu veranlassen, zu unterstützen und zu fördern und möglichst zahlreiche Brüder zu Bienen, d. h. zu Mitgliedern von Bienenstöcken zu machen. [6]
Bienenstöcke sind Betriebe, welche unter Ausschluß der Erzielung eines Gewinnes folgende Zwecke haben:
1. ihre gesamten Erträgnisse ihren Bienen als Gegenwert ihrer Arbeit auszuzahlen und durch richtige Organisation der Arbeit und der Güterverteilung die Einnahmen der Bienen zu erhöhen, deren Ausgaben zu vermindern und ihre materiellen Bedürfnisse vollständig und in möglichst vollkommener Weise zu befriedigen;
2. durch soziale Einrichtungen auch für die Befriedigung der körperlichen, geistigen und sittlichen Bedürfnisse der Bienen und ihrer Angehörigen, wozu auch ein ausreichendes Maß von Lebensannehmlichkeiten gehört, möglichst vollständig zu sorgen;
3. durch vorsorgliche Maßnahmen die Bienen und ihre Angehörigen von der Geburt bis zum Tode vor den Folgen der natürlichen Ungleichheiten (Verschiedenheit der Gesundheit, der physischen und geistigen Fähigkeiten, der Lebensdauer) und der sozialen Schädlichkeiten (Unfälle, Arbeitslosigkeit) zu schützen;
4. nicht zum Bienenstock gehörende Brüder in möglichst großem Umfange in den Mitgenuß der aufgezählten Vorteile zu setzen.
Zur Erreichung dieser Zwecke hat jeder Bienenstock in seinem Betrieb folgende Abteilungen:
1. einen Produktivbetrieb zur Herstellung von Arbeitsprodukten oder für bestimmte Arbeitsleistungen;
2. ein Tauschlager für Austausch und Verteilung der Güter;
3. die sozialen Einrichtungen;
4. die vorsorglichen Kassen, deren Führung und Kontrolle vertragsmäßig der Volkskasse zusteht, bzw. für welche dieselbe haftet.
Zur Erreichung des Zwecks der Errichtung möglichst vieler Bienenstöcke vereinbaren im Volksvertrag die Brüder, regelmäßige Beiträge in eine gemeinsame Sparkasse, »Deutsche Volkskasse« oder kurzweg »Volkskasse« genannt, einzuzahlen, die angesammelten Gelder möglichst günstig anzulegen und so ein unangreifbares großes Kapital, Stammfonds genannt, zu bilden. Dasselbe wird unter Ausschluß jeder Gewinnerzielung nur zu folgenden gemeinnützigen Zwecken verwendet:
1. für das Kapital und den Zins der Anleihen zu haften, welche von den einzelnen Brüdergruppen zur Errichtung von Bienenstöcken aufgenommen werden, und zwar unter allen Umständen, da nur dann das nötige Vertrauen bestehen kann, den Bienenstöcken größere Kapitalien zu überlassen. Zur Erhöhung des allseitigen Vertrauens wird diese Volkskasse einer behördlichen oder staatlichen Aufsicht unterstellt;
2. für die zwischen den Bienenstöcken und ihren Bienen vereinbarten Normaleinkommen sowie Krankheits- und Unfallszuschüsse zu haften, selbst wenn die Erträgnisse des betreffenden Bienenstocks hierzu nicht ausreichen. Diese Haftung ist nur aufgehoben im Falle von Arbeitseinstellungen infolge von Kriegen, Revolutionen und Streiks, da deren Wirkungen so verheerend sind, daß der Bestand der Volkskasse gefährdet wäre, wenn sie auch hierfür haften wollte. [7]
Außerdem errichtet die Volkskasse aus einem Teil der Erträgnisse aller Bienenstöcke einen gemeinsamen »Anteilfonds«, aus welchem den Bienen Invaliden-, Witwen- und Waisenanteile und vom 65. Lebensjahre ab Alters- oder Seniorenanteile ausbezahlt werden.
Die auf diesen Grundlagen errichteten Bienenstöcke übernehmen im Volksvertrag die Gegenverpflichtung, ihre Produkte den Brüdern zu »Bienenpreisen« zu liefern.
Unter Bienenpreis ist nicht bloß der Produktionspreis allein verstanden, sondern der Preis, welcher entsteht aus der Beschaffung der Materialien, der Herstellung der Ware und der Verbringung derselben in den Verkehr, d. h. aus den gesamten Betriebskosten des Bienenstocks; es ist der wirkliche, natürliche Selbstkostenpreis.
