BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Rudolf Diesel

1858 - 1913

 

Die Entstehung des Dieselmotors

 

1913

 

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4. Versuchsreihe.

(Oktober - Dezember 1894)

 

Diese kann als die Periode der Gasversuche bezeichnet werden.

Einrichtung der städtischen Gasleitung nebst Gasuhr im Versuchslokal.

Umbau des einstufigen Einblasekompressors in einen Verbundkompressor, da die frühere einstufige Kompression der Einblaseluft sich als zu unvollkommen erwiesen hatte.

In der Zwischenzeit richte ich einen sog. äußeren Vergaser für flüssige Brennstoffe ein; da er aus vorhandenen Teilen zusammengesetzt wurde, existiert davon keine Werkstattzeiehnung, wohl aber eine Handskizze, von welcher Fig. 12 eine Wiedergabe ist.

 

 

Die vom Motorzylinder A nach dem Prinzip der Selbsteinblasung s. S. 24 entnommene Luft geht durch einen Kiestopf B, der als Sicherheitsvorriehtung dient, und von da mittels Tauchrohrs in den Brennstoff, der sich in der Bombe C befindet; diese ist von außen durch Gasbrenner D geheizt, die in der Bombe entwickelten Gase gehen durch eine Rohrleitung und ein Regulierventil E hindurch zum Düsenraum des Zylinders.

Mit diesem äußeren Vergaser wurden zunächst die bis dahin noch unbekannten Druckkurven für Benzin und Lampenpetroleum bestimmt (Fig . 13). [31] Beobachtung, daß Petroleum- und Benzindampf viel schwerer ist als Luft und stets zu Boden sinkt, er kann von einem Gefäß in das andere umgeleert werden. (11)

Dieser äußerst gefährliche Apparat ergab nun mit Benzin die ersten prinzipiell richtigen Diagramme Nr. 15, mit deutlich markierter Kompression, Admission, Expansion (11. Oktober 1894), und zwar sowohl mit als ohne elektrische Zündung. Journaleintragung: „Die elektrische Zündung sichert die richtige Verbrennung durchaus nicht, die Zündung durch Kompression allein genügt,“ Ich hatte bisher mit Benzin nur zufallsweise ein einziges ähnliches Diagramm (Nr. 8) erzielt, aber nur vorübergehend, und war nicht imstande gewesen, es zu wiederholen. [32]

Dieser Erfolg schien also meine Ansicht zu bestätigen, daß die Vergasung im Zylinder selbst das Hindernis zur Breitenentwicklung des Diagramms gewesen war, indem sie der verdichteten Luft zu viel Wärme entzog.

Da nun inzwischen prinzipiell richtige Diagramme mit flüssigen Brennstoffen vor Einleitung der Gasversuche erreicht waren, berief ich die beteiligten Firmen zu einer neuen Konferenz am 12. Oktober 1894.

 

 

In Gegenwart der Herren Heinrich Buz und Vogel aus Augsburg, Albert Schmitz, Gillhausen, Ebbs und Hartenstein von der Firma Krupp werden diese Versuche wiederholt. Es wird aber trotzdem beschlossen, zunächst die Versuche mit Leuchtgas durchzuführen und erst nach deren Abschluß die Arbeiten mit flüssigen Brennstoffen wieder aufzunehmen, da im äußeren Vergaser fortwährend Explosionen auftreten, die die Fortführung der Versuche nicht ratsam erscheinen lassen. Die Vorarbeiten zu den Leuchtgasversuchen sind erst am 5. November 1894 beendet. Wiederaufnahme der Versuche. [33]

Erste Anwendung der mit der Düse verbundenen Einblaseflasche, als welche zunächst ein starkes Petroleumgefäß verwendet wird, und des Compound-Kompressors. Im übrigen ist die Maschine wieder dieselbe wie Fig. 5, 6, d. h. wie in den Versuchsperioden 2 und 3.