Ferner übernehmen die Bienenstöcke die Verpflichtung, den Brüdern alle Lieferungen und Arbeiten für die Bienenstöcke zu übertragen und dieselben in den Genuß aller Rechte und Vorteile zu setzen, welche durch das Bestehen des Volksvertrags und der Bienenstöcke vorhanden sind oder sein werden, um deren wirtschaftliche Wohlfahrt und Unabhängigkeit zu heben.
Endlich verpflichtet sich die Volkskasse, in einem besonderen Sparkassenfonds die Gelder und Ersparnisse der Brüder und Bienenstöcke zu verwalten und denselben den vollen sich daraus ergebenden Zinsertrag auszuzahlen, selbstverständlich abzüglich der Spesen.
Finanzen der Volkskasse.
Der Volksvertrag enthält demnach Bestimmungen über die Finanzen der Volkskasse, über den Stammfonds, den Anteilfonds, den Sparkassenfonds und die Jahresabrechnung sowie über die Prüfung derselben durch die Organe des Staates. Die Volkskasse behält unter allen Umständen das Eigentumsrecht an allen zur Errichtung gelangenden Bienenstöcken, während die in denselben jeweils angestellten Bienen das Nutzungsrecht haben, und zwar unter den Bedingungen eines besonderen Vertrags, welcher Arbeitsvertrag der Bienenstöcke heißt und einen Teil des Volksvertrags bildet. 1) Auch sind Bestimmungen vorhanden über die Verwendung freier Kapitalien zu gemeinnützigen Zwecken. Gesonderte konfessionelle oder politische Interessen dürfen dabei nicht unterstützt werden, aus dem einfachen Grunde, weil die Volkskasse lediglich zu rein wirtschaftlichen Zwecken gebildet ist und ihre Mittel nur für solche verwenden darf.
Der Betrieb der Volkskasse geschieht nicht zum Erwerb, sondern ausschließlich für die geschilderten gemeinnützigen Zwecke; Gewinne oder Überschüsse sind daher nicht vorhanden. Dagegen darf die Volkskasse auch keine Spesen selbst tragen und muß sich dieselben grundsätzlich ersetzen lassen. [8]
Verwaltung und Leitung der Volkskasse.
Der Volksvertrag enthält ferner Bestimmungen über die Verwaltung und Leitung der Volkskasse. Die Verwaltung geschieht durch einen Ausschuß von Vertrauensleuten, welcher unter den besten und tüchtigsten, schon in reiferem Alter stehenden und erfahrenen Bienen, nach einer bestimmten Wahlordnung, von der Gesamtheit der über 25 Jahre alten Brüder auf je 5 Jahre gewählt wird. Daß dieser Ausschuß aus Bienen, d. i. Mitgliedern von Bienenstöcken bestehen muß, ist selbstverständlich, da sie nur als solche die nötigen Erfahrungen für ihr Amt gesammelt haben können.
Die Gesamtheit dieses Ausschusses heißt der Volksrat. Die Zahl der Mitglieder desselben richtet sich nach der Zahl der dem Volksvertrag angehörenden Brüder und beträgt eines für jede halbe Million, darf jedoch unter eine gewisse Mindestzahl, etwa 9, nicht heruntergehen. Der Volksrat ist Vertreter und Bevollmächtigter der Gesamtheit der Brüder; er entscheidet in regelmäßig stattfindenden Tagungen über alle die Ausführung des Volksvertrags und die Verwaltung der Volkskasse betreffenden Angelegenheiten, über die bestmögliche Verwertung und Anlage ihres Vermögens, über die Wahl von Beamten der Volkskasse und die Errichtung von Bienenstöcken und hat bei eventuellen Differenzen in Angelegenheiten der Volkskasse und der Bienenstöcke durch kostenlosen Schiedsspruch unter Ausschluß der Gerichte zu entscheiden, jedoch stets erst nach vorhergegangenem Vermittlungsversuche. Der Volksrat hat das Recht, die Öffentlichkeit seiner Sitzungen für die Brüder zu beschließen; alle Schiedsspruchsitzungen sind von Rechts wegen öffentlich.
Der Volksrat hat auch die Befugnis, von seinem Eigentumsrecht Gebrauch zu machen und einen Bienenstock aufzulösen, jedoch nur unter gewissen, voraus bestimmten Verhältnissen, z. B. wenn ein Bienenstock mehrere Jahre hindurch mit starken Verlusten arbeitet und damit selbst beweist, daß sein Dasein keine Berechtigung hat, oder wenn ein Bienenstock die eingegangenen Vertragsbedingungen nicht einhält oder durch Streiks und Gewaltmittel Sondervorteile erreichen will. Die Beschlüsse der Volksräte, mit Ausnahme der Wahlen und Bestellung von Beamten, werden unter Angabe der Namen und der einzelnen Abstimmungen veröffentlicht. Die Volksräte bleiben während ihrer Tagungen im vollen Bezug ihrer Einkommen aus ihren Bienenstöcken und beziehen von der Volkskasse eine Entschädigung für ihre Mühewaltung. Es ist denselben verboten, Orden und Titel anzunehmen, um in ihrer ungemein wichtigen und großen Aufgabe der Verwaltung der Volkskasse unbeeinflußt zu bleiben.
Die eigentliche Leitung der Geschäfte der Volkskasse, d. h. die Ausführung der Beschlüsse des Volksrats, geschieht durch das Direktorium, welches aus einer durch den Volksrat zu bestimmenden Anzahl und von diesem zu erwählenden Direktoren besteht. Das Direktorium ist auch der gesetzliche Vertreter der Volkskasse nach außen.
Da ein direkter geschäftlicher Verkehr zwischen den einzelnen Volksräten und Direktoren undurchführbar ist, so erwählen die Volksräte aus ihrer Mitte, als ihren ständigen Bevollmächtigten und Vermittler zwischen [9] dem Volksrat und dem Direktorium einen höchsten Beamten, den Präsidenten der Volkskasse, welcher die Beschlüsse des Volksrates ausfertigt und deren Durchführung veranlaßt und überwacht, welcher ferner in Ausführung der Beschlüsse des Volksrats die Beamten der Volkskasse ernennt oder entläßt und sie auf den Volksvertrag verpflichtet, welcher ferner im Namen der Volkskasse Verträge abschließt und nach Bedarf außerordentliche Tagungen des Volksrates einberuft. Nur ein Volksrat, welcher schon 5 Jahre lang als solcher tätig war, kann zum Präsidenten gewählt werden, niemals aber zweimal hintereinander; diese Bestimmung sichert einerseits die nötige Erfahrung, anderseits die nötige periodische Auffrischung für dieses wichtige Amt der Volkskasse.
Da die Volkskasse ihren Wirkungskreis über das ganze Land erstreckt, so muß sie in den einzelnen Bezirken desselben und bei den einzelnen Bienenstöcken durch Bevollmächtigte, die Delegierten der Volkskasse, vertreten sein. Diese vermitteln zwischen den Brüdern und Bienenstöcken ihres Bezirks und der Volkskasse und berichten laufend an letztere über ihre Geschäfte; sie wohnen den Vorstandssitzungen der ihnen zugewiesenen Bienenstöcke beratend bei und haben das Recht, Anträge zu stellen; sie nehmen in deren Bücher und Akten, Betriebe und Einrichtungen, überhaupt in ihre Geschäftsführung Einsicht und unterstützen deren Vorstand mit Rat und Tat; sie nehmen ferner die Anträge der Brüder aus ihren Bezirken auf Errichtung neuer Bienenstöcke entgegen und begutachten dieselben bei der Volkskasse; sie vertreten in allen Lagen das Interesse der Gesamtheit der Brüder gegen alle etwaigen Sonderinteressen und haben zu bestimmten Tagen und Stunden die sich meldenden Bienen und Brüder persönlich zu empfangen, deren Wünsche und Anträge zu hören, zu prüfen und ihnen die geeignete Folge zu geben. Sie sind auch die natürlichen Vermittler bei Differenzen zwischen den Bienenstöcken und Brüdern und haben, im Falle ihre Vermittlung mißlingt, den Schiedsspruch der im Volksvertrag vorgesehenen Instanzen herbeizuführen.
Die Delegierten selbst sind wieder unterstützt teils durch bezahlte Beamten, teils durch freiwillige Ortsvertreter. Die Brüder und Bienen haben die Pflicht, derartige kleine Ämter, welche zur Förderung der gemeinsamen Zwecke dienen, unentgeltlich zu übernehmen und in ihren Kreisen hierfür zu wirken.