Da aber die Versuche mit flüssigen Brennstoffen schon erfolgversprechend waren, so lasse ich die Maschine doch so einrichten, daß sie sowohl mit Gas als mit flüssigen Brennstoffen betrieben werden kann. Aus Fig. 6 ist ersichtlich, daß das Gas unter Druck von links her in die Düse mündet, durch die Bombe hindurch, die in diesem Falle als Druckausgleicher dient. Der flüssige Brennstoff dagegen kommt von rechts her direkt in die Düse aus einer Hochdruckleitung durch ein Tropfenregulierventil; die Düse enthält in ihrem oberen Teil den schon früher erwähnten Zerstäuber, bestehend aus einer Spule mit durchlochten Rändern, zwischen welchen dieses Mal feines Drahtgewebe aufgewickelt ist.

Ein Vorversuch der Einblasung von Benzin ohne den Vergasungsapparat ergab Diagramm Nr. 16, ähnlich wie Nr. 8 vom 22. Februar 1894. Damit war das frühere Zufallsdiagramm Nr. 8, welches acht Monate lang verloren gewesen war, auch ohne Vergasungsapparat endlich reproduziert und dessen Entstehungsbedingungen durch Einblasung genau festgelegt.

7. November 1894. Direktes Einblasen von Gas mit 33–34 Atm. Druck. Es entsteht Diagramm Nr. 17. Bei Gasbetrieb treten aber zahlreiche Versager auf. Nun ist das Petroleumdiagramm Nr. 15–16 an der Spitze viel besser entwickelt als das Gasdiagramm Nr. 17. Jetzt endlich tritt die richtige Erklärung auf, daß nicht die Verlegung der Vergasung außerhalb des Kompressionsraumes der maßgebende Faktor bei der Diagrammbildung ist, sondern die Mischung des Brennstoffes mit Luft während seiner Einströmung, also die Einblasung mit Luft. Durch diese Mischung brennt der einströmende Strahl nicht nur an seiner Oberfläche, sondern in seiner ganzen Masse und entwickelt dadurch die notwendige Vergasungswärme, welche die verdichtete Luft allein nicht aufbringen kann. Da der Kompressor für die Verdichtung des Leuchtgases gebraucht wird und für gleichzeitige Lufteinblasung keine Pumpe vorhanden ist, so können leider Versuche mit Einblasung von Gasluftgemischen nicht gemacht werden, welche wahrscheinlich auch mit Gas sofort die richtige Diagrammform und Beseitigung der Versager ergeben hätten.

Zur Beobachtung der Verbrennung von Gasströmen werden Zündversuche mit Gas an offener Luft gemacht. Journal: „Ein schon brennender Gasstrom erlischt, wenn er durch Druckerhöhung zu heftig wird. Sowohl ein schwacher [34] wie ein starker Gasstrom zündet nicht an rotglühendem Eisen, sondern kühlt das Eisen so stark, daß es schwarz wird.“

Experimente der Zündung von Gasströmen an offner Luft mit elektrischen Funken in Gegenwart des Herrn Robert Bosch sind gänzlich erfolglos.

Diese interessanten Beobachtungen zeigen, daß reiner Gasstrom ohne Luftbeimi­schung ungemein schwierig zündet und brennt.

Um die zahlreichen Versager auf anderem Wege als mit künstlicher Zündung zu vermeiden, werden die ersten Versuche mit zweierlei Brennstoff gemacht (13. November 1394). Journal: „Eintropfen winziger Benzinmengen in die Düse.“ Der vorgelagerte Benzintropfen wird von dem Gas vor sich her getrieben und zündet den nachfolgenden Gasstrom. Journal: „Jede Fehlzündung hört auf.“ Dieses Einlagern eines leicht entzündlichen Tropfens Zündbrennstoffs an die Mündung der Düse vor dem Einblasen wurde bekanntlich in neuerer Zeit für Teerölmotoren neu patentiert. (8)

Die Diagramme werden nun schön konstant und für deren Entwicklung sind nur die kalibrierten Düsenlöcher (Düsenplatten) maßgebend, mit welchen jetzt systematische Gasversuche gemacht werden.

Bei 1 mm Düsenloch kleines Diagramm,

bei 2 mm Düsenloch Leerlauf mit Gas usw.,

bei stärkeren Düsenlöchern Rußentwicklung, aber immer keine rechte Breitenentwicklung, letztere erfolgt immer erst später während der Expansion, also offenbar nach besserer Beimischung von Luft, ein Zeichen, daß die Beimischung von Luft während der Einblasung diesen Fehler beseitigen würde.