Die Beziehungen des Volksrats zu den verschiedenen Beamten der Volkskasse sowie die Beziehungen der letzteren unter sich, der Kreis ihrer Tätigkeit, ihre Kompetenzen, Geschäftsordnungen und Bezüge sind selbstverständlich im Volksvertrag sorgfältig festgestellt. Derselbe enthält auch für alle Beamten der Volkskasse die Bestimmung, daß sie weder Orden noch Titel annehmen dürfen und daß der geschäftliche Verkehr der Volkskasse sich in den einfachsten Formen unter Weglassung von Titulaturen und nicht sachlichen Formeln und Formalitäten zu bewegen hat.
Pflichten und Rechte der Brüder.
Von besonderer Wichtigkeit ist derjenige Teil des Volksvertrags, welcher die Pflichten und Rechte der Brüder behandelt. Die allgemeinsten [10] und vornehmsten Pflichten der Brüder sind das Wirken des einzelnen für die Gesamtheit sowie unantastbare Ehrenhaftigkeit und Wahrhaftigkeit. Der Volksvertrag beruht auf dem gegenseitigen Vertrauen, daß die versprochene Vertragstreue eingehalten, d. h. der Volksvertrag anerkannt werde, und daß die Brüder alles tun, was die Interessen und Zwecke der Volkskasse fördert, und alles unterlassen, was der Volkskasse, den Bienenstöcken und den Brüdern Nachteile bringen kann. Insbesondere wird das Nehmen und Geben von Provisionen in Angelegenheiten der Volkskasse und Bienenstöcke verboten.
Neben diesen allgemeinen Pflichten der Brüder sind einige besondere Pflichten zu erfüllen; die wichtigsten derselben sind die Zahlung regelmäßiger Beiträge an die Volkskasse, Brüderbeiträge genannt, der Bezug aller Lebensbedürfnisse aus Bienenstöcken, soweit diese dazu ausreichen, sowie endlich die Vorlage aller ihrer Differenzen in Sachen des Volksvertrags unter Ausschluß der Gerichte an die Volkskasse und die Unterwerfung unter deren Schiedsspruch.
Die Höhe des Brüderbeitrags ist grundsätzlich monatlich 1 Mark; sie darf jedoch für die kleinen Einkommen bis etwa 1500 Mark im Jahr auf den Mindestbeitrag von monatlich 50 Pfennig reduziert werden; das entspricht fast genau dem in Kapitel 1 vorgeschlagenen täglichen Pfennig pro Kopf. 2)
Brüder mit Einkommen über 3000 Mark mögen selbst ihren Beitrag entsprechend erhöhen; in Anbetracht der von den Brüdern übernommenen Pflicht der Ehrenhaftigkeit und Wahrhaftigkeit wird die Bemessung der Brüderbeiträge nicht kontrolliert.
Als Brüder werden nur Personen aufgenommen, welche das 17. Jahr vollendet haben; unter diesem Alter genießen dieselben als Familienmitglieder von Brüdern mit diesen die Vorteile der Volkskasse ohne Beitragsleistung. Über 17 Jahre alt, müssen sie hierzu selbst Brüder sein.
Es leuchtet ein, daß es praktisch undurchführbar wäre, die Brüderbeiträge täglich und pfennigweise einzuzahlen; es ist daher eine möglichst einfache, wenig Zeit und Mühe nehmende Methode für die Beitragsleistung gewählt, welche beinahe keine Verwaltung erfordert, auch schon zu den feststehenden Lebensgewohnheiten gehört, nämlich das Einkleben von Wertmarken in hierzu bestimmte Karten, monatlich einmal.
Diese Karten heißen Brüderscheine; sie sind streng persönlich und dienen den Brüdern als Legitimation bei Ausübung aller ihrer Rechte, wobei die Wertmarken von Zeit zu Zeit entwertet werden, z. B. beim Bezug von Waren aus Bienenstöcken u. dgl.
Jeder ausgefüllte Brüderschein wird durch den Delegierten des Bezirkes gegen einen neuen umgetauscht, eventuell per Post, bei welcher Gelegenheit der Delegierte entsprechende Eintragungen in die Brüderakten vornimmt, welche er für alle Brüder seines Bezirkes zu führen hat. Bemerkungen über das politische oder religiöse Bekenntnis der Brüder dürfen diese Akten nicht enthalten. Beim Wohnsitzwechsel eines Bruders wird dessen Brüderakt dem Delegierten seines neuen Wohnsitzes übergeben. [11] Diese Brüderakten sind die Grundlage der Volkskasse für ihre Statistik über Produktion, Konsum, Arbeitsmarkt, Anzahl der Brüder etc. Damit diese Akten immer richtig seien, enthält jeder Brüderschein nur 12 Markenfelder, wodurch die Erneuerung jedes Jahr einmal automatisch erfolgt.
Die Brüder müssen ihren Brüderbeitrag mindestens für die letztverflossenen 12 Monate ohne Einziehung des Brüderscheins geleistet haben, um im Vollbesitz der Brüderrechte zu sein. Man kann daher vom 16. Jahre ab Brüderbeiträge leisten und mit dem 17. Jahre Bruder werden.
Auch die Rechte der Brüder sind im Volksvertrag genau aufgezählt. Das allgemeinste und vornehmste Recht der Brüder ist das Eintreten der Gesamtheit für jeden einzelnen. Im besonderen haben die Brüder folgende Rechte: Auf Grund der Wahlordnung die Volksräte zu wählen; neue Bienenstöcke zu errichten, soweit der Stammfonds der Volkskasse jeweils für die entsprechenden Haftungen ausreicht; in vorhandenen Bienenstöcken als Bienen angestellt zu werden, soweit dies möglich ist und soweit sie ihren Brüderbeitrag mindestens 60 Monate ohne Einziehung des Brüderscheins geleistet haben und die sonstigen im Arbeitsvertrag der Bienenstöcke genannten Bedingungen hierzu erfüllen; von den Bienenstöcken Waren und Leistungen zu Bienenpreisen für sich und ihre unter 17 Jahre alten Angehörigen zu erhalten, bzw. Lieferungen und Leistungen für Bienenstöcke auszuführen; die Volkskasse als Sparkasse für ihre Ersparnisse zu benutzen gegen Auszahlung des vollen sich daraus ergebenden Zinsertrages; endlich in Streitfällen kostenfreien Schiedsspruch durch die Organe der Volkskasse zu erlangen.
Die Erfüllung der Brüderpflichten ist eine freiwillige, die Nichterfüllung bedeutet demnach freiwilligen Austritt aus dem Volksvertrag und Verzicht auf die Brüderrechte. In diesem Falle wird der Brüderschein eingezogen, worüber der Volksvertrag präzise Bestimmungen enthält, namentlich um Irrtümer und Benachteiligungen zu vermeiden. Insbesondere darf die Einziehung nur bei Ausübung eines Brüderrechtes stattfinden, also niemals für eine Handlung im Privatleben an sich. Wenn die Pflicht der Ehrenhaftigkeit selbstverständlich als eine ganz allgemeine aufzufassen ist, so kommt doch in Sachen der Brüderscheine allein das Verhältnis zum Volksvertrag in Betracht. Hierdurch ist Denunziation, Beaufsichtigung des Privatlebens etc. ausgeschlossen. Etwa doch vorkommende Übergriffe oder Irrtümer können durch die vorgesehenen Rekurse gutgemacht werden. Rechte, welche bis zum Tage der Einziehung erworben waren, können unter keinen Umständen entzogen werden; die Brüderrechte können auch jederzeit wieder erworben werden durch 12 Monate langes Einzahlen eines Brüderbeitrags an die Volkskasse ohne neuerliche Einziehung des Brüderscheins.
Ein Strafrecht der Volkskasse gegenüber den Brüdern existiert nicht; daher enthält der Paragraph über die Einziehung der Brüderscheine keine Aufzählung von Vergehen und Abstufung von Strafen, sondern nur allgemein Erfüllung oder Nichterfüllung der Brüderpflichten. [12] Mit der Ehrenhaftigkeit ist kein Kompromiß möglich; man gehört daher zur Volkskasse oder nicht; Zwischendinge sind unmöglich. Sollte trotz dieser Einfachheit manchmal ein Zweifel vorkommen, so ist derselbe stets zugunsten des betreffenden Bruders auszulegen; außerdem ist der Weg zum Wiedereintritt immer offen und wird so leicht als möglich gemacht. Die Einziehung des Brüderscheins ist lediglich das äußere Merkmal für die Auflösung des Vertragsverhältnisses, aber keine Strafe.