Vergleich dieser Resultate mit denen von Benzin und Petroleum. Feststellung, daß letztere Diagramme besser waren, weil Luft mit ein geblasen wurde. Entdeckung des Gesetzes von der Selbstisolierung der Flamme und von der Notwendigkeit der Einblasung mit Luft.

Statt aber nunmehr dieses Gesetz auf das Gas anzuwenden, werden wegen des vorhin erwähnten Mangels einer besonderen Luftpumpe nunmehr zahlreiche Versuche gemacht, den Gasstrom rein einzublasen, ihn aber innerhalb des Kompressionsraumes besser mit der vorhandenen Luft zu mischen, und zwar durch ein Mischmundstück an der Düse, nach Fig. 14, ein mit zahlreichen kleinen Löchern versehenes dünnes Stahlrohr, das den ganzen Verbrennungsraum durchzieht. Journal: „Wir erreichen endlich prinzipiell richtige Diagramme mit Gas.“ (Diagr. 18 und 19, 16. November 1894.) Der obere Teil des Diagramms ist breit, die kleine Nacheilung und unruhige [35] Verbrennung kommt noch von der Steuerung. Je zahlreicher die Löcher des Mischmundstückes, desto sicherer werden die Zündungen, so daß zeitweise auch Gasbetrieb ohne Zündbrennstoff möglich wird. Journal: „Das bisherige Hindernis zur Entwicklung der Diagrammspitze ist der Strahl selbst, der die Luft vor sich her treibt und die Flamme selbst isoliert, statt sich mit ihr zu mischen.“ „Zweites wichtiges Hindernis Mangel an Luft, da rechnungsmäßig etwa die Hälfte der komprimierten Luft in den Aussparungen des Kolbenaufsatzes sich befindet und nur die andere Hälfte in der Verbrennungskammer.“

 

 

Untersuchung der Maschine: „Deutliche Zeichen, daß in den verlorenen Räumen keine Verbrennung stattfindet; dieses Hindernis kann leider ohne Umkonstruktion der Ma­schine nicht beseitigt werden.“ Die Gasversuche hatten also, trotzdem ihre Veranlassung auf einem Trugschlusse beruhte, die Beobachtungen geklärt. Sie führten zur endgültigen Festlegung zweier der wichtigsten Gesetze des Dieselmotorbaues, nämlich: [36]

1. Das Gesetz der Selbstisolierung der Flamme und der Notwendigkeit der Einblasung des Brennstoffs mit Luft zur Sicherung der Vergasung;

2. das Gesetz von der Notwendigkeit der Heranziehung der gesamten Luft des Kompressionsraumes zur Verbrennung.

Ferner führten die Gasversuche zu dem Verfahren der Vorlagerung des Zündtropfens in die Düsenspitze, im Falle der Anwendung schwer entzündlicher Brennstoffe oder anderer Zündungserschwernisse, wie Luftmangel und dergl.

Dann wurden in dieser Periode die Verbundkompression der Einblaseluft und die Einblaseflasche eingeführt sowie wichtige Versuche mit Düsenmundstücken und insbesondere mit kalibrierten Düsenplatten angestellt. Endlich führten die Versuche zu prinzipiell richtigen Diagrammformen sowohl mit Gas als flüssigen Brennstoffen und zur Variation der Verbrennungskurve von Explosion durch konstanten Druck bis zu beliebig fallender Gestalt.

Unterbrechung der Versuche, um diese Gesetze und Erfahrungen nunmehr konstruk­tiv durchzuführen. Brief an Krupp vom 16. November 1894 mit Zusammen­fassung dieser Versuchsreihe. Gleichzeitig Vorschlag, die Verbrennungskammer aus dem Kolben heraus­zulegen.

Diese Maschine war nun doch schon so weit brauchbar, daß sie nach Österreich (Berndorf) gesandt werden konnte, um dort am 17./18. Januar 1895 zum Patentnachweis zu dienen. Die dortigen Versuche fanden statt mit Selbsteinblasung von Benzin. Die für das Verfahren wesentlichen Teile des Motors waren in der Kruppschen Fabrik in Berndorf hergestellt worden, und zwar nach neuen Zeichnungen, die den letzten Erfahrungen in Augsburg entsprachen.