Bedingungen zur Errichtung von Bienenstöcken.
Endlich enthält der Volksvertrag Bestimmungen über die Errichtung von Bienenstöcken, die Form der betreffenden Anträge, die Art der Prüfung und Genehmigung bzw. Ablehnung derselben, die Ernennung des Vorstandes der zu errichtenden Bienenstöcke und die Aufstellung der Errichtungsurkunde derselben.
Selbstverständlich steht der Volkskasse selbst die Initiative zur Errichtung von Bienenstöcken zu, aber auch die Brüder haben das Recht, Anträge dazu zu stellen. Dieses Antragsrecht bezweckt, der Volkskasse aus allen Teilen des Landes her, aus den daran am meisten interessierten Kreisen, Anregungen zu industriellen Unternehmungen zu geben. Um jedoch von vornherein unreife Vorschläge zu vermeiden, haben nur solche Mitglieder der Volkskasse das Antragsrecht, welche mindestens 5 Jahre lang ihre Brüdertreue bewährt und dadurch schon Erfahrungen in Volkskassen-Angelegenheiten gesammelt haben. Es handelt sich dabei nicht darum, bei den Organen der Volkskasse aufs Geratewohl einen solchen Antrag zu stellen, vielmehr muß derselbe von den Antragstellern in jeder Beziehung gründlich erwogen und begründet sein; zu diesem Zweck erhalten die Antragsteller Formulare, welche eine Anzahl von Fragen stellen, aus deren wahrheitsgetreuer Beantwortung ein Urteil möglich ist über die Persönlichkeit der Antragsteller selbst und deren Fähigkeiten, sowie über die Art des beabsichtigten Betriebes, dessen finanzielle und technische Grundlagen, die Wahl des Ortes und die Chancen, die er bietet, die Möglichkeit der Beschaffung des Personals usw. Fragen über das politische oder religiöse Bekenntnis der Antragsteller dürfen dabei nicht gestellt werden. Gleichzeitig mit dem Antrag haben die Antragsteller für die Kosten des Verfahrens eine, allerdings verhältnismäßig geringe, Geldsumme zu deponieren, welche zu dem Kapital des zu errichtenden Bienenstocks im Verhältnis steht, und welche ihnen bei Errichtung des Bienenstocks zurückvergütet wird, bei Nichterrichtung desselben jedoch der Volkskasse verbleibt. Nur durch dieses Mittel ist es möglich zu verhindern, daß bei der Volkskasse ungenügend vorbereitete oder unüberlegte Anträge gestellt werden, durch welche derselben unnütze Arbeiten und Kosten erwachsen.
Die so vorbereiteten Anträge werden durch die Organe der Volkskasse sorgfältig geprüft unter Zuziehung der Antragsteller und hierauf entweder unter Angabe der Gründe abgelehnt oder definitiv genehmigt. Im letzteren Falle ernennt die Volkskasse die Vorstände des zu errichtenden Bienenstocks meist aus dem Kreise der Antragsteller selbst und [13] schließt mit ihnen die Dienstverträge ab; die so ernannten Vorstände haben hierauf durch ihre Unterschrift die Errichtungsurkunde des neuen Bienenstocks anzuerkennen. Diese enthält die Verpflichtung auf den allen Bienenstöcken gemeinsamen Arbeitsvertrag der Bienenstöcke (siehe nächstes Kapitel) sowie auf diejenigen Bestimmungen, welche für den betreffenden Bienenstock speziell vereinbart sind, also über die Höhe des Anleihekapitals, die Aufstellung der Bilanzen u. dgl. Hierauf gehen die Vorstände in ganz ähnlicher Weise vor wie etwa die Direktoren einer neu errichteten Aktiengesellschaft; sie bauen ihre Werkstätten, richten dieselben ein, stellen ihr Personal an und setzen ihren Betrieb in Gang. Der Unterschied gegen andere Betriebsformen ist beim Bienenstock der, daß außer dem technischen oder produktiven Betrieb von vornherein ein Tauschlager für die wichtigsten Lebensbedürfnisse und die Gesamtheit der nötigen sozialen Einrichtungen für die Bienen mit zu errichten ist.
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1) Dieser Arbeitsvertrag der Bienenstöcke kommt im nächsten Kapitel zur Besprechung.
2) Statistischen Beweis hierfür siehe Anhang 2, Seite 73.
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